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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 42/2022

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

 

1.1  LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 24.03.2022 - L 3 AS 17/19 - anhängig BSG - B 7 AS 13/22 R

Zum Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 6 SGB II wegen Bedarfen, die durch den regelmäßig wechselnden Aufenthalt eines minderjährigen Kindes getrennt lebender Eltern infolge seiner Zugehörigkeit zu zwei Bedarfsgemeinschaften entstehen.

Quelle: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/ayt/page/bsshoprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=9&numberofresults=2756&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE220032490&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint

 

 

2.1 LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 02.09.2022 - L 8 AS 155/22 NZB

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - selbständige Arbeit - Betreiben einer Website gegen Spenden- Einnahmen aus Gewerbebetrieb - keine Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrags

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.

Beim Betreiben einer Website handelt es sich nicht um eine selbstständige Tätigkeit, weil es an einer Gewinnerzielungsabsicht mangelt.

Quelle: https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/JURE220033716

 

1.3 Hessisches Landessozialgericht , Urt. v. 01.12.2021 - L 6 AS 1/20 anhängig beim BSG - B 4 AS 4/22 R

Muss für ein - dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II entgegen stehendes - abgeleitetes Freizügigkeitsrecht nach § 3 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 2 FreizügG/EU 2004 in der bis zum 23.11.2020 geltenden Fassung ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis bereits vor der Einreise nach Deutschland bestanden haben und eine Gewährung von Unterhalt nachgewiesen werden?

Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Absatz 3 Satz 3 SGB XII idF vom 22.12.2016

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172174

 

1.4 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.08.2022 - L 3 AS 2410/19

Italienische Staatsangehörige hat Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII sog. Überbrückungsleistungen - Besuch Integrationskurs Deutsch als Fremdsprache - § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF Sozialhilfe

Orientierungshilfe Redakteur von Tacheles e. V.

1. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF Sozialhilfe ist hier im Einzelfall anwendbar, denn das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist hier auf Null reduziert.

2. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt eine Ermessensreduktion auf Null im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF in Betracht, wenn sich der Aufenthalt von EU-Ausländern verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland der Fall ist (vgl. etwa BSG, Urteile vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R ). Eine derartige Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin ist in Bezug auf den streitbefangenen Zeitraum zu bejahen, da sie bereits im September 2012 zur Suche einer beruflichen Perspektive in die Bundesrepublik eingereist war, sich seitdem hier aufhielt und um eine dauerhafte, ihrer Ausbildung entsprechende Integration in den deutschen Arbeitsmarkt bemüht war bzw. ist.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172197

 

 

1.5 LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 11.10.2022 - L 6 AS 87/22 B ER

Keine Erhöhung existenzsichernder Leistungen zum Inflationsausgleich für Hartz IV – Empfänger ( Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V. )

Leitsatz


1. Bei einer gesetzlich klar bestimmten Regelbedarfshöhe im Grundsicherungsrecht ist es den Fachgerichten verwehrt, im Eilverfahren selbst unmittelbar aus der Verfassung öffentlich-rechtliche Ansprüche zu schöpfen. Eine sich allein auf Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem daraus folgenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stützende Verurteilung zur vorläufigen Bewilligung von höheren Leistungen nach dem SGB II würde gegen das in Art. 100 GG verankerte Verwerfungsmonopol des BVerfG für gesetzliche Normen verstoßen (Anschluss an Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. August 2022 – L 8 SO 56/22 B ER –, juris).

2. Es besteht auch keine Veranlassung, wegen der derzeit hohen Inflationsrate und des damit eintretenden Kaufkraftverlustes das vorliegende Eilverfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, denn die gegenwärtige monatliche Regelbedarfshöhe (für alleinstehende Erwachsene 449 €) ist am Maßstab der Verfassung nicht evident unzureichend. Der Gesetzgeber ist zwar gehalten, bei den periodisch anstehenden Neuermittlungen des Regelbedarfs zwischenzeitlich erkennbare Bedenken aufzugreifen und unzureichende Berechnungsschritte zu korrigieren. Eine solche Reaktion des Gesetzgebers ist jedoch erfolgt, indem nach § 73 SGB II für den Monat Juli 2022 von Amts wegen eine Einmalzahlung auch zum Inflationsausgleich in Höhe von 200 € gewährt wurde. Außerdem ist ein Gesetzgebungsverfahren angestoßen worden, das eine Neuberechnung des Regelbedarfs als Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 mit einer Erhöhung (für alleinstehende Erwachsene) von 53 € (vorgeschlagener Leistungssatz dann 502 €) vorsieht. Durch einen künftig doppelten Dynamisierungsfaktor soll auch schneller auf kurzfristigere Preiserhöhungen reagiert werden können.

