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Tacheles Rechtssprechungsticker KW 02/2012

Tacheles Rechtssprechungsticker KW 02/2012

1.Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.08.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 BSG, Urteil vom 23.08.2011, - B 14 AS 165/10 R -

Nach Antragstellung tatsächlich zugeflossenes Arbeitslosengeld 1 ist als Einkommen gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 2 AlgIIV auch dann zu berücksichtigen, wenn die Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und das Arbeitslosengeld zurückgezahlt wurde.

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden.

Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18).

Damit handelt es sich bei der Zahlung von Alg nach §§ 117 ff SGB III im Grundsatz um laufendes Einkommen (vgl insoweit § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung <Alg II-V>).

Ohne Bedeutung für die Berücksichtigung als Einkommen ist dabei, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt. Der Zweck des Alg als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit führt nicht dazu, im Alg eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II zu sehen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 19 für Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13 für das Insolvenzgeld).

Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von Alg nach Wegfall der Arbeitslosigkeit - ein nach dem SGB II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird.

Der Berücksichtigung des Alg steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 16).

Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist.

Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl § 2 Abs 2 Alg II-V in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen.

Zwar ist die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch für den hier streitigen Zuflussmonat - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die Hilfebedürftigen (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der BA) belastet sind.

Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 28; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18).

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011-8&nr=12291&pos=11&anz=23

Anmerkung von Willi 2: Damit beantwortet das BSG auch die Frage, wie es sich bei Kindergeld verhält, wenn es nachträglich an die Familienkasse zurück zu erstatten ist, es verbleibt als Einkommen und der SGB II Bedarf - wird nicht - erhöht.

Wenn die Kindergeldbewilligung im Nachhinein von der Familienkasse aufgehoben und die Erstattung verlangt wird, ändert dies nichts an der Tatsache, dass das Kindergeld ursprünglich verfügbares Einkommen war. Als solches ist es auf das Arbeitslosengeld II Hartz IV) anzurechnen.

Einkommen im Sinne des SGB II ist alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Es kommt nicht auf die Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen an. Entscheidend ist der tatsächliche Zufluss und ob die Mittel zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden können.

Eine Anrechnung als Einkommen ist u.a. nur dann nicht möglich, wenn die Einnahme von vornherein mit einer Rückzahlungspflicht - wie zB. beim Darlehn - verbunden ist.

Siehe dazu auch folgenden Beitrag:

Die Frage der Anrechenbarkeit von Kindergeld, welches nachträglich zu erstatten ist, als Einkommen im Sinn des SGB II ist höchstrichterlich nicht geklärt und die Klärung dieser Frage liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/06/die-frage-der-anrechenbarkeit-von.html

2. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 09.06.2011 zur Sozialhilfe (SGB XII)

2.1 BSG, Urteil vom 09.06.2011, - B 8 SO 20/09 R-

In einer gemischten Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2 ist das Arbeitslosengeld II der Ehefrau nicht leistungsmindernd bei einem Leistungsbezieher der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu berücksichtigen, denn Arbeitslosengeld II ist kein Einkommen iS der Regelungen des SGB XII zur Anrechnung von Einkommen.

Der Ehefrau ist der nach § 30 SGB II zustehende höhere Einkommensfreibetrag über die Härtefallregelung des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII auch im Rahmen der Berechnung der Leistung nach dem SGB XII zuzugestehen.

Es gilt der Grundsatz, dass die Berechnung der Sozialhilfeleistung nach Maßgabe des SGB XII weder dazu führen darf, dass der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II zur Bedarfsdeckung der dem SGB XII unterworfenen Personen entzogen werden, noch dazu, dass Einkommen, das nach der Zielsetzung des SGB II geschont werden soll, gleichwohl zu Gunsten der dem SGB XII unterworfenen Personen verwertet werden muss.

