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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 21/2025

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe nach dem SGB 12

 

1.1 BSG, Urt. v. 18.12.2024 - B 8 SO 1/24 R – www.sozialgerichtsbarkeit.de

Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - Ermessensausübung bei Rücknahme - und Erstattungsentscheidungen - Auszahlung von Leistungen aufgrund eines groben behördlichen Fehlers - Berücksichtigung im Rahmen der Ermessensabwägung

 

BSG: Das Gericht empfiehlt eine Anwendung einer jährlichen Höchstfrist zur Überprüfung auch bei Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII

Orientierungssatz Detlef Brock

  1. Behördliches Verschulden ist als abwägungsrelevanter Belang in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 Abs 2 S 3 SGB X regelmäßig auch dann einzustellen, wenn es sich nicht um einen groben Fehler handelt.

  2. Ein Ermessensfehlgebrauch infolge eines Abwägungsdefizits liegt vor, wenn die Behörde nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat (BSG vom 23.2.2023 - B 8 SO 9/21 R - ).

  3. Die Behörde hätte hier ihren eigenen behördlichen Fehler als wesentlichen Abwägungsbelang in die Ermessensentscheidung einstellen müssen.

  4. Das womöglich nur "normale" Versäumnis der Sachbearbeitung in Kombination mit über Jahre hinweg unzureichenden innerbehördlichen Kontrollmechanismen zur Fehlervermeidung bzw -aufdeckung, klassifiziert der Senat insgesamt als groben Fehler.
  1. Eine gesetzliche Vorgabe zum Bewilligungs- und Prüfungszeitraum von einem Jahr besteht insoweit mit § 44 Abs 3 SGB XII zwar nur für Leistungen des 4. Kapitels des SGB XII.
  1. Die gesetzgeberische Erwägung zu § 44 Abs 3 SGB XII, dass bei auf Dauer bestehendem Leistungsbedarf nur selten Veränderungen der Verhältnisse der Leistungsbeziehenden zu erwarten sind (vgl BT-Drucks 14/4595 S 71), legt jedoch einen Erst-Recht-Schluss der Anwendung einer jährlichen Höchstfrist zur Überprüfung auch bei Leistungen nach dem hier einschlägigen 3. Kapitel mit nur vorübergehende Notlagen mit sich verändernden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl Kirchhoff in Hauck/Noftz SGB XII, Stand Mai 2024, § 44 RdNr 29) nah.

 

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II/ Bürgergeld

 

2.1 LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 29.01.2024 - L 3 AS 207/23 B ER –

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - eigenständige Freizügigkeitsrechte nach Art 10 EUV 492/2011 für das eine Schule besuchende minderjährige Kind und seine Mutter - Nachzug eines volljährigen Kindes - Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger in entsprechender Anwendung des § 3 Abs 1 S 1 FreizügG/EU 2004 - Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts


Bürgergeld: Anspruch einer polnischen Mutter mit ihren 3 Kindern auf Bürgergeld

Leitsatz www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Zur Begründung der jeweils eigenständigen, die Anwendung der Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und Nr 2 SGB II ausschließenden Freizügigkeitsrechte aus Art 10 EUV 492/2011 genügt es, wenn Arbeitnehmerstatus des Elternteils und Ausbildung des Kindes während des Aufenthaltes zusammenfallen; es ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Einschulung des minderjährigen Kindes oder zum Zeitpunkt seiner Wohnsitznahme eine Arbeitnehmereigenschaft eines Elternteils vorlag.

2. Die Familienangehörigen der nach Art 10 EUV 492/2011 freizügigkeitsberechtigten Eltern können von diesen nach § 2 Abs 1 FreizügG/EU (juris: FreizügG/EU 2004) bzw in entsprechender Anwendung des § 3 Abs 1 S 1 FreizügG/EU ein Aufenthaltsrecht ableiten, das die Anwendung der Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und Nr 2 SGB II ausschließt.

3. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II gilt nur für Sachverhalte, in denen das Aufenthaltsrecht auf der Richtlinie 2004/38/EG (juris: EGRL 38/2004) beruht und erfasst demnach nur Personen, die ihr voraussetzungsloses dreimonatiges Aufenthaltsrecht nach Art 6 Abs 1 Richtlinie 2004/38/EG in Anspruch nehmen.

 

 

2.2 LSG Sachsen, Beschluss v. 12.05.2025 - L 7 AS 163/25 B ER –

Bürgergeld: Rumänischer Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bürgergeld, wenn er einen "ununterbrochenen" gewöhnlichen Aufenthalt von fünf Jahren ab erstmaliger behördlicher Meldung im Bundesgebiet nicht glaubhaft machen kann, und der Meldebescheinigung eine Abmeldung nach Rumänien zu entnehmen war ( vgl. zum Beispiel zum kurzen - Heimatbesuch – welche unschädlich sind; ansonsten beginnt die Frist wieder neu zu laufen, so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 11.09.2024 - B 4 AS 12/23 R; BSG, Urteil vom 20.09.2023 - B 4 AS 8/22 R - ).


Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

EU-Ausländern, die vom Leistungsusschluss nach dem SGB II und dem SGB XII wegen eines Aufenthaltsrechts allein zum Zwecke der Arbeitssuche betroffen sind, können - nach Beiladung des Sozialhilfeträgers - lediglich Überbrückungsleistungen, Härtefallleistungen bzw. Leistungen für die Rückreise nach dem SGB XII zustehen

Bemerkung

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für EU-Ausländer - Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII für EU-Ausländer - Leistungsausschluss wegen Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitssuche - Überbrückungsleistungen - Härtefallleistungen - Leistungen für die Rückreise

 

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

 

3.1 SG Dessau - Rosslau, Urteil vom 14.03.2025 - S 4 AS 65/22 -

Bürgergeld: Leistungsberechtigte können grundsätzlich keinen Anspruch gegen das Jobcenter haben auf Kostenerstattung für einen Stromzwischenzähler. § 21 Abs. 6 SGB II ist der Analogie nicht zugänglich. Hierzu fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. ( Tacheles e.V. ).

 

Leitsatz www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Leistungsberechtigte haben gegen den SGB II-Leistungsträger keinen Anspruch auf die Übernahme der Installationskosten für eine separate Messeinrichtung zum Nachweis höherer Kosten der dezentralen Warmwasserzubereitung.

2. Die Regelung zum Mehrbedarf bei dezentraler Warmwasserzubereitung nach § 21 Abs. 7 SGB II setzt das Vorhandensein einer separaten Messeinrichtung zum Nachweis eines über der Pauschale liegenden Bedarfs voraus. Darüber hinaus enthält die Vorschrift keine Anspruchsvoraussetzungen für die Übernahme der Installationskosten. Ein Anspruch besteht auch nicht im Wege der Analogie. Hierzu fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.

3. Ein Härtefall im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II für einen einmaligen Bedarf setzt die Unabweisbarkeit des Bedarfs und den Nachweis der Unzumutbarkeit der Rückzahlungsverpflichtung eines Darlehens voraus (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2024 - B 7 AS 73/23 R; Urteil vom 26.1.2022 - B 4 AS 3/21 R). § 21 Abs. 6 SGB II ist der Analogie nicht zugänglich.

4. Eine Zusicherung nach § 34 SGB X auf Übernahme zukünftiger Kosten kann im Klageverfahren auch bei Beachtung des Mehrbegünstigungsgrundsatzes nicht durchgesetzt werden, wenn eine Anspruchsgrundlage für den zuzusichernden Verwaltungsakt nicht existiert.

Orientierungssatz

Bürgergeld - kein Anspruch auf Übernahme von Installationskosten für eine separate Messeinrichtung - Stromzwischenzähler - keine Analogie - kein Härtefall - kein Anspruch auf Zusicherung - Bestandskraft - Meistbegünstigungsgrundsatz

 

3.2 SG Karlsruhe, Beschluss v. 12.05.2025 - S 12 AS 2069/22 – www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

Bürgergeld: Die Erhöhungen haben die Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht ausgeglichen

Bürgergeld - Erhöhungen gleichen Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht aus, so zu mindestens Dr. Irene Becker. Dieser Auffassung schließt sich das Sozialgericht Karlsruhe an!!

