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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 48/2024

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe ( SGB XII ) und zur Grundsicherung ( SGB II )

1.1 BSG, Urt. v. 21.11.2024 - B 8 SO 5/23 R

Sozialhilfe - Auskunftsverlangen - unterhaltspflichtiger Angehöriger - Überschreitung - Jahreseinkommensgrenze - Einkommen - Vermögen

Ist ein Verwaltungsakt, mit dem ein Sozialhilfeträger bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze nach § 94 Absatz 1a SGB XII den potenziell Unterhaltspflichtigen auffordert, nicht nur über seine Einkommens-, sondern auch über seine Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen (teil-)rechtswidrig?

BSG zum Elternunterhalt: Erwachsene Kinder nur eingeschränkt auskunftspflichtig

 

Bundessozialgericht begrenzt Auskunftspflicht für Elternunterhalt, denn erwachsene Kinder müssen für die mögliche Zahlung von Elternunterhalt ab einem sechsstelligen Jahresverdienst nicht umfassend Auskunft über Einkommen und Vermögen geben

Sozialhilfeträger dürfen nur bei hinreichenden Anhaltspunkten über ein entsprechendes Einkommen die potenziell unterhaltspflichtigen Kinder danach fragen, nicht aber nach ihrem Vermögen.

Liegen hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor,
dürfen die Sozialhilfeträger weiter ermitteln, ob die Grenze tatsächlich überschritten ist.

Wann ist das der Fall


Nach Ansicht des 8. Senats des BSG, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für entsprechende Einkommensverhältnisse der Kinder spricht.

Verlangt er dabei Auskunft von dem erwachsenen Kind, hat sich diese Auskunft auf das Einkommen zu beschränken.

Erst wenn dann sicher feststeht, dass dieses die 100 000 Euro- Grenze überschreitet, also ein Übergang des Unterhaltsanspruchs in Betracht kommt, darf er auch Auskunft über das Vermögen des unterhaltspflichtigen Angehörigen verlangen.

 

Weiter: https://www.evangelisch.de/inhalte/236349/21-11-2024/bundessozialgericht-begrenzt-auskunftspflicht-fuer-elternunterhalt und https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2024/2024_11_21_B_08_SO_05_23_R.html

 

 

1.2 BSG, Urt. v. 17.07.2024 - B 7 AS 10/23 R -

Zur Nichtanrechnung eines während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB 2 zugewendeten Geldbetrags aufgrund grober Unbilligkeit gemäß § 11a Abs 5 Nr 2 SGB 2, wenn die Zuwendung Aufwendungen für Unterkunft abdeckt, die vom Jobcenter ganz oder teilweise gemäß § 22 Abs 2 SGB 2 als Bedarf zu berücksichtigen sein können.

BSG Aktuell: Jobcenter darf Geldgeschenk der Mutter für dringende Dachreparatur nicht anrechnen

Eine Berücksichtigung der Zuwendung als Einkommen scheidet aus, weil und soweit diese die Lage der Tochter nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären (§ 11a Abs 5 Nr 2 SGB II).

Auf das Vorliegen der Voraussetzungen der groben Unbilligkeit (nach § 11a Abs 5 Nr 1 SGB II) kommt es daher nicht an.

Die Einnahme ist nach § 11a Abs 5 Nr 2 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit die Kosten der Dachreparatur als Bedarfe iS des § 22 Abs 2 SGB II berücksichtigungsfähig gewesen sind.

Die einmalige Zahlung der Mutter diente im Wesentlichen der Begleichung der Rechnung des Dachdeckers und insoweit der Deckung eines einmaligen Bedarfs iS des § 22 Abs 2 SGB 2.

 

Jetzt Volltext: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

2.1 LSG gibt bekannt – ist das vielleicht die 2. Entscheidung, welche beim BSG anhängig ist bezüglich der Regelleistung für 2022 u. 2023?

