Newsticker
Tacheles Rechtsprechungsticker KW 19/2025
1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem SGB II- Bürgergeld
1.1 BSG, Urt. v. 17.12.2024 - B 7 AS 9/23 R – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit - Austausch der Rechtsgrundlage von § 48 SGB 10 zu § 45 SGB 10 - Einkommensberücksichtigung - Absetzung einer Einkommensteuernachforderung für zurückliegende Zeiträume im aktuellen Bewilligungszeitraum – Zusammentreffen laufender und einmaliger Einnahmen - Erwerbstätigenfreibetrag
BSG: Einkommensteuernachzahlung ist nicht absetzbar vom Einkommen, denn sie beruht vielmehr auf Einkommen in früheren Zeiträumen (so auch LSG Berlin-Brandenburg vom 6.12.2018 - L 31 AS 402/18 NZB - ).
Dazu Detlef Brock - Orientierungssatz
1. Steuernachforderungen stehen Schulden gleich, die grundsätzlich keine Hilfebedürftigkeit begründen.
2. Steuernachzahlungen können vom ALG II - Empfängern nicht als Mehrbedarf i. S. d. § 21 Abs. 6 SGB 2 geltend gemacht werden.
3. Sie ist auch nicht vom Einkommen abzusetzen.Weil bei dieser Forderung handelt es sich insoweit nicht um eine auf das Einkommen zu entrichtende Steuer im Sinne des § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB II.
4. Steuernachzahlungen sind auch nicht unter die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II zu fassen. Denn diese Vorschrift umfasst nur die von Nummer 1 nicht umfassten Steuern, wie die Umsatzsteuer.
5. Eine Jahressonderzahlung stellt anrechenbares Einkommen dar, welches auf 6 Monate zu verteilen war. Bei der Jahressonderzahlung war ein Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 200 Euro nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 3 SGB II in Abzug zu bringen ( vgl. (BSG vom 18.5.2022 - B 7/14 AS 9/21 R - ).
6. Der Berücksichtigung der Sonderzahlung steht - nicht entgegen, dass mit dem Zufluss dieser Einnahme durch Gutschrift auf dem Konto der Klägerin ein Kontosoll zurückgeführt wurde. Denn ein tatsächlicher Wertzuwachs ist gleichwohl eingetreten (vgl BSG vom 20.2.2020 - B 14 AS 52/18 R - ).
Praxistipp:
So im Ergebnis auch schon LSG BW, Urt. v. 20.10.2020 - L 9 AS 785/20 - nachgehend BSG, 2. Februar 2021, B 14 AS 87/20 R, Beschluss: Verwerfung (nicht dokumentiert)
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II/ Bürgergeld
2.1 LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2025 - L 3 AS 3681/21 -
Bürgergeld: Nutzungsentschädigungen können vom Jobcenter zu übernehmende Unterkunftskosten sein
Dazu Detlef Brock- Orientierungssatz
1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es - nicht erforderlich, dass der maßgebliche (Miet-)Vertrag unmittelbar zwischen Vermieter und dem Leistungsberechtigten abgeschlossen worden sein muss, sondern dass es genügt, dass der Leistungsberechtigte letztlich einem Dritten zum Ausgleich der Kosten verpflichtet ist.
2. Nutzungsentschädigungen können übernahmefähige Kosten der Unterkunft sein.
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Eine zwischen Dritten geschlossene Nutzungsentschädigungsabrede kann Grundlage berücksichtigungsfähiger Kosten der Unterkunft sein, wenn feststeht, dass der Leistungsberechtigte einem dieser Dritten im Innenverhältnis rechtlich wirksam zur Kostentragung verpflichtet ist (hier verneint).
2.2 LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 24.10.2024 - L 5 AS 244/24 -
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Eine Rechtsmittelbelehrung ist nicht schon dann unwirksam bzw unverständlich, wenn sie mehrere Gerichtsstandorte für die Einlegung des Rechtsmittels benennt (hier: Einlegung des Rechtsmittels bei einer Außenstelle des Sozialgerichts). Dies gilt auch für die Nennung unterschiedlicher Möglichkeiten der Form der Einlegung des Rechtsmittels (bei der Außenstelle nur mündlich zur Niederschrift des Urkundenbeamten bei der Rechtsantragsteile).
2.3 LSG Hessen, Urt. v. 28.02.2025 - L 7 AS 184/23 -
Dazu Detlef Brock – Orientierungssatz
1. Eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Sinne des Art. 45 AEUV ist auch zu bejahen bei einer geringfügigen Beschäftigung im Umfang von teilweise nur wenigen Wochenstunden.
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV ist anzusehen, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet erweisen.
