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Tacheles Wuppertal Newsletter 07.02.2021


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mal wieder Zeit für einen Wuppertal Newsletter, dieser zu folgenden Punkten:



1.  Zum Anspruch auf digitale Endgeräte für Distanzlernen (homeschooling) / Im Bedarfsfall jetzt Anträge stellen !!!

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Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in einer am 1. Feb. 2021 herausgegebenen Weisung festgestellt, dass rückwirkend ab Jan. 2021 ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für digitale Endgeräte in Höhe von bis zu 350 € im SGB II besteht, wenn diese für das Homeschooling benötigt, aber nicht von den Schulen bereitgestellt, werden.



Das Jobcenter Wuppertal hat es bisher (natürlich) nicht für nötig empfunden, auf diese neue und für viele Hartz IV – beziehenden Menschen relevante Regelung aufmerksam zu machen. Genauso wenig das Wuppertaler Sozialamt, welches in Teilen für vollerwerbsgeminderte Menschen, junge Menschen unter 15 Jahren, die nicht im Elternhaus wohnen, und natürlich geflüchtete Menschen, die noch nicht anerkannt sind zuständig ist. Dies obwohl für beide Sozialleistungsträger eine Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflicht nach § 13 – 15 SGB I besteht.

Kern der Weisung ist: dass für ALG II-Beziehende ab dem 1. Januar 2021 digitale Endgeräte und Drucker vom Jobcenter auf Zuschussbasis zu übernehmen sind. Grundsätzlich seien alle Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen. Berechtigt sind zudem Schülerinnen und Schüler, die eine Ausbildungsvergütung erhalten. Die Leistungsberechtigten müssen beim Jobcenter dazu einen Antrag stellen und nachweisen, dass es anderweitig keine Kostenerstattung bzw. Sicherstellung des Bedarfes gibt.

Die Höhe des Zuschusses ist im Einzelfall (soweit vorhanden) auf der Grundlage der schulischen Vorgaben zu ermitteln und sollte im Regelfall den Gesamtbetrag von 350 EUR je Schülerin oder Schüler für alle benötigten Endgeräte (z. B. Tablet/PC jeweils mit Zubehör) nicht übersteigen, so die BA in der Weisung.

Die Regelung greift zum 1. Januar 2021, so dass entsprechende Kosten auch rückwirkend geltend gemacht werden können.
Um den Anspruch zu erhalten, bedarf es eines Antrages und eines Nachweises der Schule über die Notwendigkeit der digitalen Endgeräte. Beides möchten wir, mangels der fehlenden Hinweise durch die Sozialleistungsträger, als Muster zur Verfügung stellen.

Herr Kühn, Beigeordneter der Stadt Wuppertal erklärt, die Weisungen der BA auch für das Jobcenter Wuppertal verbindlich, insofern keine gegenteiligen Weisungen erlassen wurde. Daher ist zu erwarten, dass das auch Wuppertaler Jobcenter, nunmehr Anträgen auf digitale Endgeräte stattgeben wird.

Voraussetzung für den Anspruch ist, dass kein Gerät vorhanden ist oder ein vorhandenes nicht (mehr) benutzbar ist und die Schule keines zur Verfügung stellen kann. Der Anspruch auf ein digitales Endgerät besteht übrigens pro Kind und nicht nur pro Haushalt.   

Einen Infotext und Musteranträge sind hier zu finden: https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2739/

Wir möchten alle Adressat*innen unseres Newsletters darum bitten, diese Information breit zu streuen, gezielt in Verteiler und Netzwerke zu geben, so dass wenigstens jetzt, nachdem endlich die Rechtslage einigermaßen geklärt ist, bedürftige und abgehängte Schülerinnen und Schüler an digitale Endgeräte kommen können.