SGB II: Die Bemessung der Regelbedarfe im Jahr 2022 und 2023 folgt verfassungsrechtlichen Vorgaben

(vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2022 – L 3 AS 1169/22; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.10.2022 – L 6 AS 87/22 B ER; LSG NRW, Beschlüsse vom 31.03.2022 B ER – L 2 AS 330/22 B ER, vom 10.02.2022 – L 19 AS 1236/21 B, vom 10.11.2023 – L 21 AS 541/23 B, vom 17.04.2024 – L 2 AS 39/24 B und vom 16.09.2024 – L 7 AS 719/24 B; LSG NRW, Urteil vom 13.12.2023 – L 12 AS 1814/22; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2023 – L 18 AS 279/23 ; LSG Hessen, Beschluss vom 01.06.2023 – L 4 SO 41/23 B ER und vom 24.08.2022 – L 8 SO 56/22 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.12.2023 – L 5 AS 356/23 B ER).

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass die Vorschriften über die Festsetzung der Höhe des Regelbedarfs sowie deren Fortschreibung nach § 20 Abs. 5 SGB II i.d.F. vom 24.03.20211 mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13).

Die Anwendung des Mischindexes zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ab dem 01.01.2022 v - erstößtnicht gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.

 

 

Praxistipp: Das BSG hat zwei Revisionen zur Höhe der Regelleistungen im SGB II im Jahr 2022 zugelassen

Der 7. Senat des BSG hat 2 Revisionen zugelassen zur Frage der der Verfassungskonformität der Höhe der Regelbedarfsstufe 1 nach § 20 SGB II in den Monaten September und Oktober 2022 zugelassen. Eine ist schon öffentlich, die nächste wird kommen, so Harald Thome.

1. B 7 AS 20/24 R

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 18 AS 279/23, 18.10.2023

Waren die nach § 20 SGB II bestimmten Regelbedarfe der Regelbedarfsstufe 1 in den Monaten September und Oktober 2022 verfassungskonform?

2. xxx

 

2.2 LSG NSB, Urteil vom 28.05.2024 - L 15 AS 159/22 - Beschwerde der Klägerin vom BSG als unzulässig verworfen - BSG 7. Senat, Beschluss vom 12.August 2024 Az: B 7 AS 104/24 AR

Bürgergeld: Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung als Zuschuss bei Förderungsfähigkeit des Auszubildenden nach BAföG ( Orientierungshilfe Tacheles e. V. )

Orientierungssatz Redakteur Detlef Brock

1. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 SGB 2 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierzu zählt u. a. das Hochschulstudium.

2. Zuschussberechtigt sind danach Auszubildende an Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossenen Berufsausbildung voraussetzt, Abendgymnasien und Kollegs.

Nicht von § 27 Abs. 3 S. 2 SGB II erfasst sind danach Studierende an Hochschulen (vgl. dazu LSG Hamburg, Urteil vom 13. Juni 2022 – L 4 AS 278/21 – ).

 

 

 

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

3.1 SG Karlsruhe, Urt. v. 29.10.2024 - S 12 AS 1592/23 -

SG Karlsruhe: Zu Scheingeschäften bei der Unterhaltsgewährung und Wohnraumüberlassung unter syrischen Migranten bei Bürgergeldbezug

Bürgergeld: Auch ein Richter mit Herz muss sich an das Gesetz halten

So dass  das gerade zu kulturfremde Ausmaß an Verantwortungsgefühl und Mitmenschlichkeit syrischer Flüchtlinge untereinander nicht vom deutschen Grundsicherungsrecht/ Bürgergeld honoriert wird, im Gegenteil:  Leistungen nach dem Bürgergeld werden wegen finanzieller Zuwendungen der Angehörigen und wegen eines Scheingeschäfts beim Untermietvertrag versagt.

