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Jahresarchiv
Tacheles Wuppertal Newsletter 14.01.2021
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mal wieder Zeit für einen Wuppertal Newsletter, dieser zu folgenden Punkten:
1. Neue Werte für Unterkunftskosten im SGB II / SGB XII in Wuppertal
und einige kritische Anmerkungen dazu
------------------------------------------------------------------------------
Aufgrund deutlich gestiegener Mietpreise und eines neuen Mietpreisspiegels, sind die Werte für Unterkunftskosten im SGB II und SGB XII angehoben worden.
Die aktuellen, ab 1.1.2021, gültigen Werte sind mit der KdU Richtlinie des Jobcenters Wuppertal hier zu finden: https://harald-thome.de/fa/redakteur/DA_JC_Wpt/KdU_Wuppertal_-_01.01.2021.pdf
Zu der Richtlinie mehrere Anmerkungen: Der Verein Tacheles hält die dort festgesetzten Werte für zu niedrig. Dies basiert auf mehreren Gründen:
a. Die von den Wuppertaler Sozialleistungsträgern, also Jobcenter und Sozialamt ermittelten Grundmieten haben nichts mit den Anmietungskosten von Wohnraum in Wuppertal zu tun. Dieser ist erheblich höher als der Wert aus dem Mietpreisspiegel, denn im Mietpreisspiegel wird ein Mix aus sog. Bestandsmieten und Neuanmietungspreisen dargestellt.
Bei der Anmietung von Wohnraum zählt aber immer nur der Anmietungspreis.
Laut aktueller Statistik in Immowelt.de liegt die Grundmiete für eine Wohnung bis 40 qm bei 8,10 €/qm. Die Sozialleistungsträger berücksichtigen in dem Segment aber nur 6,13 €.
Im Segment der Wohnungen 50 – 95 qm berücksichtigen die Sozialleistungsträger 5,61 € pro qm, der Marktpreis beträgt aber 6,60 €.
Im Segment der Wohnungen ab 95 qm berücksichtigen die Sozialleistungsträger 5,36 € pro qm, der Marktpreis beträgt aber 7,00 €.
Alle Daten hier: https://www.immowelt.de/immobilienpreise/wuppertal/mietspiegel
b. Für die Betriebskosten berücksichtigen die Wuppertaler Sozialleistungsträger einen Durchschnittswert aller Betriebskosten für NRW. Wuppertal hat aber die teuersten Betriebskosten in NRW und die zweitteuersten Betriebskosten bundesweit: https://www.mineko.de/nebenkosten-nach-staedten-und-laendern/
Daher dürfte für Wuppertal die Berücksichtigung der durchschnittlichen NRW – Mietpreise nicht zutreffend sein.
Für die Leistungsbeziehenden hat das erhebliche Folgen: sie ziehen in zu kleine Wohnungen oder in Wohnungen, die in einem sehr schlechten Zustand sind. Denn damit können zu gering festgesetzte Mietkosten kompensiert werden. Oder sie ziehen in zu teure Wohnungen und zahlen die Differenz aus ihren Regelbedarfen selbst.
Alle Varianten sind die schlechteste Variante, sie sind die Folge von zu gering festgesetzten Mieten oder andersrum Sparpolitik auf dem Rücken Armer in Wuppertal.
Die neu festgesetzten Werte für Unterkunftskosten sind deutlich zu gering. Der Verein Tacheles fordert die Verwaltung auf, die Werte für angemessene Unterkunftskosten anzuheben. Politik und Verbände müssen sich hier positionieren und Druck auf die Verwaltung ausüben und diesen Sparkurs der Stadtverwaltung auf Kosten der Armen Menschen kritisieren.
Die Verwaltung wird in den nächsten Monaten durch gezielte Anfragen in dem Stadtrat, bei den Behörden und im Bundestag dazu gebracht werden, die Gründe und Folgen dieser Politik offenzulegen. Denn wir werden da keine Ruhe geben und nachharken. Hier muss einfach was passieren.
2. Neue Rechtsänderungen im SGB II und SGB XII zum Jahreswechsel
---------------------------------------------------------------------
Wir machen hier mal eine Liste neuer Rechtsänderungen im SGB II und auch im SGB XII. Diese sind erstmal nur anskizziert, sollen aber Interessierte darauf aufmerksam machen und Anregungen geben.
