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Widerstandsrecht laut Artikel 20 Grundgesetz ist gegeben / EU Verfassung, stillschweigender Staatsstreich

junge Welt vom 07.03.2005

Inland
Widerstandsrecht laut Artikel 20 Grundgesetz ist gegeben
Entwurf der EU-Verfassung bereitet stillschweigenden Staatsstreich vor. Europa-Konferenz von ATTAC fordert Gegenaktionen
jW-Bericht

Zum Widerstand gegen die geplante EU-Verfassung hat eine Europa-Konferenz des Netzwerkes ATTAC aufgerufen. An der Veranstaltung, die am Freitag und Samstag in Stuttgart stattfand, nahmen Gewerkschafter und Friedensaktivisten u.a. aus Österreich, Polen, Ungarn, Ghana, Tansania und Frankreich teil. Die Konferenz rief zum europaweiten Aktionstag gegen die EU-Verfassung am 19. April in Brüssel auf.

In der Abschlußerklärung des Kongresses heißt es, der Entwurf der EU-Verfassung laufe auf einen »Systemwechsel gegenüber den Festlegungen des Grundgesetzes« hinaus. Die Rolle des Militärs bleibe künftig nicht mehr auf die Landesverteidigung beschränkt, sondern werde »zugunsten einer militärisch-expansiven Interventionsfähigkeit zur Sicherung der EU-Wirtschaftsinteressen« verändert. Die EU schicke sich somit an, konkurrierend mit den USA selbst zur imperialen Weltmacht zu werden. Das sei ein Rückfall in die »imperialen Tradititionen der Kolonialreiche.«

In dem Dokument wird ferner kritisiert, die im Grundgesetz vorgeschriebene Zustimmung des Parlaments für Militäreinsätze werde mit der neuen Verfassung abgeschafft. Die Rolle des EU-Parlaments beschränke sich auf Anhörungsrechte. Außerdem höhle der Entwurf das vom Grundgesetz garantierte Sozialstaatsprinzip aus.

Nicola Andersson von der Gewerkschaft SUD in Avignon berichtete, die EU-Verfassung werde in Frankreich in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Nicht viel anders stellt sich die Situation in Deutschland dar. Zur Illustration berichtete Heike Hänsel von der Tübinger Gesellschaft »Kultur des Friedens«, bei dem vor der Konferenz anberaumten Pressegespräch hätten die anwesenden Journalisten zugegeben, vom Thema EU-Verfassung keine Ahnung zu haben.

»Polen lebt im Schock«, berichtete Stanislaw Ruszka. Seine Landsleute hätten nach der Abschaffung des Sozialismus große Erwartungen gehabt, sähen sich aber jetzt einer bitteren Realität gegenüber: Erpressung durch hohe Staatsverschuldung beim Internationalen Währungsfonds, jeder Fünfte sei arbeitslos, der Springer-Konzern habe die Medien in der Hand.

In seinem Eröffnungsbeitrag hatte Professor Ulrich Duchrow darauf hingewiesen, die EU-Verfassung solle den Neoliberalismus verfassungsrechtlich festschreiben. Diese Aushebelung des Grundgesetzes komme einem stillschweigenden Staatsstreich gleich. Damit sei das Widerstandsrecht nach Artikel 20 Grundgesetz aufgerufen.

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Ausdruck erstellt am 07.03.2005 um 09:25:01 Uhr

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