Beziehen neben dem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII die übrigen Mitglieder der gemischten Bedarfsgemeinschaft Alg II nach dem SGB II, dürfte es zwar in der Regel nicht zu einer Berücksichtigung von Einkommen nach § 43 Abs 1 SGB XII kommen; sollte jedoch - etwa im Hinblick auf großzügigere Freibeträge nach § 30 SGB II - dennoch ein Einkommensüberschuss verbleiben - denkbar insbesondere bei aus zwei Personen bestehenden gemischten Bedarfsgemeinschaften - gilt der Grundsatz, dass die Berechnung der Sozialhilfeleistung nach Maßgabe des SGB XII nicht dazu führen darf, dass Einkommen, das nach der Zielsetzung des SGB II geschont werden soll, gleichwohl zu Gunsten der dem SGB XII unterworfenen Personen verwertet werden muss.

Besonderheiten des SGB II können zur Vermeidung einer anderenfalls bestehenden Ungleichbehandlung von gemischten Bedarfsgemeinschaften mit reinen Bedarfsgemeinschaften etwa im Rahmen von Härtefallregelungen - bei Einkommen § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII, bei Vermögen § 90 Abs 3 SGB XII (BSGE 100, 131 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3) - berücksichtigt werden.

Deshalb ist letztlich ggf noch eine Vergleichsberechnung nach Maßgabe des SGB II für die diesem System unterworfenen Personen erforderlich (für den umgekehrten Fall, dass - überschießendes - Einkommen einer dem System des SGB XII unterworfenen Person bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II berücksichtigt werden soll: BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 49; ) und ein weiterer Freibetrag nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII anzuerkennen (Stölting/Greiser, SGb 2010, 631, 635).

Danach kann nämlich abweichend von Abs 3 Satz 1 in begründeten Fällen ein anderer Betrag vom Einkommen abgesetzt werden (BSGE 106, 62 ff RdNr 29 ff = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; BSG, Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 15/08 R - RdNr 18). Die Regelung ist als Öffnungsklausel oder Auffangtatbestand (Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 82 SGB XII RdNr 68; Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 82 SGB XII RdNr 106, Stand Juni 2011) zu verstehen, die es dem Sozialhilfeträger insbesondere zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ermöglicht, von einer Einkommensanrechnung ganz oder teilweise abzusehen (BSGE 106, 62 ff RdNr 32 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6).

§ 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII ist dabei als generelle Härteklausel für alle denkbaren Einkommen zu verstehen, weil nur so den Gerichten und der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt wird, unbillige Ergebnisse zu vermeiden und bei Leistungen nach unterschiedlichen Grundsicherungssystemen eine Harmonisierung zu erreichen.

Es ist auch kein Grund erkennbar, weshalb ein nach § 83 Abs 3 Satz 3 SGB XII begründeter Fall, der ein Abweichen von der Regel des § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII rechtfertigt, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, nur bei Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit des Leistungsberechtigten denkbar sein sollte.

§ 83 Abs 3 Satz 3 SGB XII ist deshalb auch die einschlägige Norm, um ggf aus der unterschiedlichen Regelung zum Kindergeld resultierende sachwidrige Ergebnisse zu vermeiden.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=147421&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung von Willi 2: BSG, Urteil vom 24.11.2011, - B 14 AS 201/10 R -

Vom Erwerbseinkommen nicht erwerbsfähiger Sozialgeldbezieher kann kein Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II a. F. in Höhe von 100 Euro abgesetzt werden.

Der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II steht nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu.

Auf nicht erwerbsfähige Leistungsbezieher ist jedoch § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII entsprechend anzuwenden, wonach ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen ist, höchstens jedoch 50 vom Hundert des Eckregelsatzes.

Da in beiden Existenzsicherungssystemen für die Anrechnung von Erwerbseinkommen Freibeträge vorgesehen sind, kann die Klägerin nicht nur deshalb schlechter behandelt werden, weil sie als Nichterwerbsfähige in das Leistungssystem des SGB II einbezogen wird.

Sie steht - als nicht erwerbsfähige Sozialgeldbezieherin - der vom SGB XII erfassten Personengruppe aber näher als der Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/12/aktuelle-entscheidungen-des.html

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.07.2011, - L 12 AS 234/10 -, Revision ist anhängig beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen: B 4 AS 159/11 R .

Nach Auffassung des 12. Senats des LSG NRW kommt § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II a. f.(jetzt § 22 Abs. 3 SGB II) dann nicht zur Anwendung, wenn der Leistungsbezieher nach dem SGB II überzahlte Leistungen des Jobcenters für die Kosten der Unterkunft nicht weitergeleitet hat.

