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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 49/2019

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

1. 1 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2019 - L 21 AS 1444/19 B ER

Jobcenter müssen nun stets die gewählte Laufzeit eines EGV-VA begründen.

Orientierungshilfe ( Kanzlei RA Heemann )

Eine Regellaufzeit von Eingliederungsverwaltungsakten sieht § 15 Abs. 3 SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung nicht mehr vor. Unabhängig davon, welchen Geltungszeitraum der Eingliederungsverwaltungsakt vorsieht - befristet oder bis auf weiteres -, muß die insoweit getroffene Regelung von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen sein. Fehlt es hieran, ist der Verwaltungsakt wegen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=209383&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

  



2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2. 1 Sozialgericht Berlin, Urt. v. 11.10.2019 - S 37 AS 6694/19

Aufrechnung, bereite Mittel, Kindergeld, Beratung, Selbsthilfe, fiktives Einkommen

Zur Frage, ob Kindergeld, das wegen einer Aufrechnung nach § 75 EStG nur hälftig ausgezahlt wurde, im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 11 SGB II in voller Höhe zu berücksichtigen ist.

Orientierungssatz ( Redakteur )

Nach § 75 EStG aufgerechnetes Kindergeld kann nur dann in ungekürzter Höhe als Einkommen nach § 11 SGB 2 angerechnet werden, wenn die Aufrechnung nach Beratung durch den SGB 2-Träger zeitnah eingestellt wurde.

Leitsatz ( Juris )

1. Nach § 75 EStG aufgerechnetes Kindergeld kann nur dann in ungekürzter Höhe als Einkommen nach § 11 SGB 2 angerechnet werden, wenn die Aufrechnung nach Beratung durch den SGB 2-Träger zeitnah eingestellt wird.

2. Hat die Familienkasse eine Einstellung der Aufrechnung trotz Hinweis auf den Leistungsbezug der Person, für die das aufgerechnete Kindergeld gewährt wird, abgelehnt, geht ein möglicher Erstattungsanspruch des SGB 2-Trägers nach § 104 SGB 10 einer Anrechnung des fiktiven, ungekürzten Kindergeldes vor.

3. Der Vorrang des Erstattungsverfahrens nach § 104 SGB 10 gilt in jedem Fall für Kindergeld, das die Familienkasse vor Kenntnis der Hilfebedürftigkeit aufgerechnet hat; insoweit ist ein Anspruch auf Rückerstattung aufgerechneten Kindergeldes noch ungeklärt (FG Münster vom 20.3.2019 – 7 K 3130/18 Kg).

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=209381&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht

3. 1 Hessisches Landessozialgericht, Urt. v. 15.11.2019 - L 7 AL 70/18

 § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III -  "Nahtlosigkeitsregelung" - Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind - Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

Orientierungssatz ( Redakteur )

Die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit i.S.v. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III wird immer getroffen - auch wenn eine vollständige Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorliegt – vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=209415&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4. 1 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 1832/18

Leitsatz ( Juris )

Kann ein an Diabetes mellitus Typ I erkrankter Jugendlicher seine Erkrankung ohne Unterstützung Erwachsener beobachten und behandeln, liegt keine wesentliche körperliche Behinderung vor. Behandelt der Jugendliche seine Diabetes-Erkrankung nicht entsprechend dem Therapieplan, ist hierdurch auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass eine wesentliche körperliche Behinderung droht. Sind Leistungen allein wegen einer wesentlichen seelischen Behinderung zu erbringen, verbleibt es bei der Leistungspflicht des Trägers der Jugendhilfe.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=209388&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





5. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Asylrecht

5. 1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.11.2019 - L 8 AY 26/19 B ER

Zur Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG wegen der Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der EU oder einen am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat (hier Griechenland).

1. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG erfordert als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass dem Betroffenen die Rückkehr in das schutzgewährende Land aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen möglich und zumutbar ist.

2. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG ist danach rechtswidrig, wenn aufgrund der systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen in dem schutzgewährenden Land (hier Griechenland) insbesondere sog. vulnerablen Personen im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung (Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK) droht.

3. Bei der Prüfung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG kann eine unterbliebene oder mangelhafte behördliche Sachverhaltseraufklärung, etwa zum Fortbestehen des durch einen Mitgliedsaat der EU oder einen am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat gewährten internationalen Schutzes (§ 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG), insbesondere im gerichtlichen Eilverfahren nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Leistungsträgers nach dem AsylbLG gehen (Fortführung von LSG Celle-Bremen vom 08.04.2014 - L 8 AY 57/13 B ER - juris RdNr 21).

