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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 40/2024

2. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung ( SGB II )

1.1 BSG, Urt. v. 24.09.2024 - B 7 AS 15/23 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Auskunftsrecht - Datenschutz-Grundverordnung - Schadensersatzanspruch

BSG: Jobcenter müssen nicht für Kontrollverlust über Daten des Bürgergeld-Empfängers zahlen

Keine Zahlung von immateriellem Schadensersatz i.H.v. 5.000 € auf der Grundlage von Art. 82 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Denn Bürgergeldberechtigte müssen für einen Schadensersatzanspruch wegen einer rechtswidrig erteilten Auskunft des Jobcenters über ihre verarbeiteten Daten einen konkreten Schaden benennen können.

Das Empfinden eines gewissen Kontrollverlustes, weil die Daten vom Jobcenter nicht als pdf-Datei zur Verfügung gestellt wurden, reicht für einen Schadensersatzanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht aus, so ausdrücklich der 7. Senat des BSG.

Mit dem Auskunftsanspruch des betroffenen Bürgers ist allerdings eine Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden, so dass die DSGVO anzuwenden ist, so die Kasseler Richter.

 Quelle: www.evangelisch.de

 

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

2.1 LSG BW, Urt. v. 10.07.2024 - L 2 AS 2960/22 -

Bürgergeld: Keine Wohnungserstausstattung vom Jobcenter bei Schimmelbefall der Unterkunft

Bürgergeld- Empfänger haben in der Regel keinen Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung bei Schimmelbefall ihrer Wohnung, denn es ist ihnen zumutbar – Ansparungen - vor zu nehmen.

Bei Schimmelbefall einzelner Möbelstücke handelt es sich gerade nicht um eine plötzlich eingetretene Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung, sondern vielmehr um einen allgemeinen Abnutzungs- und Verschleißprozess.

Der übliche Verschleiß von Gebrauchsgegenständen ist kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur Wohnungserstausstattung.

Auch wenn hierbei personenbezogene Faktoren, ggf. durch falsches Lüftungsverhalten, aber auch durch eine mangelhafte bauliche Situation der Wohnung, zu einem schnelleren aber dennoch schleichenden Verschleiß der Wohnungsgegenstände geführt haben können.

Während die vom Vermieter offensichtlich entweder nicht angegangene oder nicht beherrschte Schimmelproblematik durchaus als von außen einwirkender Umstand gesehen werden könne, habe dieser Umstand jedoch nicht dazu geführt, dass es, wie von der Rechtsprechung vorausgesetzt, „plötzlich“ zum Untergang bzw. zu Unbrauchbarkeit der Einrichtungsgegenstände gekommen sei.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

2.2 LSG BW, Urt. v. 14.05.2024 - L 13 AS 260/23 - Revision anhängig beim BSG - B 4 AS 16/24 R -

Zur Frage, ob der kroatischen Staatsbürgerin ein Aufenthaltsrecht gemäß § 11 Abs. 14 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 Abs. 1 AEUV zusteht, hier verneinend

§ 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AufenthG 2004 ist nicht auf die Elternteile minderjähriger lediger Unionsbürger anzuwenden, wenn diese minderjährigen Unionsbürger keine Deutschen sind ( Redakteur von Tacheles e. V. ).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de


Rechtstipp:

LSG BB, Beschluss v. 13.06.2024 - L 3 AS 409/24 B ER -

Orientierungssatz Redakteur

§ 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AufenthG 2004 ist auf die Elternteile minderjähriger lediger Unionsbürger nicht - anzuwenden, wenn diese minderjährigen Unionsbürger keine Deutschen sind ( entgegen LSG für das Saarland, Urteil vom 07. September 2021 - L 4 AS 23/20 WA - ).

 

 

2.3 LSG BW, Urt. v. 20.02.2024 - L 13 AS 1462/23 -

Bürgergeld: Das Gesetz räumt Leistungsbeziehern keinen klagbaren Anspruch auf eine „fachgerechte“ Vermittlung ein

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB II unterstützen die Träger der Leistungen nach diesem Buch, dem SGB II, erwerbsfähige Leistungsberechtigte umfassend und nachhaltig mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit und Überwindung der Hilfebedürftigkeit.