2. Auch eine geringfügige Beschäftigung im Umfang von teilweise nur wenigen Wochenstunden kann in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Vorliegens ordnungsgemäßer schriftlicher Arbeitsverträge, der Dauer und der Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die durch entsprechende Gehaltsbescheinigungen nachgewiesen ist, zum Ergebnis führen, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Sinne des Art. 45 AEUV zu bejahen ist.
2.4 LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2023 - L 9 AS 1962/23 - Revision anhängig BSG Az: B 7 AS 1/25 R
Bürgergeld: Angebote einer Schule im Rahmen der Nachmittagsbetreuung zählen - nicht - zur angemessenen Lernförderung nach § 28 Absatz 5 SGB II
Dazu Detlef Brock – Orientierungssatz
1. Kosten der Nachmittagsbetreuung müssen Jobcenter nicht übernehmen, denn es existiert keine Anspruchsgrundlage beim Bürgergeld/SGB II.
2. Bezieher von Bürgergeld sind bei den Kosten für die Nachmittagsbetreuung vorrangig auf die Inanspruchnahme der Möglichkeit einer Befreiung vom Kostenbeitrag nach dem SGB VIII zu verweisen
3. Angebote einer Schule im Rahmen der Nachmittagsbetreuung zählen - nicht - zur angemessenen Lernförderung nach § 28 Absatz 5 SGB II ( vgl. zu Hartz iv – Zeiten: LSG NRW, Urt. v. 15.03.2017 - L 12 AS 134/15 - Nachmittagsunterricht ist kein Angebot der ergänzenden Lernförderung
4. Die Kosten der Nachmittagsbetreuung stellen zudem keinen unabweisbaren, besonderen Bedarf dar, der einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II begründen könnte. Denn vorliegend besteht eine Einsparmöglichkeit durch den Besuch einer öffentlichen Ganztagsschule, anstelle der vom Kind und dem Bevollmächtigten gewählten Privatschule.
5. Eine Berücksichtigung der Kosten der Nachmittagsbetreuung kommt allenfalls in Betracht als Absetzbetrag vom Erwerbseinkommen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe.
Ob diese Voraussetzungen vorliegend zu bejahen sind, kann im Ergebnis dahinstehen, denn selbst wenn es sich um eine Ausgabe handelt, die mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbunden ist, wäre diese Ausgabe durch den Freibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II abgedeckt.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
Praxistipp ( ergangen zu Hartz IV ) ebenso verneinend
LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.03.2017 - L 12 AS 134/15 -
Nachmittagsunterricht ist kein Angebot der ergänzenden Lernförderung
1. Eine Nachmittagsbetreuung von Schülerinnen und Schülern stellt keine schulisches Angebot ergänzende Lernförderung im Sinne des § 28 Abs. 5 SGB II dar. Dieser Begriff der Lernförderung ist weiter zu verstehen als der der Nachhilfe.
2. Auf dieser Grundlage kann nur der durch die Inanspruchnahme außerschulischer Angebote entstehende Bedarf eine gesonderte Berücksichtigung erfahren.
3. Bei einem Nachhilfeunterricht darf es sich deshalb um kein schulisches Angebot handeln.
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )
3.1 SG Aurich, Urt. v. 25.02.2025 - S 55 AS 378/23 - Berufung zugelassen – Urheberrechtsschutz beachten!
Aktuelle Gerichtsentscheidung ( Nicht veröffentlicht ) zu den Unterkunftskosten beim Bürgergeld
Dazu RA Niklas Sander:
Es liegt ein neueres Urteil des Sozialgericht Aurich vor, welches nochmals auf die Frage eingeht, wann Leistungsberechtigte individuelle und objektiv erkennbare Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt aufweisen und welche Rechtsfolgen daraus erwachsen.
Zusammenfassung des Urteils
Das Sozialgericht Aurich hat im Urteil vom 25.02.2025 (Az. S 55 AS 378/23) entschieden, dass einer alleinerziehenden Mutter und ihrer schwerbehinderten Tochter (Pflegegrad 5, Rett-Syndrom) höhere Leistungen für Unterkunftskosten im Rahmen des Bürgergeldes zu gewähren sind.
Trotz Überschreitens der abstrakten Angemessenheitsgrenze wurden die tatsächlichen Bruttokaltmietkosten in Höhe von 790 € als konkret angemessen anerkannt.