Zur Beweiserhebung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Frage, ob die Regelbedarfsanpassungen und Sonderleistungen die Kaufkraftverluste in 2021 und 2022 kompensierten

Mit bemerkenswertem Beschluss gibt die 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe bekannt ( SG Karlsruhe, Beschluss vom 12.05.2025 - S 12 AS 2069/22- ), dass das Gericht eine Beweisaufnahme durch die Vernehmung des nachfolgenden sachverständigen Zeugen anordnet:

Leiter des Referats II c 1

c/o Referat für Grundsatzfragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende

c/o Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Wilhelmstraße 49, 10117 Berlin


Beweisfragen:

In dem Rechtsstreit ist die Verfassungskonformität der Höhe existenzsichernder Regelbedarfsleistungen im Bezug der Grundsicherungsleistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) umstritten.

Das angerufene Sozialgericht muss im Rahmen seiner (Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner) Amtsermittlungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufklären, ob und ggfs. in welcher Höhe ein in den Jahren 2021 bis 2023 erfolgter Kaufkraftverlust durch rechtzeitige Regelbedarfsanpassungen und Sonderleistungen kompensiert worden ist.

Hierzu ist die Vernehmung des Referatsleiters des für Grundsatzfragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Referats II c 1 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales als sachverständiger Zeuge zu den nachfolgenden Beweisfragen erforderlich:


Hinweis:

Das Gericht bezieht sich insoweit auf Berechnungen von I. Becker in: Bürgergeld: Erhöhungen gleichen Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht aus. Kurzexpertise im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbands, 2024, S. 8 (zitiert nach: A. Lenze, in: Die unendliche Geschichte – Die Anpassung der Regelbedarfe als politisches Aufregerthema, info also 2025, 51, beck-online).


Anmerkung Detlef Brock

Das BVerfG 1. Senat 2. Kammer, Kammerbeschluss vom 19.Juli 2024 , Az: 1 BvL 2/23 hatte wie folgt entschieden:


Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der im Mai 2021 und Juli 2022 für Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgezahlten Einmalleistungen zum Ausgleich von pandemiebedingten Mehraufwendungen. Somit muss das Sozialgericht Karlsruhe in der Sache neu entscheiden, da das BVerfG bereits entschieden hat!

 

Ende Juni wird nun das Sozialgericht Karlsruhe erneut entscheiden, ob die Bürgergeld- Erhöhungen die Kaufkraftverluste in früheren Jahren ausgeglichen haben und ob der Regelsatz in 2021/2022 verfassungskonform war.

Die Richter des Sozialgerichts Karlsruhe verneinen das und beziehen sich insoweit auf Berechnungen von I. Becker in: Bürgergeld: Erhöhungen gleichen Kaufkraftverluste in früheren Jahren nicht aus. Kurzexpertise im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbands, 2024, S. 8 (zitiert nach: A. Lenze, in: Die unendliche Geschichte – Die Anpassung der Regelbedarfe als politisches Aufregerthema, info also 2025, 51, beck-online).


Wir dürfen gespannt sein, wie nun das Sozialgericht Karlsruhe entscheiden wird und ob die Verfassungsmäßigkeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft wird.

 

Volltext: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/177969

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

 

4.1 LSG BW, Urt. v. 21.03.2025 - L 8 AL 803/24 -

Orientierungshilfe Detlef Brock

Wenn ein Kläger mit der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs mehr als 20 Jahre gewartet hat, führt dies danach trotz dieses sehr langen Zeitraums noch nicht zu einer Verwirkung des Anspruchs (BSG, Urteil vom 05.09.2019 – B 8 SO 20/18 R - ).

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Zur Verwirkung eines Anspruchs auf (höheres) Insolvenzgeld für das Jahr 2001 im Jahr 2023.

2. Ein aktueller Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X kann wegen der Verfallsfrist in Abs. 4 dieser Vorschrift nicht zur Leistungsgewährung für außerhalb der Verfallsfrist liegende Ansprüche führen.