1. Öffnung des Härtefallbedarfes auf einmalige Bedarfe, aber nur, wenn ein Darlehen wegen „unabweisbarem Bedarf“ ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist (§ 21 Abs. 6 SGB II - neu). Es sind somit unter bestimmten Voraussetzungen auch einmalige Bedarfe möglich. Dabei muss geschaut werden, was im Regelbedarf enthalten ist, wenn ja in welcher Höhe, und was nicht.
Daraus sind jetzt beispielsweise digitale Endgeräte oder Pässe für Geflüchtete ableitbar.
2. Ausdehnung des Schwangerenmehrbedarfes bis Ende des Monats der Entbindung (§ 21 Abs. 2 SGB II-neu, § 30 Abs.- 2 SGB XII – neu)
3. Leistungsausschluss für Personen mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 bei ALG II / Sozialgeld / Sozialhilfe wird gestrichen (Streichung der Ausschlussgründe des §§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Ziff. C) SGB II, § 23 Abs. 3 SGB XII) (damit Umsetzung des EUGH Urteils 6.10.2020 - Rechtssache C‑181/19).
4. Einführung eines Anspruchs für Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften aufgrund von schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben (Umsetzung der BSG Urteile von Mai 2019 in § 21 Abs. 6a SGB II – neu).
5. Höherer Warmwassermehrbedarf nur noch dann, wenn dieser mit separater Zähleinrichtung nachgewiesen wurde (§ 21 Abs. 7 SGB II - neu).
6. Absetzbetrag für Grundrentenbezieher, in Höhe von 100 € und weitere 30 %, des Bruttorentenbetrages, max. aber ½ des Eckregelsatzes, also 223 € (§ 11b Abs. 2a SGB II iVm. § 82a SGB XII – neu).
7. Erhöhung des Grundfreibetrages für Einkünfte aus Ehrenamt, Übungsleiter und Bundes-, sowie Jugendfreiwilligendienst von 200 € auf 250 € monatlich (§11b Abs. 2 SGB II – neu)
8. Einführung des Grundfreibetrages von 250 € auf Bundesfreiwilligen- und Jugendfreiwiligendienst im SGB XII (§ 82 Abs. 2 S. 2 SGB XII – neu)
9. Verlängerung der vereinfachten Antragstellung aus Anlass der COVID-19-Pandemie bis zum 31. März 2021 (§ 67 Abs. 1 SGB II iVm. § 68 Abs. 1 S. 1 SGB II / § 141 Abs. 1 SGB XII iVm. § 142 Abs. 1 SGB XII iVm RBEGAnpG 2021).
10. Anrechnungsfreiheit von Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2.Nov. 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen erbracht wurden (sog. Novemberhilfe und Dezemberhilfe) (§ 1 Abs. 1 Nr. 13 ALG II-V - neu)
11. Anrechnungsfreiheit von Wirtschaftshilfen die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III für den Zeitraum von Dezember 2020 bis Juni 2021 gezahlten pauschalierten Betriebskostenzuschüsse für Soloselbständige gezahlt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 14 ALG II-V - neu)
12. Erhöhung der Schulbedarfe von 150 € auf 154,50 € jährlich, dh. 51,50 € im Februar auf 103 € im August (§ 28 Abs. 3 SGB II iVm § 34 Abs. 3 Nr. 1 + 3 SGB XII - neu).
2. Zur Sozialberatung im Tacheles
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Tacheles führt selbstverständlich – trotz Corona – die Sozialberatung weiter durch.
Diese Beratung für Wuppertal und nähere Umgebung läuft so, dass Ratsuchende
dienstags und mittwochs zwischen 10:00 und 13:00 Uhr unter 0202 – 31 84 11
bei uns anrufen können.
Die Beratungsanfrage wird dann aufgenommen und jemand aus unserem Beratungsteam meldet sich bei den Ratsuchenden zurück.
Näheres immer hier: https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2623/
Wir wünschen allen Newsletterempfänger*innen ein gutes neues Jahr, viel widerständige Kraft und dass wir es schaffen, auch in dieser finsteren Zeit für Solidarität, eine gerechte Welt und gegen Nazis und Rassismus einzutreten.
Und dass WIR es schaffen, diese Inhalte in den nächsten Monaten mehr in die Öffentlichkeit und auf die Straße zu bringen.