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

Die Solidarität der Mitmenschen syrischer Staatsangehörigkeit, die in Deutschland vor dem heimischen Bürgerkrieg Zuflucht nehmen mussten und hier einander in finanzieller Not hingebungsvoll beistehen, stellt mitnichten ein Verbrechen dar.

Das geradezu kulturfremde Ausmaß an Verantwortungsgefühl und Mitmenschlichkeit syrischer Flüchtlinge untereinander honoriert das deutsche Grundsicherungsrecht aber nicht.

Es dient indes dem Wohle der Allgemeinheit, wenn besonders solidarische Mitmenschen syrischer Staatangehörigkeit die deutschen Sozialkassen schonen, indem sie die Obdachlosigkeit anderer schutzbedürftiger Menschen aus Syrien jahrelang fast nahtlos dadurch abwenden, dass sie diese kostenfrei bei sich zuhause wohnen lassen und sie mit lebensnotwendigen Gütern versorgen, obwohl der deutsche Gesetzgeber keine derartigen Unterhaltspflichten normiert und die Unterstützer sogar die eigene Obdachlosigkeit vorübergehend in Kauf nehmen.

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4.1 LSG Hessen, Beschluss v. 24.10.2024 - L 4 SO 118/23 WA -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Das Landessozialgericht ist für die Entscheidung über eine Wiederaufnahmeklage auch dann zuständig, wenn der Senat mit der angegriffenen Entscheidung zwar nicht in der Sache entschieden, sondern die Berufung als unzulässig verworfen hat, indes der Kläger den Wiederaufnahmegrund gerade in der verwerfenden Entscheidung selbst sieht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2024 – L 7 AS 453/22 WA –).

2. Zur Möglichkeit der Verwerfung der Wiederaufnahmeklage durch Beschluss.

 

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 Bedarfe für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; junge Erwachsene; berechtigte Selbsthilfe; Kostenerstattung; Kursbuch; Sprachkurs

Sind gemäß § 3 Abs. 4 AsylbLG i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Bedarfe für Bildung und Teilhabe nur von Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen?

Müssen die Kosten für ein Kursbuch aus dem gewährten notwendigen persönlichen Bedarf finanziert werden ( der nach der in § 5 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) enthaltenen Abteilung 9 auch Verbrauchsausgaben für Freizeit, Unterhaltung und Kultur umfasse )?

 

Dazu der Verein Tacheles e. V.

Nein, denn auch junge Erwachsene haben Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Kursbuch ( 14,50 Euro ) für das Deutschbuch Schritte Plus Alpha Neu 2 als Leistungen zur Bildung und Teilhabe gemäß § 3 Abs. 4 AsylbLG i.V.m. § 34b SGB XII.


AsylbLG: Beschaffung von Kursmitteln (Deutsch-Kursbuch in Höhe von 14,50 Euro) für einen Sprachkurs gehört zu den übernahmefähigen Leistungen für Bildung und Teilhabe ( § 34 Abs. 7 Satz 1 SGB XII - Orientierungssatz Detlef Brock zu S 16 AY 371/24 )

Leitsatz Gericht www.landesrecht-bw.de


1. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist notwendige Vorbedingung für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in Deutschland, weshalb der Spracherwerb damit seinerseits einen Bedarf für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben darstellt.

2. Junger Erwachsener im Sinne des § 3 Abs. 4 AsylbLG ist, wer das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat. Der Leistungsberechtigte Personenkreis des § 3 Abs. 4 AsylbLG ist damit weiter als der des § 34 SGB XII.

3. Aufgrund der Bedeutung der Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, um gesellschaftliche Ausgrenzung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verhindern, kommt dem Leistungsträger entgegen dem Wortlaut des § 34 Abs. 7 Satz 2 SGB XII kein Ermessen zu.

 

5.2 LSG Hessen, Beschluss v. 15.09.2024 - L 4 AY 19/24 B ER, L 4 AY 22/24 B -

Asylbewerberleistungsrecht

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfasst bei zwischenzeitlich ergangenem Widerspruchsbescheid jenen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der später erhobenen Klage (Anschluss an: Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Mai 2009 – L 8 AS 215/09 B ER –, juris m. w. N.).