3. Sofern nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist der Verwaltungsakten wegen der Vernichtung der Akten nicht nachgeprüft werden kann, ob ein damals fristgerecht erhobener Widerspruch oder Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt oder ggf. verbeschieden worden ist, kann es nicht allein maßgeblich darauf ankommen, ob ein Kläger noch in der Lage ist, einzelne ihm günstige Dokumente hierzu vorzulegen. In solchen Fällen ist vor allem auch zu prüfen, ob eine Verwirkung des geltend gemachten Anspruchs vorliegt (hier bejaht).

 

 

5. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

 

5.1 G München, Urteil vom 30.04.2025 - S 46 SO 72/24 -

 

Sozialhilfe: Monatlichen Kosten eines Fitnessstudios sind keine Leistung zur Sozialen Teilhabe – Sie sind aus der Regelleistung zu bezahlen


Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Die Zielvereinbarung nach § 29 Abs. 4 SGB IX ist eine materielle Voraussetzung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets für Leistungen zur Teilhabe. Die Zielvereinbarung ist auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Die zuständige Behörde ist auch beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages an das Gesetz gebunden. Bei einer Klage gegen den Bescheid zum Persönlichen Budget kann das Gericht eine abgeschlossene Zielvereinbarung inzident überprüfen, insbesondere darauf, ob die Vorgaben des SGB IX und von §§ 53 ff SGB X eingehalten wurden. Wenn ein Persönliches Budget wegen fehlender Zielvereinbarung abgelehnt wurde, kommt eine Fortsetzungsfeststellungklage in Betracht, in der auch das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung geprüft wird.

2. Die Kosten des Besuchs eines Fitnessstudios sind grundsätzlich nicht als Leistungen der Eingliederungshilfe zur Sozialen Teilhabe zu übernehmen.

 

 

6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

 

6.1 SG Darmstadt, Beschluss v. 04.02.2025 - S 16 AY 2/25 ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de

Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufhebung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im vorläufigem Rechtsschutz ( Bejahend hier )

Orientierungssatz Detlef Brock

1. Im Rahmen der Folgenabwägung ist insbesondere der Vorlagenbeschluss des Bundessozialgerichts vom 25.07.2024 (B 8 AY 6/23) an den EuGH zu berücksichtigen.

Die bezüglich der Vorschrift des § 1a Abs. 7 AsylbLG aufgeworfenen Rechtsfragen haben auch für die hier einschlägige Norm unmittelbare Auswirkungen und sind somit im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte erheblich.

3. Die Beantwortung dieser Fragen dürfte sich auch unmittelbar auf die Leistungseinschränkung des hier einschlägigen § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG auswirken.

 

 

6.2 Sozialgericht Darmstadt – Beschluss vom 10.04.2025 – Az.: S 16 AY 22/25 ER

Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG – Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Regierungspräsidium Gießen, Sozialgericht Darmstadt

Dazu Detlef Brock

  1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Behörde wurde angeordnet, denn unter Berücksichtigung des Vollziehungsinteresses der Behörde gegenüber dem Interesse der Antragstellerin hat das Vollziehungsinteresse zurückzustehen. Denn im Hinblick auf das offene Hauptsacheverfahren ist der Anspruch der Antragstellerin auf eine menschenwürdige Grundversorgung bis zu einer tatsächlich erfolgten Abschiebung nach Frankreich als vorrangig zu gewichten.

 

Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/05/20/sozialgericht-darmstadt-beschluss-vom-10-04-2025-az-s-16-ay-22-25-er/

 

 

6. 3 Sozialgericht Stuttgart – Beschluss vom 08.04.2025 – Az.: S 9 AY 1216/25 ER

 

Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 3 Abs. 4 AsylbLG, § 28a Abs. 5 SGB XII, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG, Minusrunde, Fortschreibung, Grundleistungen, Stadt Stuttgart, Sozialgericht Stuttgart

 

Die Nichtanwendung des § 28a Absatz 5 SGB XII im AsylbLG ist rechtswidrig und daher sind die Leistungen wie im Jahr 2024 zu gewähren ( Tacheles e. V. ).