Quelle: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/5i3/page/bsshoprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE220035276&documentnumber=1&numberofresults=2763&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=K&paramfromHL=true#focuspoint

 

 

2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

 

2.1 SG Nordhausen, Urt. v. 06.09.2022 - S 13 AS 120/21

Leitsätze


1. Ein Erstattungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der nach § 48 SGB X aufhebbar wäre.

2. Wird der Adressat eines bindenden Erstattungsbescheids volljährig, kann er die Minderjährigenhaftungsbeschränkung mit der Feststellungsklage geltend machen.

3. Der volljährig Gewordene haftet auch mit Vermögen, das er für den Erwerb eines Führerscheins verwenden soll.

4. Handlungen der Eltern eines Minderjährigen, die zum Neubeginn der Verjährung einer Forderung gegen den Minderjährigen führen, wirken auch nach Eintritt der Volljährigkeit für und gegen ihn.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172175

 

 

2. 2 SG Nordhausen, Urt. v. 06.09.2022 - S 13 AS 842/21

Leitsätze


1. Die Gewährung eines Darlehens für eine Mietkaution nach § 22 Abs. 6 SGB II kann durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen.

2. Die bedungene Vereinbarung über die Rückzahlung des Darlehens ist unwirksam, wenn sie nicht den Vorgaben von § 42a Abs. 2 bis 4 SGB II entspricht. Die Lücke ist durch Anwendung der genannten Vorschriften zu schließen.

3. Unwirksam ist ferner eine Vereinbarung, in der sich der SGB II-Leistungsträger die aus der Anlage der Mietsicherheit durch den Vermieter ergebenden Erträge versprechen lässt.

4. Deckt eine zurückerlangte Kaution den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, bedarf es gemäß § 42a Abs. 3 Satz 2 SGB II grundsätzlich zumindest eines Angebots des Grundsicherungsträgers gegenüber jedem anderen Teil über Zahlungsvereinfachungen.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172176

 

 

2. 3 Sozialgericht Magdeburg - S 10 AS 2373/19

Leitsatz RA Michael Loewy


Die Bildung eines Durchschnittseinkommens nach § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II aF steht nicht im Ermessen des Leistungsträgers. Dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass ein Durchschnittseinkommen nur fiir die Monate zu bilden ist, in denen Einkommen erzielt worden ist. Vielmehr geben § 41a Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II aF nach ihrem Wortlaut ohne jede Differenzierung vor, dass bei der abschließenden Entscheidung als monatliches Durchschnittseinkommen für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zugrunde zu legen und zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt (so auch BSG vom 11.07.2019 - B 14 AS 44/18 R).

Quelle: https://www.anwaltskanzlei-loewy.de/urteile/grundsicherung-f%C3%BCr-arbeitssuchende-sgb-ii/

 

 

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

3.1  LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.06.2022 - L 9 SO 58/18 - Revision zugelassen

Leitsätze


1. Zum Anspruch auf Übernahme von Krankenhausbehandlungskosten im Rahmen der Hilfe zur Gesundheit bei EU-Ausländern.

2. Der im Verfahren zwischen der um Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten nachsuchenden Person und dem Sozialhilfeträger notwendig beigeladene Krankenhausträger ist durch ein klagabweisendes Urteil nicht selbst beschwert.

3. Bei der Abgrenzung von Nothelferanspruch (§ 25 SGB XII) und originärem Sozialhilfeanspruch und der insoweit vorzunehmenden Aufteilung der DRG-Fallpauschale pro rata temporis ist der Tag der Kenntniserlangung insgesamt dem Sozialhilfeanspruch zuzurechnen.

4. Maßgeblich für die Aufteilung pro rata temporis ist die tatsächliche Zahl der Belegtage einschließlich des Entlassungstags.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172201

 

 

4. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

 

4.1 LSG Hamburg, Urt. v. 28.04.2022 - L 4 AY 8/20

Asylbewerberleistungen - Nothilfe - Erstattungsanspruch eines Krankenhauses wegen stationärer Krankenhausbehandlung

Orientierungssatz


Zu den Voraussetzungen des Nothelferanspruchs nach § 6a AsylbLG. (Rn.24)

https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha ... E220028956

 

 

5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

 

5. 1 Geldstrafe, Tagessatzhöhe, Bezieher von ALG II (Hartz IV) - Ein Beitrag von Christian Keßler

Das Landgericht Frankfurt an der Oder (LG Beschl. v. 27.07.2022 - 24 Qs 45/22) hat entschieden, dass bei einem Angeklagten, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II./Hartz IV) bezieht und finanziell am Existenzminimum lebt, die Geldstrafe nicht schematisch nach dem Nettoeinkommen berechnet werden darf, sondern individuell bestimmt werden muss.

Weiter: https://www.anwalt.de/rechtstipps/geldstrafe-tagessatzhoehe-bezieher-von-alg-ii-hartz-iv-204618.html

 

 

5. 2 Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer "Reueerklärung"

Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer "Reueerklärung" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Pressemitteilung Nr. 62/2022 vom 11.10.2022 - Bundesverwaltungsgericht: https://www.bverwg.de/de/pm/2022/62

 

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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