Denn der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt lässt sich mit dem Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II a. f. nicht vereinbaren. Zwar ist die Überzahlung ausschließlich den KdU zuzuordnen und stellt damit eine Zahlung dar, die durch die Regelung hinsichtlich einer "Rückführung" privilegiert werden soll.

Nicht zu vertreten ist es hingegen, vorliegend von Einkommen zu sprechen, da überzahlte Leistungen im Verhältnis Leistungsträger und Leistungsempfänger nicht als Einkommen angesehen werden können und sich demzufolge auch nicht das Problem des Abzugs der Pauschale für Versicherungen stellt. Auch wenn die Leistungen, die für die KdU vorgesehen sind, überzahlt wurden, ist der Leistungsbezieherin aus der Abrechnung der Betriebskosten weder ein Überschuss zurückgezahlt worden noch ein Guthaben entstanden.

Sie hat die empfangenen Leistungen nicht weitergeleitet, sondern - fahrlässig oder vorsätzlich - zweckwidrig verbraucht. Dieses Verhalten stellt einen anderen Sachverhalt dar, der vom Sinn und Zweck der Regelung nicht erfasst wird.

Auch eine erweiternde oder analoge Auslegung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt lässt sich nicht vertreten. Für eine Analogie fehlt es an einer planwidrigen Lücke im Gesetz, da der Gesetzgeber für Überzahlungen die §§ 45, 48 SGB X geschaffen hat und die Verwaltung in diesen Fällen in einem dafür vorgesehenen Verfahren einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen muss (in diesem Sinne auch Sozialgericht Bremen, Beschluss vom 01.12.2009 - S 23 AS 2179/09 ER -).

Revision wurde zugelassen, denn vor dem Hintergrund der Frage, dass die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Sachverhalte, in denen es zu nicht weitergeleiteten Betriebskostenvorauszahlungen gekommen ist, bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, kommt dieser Frage aber erhebliche praktische Relevanz zu.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144443&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung von Willi 2:Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.08.2011, - L 19 AS 842/11 B ER -

Jobcenter dürfen bei der Anrechnung von Betriebskostenrückzahlungen auf keinen fiktiven Auszahlungstermin abstellen.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/lsg-berlin-brandenburg-rugt-jobcenter.html

3.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.12.2011, - L 19 AS 1538/11 B -

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Einzelbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 (a.F.) zu runden und die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II a. F. auch bei den Kosten für Unterkunft und Heizung anzuwenden

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Einzelbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 (a.F.) zu runden (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R, Rn 38) und die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II a. F. auch bei den Kosten für Unterkunft und Heizung anzuwenden (BSG, Urteile vom 19.03.2008 - B 11b AS 23/06 R, Rn 25, vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R, Rn 22 und vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn 30).

Insoweit sind die durch den bestandskräftigen Bescheid vom 26.11.2007 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Monat November 2007 von 583,90 mtl. (261,33 EUR Regelleistung + 322,27 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) auf 784,00 EUR mtl. zu runden.

Mithin ist die Ablehnung des Überprüfungsantrags des Klägers nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch den angefochtenen Bescheid vom 10.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2011 rechtswidrig.

Die Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) findet keine Anwendung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.06.2011 - B 4 AS 118/10 R).

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=148091&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung von Willi 2:Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 09.05.2011, - L 14 AS 1705/09 NZB -

Die Rechtsfrage, ob (monatliche) Kosten der Unterkunft nach § 41 Abs. 2 SGB 2 in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung zu runden sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem § 41 Abs. 2 SGB 2 in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung in Kraft getreten ist.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2012/01/nach-gefestigter-rechtsprechung-des.html

3.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16.12.2011, - L 19 AS 1261/11 NZB -

Die als grundsätzlich und klärungsbedürftig angesehene Frage, ob die Kosten für den zum Betrieb einer Heizungsanlage benötigten Strom zu den Kosten der Unterkunft und Heizung gehören, ist für Zeiträume vor dem 01.01.2011 durch Rechtsprechung des Bun-dessozialgerichts (Beschluss vom 26.05.2010 - B 4 AS 7/10 B -, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R) geklärt und dies - soweit ersichtlich - unumstritten (vgl. z.B. die Kommen-tierung von Berlit in LPK SGB II, 4. Aufl., § 22 Rn. 94 m.w.N.).

