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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 41/2025

Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II – Bürgergeld


1.1 LSG Hamburg, Urteil vom 26.06.2025 – L 4 AS 135/20

Keine Kostenübernahme vom Jobcenter für eine Schufa-Auskunft

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Keine Kostenübernahme durch das Jobcenter für eine Schufa-Auskunft zwecks Anmietung einer neuen Wohnung.

  2. Derartige Kosten sind mit dem Regelbedarf abgegolten.

  3. Leistungsbezieher nach dem SGB II sind darauf zu verweisen, dass die Schufa verpflichtet ist, einmal jährlich eine kostenlose Selbstauskunft zu erteilen.

Quelle: www.landesrecht-hamburg.de


1.2 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2025 – L 21 AS 650/25 B ER

Rumänische Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Bürgergeld, wenn kein Daueraufenthaltsrecht fortbesteht

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Kein Bürgergeld für eine rumänische Antragstellerin, auch wenn sie seit 20 Jahren mit Unterbrechungen in Deutschland gemeldet war, jedoch zeitweise von 2020 bis 2024 nach Rumänien ausreiste und anschließend zurückkehrte.

  2. Ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II besteht nicht.

  3. Die Rückausnahme zu den Leistungsausschlüssen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II liegt nicht mehr vor, wenn nicht nur unwesentliche Unterbrechungen des dauerhaften Aufenthalts eintreten (BSG, Urteil vom 11.09.2024 – B 4 AS 12/23 R). Bereits eine Abwesenheit von drei Monaten gilt als wesentlich (vgl. LSG NRW, Urteil vom 11.01.2024 – L 19 AS 1849/21).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Rechtstipp:
Nach aktueller Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.09.2025 – B 4 AS 8/24 R, lediglich Terminbericht) erfordert der Aufenthalt eines EU-Bürgers eine Prognose über die Dauer seines Aufenthalts.


1.3 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.08.2025 – L 7 AS 706/25 B ER

Jobcenter müssen für „Schrottimmobilien“ keine höheren Mietkosten übernehmen

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Jobcenter müssen keine höheren laufenden Mietkosten übernehmen, wenn die Wohnung der Leistungsbezieher nicht erhaltenswert ist und erhebliche Zweifel an der Entstehung einer weitergehenden Mietzinsverpflichtung (§ 535 Abs. 2 BGB) bestehen.

  2. Eine Wohnung ist nicht erhaltenswert, wenn sie elementaren Wohnbedürfnissen nicht genügt (z. B. keine funktionierende Heizung, Wasserschäden, nur Kaltwasser in der Küche) oder Kinder unzureichend mit Wohnraum versorgt sind.

  3. Eine Mietschuldenübernahme war nicht gerechtfertigt, da die Wohnung nicht erhaltenswert war.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Hinweis von Detlef Brock:
Mietpreis-Deckelung bei Schrottimmobilien
Sozialministerin Bas will für Bürgergeldempfänger, die in Schrottimmobilien wohnen, die Mietkosten deckeln, um Mietwucher vorzubeugen.
https://www.n-tv.de/politik/So-will-Bas-den-Bandenbetrug-beim-Buergergeld-bekaempfen-article26090706.html


1.4 LSG Bayern, Urteil vom 15.02.2024 – L 16 AS 451/22

Eine rechtmäßige Aufrechnungsverfügung des Jobcenters setzt eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) voraus

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Eine Aufrechnungsentscheidung des Jobcenters ist aufzuheben, wenn die Gegenforderung (Erstattungsforderung) nicht bestandskräftig ist und keine vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet wurde.

Leitsätze

  1. § 48 SGB X ist auch auf anfänglich rechtswidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern.

  2. Eine rechtmäßige Aufrechnungsverfügung setzt eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) voraus. Diese liegt nur vor, wenn die Gegenforderung bestandskräftig oder für sofort vollziehbar erklärt wurde.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de


1.5 LSG Bayern, Urteil vom 27.11.2024 – L 11 AS 232/22

Pfändbare Beiträge, die zugunsten des Insolvenzverwalters nicht ausgezahlt werden, sind kein anrechenbares Einkommen (§ 11 SGB II)

Leitsatz
Während eines Restschuldbefreiungsverfahrens gemäß § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetretene pfändbare Beträge sind kein Einkommen i. S. v. § 11 SGB II, da keine bereiten Mittel vorliegen.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de


1.6 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 25.08.2025 – L 11 AS 431/22 u. a.

Festgelegte Mietobergrenzen der Jobcenter für Hannover bestätigt

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Das LSG NSB hat die Festlegung der Mietobergrenzen für das Stadtgebiet Hannover bestätigt und erstinstanzliche Urteile aufgehoben.

  2. Das Konzept beruht auf repräsentativen Daten eines qualifizierten Mietspiegels; die Angemessenheitsgrenzen wurden zulässig beim höchsten Wert des unteren Drittels der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse festgelegt.