Es ist daher unschädlich, wenn der Antragsteller auch die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage beantragt, obwohl weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und gegen einen Widerspruchsbescheid fristgerecht Klage erhoben worden ist. Maßgeblich ist, dass keine Bestandskraft (§ 77 SGG) des Verwaltungsakts eingetreten ist.

2. Vor Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 7 AsylbLG festgestellt wird, ist die betroffene Person zu den für die Leistungeinschränkung erheblichen Tatsachen anzuhören. Fehlt die erforderliche Anhörung liegt hierin ein wesentlicher Verfahrensfehler, der zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakt führt, wenn er nicht nach § 45 HVwVfG geheilt wurde oder nach § 446 HVwVfG unbeachtlich ist.

 

5.3 LSG Hessen, Beschluss v. 11.11.2024 - L 4 AY 13/24 B ER -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Werden in einer Rechtsmittelbelehrung eines Bescheids auf die elektronische Form für die Einlegung eines Widerspruchs hingewiesen und konkrete Anforderungen bezeichnet, die nicht vollständig alle zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts vom Antragsgegner eröffneten und zulässigen Formen der elektronischen Widerspruchseinlegung umfassen, ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig.

 

Die unvollständige Aufzählung der Möglichkeiten zur elektronischen Einreichung, kann bei den betroffenen Personen einen Irrtum herbeiführen werden, der sie davon abhalten könnte, den Rechtsbehelf in der richtigen Form einzulegen.

2. Die Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 3 AsylbLG beginnt nach dem eindeutigen Normtext „ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag“. Ein Beginn erst ab dem Zeitpunkt des Vorliegens des zu vertretenen Grundes ergibt sich ggf. aus der Anwendung von §§ 45, 48 SGB X (i. V. m. § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG.


Praxistipp zum SGB II von Detlef Brock:

vgl. dazu SG Berlin, Beschluss vom 11.10.2024 - S 142 AS 2627/24 -

" Unrichtig im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ist jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest diejenigen Merkmale zutreffend wiedergibt, die § 66 Abs. 1 SGG als Bestandteile der Belehrung ausdrücklich nennt: den statthaften Rechtsbehelf als solchen, die Verwaltungsstelle, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist nebst Anschrift, und die einzuhaltende Frist.

Darüber hinaus ist auch eine Belehrung unrichtig, die nicht den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften nennt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. Urteil vom 14. März 2013, B 13 R 19/12 R, Rn. 16
m.w.N."

 

Flächendeckend unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungen der Jobcenter nach dem 01.01.2024 – „einfache“ Signatur beim beA reicht!: Widerspruchsfrist verlängert sich von 1 Monat auf 1 Jahr

weiter: https://www.gegen-hartz.de/news/weitreichende-folgen-buergergeld-bescheide-in-diesem-jahr-nicht-bestandskraeftig-nov

 

Anmerkung Detlef Brock:

Zur Zeit sind in Deutschland fast alle Bescheide, egal ob vom Jobcenter, Sozialhilfe, Asylrecht, Rentenversicherung, alle Bescheide aus den verschiedensten Sozialgesetzesbüchern falsch, denn sie enthalten falsche  Rechtsbehelfsbelehrungen, somit verlängert sich die Widerspruchsfrist auf 1 Jahr!

 

 

6. Verschiedenes zum Bürgergeld, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Kinderzuschlag, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

6.1 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.10.2024 - L 16 KR 131/23 -

Ein Gefährte ist kein Hilfsmittel: Krankenkasse muss nicht für Autismus-Assistenzhund zahlen

weiter: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/lsg-nds-bremen-l16kr13123krankenkasse-ausbildung-kosten-autismus-assistenzhund

 

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) keine Kosten für die Ausbildung eines Haushundes zum Autismus-Assistenzhund übernehmen muss.