Der Beschluss des BSG vom 26.05.2010 - B 4 AS 7/10 - ist zwischen den auch hier Beteiligten ergangen. Das Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - wurde im vorliegenden Verfahren übermittelt. Von einer Wiedergabe der Gründe wird daher abgesehen.

Die Klärung der hieran angeschlossenen und gleichfalls als grundsätzlich und klärungsbedürftig angesehene Frage, ob der für den Betrieb der Heizungsanlage benötigte Strom mit den Regelleistungen abgegolten ist, ergibt sich für vor dem 01.01.2011 liegende Zeiträume ebenso aus der vorzitierten Rechtsprechung in Verbindung mit dem Umstand, dass das SGB selbst zwischen den Regelleistungen nach § 20 SGB II und den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II differenziert.

Für Zeiträume ab dem 01.01.2011 ergibt sich die Beantwortung der gestellten Frage aus der Neufassung von § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II durch das Gesetz vom 24.03.2011, BGBl I 453.

Die Vorschrift lautet nun: "Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens."

Die Regelung zu den auf die Warmwasserbereitung entfallenden Anteilen der Haushaltsenergie stellt vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtslage (vgl. zusammenfassend BSG im Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 52/09 R -) eine Rechtsänderung, die zu den für die Heizung aufgewendeten Anteilen der Haushaltsenergie eine Klarstellung dar (Lenze in LPK-SGB II § 20 Rn. 2).

Der vorliegende Rechtsstreit wirft danach keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Eine Divergenz i.S.d. Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist weder vom Kläger gerügt worden noch ersichtlich.

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG deswegen zuzulassen, weil ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rüge des Klägers, das Sozialgericht habe von ihm aufgezeigte Anhaltspunkte für einen höheren als den selbst geschätzten Stromkostenaufwand für den Betrieb der Gastherme übergangen, ist als Rüge der Verletzung seines rechtlichen Gehöres zu werten.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehöres des Klägers liegt jedoch nicht vor, weil das Sozialgericht ausweislich der Begründung des Urteils vom 11.05.2011 insbesondere den Hinweis des Klägers auf eine Internetdatei bezüglich Unterkunftskosten im Bereich F aufgegriffen und begründet hat, warum es dennoch an seiner Schätzung festhalte, dass der Stromkostenaufwand des Klägers für den Heizungsbetrieb seiner Gastherme unter 6,22 EUR gelegen habe. Eine Gehörsverletzung liegt daher nicht vor.

In der Rüge, das Sozialgericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, liegt die Rüge einer Verletzung der Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen nach § 103 SGG. Auch dieser Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor, weil die vom Sozialgericht vorgenommene Schätzung unter Anschluss an die Schätzung des LSG NW in seinem gleichfalls in Sachen des Klägers ergangenen Urteil vom 12.11.2009 - L 7 AS 92/07 - der vorzitierten Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 51/10 R - entspricht.

Insbesondere hat die vom BSG a.a.O. geforderte Ermittlung von Bezugspunkten für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteiles, der auf die Heizung entfällt, im Falle des Klägers stattgefunden, indem das LSG NW eine Vermieteranfrage durchgeführt und zum Stromverbrauch der vom Kläger im streitigen Zeitraum verwendeten Therme ermittelt hat. Selbst wollte man eine defizitäre Ermittlung der Schätzungsgrundlagen darin sehen, dass weder der 7. Senat des LSG im angegebenen Urteil noch das Sozialgericht im vorliegenden Verfahren den Stromverbrauch des verwendeten Thermostats "Vaillant VRT-QZA" in Ansatz gebracht hat, wäre nicht anzunehmen, dass das Urteil i.S.d. Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hierauf beruhen könnte.

