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Tacheles Wuppertal Newsletter 04.06.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mal wieder Zeit für einen Wuppertal Newsletter, dieser zu folgenden Punkten:

1.  5. Juni Demo: Unsere Antwort auf Corona heißt Solidarität!
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Der Demoaufruf:
In den letzten Wochen sind viele von uns zuhause geblieben, um sich und andere vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen. Linke Debatten fanden nicht mehr im öffentlichen Raum und auf öffentlichen Veranstaltungen, sondern vor allem im Internet statt. Dabei gibt es auch für Linke viele gute Gründe, sich einzumischen und einen solidarischen Umgang mit der Corona-Krise auf die Tagesordnung zu setzen und einzufordern.

Es war richtig, auf physische Distanz zu gehen, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, allerdings können wir im Moment die gesamtgesellschaftlichen Folgen der physischen Distanz noch nicht überblicken, auch diese müssen thematisiert werden. Für Millionen von Menschen war es auch gar nicht möglich auf Distanz zu gehen. Menschen ohne Wohnung oder in Sammelunterkünften können sich kaum vor einer Infektion schützen. Da bei dem Großteil der Unternehmen und Regierenden hierzulande alles im Zeichen des Profits steht, mussten die meisten Menschen weiterhin arbeiten. Homeoffice gab und gibt es nicht für alle. Menschen in nicht "systemrelevanten" Bereichen müssen sich auf der Arbeit dem Risiko einer Infektion aussetzen, nur damit die Konzerne ihre Profite hoch halten können. Besonders paradox dabei: trafen sich dieselben Menschen bis vor kurzem noch nach der Arbeit, wurden sie dafür mit einem Bußgeld belegt. 

Die Folgen der staatlichen Maßnahmen werden in der kommenden Zeit nach und nach an die Oberfläche kommen, doch schon jetzt wissen wir, dass es eine Zunahme von häuslicher Gewalt gegeben hat. Auch die Folgen der Kontaktverbote für Menschen mit psychischen Erkrankungen sind zum Teil gravierend.  

Die aktuelle Krise hat viele Menschen wie aus dem Nichts getroffen. Nicht nur sind bereits Tausende an dem Virus verstorben, vielmehr sind auch mehr als 10 Millionen Arbeiter*innen von Kurzarbeit oder Erwerbslosigkeit infolge der Corona-Krise betroffen,  Bezieher*innen von Sozialleistungen brauchen in der Krise dringend eine Aufstockung von Sozialleistungen, um sich teurer gewordene Produkte des täglichen Bedarfs oder Computer für Homeschooling leisten zu können.

Genauso schlagartig und ohne Diskurs wurden selbst die essentiellsten Freiheitsrechte über Nacht auf Eis gelegt. Demonstrationen und Kundgebungen wurden zunächst grundsätzlich für unzulässig erklärt und mussten mühselig auf der Straße durchgesetzt und per Gericht erstritten werden. Dies zeigt, dass der Staat uns ohne Skrupel jegliche Rechte per Dekret, nicht per Gesetz, nehmen kann, wodurch dies im Grunde genommen keine Rechte sind.

Die Konzerne werden mit Milliarden von Euro unterstützt. Erste Forderungen von Friedrich Merz alle Sozialleistungen nach der Krise zur Disposition zu stellen werden laut. Die Milliardengeschenke an die Wirtschaft müssen bezahlt werden. Das bedeutet Arbeitszeitverlängerung, Gehaltskürzungen, Lohnverzicht und Sozialleistungskürzungen. Dies gilt es zu verhindern! 

Wir misstrauen einem Staat, der auf der einen Seite sagt, es ginge bei den getroffenen Maßnahmen in der Corona-Krise um die Rettung von Menschenleben, auf der anderen Seite aber Jahr für Jahr milliardenschwere Rüstungsexporte genehmigt, und durch Diskussionen um Abwrackprämien und die Inbetriebnahme von Datteln 4 die Klimakatastrophe weiterhin anheizt. Wir alle wissen doch dass diese die wirkliche Gefahr für alle Lebewesen auf unsere Erde ist.