 

Weiter: https://www.datev-magazin.de/nachrichten-steuern-recht/recht/ein-gefaehrte-ist-kein-hilfsmittel-133527

 

 

Praxistipp zum SGB XII von Detlef Brock:

SG Aurich, Anerkenntnis v. 11.07.2023 - S 13 SO 26/21, S 13 SO 27/21, S 13 SO 30/22 u. S 13 SO 31/22 – unveröffentlicht -

Sozialhilfe: Sozialhilfeträger müssen bei besonders schwer verfügbaren, behindertengerechten Wohnungen auch Kosten oberhalb der Angemessenheitsgrenze übernehmen ( es war eine barrierefreie Wohnung notwendig und die potentiellen Vermieter mussten einen Therapiehund zulassen),

Denn Bei Verschlossenheit des Wohnungsmarkts muss der Sozialhilfeträger im Einzelfall die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernehmen ( Anlehnung an BSG, Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R ).

 

6.2 Sächsisches LSG; Urt. v. 07.11.2024 - L 4 R 3/22 – www.landesrecht-sachsen.de

Leitsätze

1. Die Erfüllungswirkung einer Erstattung von Übergangsgeld durch die Rentenversicherung an den Träger der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) setzt ein gegenüber der Rentenversicherung bekannt gegebenes Erstattungsverlangen des SGB II-Leistungsträgers voraus, das die Bewilligungszeiträume benennt, für die Leistungen der Grundsicherung erbracht worden sind und für die die Erstattung geltend macht wird. Durch die Zahlung der Rentenversicherung auf einen anderen Bewilligungszeitraum tritt die Erfüllungswirkung gemäß §107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht ein.


2. Hat die erstattungspflichtige Rentenversicherung für einen Zeitraum Übergangsgeld bewilligt, für den der Träger der Grundsicherung Leistungen erbracht hat, ohne beim Leistungsberechtigten Einkommen i.S.d. §11 SGB II zu berücksichtigen, so entsteht in Höhe der nachgewiesenen Absetzbeträge i.S.d. §11b SGB II gemäß §104 Abs. 1 Satz 3 SGB X kein Erstattungsanspruch. Die Rentenversicherung bleibt insoweit gegenüber dem Leistungsberechtigten zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtet. Die Höhe ist zwischen der zur materiellen Prüfung verpflichteten Rentenversicherung und dem Leistungsberechigten zu klären.

 

 

7. Fragen und Antworten zum SGB II/Bürgergeld

7.1 Können Bezieher von Bürgergeld ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für vorbeugenden Rechtsschutz bei Gericht geltend machen, wenn zum Bsp. das Jobcenter in naher Zukunft beabsichtigt, Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II reduziert zu berücksichtigen?

Hieraus ergäbe sich allenfalls eine zukünftige Notlage, deren Berücksichtigung auf die Gewährung vorbeugenden Eilrechtsschutzes hinauslaufen würde.

Nein, denn nach einer aktuellen Entscheidung höchstrichterlicher Art besteht für die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis nur, wenn die Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz – einschließlich des vorläufigen nachträglichen Rechtsschutzes – unzumutbar ist.

Vorbeugender Rechtsschutz kann in zulässiger Weise nur in Anspruch genommen werden, wenn hierfür ein besonderes oder qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis besteht. Vorbeugender Rechtsschutz wirkt auf das Handeln der Exekutive ein, bevor diese abschließend entschieden hat, so dass er auch vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes besonders gerechtfertigt werden muss.

Für vorbeugenden Rechtsschutz ist von vornherein kein Raum, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die (möglicherweise) bevorstehenden Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und er auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann.

 

Praxistipp von Detlef Brock

Eine ursprüngliche Bewilligung der tatsächlichen Miete in einem laufenden Bewilligungszeitraum kann vom JobCenter nicht abgeändert werden.