Nach der im Internet zugänglichen Bedienungsanleitung für dieses Gerät (www.vaillant.de/service/bedienungsanleitungen/rau mtemperaturregler.vrt-qza.pdf) hat dieses Gerät eine Stromaufnahme von 10 mA, was bei einer maximalen Betriebsspannung von 24 Volt einer Leistungsaufnahme von 0,24 Watt entspricht (0,01 Ampere x 24 Volt = 0,24 Watt).

Dies entspricht bei den vom Kläger angenommenen 3.600 Betriebsstunden jährlich einem Stromverbrauch von 0,864 kWh, selbst bei ganztägigem Betrieb während einer 240 Tage umfassenden Heizperiode entsprechend den Maximalangaben des Klägers einem Stromverbrauch von 1,3824 kWh (0,24 Watt x 24 h x 240 Tage).

Unter Zugrundelegung des vom Kläger im Jahre 2006 zu entrichtenden Preises für eine Kilowattstunde i.H.v. 0,21599 EUR ergibt sich daher bei 3.600 Betriebsstunden ein jährlicher Finanzbedarf für den Betrieb des Thermostats von 0,1866153 EUR (0,864 x 0,21599 EUR) bzw. von 0,2985845 EUR bei ganztägigem Betrieb während einer 240 Tage umfassenden Heizperiode (1,3824 x 0,21599 EUR).

Diesen Werten entsprechen Ansätze von 1,5 bzw. maximal 2,5 Cent monatlich für den Betrieb des Thermostats, die sowohl der 7. Senat des LSG NW als auch das Sozialgericht im vorliegenden Fall wegen Nichtberücksichtigung des Thermostats im Rahmen der jeweiligen Schätzung vernachlässigt haben könnten.

Die geringe Dimension des unberücksichtigt gebliebenen Stromverbrauches für den Be-trieb des Thermostats, ggf. auch weitere Minimalansätze für den Betrieb einer Kontrolllampe o.ä. stellen die Richtigkeit des Schätzungsansatzes an sich ebenso wenig in Frage wie das Ergebnis der Schätzung selbst, dass nämlich der heizungsbezogene Stromverbrauch für den Betrieb der Therme des Klägers (deutlich) unter 6,22 EUR liegt.

Die vom Sozialgericht zugrunde gelegte Schätzung des 7. Senates des LSG NW im angegebenen Urteil ist zur Überzeugung des Senats zudem bereits hinsichtlich der eingesetzten Heiztage großzügig.

Da sich ferner aus dem Vorhandensein einer Thermostatregelung ergibt, dass die Heizungspumpe keinesfalls - wie bislang zugrunde gelegt - während der gesamten Heizzeit mit Maximalleistung, sondern je nach Absinken der Raumtemperatur in Intervallen oder mit abgesenkter Drehzahl und damit auch abgesenkter Leistungsaufnahme betrieben wurde, steht fest, dass die bisherige Schätzung deutlich überhöht, jedenfalls aber so großzügig gewesen ist, dass die Klageabweisung nicht i.S.d. Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG auf der gerügten fehlerhaften Ermittlung der Schätzungsgrundlagen beruht haben könnte.

Soweit der Kläger darauf hinweist, er sei nicht mit der Rechtsprechung einverstanden, wonach bislang nicht anerkannte Heizkostenanteile nicht zur Auszahlung kommen, wenn sie unterhalb der bislang nicht in Abzug gebrachten Energiekosten für die Bereitung von Warmwasser gelegen haben, ist dies kein Vortrag eines Zulassungsgrundes. Der Kläger ist aus diesem Anlass darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die (verfahrensrechtliche) Rechtmäßigkeit des Zustandekommens eines Urteils, nicht aber dessen Richtigkeit im Ergebnis oder gar die Richtigkeit höchstrichterlicher Rechtsprechung geprüft wird.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=148099&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung von Willi 2:Das BSG hat mit Urteil vom 07.07.2011, - B 14 AS 51/10 R - festgestellt, dass Stromkosten für die Heizungspumpe als weitere Kosten der Unterkunft berücksichtigungsfähig sind.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/mehr-geld-fur-hartz-iv-empfager.html

3.4 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2011, - L 34 AS 2050/11 B PKH -

Pauschaler Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn die Frage, ob sich eine Behörde bei ihrer Entscheidung über einen Überprüfungsantrag auf die Bindungswirkung des zur Überprüfung gestellten Bescheides berufen und es ablehnen darf, die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu prüfen, wenn der Antragsteller - wie hier - weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren auch nur ansatzweise dargelegt hat, aus welchen Gründen der zur Überprüfung gestellte Bescheid rechtswidrig sein soll, und weder neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen noch neue Beweismittel benannt hat, ist nicht unumstritten.