So das war es dann wieder für heute.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Thomé / Tacheles e.V.
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mal wieder Zeit für einen Wuppertal Newsletter, dieser zu folgenden Punkten:
1. Neue Werte für Unterkunftskosten im SGB II / SGB XII in Wuppertal
und einige kritische Anmerkungen dazu
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Aufgrund deutlich gestiegener Mietpreise und eines neuen Mietpreisspiegels, sind die Werte für Unterkunftskosten im SGB II und SGB XII angehoben worden.
Die aktuellen, ab 1.1.2021, gültigen Werte sind mit der KdU Richtlinie des Jobcenters Wuppertal hier zu finden: https://harald-thome.de/fa/redakteur/DA_JC_Wpt/KdU_Wuppertal_-_01.01.2021.pdf
Zu der Richtlinie mehrere Anmerkungen: Der Verein Tacheles hält die dort festgesetzten Werte für zu niedrig. Dies basiert auf mehreren Gründen:
a. Die von den Wuppertaler Sozialleistungsträgern, also Jobcenter und Sozialamt ermittelten Grundmieten haben nichts mit den Anmietungskosten von Wohnraum in Wuppertal zu tun. Dieser ist erheblich höher als der Wert aus dem Mietpreisspiegel, denn im Mietpreisspiegel wird ein Mix aus sog. Bestandsmieten und Neuanmietungspreisen dargestellt.
Bei der Anmietung von Wohnraum zählt aber immer nur der Anmietungspreis.
Laut aktueller Statistik in Immowelt.de liegt die Grundmiete für eine Wohnung bis 40 qm bei 8,10 €/qm. Die Sozialleistungsträger berücksichtigen in dem Segment aber nur 6,13 €.
Im Segment der Wohnungen 50 – 95 qm berücksichtigen die Sozialleistungsträger 5,61 € pro qm, der Marktpreis beträgt aber 6,60 €.
Im Segment der Wohnungen ab 95 qm berücksichtigen die Sozialleistungsträger 5,36 € pro qm, der Marktpreis beträgt aber 7,00 €.
Alle Daten hier: https://www.immowelt.de/immobilienpreise/wuppertal/mietspiegel
b. Für die Betriebskosten berücksichtigen die Wuppertaler Sozialleistungsträger einen Durchschnittswert aller Betriebskosten für NRW. Wuppertal hat aber die teuersten Betriebskosten in NRW und die zweitteuersten Betriebskosten bundesweit: https://www.mineko.de/nebenkosten-nach-staedten-und-laendern/
Daher dürfte für Wuppertal die Berücksichtigung der durchschnittlichen NRW – Mietpreise nicht zutreffend sein.
Für die Leistungsbeziehenden hat das erhebliche Folgen: sie ziehen in zu kleine Wohnungen oder in Wohnungen, die in einem sehr schlechten Zustand sind. Denn damit können zu gering festgesetzte Mietkosten kompensiert werden. Oder sie ziehen in zu teure Wohnungen und zahlen die Differenz aus ihren Regelbedarfen selbst.
Alle Varianten sind die schlechteste Variante, sie sind die Folge von zu gering festgesetzten Mieten oder andersrum Sparpolitik auf dem Rücken Armer in Wuppertal.
Die neu festgesetzten Werte für Unterkunftskosten sind deutlich zu gering. Der Verein Tacheles fordert die Verwaltung auf, die Werte für angemessene Unterkunftskosten anzuheben. Politik und Verbände müssen sich hier positionieren und Druck auf die Verwaltung ausüben und diesen Sparkurs der Stadtverwaltung auf Kosten der Armen Menschen kritisieren.
Die Verwaltung wird in den nächsten Monaten durch gezielte Anfragen in dem Stadtrat, bei den Behörden und im Bundestag dazu gebracht werden, die Gründe und Folgen dieser Politik offenzulegen. Denn wir werden da keine Ruhe geben und nachharken. Hier muss einfach was passieren.
2. Neue Rechtsänderungen im SGB II und SGB XII zum Jahreswechsel
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Wir machen hier mal eine Liste neuer Rechtsänderungen im SGB II und auch im SGB XII. Diese sind erstmal nur anskizziert, sollen aber Interessierte darauf aufmerksam machen und Anregungen geben.