4. Eine nicht bestandskräftige asyl- oder aufenthaltsrechtliche Entscheidung entfaltet für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG keine Tatbestandswirkung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.2.2019 - B 7 AY 1/17 R - juris RdNr 26).

5. Zu dem Grundsatz des "ne ultra petita" (§ 123 SGG) und dem Verbot der „reformatio in peius“ im Rechtsmittelverfahren.

Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=CCE578F10037B2A46850083B9EACD1C6.jp11?doc.id=JURE190015081&st=null&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint





5. 2 Sozialgericht Kassel – Az.: S 12 AY 20/19 vom 18.09.2019
Normen: § 3 Abs. 4 AsylbLG - Schlagworte: Fortschreibung der Leistungen nach § 3 AsylbLG


Orientierungssatz ( Redakteur )

1. Zu der seit 2017 unterbliebenen Neufestsetzung bzw. Fortschreibung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, hier bejahend.

2. Auch Leistungen an Asylbewerber sind jährlich anzupassen.

Quelle: http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=120,1476,0,0,1,0





5. 3 Sozialgericht Kassel – Az.: S 12 AY 34/19 vom 18.09.2019
Normen: § 3 Abs. 1 S. 5 und § 3 Abs. 2 S. 2 AsylbLG - Schlagworte: Leistungsverpflichtung auch ohne "Abholung" von Leistungen


Orientierungshilfe ( Redakteur )

Insoweit gilt nichts anderes als in den Fällen, in denen Geldleistungen wegen einer Kontoauflösung einem Konto zunächst nicht mehr gutgeschrieben werden können. Auch dies lässt den Fortbestand der Leistungsverpflichtung und den hieraus resultierenden Zahlungsanspruch des Leistungsempfängers solange unberührt, wie der der Leistungsbewilligung zu Grunde liegende Bescheid als solcher nicht wirksam aufgehoben worden ist.

Quelle: http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=120,1475,0,0,1,0





5. 4 Sozialgericht Osnabrück, Beschluss vom 7. November 2019 (S 44 AY 59/19 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel

Wenn eine ursprünglich praktizierte Weigerungshandlung (z. B. die Ablehnung der Abzeichnung des Antrags auf eine Duldung gemäß § 60a AufenthG) im weiteren Verlauf des Verfahrens aufgegeben wurde, kann die zuständige Behörde hier nicht länger auf eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG erkennen.

Entsprechendes gilt auch, wenn hinreichende Bemühungen des Antragstellers dokumentiert sind, in schwierigen Gesprächen mit einem Vertrauensanwalt, dem Roten Kreuz, Amnesty International und dem UNHCR einen Weg zur Beschaffung von Heimreisdokumenten zu beschreiten, und nicht feststeht, welche Schritte diese Person in diesem Zusammenhang noch unternehmen kann und soll.

Die Gesetzeskraft des Tenors des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG bezieht sich zunächst nur auf die in dieser Entscheidung aufgegriffenen Bestimmungen des Unterabschnitts 5 („Sanktionen“) des Abschnitts 2 („Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“) des Kapitels 3 („Leistungen“) des SGB II (§§ 31 ff.).

Die Sanktionierung erfolgt gemäß § 1a AsylbLG („Anspruchseinschränkung“) nicht wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Eingliederung in Arbeit, sondern zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Pflichten. Die Übertragbarkeit der Ausführungen des BVerfG auch auf das AsylbLG ist deshalb als fraglich aufzufassen.





6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

6. 1 BVerfG: Teilweise Verfassungswidrigkeit der Hartz IV-Sanktionen – Auswirkungen für die Praxis - Anmerkung von,Richter am LSG Berlin-Brandenburg Dr. Claus-Peter Bienert

weiter: https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/UrteilsanmerkungFDSozVR201923





6. 2 Plan nach BVerfG-Urteil: Höhere Hartz-IV-Kürzungen durch die Hintertür - SZ 27.11.2019

weiter: https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-bundesverfassungsgericht-kuerzungen-sanktionen-1.4698013



Hinweis: Siehe auch Tacheles dazu: Bundesagentur für Arbeit plant mit neuen Dienstanweisungen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen zu unterlaufen!

Weiter: https://tacheles-sozialhilfe.de/tickerarchiv/bundesagentur-für-arbeit-plant-mit-neuen-dienstanweisungen,-das-urteil-des-bundesverfassungsgerichts-zu-den-sanktionen-zu-unterlaufen!.html



Hinweis: Arbeitsministerium dementiert Bericht über höhere Hartz-IV-Sanktionen

weiter: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/hartz-iv-sanktionen-entwurf-arbeitsministerium-agentur-fuer-arbeit-kuerzungen





Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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