Das heißt, wenn der Bewilligungszeitraum vom 01.01.-31.12. die tatsächliche Miete bewilligt; dann eine Kostensenkungsaufforderung ergeht und dann ab z.B. dem 01.07. die Miete abgesenkt wird, ist dies nicht möglich und wäre rechtswidrig vom Jobcenter.

Gegen diesen Bescheid, welcher die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab dem 01.07. absenkt, ist denn sofort Widerspruch einzulegen ( sehr kurze Fristsetzung ) und falls nötig Eilrechtsschutz bei Gericht zu suchen, beim Gerichtsverfahren sollte sie ein Rechtsanwalt für Sozialrecht vertreten.

 

8. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum SGB II/SGB XII

8.1 BVerfG, Beschluss vom 08.10.2024 - 1 BvR 2006/24 -

Polnischer Staatsbürger, ohne festen Wohnsitz rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG durch die Beschlüsse des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts, soweit darin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist.

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a und b SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII stelle eine umstrittene und ungeklärte Rechtsfrage dar.

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde für polnischen Staatsbürger bzgl Beschränkungen sozialrechtlicher Ansprüche - Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst a und b SGB II und § 23 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB XII bereits höchstrichterlich durch das Bundessozialgericht bestätigt, mithin keine schwierige Rechtsfrage, die nicht im PKH-Verfahren entschieden werden könnte - keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG

Denn der Gesetzgeber darf Unionsbürger regelmäßig darauf verweisen, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat als Ausprägung der eigenverantwortlichen Selbsthilfe zu realisieren.

Orientierungssatz Detlef Brock

1. Das Bundessozialgericht hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dargelegt, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a und b SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletze (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juni 2023 - B 4 AS 4/22 R -).

Der Gesetzgeber müsse Unionsbürgern ohne ein Aufenthaltsrecht oder lediglich mit einem Aufenthaltsrecht, das sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, jedenfalls dann keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einräumen, wenn ihnen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere eine Rückkehr in ihr Heimatland möglich und zumutbar sei.

Der Gesetzgeber dürfe Unionsbürger regelmäßig darauf verweisen, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat als Ausprägung der eigenverantwortlichen Selbsthilfe zu realisieren.

Vorbehaltlich individueller Umstände im Einzelfall sei die Sachlage anders als bei dem von § 1 Abs. 1 AsylbLG erfassten Personenkreis, bei dem der Gesetzgeber typisierend davon ausgehe, dass diesem eine Rückreise in das Heimatland gegenwärtig nicht möglich oder zumutbar sei.

Dass der Beschwerdeführer die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für unzutreffend hält, führt nicht dazu, dass sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe Erfolg haben müsste.


2. Prozesskostenhilfe muss nicht nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig erscheint (vgl BVerfG, 07.02.2012, 1 BvR 1263/11 ).

Daher muss Prozesskostenhilfe erst recht nicht gewährt werden, wenn eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist.

 

Quelle: http://www.rechtsprechung-im-internet.de/jportal/portal/t/19ke/page/bsjrsprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10908&fromdoctodoc=yes&doc.id=jb-KVRE001312442&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint


10. Anhängige Verfahren beim Bundessozialgericht zum SGB II/Bürgergeld

 

1. BSG, Urt. v. 28.11.2024 - B 4 AS 16/23 R - Termin 28.11.2024 – Vorinstanz: LSG Chemnitz vom 29.8.2023 - L 4 AS 834/17 -

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommen - Vermögen - Einspeisevergütung – Photovoltaikanlage

 

2. Sind Gewinne aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage bei der Grundsicherung nach dem SGB II als Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen?

 

3. Wenn es sich um Einkommen handeln sollte, ist denn der Erwerbstätigenfreibetrag abzusetzen oder wie ist das Einkommen zu behandeln?

 

Praxistipp: Inzwischen ist noch ein 2. Verfahren zur gleichen Rechtsfrage beim BSG anhängig.

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