 

Dazu Detlef Brock

 

1. Gewährung von Grundleistungen gemäß §§ 3 und 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1.

2. Auch in Hinblick auf die Gewährung der Regelbedarfssätze nach dem Jahr 2024/Bestandsschutz besteht ein Anordnungsanspruch.

Der Anspruch hierauf ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, denn die Bestandsschutzregelung des § 28a Absatz 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), die nach dem Wortlaut des § a ist unmittelbar auf die Berechnung der Geldbeträge in § 3a AsylbLG anwendbar ist (ausführlich dazu SG Marburg, Beschluss vom 14.2.2025 – S 16 AY 11/24 ER – aA ohne nähere Begründung SG Heilbronn, Beschluss vom 17.2.2025 – S 15 AY 181/25 ).

 

Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/05/20/sozialgericht-stuttgart-beschluss-vom-08-04-2025-az-s-9-ay-1216-25-er/

 

 

6.4 Sozialgericht Gießen – Beschluss vom 09.04.2025 – Az.: S 30 AY 27/25 ER

 

Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG – Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Regierungspräsidium Gießen, Sozialgericht Gießen

 

  • 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG wahrscheinlich ist sowohl europarechtswidrig als auch verfassungswidrig und hat daher unangewendet zu bleiben ( Tacheles e. V. )

 

Dazu Detlef Brock

  1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Behörde wird angeordnet.

  2. Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts ist § 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG wahrscheinlich sowohl europarechtswidrig als auch verfassungswidrig und hat daher unangewendet zu bleiben.

 

Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/05/20/sozialgericht-giessen-beschluss-vom-09-04-2025-az-s-30-ay-27-25-er/

 

6.5 Sozialgericht Speyer – Beschluss vom 09.04.2025 – Az.: S 15 AY 11/25 ER

 

Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG – Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz, Sozialgericht Speyer

Der Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ( Tacheles e. V. ).

 

Dazu Detlef Brock

1 .Vorläufige Gewährung von uneingeschränkten Leistungen nach § 3 AsylbLG.

2. Der Widerspruch des Antragstellers hat aber bereits deshalb eine hohe Erfolgsaussicht, weil der Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG nach der Rechtsauffassung u.a. der erkennenden Kammer gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (grundlegend BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – und vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) verstößt.

3. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung würde in einem Hauptsacheverfahren dazu führen, dass das Gericht insoweit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG einholen müsste.

 

 

Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/05/20/sozialgericht-speyer-beschluss-vom-09-04-2025-az-s-15-ay-11-25-er/

 

 

7. Verschiedenes zum Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderzuschlag und anderen wichtigen Gesetzesbüchern

 

7.1 BVerwG, Urteil vom 22.05.2025 – 3 C 1.24 -

Arbeitslos in Corona-Quarantäne: Agentur für Arbeit bekommt ihre Leistungen ALG 1- nicht erstattet

Dazu Detlef Brock

1. Die Bundesagentur für Arbeit hat keinen Anspruch auf Zurückzahlung von Arbeitslosengeld, das sie einem arbeitslosen Leistungsempfänger gezahlt hatte, der sich in Corona-Quarantäne befand.

Kein Verdienstausfall – kein Erstattungsanspruch

2. Zwar kann der Entschädigungsanspruch wegen einer angeordneten Quarantäne aus dem Infektionsschutzgesetz gemäß § 56 Abs. 9 IfSG grundsätzlich auf die Agentur für Arbeit übergehen. Dafür ist es aber laut BVerwG erforderlich, dass die betreffende Person überhaupt einen Anspruch hat.

3. Das sei nicht der Fall, wenn der Betroffene durch die Quarantäne keinen Verdienstausfall erlitten habe.

Quelle: https://www.bverwg.de/pm/2025/39

 

 

 

 

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Beispiel für Quellenangabe zum Rechtsprechungsticker: Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 14/2025 - Autor: Detlef Brock


Beispiel für Quellenangabe zum Newsletter: Quelle: Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 - Autor Harald Thomé



Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

 

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