Leistungsberechtigte Personen erhalten (hierzu) Beratung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Im Rahmen der Beratung wird gemeinsam eine individuelle Strategie zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele erarbeitet und deren schrittweise Umsetzung begleitet (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Aufgabe der Beratung ist darüber hinaus die Erteilung von Auskunft und Rat, insb. zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zum Eingliederungsprozess und zu den Mitwirkungspflichten und Selbsthilfeobliegenheiten sowie dem Schlichtungsverfahren, zu den Leistungen der Eingliederung nach diesem Abschnitt sowie zur Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen anderer Träger.

Art und Umfang der Beratung richten sich gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB II nach dem Beratungsbedarf der leistungsberechtigten Person.


Aus § 14 SGB II lassen sich jedoch unmittelbar keine Ansprüche des Einzelnen auf (konkrete) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit ableiten

Denn die Norm statuiert vielmehr ausschließlich eine objektiv-rechtliche Aufgabenzuweisung zur Unterstützung und zur Leistungserbringung, begründet aber nach dem Wortlaut keine entsprechenden subjektivrechtlichen Ansprüche der Leistungsberechtigten (BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 13/09 R -).

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

 

2.4 LSG Baden-W., Urt. v. 20.12.2023 - L 2 AS 1795/22

Bürgergeld: Keine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten für einen Wohnwagen, wenn dieser nicht mal über einen Strom und Wasseranschluss verfügt

Denn bei einem Wohnmobil sind die zum Wohnen notwendigen Gegenstände erfahrungsgemäß bereits vorhanden.

Der Anspruch auf „Erstausstattung“ kann nicht so verstanden werden, dass einem Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II stets - unabhängig vom tatsächlichen Bedarf - „alle“ Bestandteile einer Erstausstattung zu bewilligen sind.

Vielmehr ist Bezugspunkt für den Bedarf an Erstausstattung die Ausstattung derjenigen Unterkunft, die der Leistungsberechtigte während des Leistungsbezugs bezieht oder die er (bei Eintritt des SGB II-Bezugs) bereits bewohnt.

So ist etwa hinsichtlich des Ausstattungsumfangs zu berücksichtigen, wenn ein Leistungsberechtigter laut Mietvertrag bereits über Ausstattungsgegenstände verfügt oder er auf andere Weise bereits Einrichtungsgegenstände erhalten hat.

Es ist - wegen der notwendigen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise - unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushaltsgegenstände ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z.B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden, oder ob ihm die (Mit)Benutzung gestattet wird .

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

Rechtstipp: ebenso

LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.01.2024 - L 4 AS 628/22 -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Ein Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung liegt nur vor, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist.

2. Werden dem Kläger Einrichtungsgegenstände ohne eine ernsthafte Rückgabeverpflichtung auf unbestimmte Zeit zur Nutzung überlassen, liegt insoweit kein ungedeckter Bedarf vor.

 

 

2.5 LSG Bayern, Urt. v. 13.06.2023 - L 15 AS 164/22 -

Bürgergeld: Jobcenter muss trotz mietvertraglicher Vereinbarung eine Hausratversicherung nicht als KDU übernehmen, denn es fehlt nach der Rechtsprechung des BSG am fehlenden Bezug zur Mietsache

 

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

Aufwendungen für eine Hausratversicherung, die nur Schäden des Leistungsempfängers, aber nicht Schäden des Vermieters abdeckt, können selbst dann nicht als Unterkunftsbedarf anerkannt werden, wenn der Vermieter darauf bestanden hat, dass eine Verpflichtung des Leistungsempfängers zum Abschluss einer Hausratversicherung in den Mietvertrag aufgenommen wird.

 

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

3.1 SG Würzburg, Urt. v. 31.08.2023 - S 10 AS 24/23 -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

Für einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II kommt es bei einem Hochschulstudium im Regelfall nicht darauf an, dass neben der Immatrikulation die Ausbildung auch tatsächlich betrieben wird.

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4.1 LSG BW, Urt. v. 07.08.2024 - L 2 SO 1793/23 -


Sozialhilfe: Kosten der Einlagerung von Gegenständen können wegen der Größe der Wohnung Kosten der Unterkunft sein

Sozialhilfeträger müssen bei besonderen kleinem Wohnraum die Anmietung von einem weiterem Raum übernehmen, wenn es wegen der Größe der konkreten Unterkunft erforderlich sei, vorübergehend nicht benötigten, angemessenen Hausrat und persönliche Gegenstände anderweitig unterzubringen ( BSG, Urt. v. 16. Dezember 2008 - B 4 AS 1/08 R -).

Der Sozialhilfeträger muss aber - keine Kosten für einen zusätzlichen Lagerraum ( hier 2 Lagerboxen ) übernehmen, wenn die Hilfebedürftige sich gegen eine Prüfung des Sozialhilfeträgers diesbezüglich durch Inaugenscheinnahme der eingelagerten Möbel und sonstiger Gegenstände verwehrt

Somit ist eine Prüfung, ob es sich (teilweise) um eingelagerte Gegenstände handelt, die die Klägerin als nicht geschützte Vermögensgüter verwerten müsste, nicht möglich.

Schließlich ist unmöglich zu prüfen, ob die (isolierten) Aufwendungen für diesen zusätzlichen Lagerraum gemessen am Wert der eingelagerten Güter wirtschaftlich sind.

Denn diesbezüglich ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Sozialhilfeträger für zwei Jahre Einlagerungskosten in Höhe von ca. 6.000,00 € getragen hat, ohne dass weiterhin ab 1. Juli 2018 absehbar war und derzeit absehbar ist, dass sich an dieser Situation durch den Bezug einer anderen Wohnung durch die Klägerin etwas ändern wird.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

Rechtstipp zum Bürgergeld: § 22 Abs. 1 SGB II

LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.05.2024 - L 2 AS 1158/24 ER-B -

Jobcenter muss monatliche Anmietkosten eines Containers einer vergewaltigten, Hilfebedürftigen, welche im Frauenhaus lebt, als Kosten der Unterkunft übernehmen

 

4.2 LSG BW, Beschluss v. 05.08.2024 - L 2 SO 1978/24 ER-B -

Sozialhilfeträger lehnt teures Einzelzimmer im Hotel für Schwerst Erkrankten ab - Unterbringung in Sammelunterkunft ausreichend trotz ärztlicher Unzumutbarkeit

Sozialhilfeträger muss für eine schwer erkrankten Antragsteller kein unangemessenes ,teures Hotelzimmer übernehmen, wenn vor dem Umzug keine Zusicherung eingeholt wurde und durch die Zurverfügungstellung eines abschließbaren Zweibettzimmers in einem Wohnheim der Bedarf des Antragstellers an der Versorgung mit zumutbaren Wohnraum gedeckt werden kann und ein Sozialdienst vor Ort ist.

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

 

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 SG München, Beschluss v. 16.08.2024 - S 16 AY 68/24 ER -

SG München zur Bezahlkarte:

1. Bei Gewährung des Bedarfs in Form einer Bezahlkarte droht kein so wesentlicher Nachteil, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordert

2. Es ist grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, das Existenzminimum auch durch Sach- oder Dienstleistungen zu gewähren ( Orientierungssatz Redakteur )

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

Rechtstipp

Auch der pauschale Betrag von 50,- Euro pro Person begegnet keinen Bedenken (so auch SG A-Stadt, Beschluss vom 04.09.2024 - S 52 AY 65/24 ER; SG A-Stadt, Beschluss vom 29.08.2024 - S 42 AY 63/24 ER, a.A.: SG Hamburg, Beschluss 18.07.2024 - S 7 AY 410/24 ER -

 

 

5.2 LSG Hamburg, Beschluss v. 17.09.2024 - L 4 AY 11/24 B ER -

einstweiliger Rechtsschutz - Regelungsanordnung - fehlender Anordnungsgrund - Asylbewerberleistungen - Grundleistungen - Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung - Leistungserbringung durch eine Bezahlkarte - kein wesentlicher Nachteil - Verfassungsrecht
Leitsatz www.landesrecht-hamburg.de

Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 3 Abs. 2 AsylbLG vermag der Senat nicht zu erkennen, dass vorliegend bei Gewährung des Bedarfs in Form einer Bezahlkarte ein so wesentlicher Nachteil droht, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordert. Verfassungsrechtlich ist es grundsätzlich zulässig, das Existenzminimum durch Geld- aber auch durch Sach- oder Dienstleistungen zu gewähren (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11).

Auch im konkreten Fall der knapp zweijährigen Antragstellerin sind in ihrer Person liegende Gründe, ausnahmsweise vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes auszugehen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Schließlich dauert die Leistungserbringung per Bezahlkarte auch noch nicht so lange an, dass damit verbundene Erschwernisse unzumutbar erscheinen.

 

 

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Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

 

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