Es ist höchste Zeit, dass wir mit diesen Themen auf die Straße gehen. Linke Positionen müssen Gehör finden. Was heißt Corona für die Menschen, mit denen wir uns solidarisch zeigen? Welche Probleme sehen wir für unsere Gesellschaft? Das müssen wir diskutieren.

Kundgebung: Samstag 6. Juni 2020, ab 14 Uhr am Döppersberg

Wuppertal von Links

Kommt massenhaft, bezieht Position, für Solidarität und gegen Rassismus!

2.  Corona, Studium und Armut
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Ein studierender Kollege aus der Tacheles Beratung hat die wirtschaftlichen Hilfen für Studierende zusammengestellt, welche coronabedingt in wirtschaftliche Not geraten sind.

Zunächst ein kurzer einleitender Text und dann eine tabellarischen Aufstellungen welche Leistungen konkret wo erhältlich sind: https://t1p.de/cobl

3. Kampf gegen die Armen: „Ziel des Manövers ist die Zerschlagung von behördenunabhängigen Erwerbslosen- und Beratungsstrukturen“
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Hartz-IV-Empfänger*innen will er trotz der Entscheidung des BVerfG das Geld komplett streichen, Beratungsinitiativen, die den Ärmsten zur Seite stehen, zerschlagen: Der NRW Arbeitsminister Karl Laumann (CDU) arbeitet im NRW-Arbeitsministerium an einem Gesetzentwurf, der nichts Gutes verheißt. Als eine „Steinzeitinitiative“ bezeichnet Harald Thomé vom Erwerbslosen- und Sozialverein Tacheles aus Wuppertal die Pläne. Thomé, der seit Jahren durch seine Beratung armen Menschen hilft, betont im NachDenkSeiten-Interview, wie weitreichend die Konsequenzen einer harten Politik gegen die Armen in unserer Gesellschaft sind: Existenzvernichtung und Obdachlosigkeit sind das Ergebnis.
Das (meines Erachtens) sehr gute Interview mit Harald Thomé gibt es hier: ps://www.nachdenkseiten.de/?p=61346

4. Essenverteilung für Obdachlose in Wuppertal Elberfeld / Solidarität praktisch
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Seit über 2 Monaten fahren zwei Mitzwanziger täglich Essen an Obdachlose und Bedürftige aus. Letzten Samstag, auf der Demo gegen die Demo der "Corona-Rebellen Wuppertal" hat eine der Aktiven eine Rede gehalten und zwar nachdem sie gerade 50 Portionen Essen verteilt hatten. Also 50 Menschen, die satt geworden sind. Das ist gelebte Solidarität und nicht auf Yoga-Matten sitzen und von Grundrechtseinschränkungen faseln! Und ja, sie haben die Corona-Maßnahmen und deren Folgen kritisiert, besonders für Flüchtlinge, Obdachlose, Hartz4-Empfänger und Kinder (!), aber das geht auch ohne Verschwörungstheorien.

Hier nun die Rede:  

"Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten,

Ich möchte ein paar Worte darüber verlieren, wie sich Covid-19 auf die Obdachlosen und Bedürftigen Wuppertals ausgewirkt hat und auch das Verhalten der Stadt kritisieren.

Seit Eintritt der Ausgangsbeschränkungen musste die Wuppertaler Tafel ihre Ausgabe von warmem Essen einstellen und somit fiel für viele Menschen plötzlich die einzige kostenfreie und warme Mahlzeit am Tag weg. Soziale Einrichtungen wie Gleis 1 und die Diakonie wurden weitestgehend geschlossen. Die Einnahmen durch das Betteln sind gesunken. Der Zugang zu den Toiletten in Restaurants und Kneipen war ihnen verwehrt. Die sicheren Drogenkonsumräume bei Gleis 1 waren geschlossen und auch die Preise für Drogen sind extrem gestiegen, was nur zu weiterer Not und Verarmung geführt hat. Die soziale Vereinsamung und Isolierung hat sich drastisch verschlimmert. Viele behördlichen Infrastrukturen, die ihnen vorher zugänglich waren, sind einfach weggebrochen. Alleine schon die Kommunikation mit Behörden wurde mega schwierig bzw. unmöglich, weil die meisten kein Handy zum Telefonieren und auch keinen Internetzugang haben. Sie konnten sich nicht durch Hygiene-Maßnahmen vor Covid-19 schützen. Sie wurden sogar mit Bußgeldern bestraft, wenn sie zu zweit oder dritt auf der Straße saßen und es einfach keinen anderen Ort mehr gab, wo sie hätten hingehen können. Wie zum Teufel soll ein Obdachloser oder Hartz 4-Empfänger solch dreistellige Beträge stemmen?