1. Öffnung des Härtefallbedarfes auf einmalige Bedarfe, aber nur, wenn ein Darlehen wegen „unabweisbarem Bedarf“ ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist (§ 21 Abs. 6 SGB II - neu). Es sind somit unter bestimmten Voraussetzungen auch einmalige Bedarfe möglich. Dabei muss geschaut werden, was im Regelbedarf enthalten ist, wenn ja in welcher Höhe, und was nicht.
Daraus sind jetzt beispielsweise digitale Endgeräte oder Pässe für Geflüchtete ableitbar.
2. Ausdehnung des Schwangerenmehrbedarfes bis Ende des Monats der Entbindung (§ 21 Abs. 2 SGB II-neu, § 30 Abs.- 2 SGB XII – neu)
3. Leistungsausschluss für Personen mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 bei ALG II / Sozialgeld / Sozialhilfe wird gestrichen (Streichung der Ausschlussgründe des §§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Ziff. C) SGB II, § 23 Abs. 3 SGB XII) (damit Umsetzung des EUGH Urteils 6.10.2020 - Rechtssache C‑181/19).
4. Einführung eines Anspruchs für Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften aufgrund von schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben (Umsetzung der BSG Urteile von Mai 2019 in § 21 Abs. 6a SGB II – neu).
5. Höherer Warmwassermehrbedarf nur noch dann, wenn dieser mit separater Zähleinrichtung nachgewiesen wurde (§ 21 Abs. 7 SGB II - neu).
6. Absetzbetrag für Grundrentenbezieher, in Höhe von 100 € und weitere 30 %, des Bruttorentenbetrages, max. aber ½ des Eckregelsatzes, also 223 € (§ 11b Abs. 2a SGB II iVm. § 82a SGB XII – neu).
7. Erhöhung des Grundfreibetrages für Einkünfte aus Ehrenamt, Übungsleiter und Bundes-, sowie Jugendfreiwilligendienst von 200 € auf 250 € monatlich (§11b Abs. 2 SGB II – neu)
8. Einführung des Grundfreibetrages von 250 € auf Bundesfreiwilligen- und Jugendfreiwiligendienst im SGB XII (§ 82 Abs. 2 S. 2 SGB XII – neu)
9. Verlängerung der vereinfachten Antragstellung aus Anlass der COVID-19-Pandemie bis zum 31. März 2021 (§ 67 Abs. 1 SGB II iVm. § 68 Abs. 1 S. 1 SGB II / § 141 Abs. 1 SGB XII iVm. § 142 Abs. 1 SGB XII iVm RBEGAnpG 2021).
10. Anrechnungsfreiheit von Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2.Nov. 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen erbracht wurden (sog. Novemberhilfe und Dezemberhilfe) (§ 1 Abs. 1 Nr. 13 ALG II-V - neu)
11. Anrechnungsfreiheit von Wirtschaftshilfen die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III für den Zeitraum von Dezember 2020 bis Juni 2021 gezahlten pauschalierten Betriebskostenzuschüsse für Soloselbständige gezahlt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 14 ALG II-V - neu)
12. Erhöhung der Schulbedarfe von 150 € auf 154,50 € jährlich, dh. 51,50 € im Februar auf 103 € im August (§ 28 Abs. 3 SGB II iVm § 34 Abs. 3 Nr. 1 + 3 SGB XII - neu).
2. Zur Sozialberatung im Tacheles
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Tacheles führt selbstverständlich – trotz Corona – die Sozialberatung weiter durch.
Diese Beratung für Wuppertal und nähere Umgebung läuft so, dass Ratsuchende
dienstags und mittwochs zwischen 10:00 und 13:00 Uhr unter 0202 – 31 84 11
bei uns anrufen können.
Die Beratungsanfrage wird dann aufgenommen und jemand aus unserem Beratungsteam meldet sich bei den Ratsuchenden zurück.
Näheres immer hier: https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2623/
Wir wünschen allen Newsletterempfänger*innen ein gutes neues Jahr, viel widerständige Kraft und dass wir es schaffen, auch in dieser finsteren Zeit für Solidarität, eine gerechte Welt und gegen Nazis und Rassismus einzutreten.
Und dass WIR es schaffen, diese Inhalte in den nächsten Monaten mehr in die Öffentlichkeit und auf die Straße zu bringen.
So das war es dann wieder für heute.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Thomé / Tacheles e.V.