Das Gericht stellte fest, dass durch die schwerwiegende Behinderung des Kindes erhebliche Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt bestehen. Zudem beeinträchtigt der umfassende Betreuungsbedarf des Kindes die zeitlichen Ressourcen der alleinerziehenden Mutter, was eine intensive Wohnungssuche unmöglich macht. Der Leistungsträger hatte keine ausreichende Unterstützung im Rahmen des Kostensenkungsverfahrens angeboten und mußte daher die konkreten Kosten der Wohnung tragen.
Leitsätze RA Niklas Sander, Moormerland
1. Konkrete Angemessenheit trotz abstrakter Überschreitung: Unterkunftskosten können auch dann als angemessen gelten, wenn sie über der abstrakten Grenze liegen, sofern die besondere Lebenssituation – etwa eine erhebliche Behinderung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft – den Zugang zu Wohnraum erheblich erschwert.
2. Behinderung eines Familienmitglieds ist entscheidungsrelevant: Bei der Prüfung der Wohnkosten ist nicht nur die Situation des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, sondern auch die des behinderten Angehörigen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft.
3. Pflicht zu konkreten Hilfsangeboten: Fordert ein Leistungsträger eine Kostensenkung, muss er im Falle individueller und objektiv erkennbarer Zugangshemmnisse konkrete Hilfestellungen zur Wohnraumbeschaffung anbieten; unterbleibt dies, bleibt es bei der tatsächlichen Miete als Maßstab.
4. Zeitliche Einschränkungen durch Alleinerziehung: Der umfangreiche Betreuungsaufwand für ein schwerbehindertes Kind schränkt die Möglichkeiten eines alleinerziehenden Elternteils erheblich ein, aktiv und intensiv nach alternativem Wohnraum zu suchen und kann für sich ein Zugangserschwernis darstellen.
5. Recht auf familiäres Zusammenwohnen: Das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) schützt auch das Recht einer Familie, gemeinsam in einer Wohnung zu leben; daraus folgt ein Anspruch auf Wohnraum, der der konkreten Familiensituation Rechnung trägt.
Anmerkung: Mein Dank gilt RA N. Sander für die Übersendung des Urteils
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )
4.1 LSG BW, Urt. v. 19.03.2025 - L 2 SO 3054/24 - Revision zugelassen
Die besondere Wohnform im Sinne des § 42a Abs. 2 Nr. 2 des SGB XII stellt grundsätzlich - keine stationäre Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII dar ( Tacheles e. V. ).
Dazu Detlef Brock- Orientierungssatz
1. Beim Wohnverbund der Lebenshilfe H2 e.V. in S1 handelt es sich - um eine besondere Wohnform als Unterkunft im Sinne des § 42a Abs. 2 Nr. 2 SGB XII.
2. Dies ist dann erfüllt, wenn Leistungsberechtigte nicht in einer Wohnung nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII leben, weil ihnen "zur Erbringung von Leistungen nach dem Teil 2 des Neunten Buches allein oder zu zweit ein persönlicher Wohnraum und zusätzliche Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung nach Satz 3 zu Wohnzwecken überlassen werden".
3. Zugleich ist die besondere Wohnform sozialhilferechtlich auch keine stationäre Einrichtung im Sinne des § 98 SGB XII.
Denn entfällt bei einem Übertritt aus der besonderen Wohnform in eine stationäre Pflegeeinrichtung die Eingliederungshilfeleistung, erfolgt die Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch, sondern nun nach § 98 SGB XII.
Wird aber in der besonderen Wohnform unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, knüpft die neue Zuständigkeit hier an und nicht an die Zuständigkeit der vor dem ursprünglichen Beginn der Einrichtungskette. Das bedeutet, dass ein neuer Sozialhilfeträger örtlich zuständig wird.
4. Die besondere Wohnform im Sinne des § 42a Abs. 2 Nr. 2 des SGB XII stellt nach dem Willen des Gesetzgebers keine stationäre Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII dar.
Leitsatz www.sozialgerichtsbarkeit.de
1. Die besondere Wohnform im Sinne des § 42a Abs. 2 Nr. 2 des SGB XII stellt nach dem Willen des Gesetzgebers keine stationäre Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII dar.
2. Wird in der besonderen Wohnform unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, knüpft die neue Zuständigkeit hier an und nicht an die Zuständigkeit vor dem ursprünglichen Beginn der Einrichtungskette.
5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG
5.1 LSG Bayern, Beschluss v. 10.04.2025 - L 11 AY 3/25 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Eine vorherige Belehrung über das konkret geforderte pflichtgemäße Verhalten bzw. die Benennung einer konkreten Mitwirkungshandlung unter Fristsetzung durch die Behörde sieht das Gesetz - anders als in § 66 Abs. 3 SGB I - nicht vor, eine solche ist auch nicht erforderlich ( Tacheles e. V. )
Orientierungshilfe Detlef Brock
1. Für eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG ist ein Hinweis auf konkrete Mitwirkungspflichten durch die nach dem AylbLG zuständige Behörde nicht erforderlich.