Weil die Wuppertaler Tafel die warme Essensausgabe einstellen musste und diese immer noch eingestellt ist, verteilen mein Bruder und ich seit über 2 Monaten täglich warmes Essen. Wir haben mit 20 Portionen angefangen und inzwischen verteilen wir 50 Portionen täglich. Wir werden von der Tafel unterstützt, am Wochenende kochen wir entweder selbst oder Privatpersonen kochen für uns. Wir verteilen Kleidung mit Unterstützung vom Kinderschutzbund und helfen in Zusammenarbeit mit Tacheles e.V. bei sozialrechtlichen Fragen. Ich finde es unmöglich, dass dies von uns und anderen Privatpersonen übernommen werden musste. Hier muss die Stadt Verantwortung übernehmen. Wie kann es sein, dass zwei Mittzwanziger seit 2 Monaten den Job der Stadt, ja des Sozialstaats, machen? Die Ursachen des Problems liegen in der mangelnden Versorgung der Stadt und der viel zu niedrigen Hartz 4-Sätze und der Rente, sodass Obdachlose, Hartz4-Empfänger und Rentner auf die Tafel angewiesen sind, die wohlbemerkt nicht vom Staat finanziert wird. Und wenn die Tafel wegfällt, stehen diese Menschen ohne Unterstützung da. Hier müssen der Staat und auf lokaler Ebene die Stadt Wuppertal eingreifen.

Die Verteilung von warmem Essen und Lebensmitteln muss gewährleistet sein. Der Zugang zu Infrastrukturen wie Gleis 1 und die Diakonie muss weiterhin gewährleistet sein und ausgebaut werden. Die obdachlosen Menschen müssen adäquat untergebracht werden, z.B. durch die Anmietung von leerstehenden Hotels – Städte wie Hamburg und Düsseldorf haben das auch geschafft. Die medizinische Versorgung muss sichergestellt sein. Der Zugang zu Trinkwasser, vor allem jetzt mit Beginn des Sommers, muss gewährleistet werden.

So schwer und teuer ist das nicht, wir haben das meiste mit einer Handvoll von Leuten selbst auf die Beine gestellt. Ich finde es wichtig, solch konkrete, politische Forderungen zu stellen oder eben sich solidarisch zu engagieren, anstatt sich auf Corona-Panik-Mache-Demos zu tummeln und im Beisein von Rechten und Antisemitinnen von Grundrechtseinschränkungen zu faseln! Ich finde es gut und richtig, die Corona-Maßnahmen zu kritisieren, z.B. hat die Seebrücke Wuppertal, das Recht zu demonstrieren, gerichtlich durchgesetzt, aber nicht unter Einfluss von kruden Vorbildern wie Attila Hildmann oder Xavier Naidoo. Ihr müsst selbst entscheiden, wie ihr mit sozialer Gerechtigkeit und den negativen Folgen von Covid-19 umgeht, aber ich weiß für mich, dass ich auf der richtigen Seite der Proteste stehe! Und besonders deswegen, weil ich gerade 50 Mahlzeiten an Obdachlose und Bedürftige verteilt habe, die sonst jetzt hungern würden! Und was macht ihr so, liebe Corona-Rebellen?!"


So das war es dann wieder für heute.  

Mit freundlichen Grüßen

Harald Thomé / Tacheles e.V.

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