  3. Das Gericht sah ausreichend angemessenen Wohnraum als verfügbar an.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen – Pressemitteilung


2. Entscheidungen der Sozialgerichte zum SGB II / Bürgergeld


2.1 SG Aurich, Beschluss vom 23.09.2025 – S 55 AS 99/25 ER

RA Niklas Sander kommentiert einen Beschluss des SG Aurich vom 23.09.2025 – S 55 AS 99/25 ER.
Das Gericht führt aus:

Werden vom Jobcenter unrealistische KdU-Werte festgesetzt und wird dies im Eilverfahren glaubhaft gemacht, können auch im Eilverfahren höhere Angemessenheitswerte nach dem WoGG berücksichtigt werden.
Die Berechnung hat in der Reihenfolge „Tabellenwert + Klimakomponente + 10 % Sicherheitszuschlag“ zu erfolgen.

Quelle: RA Niklas Sander auf anwalt.de

Rechtstipp:
Vgl. SG Landshut, Beschluss vom 16.07.2024 – S 7 AS 166/24 ER;
SG Stralsund, Beschluss vom 09.09.2025 – S 5 SO 58/25 ER.


3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

Keine Entscheidungen bekannt.


4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)


4.1 LSG Hessen, Urteil vom 27.08.2025 – L 4 SO 38/25

Kosten einer Räumungsklage sind vom Sozialhilfeempfänger selbst zu tragen, wenn die Behörde die Miete vollständig übernommen hat

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Dies gilt zumindest dann, wenn die Kommune für die Kündigung der Wohnung nicht verantwortlich ist.

  2. Kosten der Räumungsklage sind nur zu übernehmen, wenn die Räumung auf teilweise oder verspätet gezahlte Miete zurückzuführen ist.

  3. Keine Erstattung, wenn der Antragsteller die Kosten vor Antragstellung selbst beglichen hat.

Quelle: Beck RSW – Meldung

Praxistipp:
Veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 36/2025.


4.2 LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.07.2025 – L 2 SO 1152/25

Therapie-Tandem mit Elektrounterstützung als Leistung zur Teilhabe

Anmerkung von Detlef Brock

  1. Ein schwerstbehindertes Kind mit Autismus-Spektrum-Störung hat Anspruch auf ein Therapie-Tandem mit Elektrounterstützung als Hilfsmittel der GKV.

  2. Das Tandem ist erforderlich, um das Grundbedürfnis der persönlichen Mobilität (Art. 20 UN-BRK) zu erfüllen.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de


4.3 LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.08.2025 – L 8 SO 31/23

Bestattungskosten im Urnenwahlgrab sind Bestattungskosten i. S. v. § 74 SGB XII

Leitsätze

  1. Zu den ortsüblichen angemessenen Bestattungskosten zählen auch Aufwendungen für eine ordnungsbehördlich angeordnete Bestattung in einem Urnenwahlgrab.

  2. Sozialhilfeträger müssen auf die Ordnungsbehörden einwirken, um unangemessene Kosten zu vermeiden.

  3. Der „Sterbevierteljahr-Bonus“ einer Witwenrente ist keine zweckbestimmte Leistung i. S. v. § 11a SGB II, § 83 SGB XII.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de


5. Entscheidungen zum Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)


5.1 LSG Hessen, Beschluss vom 01.10.2025 – L 4 AY 5/25 B ER

Freiwillige selbstinitiierte Ausreisen sind im Dublin-Verfahren in der Regel nicht zugelassen

Leitsätze

  1. Eine freiwillige selbstinitiierte Ausreisemöglichkeit muss tatsächlich bestehen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG).

  2. Bei unionsrechtlichen Zweifeln sind die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts zum Eilrechtsschutz zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 13.08.2024 – 2 BvR 44/24).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Praxistipp:
Ebenso SG Gießen, Az. S 30 AY 40/25 ER.


5.2 SG Mainz, Beschluss vom 29.09.2025 – S 15 AY 28/25 ER

Bestandsschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII gilt auch für Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG

Leitsätze

  1. Die Bestandsschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII findet über den Verweis in § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG auch auf Leistungsberechtigte nach §§ 3, 3a AsylbLG Anwendung.

  2. Eine gegenteilige Bekanntmachung des BMAS steht dem nicht entgegen.

Rechtstipp:
Ablehnend: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2025 – L 7 AY 918/25 ER-B.
Zustimmend: SG Marburg (23.05.2025 – S 16 AY 8/25 ER; 14.02.2025 – S 16 AY 11/24 ER), SG Speyer (25.03.2025 – S 16 AY 10/25 ER), SG Mainz (10.07.2025 – 1 AY 7/25 ER, unveröffentlicht).


Hinweis zur Zitierweise

Nicht veröffentlichte Urteile, Anmerkungen oder Besprechungen dürfen nur mit Quellenangabe zitiert werden:

  • Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW XX/2025 – Autor: Detlef Brock

  • Für Newsletter: Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 – Autor: Harald Thomé

  • Lizenz: Creative Commons CC-BY-SA 3.0

Hinweis: Zitate ohne Quellenangabe sind urheberrechtswidrig.

Verfasser: Detlef Brock, Redakteur Tacheles Rechtsprechungsticker

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