Die Weisung der BA zu den digitalen Endgeräten gibt es hier zum Nachlesen  https://www.arbeitsagentur.de/datei/weisung-202102001_ba146855.pdf

Wir möchten an der Stelle aber auch nochmal auf vergangene Wuppertaler Jobcenter Praxis hinweisen, mit der noch im Juni letzten Jahres mit miesen Tricks versucht wurde, Ansprüche auf digitale Endgeräte auszuhebeln: https://tacheles-sozialhilfe.de/tickerarchiv/jobcenter-wuppertal-hebelt-anspruch-auf-schulcomputer-aus----leak-legt-rechtswidrige-verwaltungspraxis-offen.html


Sollte es Probleme bei der Realisierung der Ansprüche auf digitale Endgeräte geben, steht der Verein Tacheles selbstverständlich mit Rat und Tat, bzw. mit Beratung zur Verfügung. Informationen zur  Beratung, zum Zugang, Zeit und Modalitäten in der Corona-Zeit gibt es hier:  https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2623/





2. Aufforderung an die Stadt Wuppertal
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In Wuppertal leben einige Menschen obdachlos auf der Straße. Wir werden jetzt die nächsten Tage Temperaturen von bis zu -10 Grad haben. Das bedeutet, die Menschen müssen zum Schutz von der Straße oder sie brauchen zumindest einen geschützten Raum. Daher ist sofortige Hilfe nötig. 

 
Wir fordern die Stadt auf, aktiv zu werden. Entweder Schutzräume anzumieten (es gibt eine Reihe Hotels in der Innenstadt, die wenig Belegung haben), städtische Räume zu öffnen oder dafür zu sorgen, dass es Räume im Bahnhof oder die obdachlosen Menschen nicht gerade jetzt aus Tiefgaragen vertrieben werden. Wichtig sind hier niederschwellige Angebote, die auch Menschen nutzen können, die auf den regelmäßigen Konsum von Suchtmitteln angewiesen sind.

Dazu noch zur Erklärung:  von Seiten der Stadt werden zwar Notunterkünfte für obdachlose Menschen bereit gestellt, aus verschiedenen Gründen gehen manchen Menschen aber nicht in diese. Es ist zurzeit absolut nebensächlich, ob wir diese Gründe nachvollziehen können oder nicht. Den betroffenen Menschen muss jetzt direkt geholfen werden! Für drogenabhängige Obdachlose z.B. sind die städtischen Notunterkünfte nicht zugänglich, da dort Drogen verboten sind. Drogenabhängige sind aber nun mal auf den Konsum von Suchtmitteln angewiesen. Daher müssen jetzt unverzüglich Lösungen geschaffen werden, die Stadt ist hier in der Fürsorgepflicht und muss jetzt handeln, damit es keine Toten gibt!

Zum Thema Situation der Obdachlosen in Wuppertal, ein Interview mit Johanna Thomé in Elba Talk in Radio Wuppertal: https://www.radiowuppertal.de/artikel/elba-talk-mit-johanna-thom%C3%A9-850725.html





3. Aufruf zur Gedenkdemonstration am 19. Feb. 2021 in Wuppertal /  Ein Jahr Hanau: Rassismus tötet weiter!

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Eine Reihe antifaschistische Wuppertaler Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen haben sich zusammengetan und eine Gedenkdemonstration geplant. Diesen Aufruf veröffentlichen wir gerne und rufen zur Teilnahme an der Demo auf.

Auch in Zeiten von Corona ist es wichtig, Anliegen auf die Straße zu bringen. Das Gedenken an die Opfer dieses rassistischen Terroranschlages und der Kampf gegen Rassismus auf allen Ebenen muss auch im Lockdown möglich sein und weiter gehen.

Das Einhalten von Abstandsregeln und der Schutz vor Ansteckung werden dabei selbstverständlich beachtet.



Hier der Aufruf:

Am 19. Februar jährt sich der rassistische Terroranschlag in Hanau, bei dem der Täter 9 Menschen brutal ermordete.