Im Sozialleistungsrecht ist die Überprüfung und Aufhebung auch bestandskräftiger Verwaltungsakte aufgrund der Vorschrift des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach der Rechtsprechung jedenfalls des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 3. Februar 1988, Az.: 9/9a RV 18/86, BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr. 33, zitiert nach Juris) und des 4. Senats des BSG (Urteil vom 3. April 2001, Az.: B 4 RA 22/00 R, BSGE 88,75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20, zitiert nach Juris) verlangt § 44 SGB X, dass vor einer erneuten Sachprüfung zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden.

Auf der ersten Stufe hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft des früheren Verwaltungsakts überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen seiner Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsakts in der Sache prüfen und bescheiden. Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf einen Zugunstenbescheid allerdings nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen.

Denn sie soll nicht durch aussichtslose Anträge, die beliebig oft wiederholt werden können, wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden. Dieser Rechtsprechung haben sich mehrere Instanzgerichte und ein Teil der Literatur angeschlossen (u. a. Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2011, Az.: L 29 AS 728/11; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 7. Oktober 1999, Az.: L 5 U 11/99, und Urteil vom 12. Juli 2007, Az.: L 2 VS 55/06; LSG Hamburg, Urteil vom 9. Februar 2010, Az.: L 3 U 50/08, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Februar 2010, Az.: L 10 B 9/09 VG, alle Juris; Dörr/Francke, Sozialverwaltungsrecht, 2. Auflage 2006, Kapitel 7, Rn 73a; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Lfg. 2/11, K § 44, Rn 37 ff.).

Der erkennende Senat neigt dieser Auffassung zu.

Der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann eine hinreichende Erfolgsaussicht dennoch nicht gänzlich abgesprochen werden, da in der Literatur und in der Rechtsprechung teilweise auch eine andere Auffassung vertreten wird.

Die Gegenmeinung sieht in dem geschilderten Verfahren des 9. und des 4. Senats des BSG eine den Rechtsschutz verkürzende Vorgehensweise, für die es keine gesetzliche Grundlage gebe (Waschull, in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage 2011, § 44, Rn 40), bzw. äußert Bedenken, dass dadurch der von § 44 SGB X eingeräumte Anspruch auf Durchsetzung der dem Versicherten zustehenden materiellen Rechtsposition begrenzt werden könnte (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 44, Rn 39). Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 5. September 2006, Az.: B 2 U 24/05 R, Juris) soll das oben dargestellte gestufte Prüfverfahren nur bezogen auf die Frage gelten, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel aufzuheben ist. Bezogen auf die Frage der falschen Rechtsanwendung soll eine umfassende Prüfung unabhängig vom Vorbringen des Antragstellers vorzunehmen sein.

Zur Begründung weist der 2. Senat des BSG darauf hin, dass das Ziel des § 44 SGB X darin bestehe, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit einseitig zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5. September 2006, a. a. O., Rz. 12).

In seinem Urteil vom 11. November 2003 (Az.: B 2 U 32/02 R, Juris) hat der 2. Senat des BSG ausgeführt, dass das SGB X, anders als das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, bei Ansprüchen auf Sozialleistungen dem Grundsatz folge, dass der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor der Rechtssicherheit gebühre.

Es kenne daher keine dem § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vergleichbare Regelung, die es der Behörde erlaube, ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens unter Berufung auf die Bindungswirkung früherer Bescheide abzulehnen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe und der Antragsteller keine neuen Beweismittel vorlegen könne.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X sei der Leistungsträger vielmehr verpflichtet, auch bei wiederholten Anträgen über die Rücknahme der entgegenstehenden Verwaltungsakte und die Gewährung der beanspruchten Sozialleistung zu entscheiden.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=148053&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

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