2.Eine fehlende Mitwirkung ist nicht nur dann gegeben, wenn jegliche Mitwirkung bei der Passbeschaffung verweigert wird, sondern auch dann, wenn der Ausländer über Jahre hinweg keine oder nur unzureichende Bemühungen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten unternimmt (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2018 - L 7 AY 4468/16 -).
Dass dem Antragsteller bislang kein Pass oder Passersatz ausgestellt worden ist, was eine Abschiebung, d.h. die Vollstreckung seiner vollziehbaren Ausreisepflicht, derzeit hindert, hat er selbst zu vertreten.
3. Soweit verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Höhe bzw. den Umfang der in § 1a Abs. 1 AsylbLG vorgesehenen Leistungseinschränkungen geäußert werden, ist dem mit einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift zu begegnen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.02.2020 - L 4 AY 14/19 B ER -; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2022 - L 8 AY 27/22 B ER -; Beschluss vom 06.09.2022 - L 8 AY 73/22 B ER -; Beschluss vom 20.12.2023 - L 8 AY 45/23 B ER -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2023 - L 7 AY 335/23 ER-B -; Beschluss des Senates vom 11.06.2024 - L 11 AY 23/24 B PKH -).
4. § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG sieht lediglich die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums vor (Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterbringung und Heizung, Körper- und Gesundheitspflege). Nur im Ausnahmefall ist die Gewährung weiterer Leistungen des notwendigen Bedarfs vorgesehen (§ 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG).
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 12.05.2021 ausgeführt, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums neben dem physischen auch das soziokulturelle Existenzminimum umfasst (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17 -).
Praxistipp
ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2018 - L 7 AY 4468/16 -; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03.03.2021- L 8 AY 8/20 B ER -; a.A.: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2016 - L 8 AY 31/16 B ER -
6. Verschiedenes zum Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderzuschlag und anderen wichtigen Gesetzesbüchern
6.1 Besuchsbeihilfe für Fahrten zu den Eltern - Ein Beitrag von RA Helge, Hildebrandt
Leistungen für behinderte Menschen, die in einer Einrichtung leben, für Fahrten zu ihren Angehörigen dürfen nicht pauschal auf eine bestimmte Anzahl von Besuchsfahrten beschränkt werden, sondern sind nach dem konkreten Bedarfs der behinderten Person zu bewilligen.
Der schwerbehinderte Kläger war in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe untergebracht. Er verbrachte regelmäßig die Wochenenden bei seinen Eltern. Er beantragte deswegen bei dem zuständigen Sozialleistungsträger die Kostenübernahme für zwei Heimfahrten pro Monat. Der Beklagte Sozialleistungsträger gewährte dem Kläger jedoch nur “Fahrtkosten für maximal zwölf Heimfahrten im Jahr (= eine Heimfahrt pro Monat)“ für Fahrten durch einen Fahrdienst.
Die Klagen des Klägers waren in allen Instanzen erfolgreich.
Bei der Besuchsbeihilfe nach § 115 SGB IV (bis zum 31. Dezember 2017: § 54 Abs. 2 SGB XII) handelt es sich um eine eigenständige Leistung der sozialen Teilhabe. Teilhabeziel dieser Leistung ist der Erhalt der Verbindungen des Leistungsberechtigten zu engen Bezugspersonen, vor allem zu seinen Angehörigen.
Die grundsätzliche Erforderlichkeit der Besuchsbeihilfen und deren Häufigkeit bestimmt sich dabei nach den konkreten Bedürfnissen des Leistungsberechtigten. Diese ergeben sich etwa aus seiner gesundheitlichen Situation und den örtlichen Verhältnissen, die etwa die Inanspruchnahme eines Fahrtdienstes erforderlich machen können. Steht die Erforderlichkeit für eine bestimmte Anzahl von Fahrten und die Art und Weise ihrer Durchführung fest, muss der Sozialleistungsträger Besuchsbeihilfe im erforderlichen Umfange bewilligen.
BSG, Urteil vom 27.02.2025, B 8 SO 10/23 R
Erstveröffentlichung in HEMPELS 4/2025
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
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Zitate von Tacheles e. V. sind bitte wie folgt mit dieser Quelle zu benennen, danke sehr.
Beispiel für Quellenangabe zum Rechtsprechungsticker: Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 14/2025 - Autor: Detlef Brock
Beispiel für Quellenangabe zum Newsletter: Quelle: Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 - Autor Harald Thomé
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock