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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 34/2022

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

1.1 LSG Hamburg, Urt. v. 05.05.2022 - L 4 AS 39/20

Untermietzahlungen an den Grundsicherungsberechtigten sind nicht als dessen Einkommen anzurechnen - Berücksichtigung einer Nebenkostenabrechnung

Orientierungssatz


1. Untermietzahlungen an den Hilfebedürftigen stellen regelmäßig kein Einkommen i. S. des § 11 SGB 2 dar. Bei deren Zufluss handelt es sich lediglich um einen Durchlaufposten, weil dieser Betrag letztlich an den Vermieter weitergeleitet wird.(Rn.24)

2. Eine Nebenkostenerstattung ist nach § 22 Abs. 3 SGB 2 auf den Monat nach deren Rückzahlung bzw. deren Gutschrift als Einkommen auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung anzurechnen.(Rn.34)

Quelle: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE220028531

 

Hinweis: vgl. dazu

LSG Hamburg L 4 AS 108/19 , Urt. v. 05.05.2022

Untermietzahlungen an den Grundsicherungsberechtigten sind nicht als dessen Einkommen anzurechnen - Berücksichtigung von Stromkosten

Orientierungssatz

1. Untermietzahlungen an den Hilfebedürftigen stellen regelmäßig kein Einkommen i. S. Des § 11 SGB 2 dar. Bei deren Zufluss handelt es sich lediglich um einen Durchlaufposten, weil der entsprechende Betrag letztlich an den Vermieter weitergeleitet wird.(Rn.34)

2. Eine Nichtberücksichtigung für Stromaufwendungen bei vereinbarter Untermiete kommt nur in Betracht, wenn dies gesondert zwischen dem Grundsicherungsberechtigten als Hauptmieter und dessen Untervermieter vereinbart worden ist.(Rn.39)

Quelle: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE220028821

 

1.2 LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2022 - L 6 AS 156/22

Leitsätze


Zur Bindungswirkung eines Eingliederungsverwaltungsakt bei der Überprüfung eines Sanktionsbescheides.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171803

 

1.3 LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 25.07.2022 - L 4 AS 1340/20 B PKH

Leitsätze


Eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe ist im Hinblick auf § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) SGG unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Effektivität des Rechtsschutzes und des Gebots der Rechtsschutzgleichheit als zulässig anzusehen, wenn die Rechtsfrage ungeklärt ist, ob die Berufung der Zulassung bedürfte.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171822

 

1.4 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31.05.2022 - L 32 AS 2866/16

Leitsätze


Der Bestimmung grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft in Berlin lag für die Jahre 2012 und 2013 kein schlüssiges Konzept zugrunde.

Die Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels 2011 können für die Bestimmung eines Grenzwertes grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft für die Jahre 2012 und 2013 nicht herangezogen werden (Anschluss an Senatsurteil vom 31.01.2018 – L 32 AS 1223/15 –).

Tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft sind in vollem Umfang übernahmefähig, wenn sie die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG zuzüglich eines „Sicherheitszuschlags“ von 10 % nicht überschreiten. Im konkreten Fall konnte deshalb offen bleiben, ob bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit wegen dessen normativer Vorprägung die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige zu beachten sind, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt (wozu in angespannten Wohnungsmärkten der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau gehört; s. Senatsurteil vom 02.12.2021 – L 32 AS 579/16 –, gegen das die zugelassene Revision nicht eingelegt worden ist).

Bei zentraler Warmwassererzeugung ist die Angemessenheitsgrenze für die Heizkosten um angemessene Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser zu ergänzen (Anschluss an Senatsurteil vom 02.12.2021 a.a.O.).

Die Kostensenkungsaufforderung muss keine Ausführungen dazu enthalten, ob der Leistungsträger die Kosten der Unterkunft und/oder die Kosten der Heizung als unangemessen betrachtet. Aus dem Urteil des BSG vom 19.05.2021 – B 14 AS 57/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 115, ergibt sich nichts anderes.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171823

Hinweis: vgl. LSG Berlin-Br., Urt. v. 31.05.2022 - L 32 AS 2845/16 : https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171824

 

1.5 LSG Bayern, Urt. v. 07.04.2022 - L 7 AS 664/19

Leitsätze


Eine Ersatzzustellung in den Briefkasten des Vermieters ist möglich, wenn der Briefkasten zur Wohnung des Mieters gehört.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171831

 

 

2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2.1 Sozialgericht Braunschweig, Beschluss v. 15.08.2022 - S 24 AS 135/22 ER

Leitsatz RA Michael Loewy


Schon nach dem Wortlaut ist eine Saldierung im Rahmen des § 41a Abs. 6 S. 2 SGB II nur mit bereits aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen möglich. Sind jedoch aufgrund der vorläufigen Entscheidung noch keine Leistungen für einen Monat erbracht worden, können diese Leistungen nicht Teil der Saldierung sein. Es handelt sich dann um aktuelle bedarfsdeckende Leistungen, die nur gem. § 43 Abs. 2 SGB II aufgerechnet werden können.

Quelle: https://www.anwaltskanzlei-loewy.de/urteile/grundsicherung-f%C3%BCr-arbeitssuchende-sgb-ii/

 

2.2 Sozialgericht Berlin, Urteil vom 16.08.2022- S 128 AS 10031/19

Von hinten durch die Brust ins Auge….Ein Beitrag von RA Kay Füßlein

SG Berlin zur Verfassungswidrigkeit von 100% Sanktionen:

Laut BVerfG vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 - eine Minderung des Arbeitslosengelds 2 um mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs rechtswidrig

Mit Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 – hat das Bundesverfassungsgericht bekanntlich (u.a.) 100 % Sanktionen für verfassungswidrig erklärt. Es hat jedoch angeordnet, dass diese Rechtsfrage nur für die Zukunft wirkt und für Bescheide, die brich nichts bestandskräftig sind.

Bestandskraft tritt dann ein, wenn gegen einen Bescheid fristgerecht kein Widerspruch und keine Klage erhoben worden ist. Wer also gegen 100 % Sanktionsbescheide keinen Widerspruch (und keine Klage) erhob, schaute also sozusagen in die „Röhre“, da eine Überprüfung nach § 44 SGB X ausgeschlossen ist.

Nun ist es aber so, dass es mit den Rechtsfolgenbelehrungen bei den Sanktionsbescheiden Probleme gab; damit hatte sich die einmonatige Frist für Rechtsmittel auf ein Jahr verlängert (zum Hintergrund hier: Verfassungswidrigkeit von Sanktionen- wie geht es weiter? Und wann tritt Bestandskraft ein?)

Damit war es dann möglich, Bescheide, die scheinbar bestandskräftig waren (die einmonatige Widerspruchsfrist war schon lange abgelaufen) noch mit Widerspruch und Klage anzugreifen und aufheben zu lassen (die 100 % Sanktion war ja offensichtlich rechtswidrig).

Folgerichtig hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 16.08.2022 demnach eine 100 % Sanktion aufgehoben, die im Dezember 2018 ausgesprochen worden war und gegen diese erst im Oktober 2019 Widerspruch erhoben worden war:

Quelle: RA Kay Füßlein, Berlin: http://www.ra-fuesslein.de/wordpress/?p=1172

 

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

3.1 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.06.2022 - L 2 SO 3221/21

Leitsätze


Zur Frage des tatsächlichen Aufenthalts bei einem Wechsel ins betreute Wohnen im Zusammenhang mit § 98 Abs. 5 SGB XII

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171760

 

3.2 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.06.2022 - L 2 SO 126/20

Leitsätze


Zu den Voraussetzungen, wann eine sozialhilferechtlich schützenswerte Sterbegeldversicherung bzw. ein Bestattungsvorsorgevertrag vorliegt.

In der Rechtsprechung als unter Härtefallgesichtspunkten geschütztes Vermögen anerkannt sind darüber hinaus auch Sterbegeldversicherungen, die als einem Bestattungsvorsorgevertrag vergleichbar angesehen werden (Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 22.11.2018 – L 11 SO 12/17 - juris Rn. 25). Aber auch als solche sind die hier in Rede stehenden Versicherungen nicht zu qualifizieren.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171764

 

3. 3 LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 02.08.2022 - L 9 SO 71/22 B ER

Leitsätze

1. In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt es für das Begehren, anstelle von Arbeitslosengeld II Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in gleicher Höhe zu erhalten, regelmäßig am Anordnungsgrund.

2. Die sanktionsbewehrte Erwerbsobliegenheit im SGB II steht dem zumindest für die Zeit eines generellen Sanktionsmoratoriums nicht entgegen.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171773

 

3.4 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.07.2022 - L 7 SO 2892/20

Leitsätze


1. Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann nicht an einem Ort begründet werden, an dem ein zukunftsoffener Aufenthalt tatsächlich nicht möglich ist.

2. Die schlichte Übersendung eines Antrags an einen anderen Leistungsträger stellt noch keine Weiterleitung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX dar.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171796

 

3.5 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.07.2022 - L 7 SO 3983/20

Leitsätze


1. Ein Anspruch nach § 64f Abs. 1 SGB XII setzt voraus, dass nach der Prognose im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung durch die Aufwendungen für die Alterssicherung Sozialhilfebedürftigkeit im Rentenalter vermieden werden kann.

2. Eine Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI setzt voraus, dass der Pflegebedürftige einen Leistungsanspruch nach dem SGB XI hat. Bei Streit über das Bestehen der Versicherungspflicht entscheidet der zuständige Träger der Rentenversicherung durch Verwaltungsakt. Ein Vorgehen gegen den Sozialhilfeträger mit dem Begehren auf Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen ist nicht zulässig.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171795

 

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

 

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