Wir trauern um und erinnern an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.

Gedenkdemonstration am 19.02.2021 um 17 Uhr, am Geschwister-Scholl-Platz in Barmen.

Hanau war kein Einzelfall. In Halle, in Celle, in Kassel, in Berlin-Neukölln und in vielen weiteren Städten richteten die Rechten schon ihr Unheil an. Die Anzahl der Übergriffe und auch unsere Erfahrungen zeigen, dass Rassismus und Antisemitismus Alltag in Deutschland sind.

Auch in Wuppertal erleben migrantisch gelesene Menschen den alltäglichen Rassismus durch die Behörden. Sei es durch Schikane auf dem Amt oder durch herabwürdigende Polizeikontrollen auf der Straße oder in den Lokalen. Besonders in Wuppertal-Oberbarmen werden die dort lebenden Menschen in ihren Shisha-Bars, Cafés und Treffpunkten in den Medien und Socialmedia-Kanälen regelmäßig als kriminell diffamiert und rassistisch angegriffen. Diese Hetze wird orchestriert durch martialische Razzien wegen angeblicher Clan-Kriminalität durch Polizei und Ordnungsamt. Und es ist auch kein Zufall, dass das Ordnungsamt in Corona-Zeiten besonders gerne Ordnungsgelder gegen migrantisch gelesene Menschen verhängt, (schlechte Arbeitsbedingungen und beengten Wohnverhältnisse aber weiter staatlich geduldet werden.) 

Woche für Woche hören wir zudem von Waffenlagern und rechten Zellen, die zufällig aufgedeckt werden. Unter den Mitgliedern dieser rechtsextremististischen Banden, sind oft Angehörige der Bundeswehr, Polizei und Sicherheitsbehörden zu finden (Aktuell laufen noch Ermittlungen zu den rechten Zellen in der Polizei in NRW.) Dass bisher noch kein rechter Chat oder ähnliches bei der Wuppertaler Polizei aufgeflogen ist, gleicht einem Wunder.

Rechtsextreme treiben auch in Wuppertal ihr Unwesen. Am 19. September 2020 zog beispielsweise in Wuppertal eine 10-köpfige Gruppe durch die Straßen und sprühte Hakenkreuze. Danach griffen sie an der Kluse und auf dem Karlsplatz Personen körperlich an. 

Dem rechten Terror wird der Weg nicht nur durch rechte Parteien bereitet, die offen rassistisch auftreten und gegen migrantisch gelesene Menschen hetzen, sondern auch von den konservativ/bürgerlichen Parteien.

Der rassistische Anschlag in Hanau ist ein Ergebnis dieser rechten Hetze und dem Wegschauen der Behörden und Sicherheitsapparate. Es reicht!

Gleichzeitig fängt Rassismus jedoch bei uns allen selbst an. So wie die Anklage und Aufklärung notwendig sind, erinnern uns die Angehörigen aus Hanau auch daran, dass wir uns jeden Tag mit unserem Umfeld und unseren eigenen Worten und Handlungen auseinandersetzen müssen. Wir wollen nicht länger verharmlosen, sondern zuhören und sichtbar machen.

Wir fordern politische Konsequenzen, eine lückenlose Aufklärung und Gerechtigkeit. Täter*innen dürfen nicht schon wieder ignoriert und Opfer und Angehörige alleingelassen werden. Wir stellen uns den Rechten in den Weg und an die Seite der Initiative 19. Februar. 

Dem rechten Terror setzen wir unsere vereinte Solidarität entgegen. Lasst uns gemeinsam den Opfern von Hanau gedenken und eine solidarische Gesellschaft ohne Rassismus, Ausbeutung, Hass und Hetze aufbauen!



Facebookveranstaltung dazu: https://www.facebook.com/events/3185940028173005/



So das war es dann für heute.

Viele Grüße

Harald Thomé / Tacheles e.V.

   


    

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