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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 04/2023

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

1.1 LSG Bayern, Urt. v. 23.12.2022 - L 16 AS 339/22

Leitsätze


1. Eine Wohngeldnachzahlung ist bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, da sie nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammt.

2. Das einmalige Einkommen aus der Wohngeldnachzahlung ist auch bei abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II erst ab dem auf den Zufluss folgenden Monat in die Bildung des Gesamteinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II a.F. einzustellen und insoweit bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, Urteil vom 18.05.2022 - B 7/14 AS 9/21 R).

4. Zu den Kosten, die Gegenstand der Kostenentscheidung nach § 193 SGG sind, gehören die Kosten des Vorverfahrens nur, soweit der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand des Vorverfahrens identisch sind. Im Übrigen bleibt die Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheides nach § 63 SGB X unberührt.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172728

 

1.2 LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 19.12.2022 - L 3 AS 70/22

Leitsätze


Ob die Berufung einstimmig für unbegründet im Sinne von § 153 Abs.4 SGG erachtet wird, richtet sich allein nach der avisierten Entscheidung in der Hauptsache.

Die Abänderung einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung, hier die Auferlegung von Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs.1 SGG, hindert die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nicht.

Bemerkung

Verschuldenskosten, Zurückweisung der Berufung durch Beschluss

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172731

 

1.3 Sächsisches LSG, Urt. v. 06.12.2022 - L 4 AS 939/20 - Die Revision wird zugelassen

Leitsätze


1. Wird Kindergeld für mehrere Monate nachgezahlt, ändert dies jedenfalls nach der bis zum 31.07.2016 geltenden Rechtslage nichts an der Einstufung als laufende Einnahme i.S.d. § 11 Abs 2 SGB II. Die Kindergeldnachzahlung ist im Zuflussmonat als Einkommen zu berücksichtigen.

2. Die Versicherungspauschale von 30,00 Euro ist bei einer Nachzahlung von Kindergeld für mehrere Monates nicht mehrfach in Abzug zu bringen (Anschluss an Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 8. September 2020 – L 7 AS 354/19).

3. Der Ablauf der sechsmonatigen Frist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ist in richtlinien- und verfassungskonformer Auslegung für die Dauer des unionsrechtlich bestimmten Mutterschaftsurlaubs gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 92/85/EWG, also während der Schutzfristen bzw. Beschäftigungsverbote sowohl vor als auch nach der Geburt gehemmt. Damit wirkt die Arbeitnehmereigenschaft auch in der Zeit des Mutterschutzes fort und die EU-Bürgerin ist nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen.

4. Eine unverheiratete EU-Bürgerin und ihr Kind besitzen jedenfalls in dessen erstem Lebensjahr ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen nach dem Aufenthaltsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, wenn der drittenstaatenangehörige Vater des Kindes, der Asylsuchender bzw. gemäß § 60a AufenthG gedulderter Ausländer ist und in einer Asylberwerberunterkunft im Bundesgebiet lebt, das Sorgerecht für das Kind besitzt, diese Sorge tatsächlich ausübt und besondere Umstände vorliegen, die der Familie das Verlassen des Bundesgebietes unzumutbar machen, so dass die Familiengemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden kann. In einem solchen Fall sind die EU-Bürgerin und ihr Kind sind nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

5. Der Leistungsausschluss für das Kind folgt auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II, wenn es (auch) die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt. Denn das Asylbewerberleistungsgesetz findet auf EU-Bürger keine Anwendung. Jedenfalls ist § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG dahingehend telelogisch zu reduzieren, dass die Vorschrift nur auf minderjährige Kinder der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AsylbLG genannten Personen Anwendung findet, die im selben Haushalt leben.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172750

 

Hinweis Redakteur v. Tacheles e. V. : a. Auffassung zur Absetzung der 30 Euro Versicherungspauschale bei Kindergeldnachzahlung:

1. LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 17. September 2015 - L 31 AS 1571/15- Auch wenn das Kindergeld im Rahmen einer Nachzahlung für mehrere Monate in nur einem Monat zufließt, ist für jeden Monatsbetrag die Versicherungspauschale von 30,- € abzusetzen.

2. SG Hildesheim, Urt. v. 30.09.2021 - S 26 AS 1381/20 - Bei einer Kindergeldnachzahlung ist für jeden Monat die Versicherungspauschale zu berücksichtigen ( Redakteur von Tacheles e. V. ), siehe auch dazu Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Robin von Eltz: https://www.anwalt.de/rechtstipps/leist ... 94398.html

 

1.4 LSG Hamburg, Urt. v. 03.11.2022 - L 4 AS 305/21

Verfassungsmäßigkeit einer Aufrechnung von Leistungen der Grundsicherung zur Tilgung eines Mietkautionsdarlehens durch den Grundsicherungsträger ( hier 30 Monate )

Orientierungssatz


Die zulässige Aufrechnung von Leistungen der Grundsicherung zur Tilgung eines Mietkautionsdarlehens gemäß §§ 22 Abs. 6 S. 3, 42a Abs. 2 S. 1 SGB 2 ermächtigt den Grundsicherungsträger zum Erlass eines Dauerverwaltungsaktes. Der Aufrechnung stehen verfassungsrechtliche Bedenken wegen des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht entgegen.(Rn.3)

Quelle: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE220037546

 

1.5 LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.09.2022 - L 3 AS 163/19

Kreis Nordfriesland verfügt nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Kosten der Unterkunft ( Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V. )

Dazu RA Dirk Audörsch:

Kosten der Unterkunft in Nordfriesland (SGB II – Hartz IV)


Durch Urteile vom 23.09.2022 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (u.a. Aktenzeichen L 3 AS 163/19), welches erst am 04.01.2023 mit den vollständigen Urteilsgründen zugestellt wurde, entschieden, dass der Kreis Nordfriesland nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Kosten der Unterkunft verfügt, so dass auf den Wert der Wohngeldtabelle, erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10%, abzustellen ist. Damit hatten alle sechs Berufungsverfahren, die durch die Anwaltskanzlei Audötsch geführt wurden, im Wesentlichen vollen Erfolg. Die Urteile sind jedoch noch nicht rechtskräftig.

weiter: https://westkuestenanwalt.com/2023/01/06/kosten-der-unterkunft-in-nordfriesland-sgb-ii-hartz-iv/

 

 

2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

2.1 SG Nordhausen, Teilurt. v. 15.11.2022 - S 12 AS 1439/20

Leitsätze

Greift der Widerspruchsführer lediglich einen Änderungsbescheid über die vorläufige Bewilligung von SGB II-Leistungen an, der nicht den gesamten Bewilligungsabschnitt betrifft, wird die Entscheidung über die endgültige Festsetzung nur Gegenstand des Vorverfahrens, soweit der angegriffene Zeitraum betroffen ist.

Auch im Falle dezentraler Erwärmung des Brauchwassers durch eine Kombitherme setzt ein Anspruch aus § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II das Bestehen eines Mehrbedarfs voraus. Daran fehlt es, wenn das Jobcenter – und sei es nach Schätzung auf Grundlage des Gesamtbrennstoffverbrauchs – bereits die vollständigen Stromkosten des Geräts als KdUH nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt hat, selbst wenn es dabei nicht ausweist, ob bzw. dass ein Anteil auf die Wassererwärmung entfiel (Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 18. Mai 2022, B 7/14 AS 1/21 R, juris).

Ergibt sich bei der gerichtlichen Überprüfung einer abschließenden Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs. 3 SGB II mit Saldierung nach § 41a Abs. 6 SGB II in (mindestens) einem Monat ein höherer Leistungsanspruch, während in anderen Monaten eine Überzahlung festzustellen ist, steht wegen des Monatsprinzips einer erneuten Saldierung durch das Gericht das Verböserungsverbot entgegen (Abgrenzung zu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. September 2021, L 2 AS 692/20, juris; Fortentwicklung von BSG, Urteil vom 18. Mai 2022, B 7/14 AS 1/21 R, juris).

Wird die Instanz für einen Beteiligten durch Teilurteil beendet, ist die Kostenentscheidung nicht dem Schlussurteil vorzubehalten.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172607

 

 

2.2 SG Detmold, Gerichtsbescheid v. 15.06.2022 - S 35 AS 520/21

Leitsätze

Der Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Darlehens steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung in entsprechender Anwendung des § 242 BGB entgegen, wenn der Leistungsberechtigte seinen Anspruch auf Kautionsrückzahlung aus dem Mietverhältnis unwiderruflich an das Jobcenter übertragen und dieses den Anspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht innerhalb der maßgebenden zivilrechtlichen Verjährungsfrist beim Vermieter geltend gemacht hat.

Überschrift:

Gerichtsbescheid | Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rückzahlung einer Mietkaution, Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, unwiderrufliche Abtretung, zivilrechtliche Verjährung der Forderung, Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB in entsprechender Anwendung

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172708

 

 

2.3 SG Hamburg, Urt. v. 02.12.2022 - S 39 AS 11/20

Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bei Aufrechnung des Darlehens für die Zahlung von Genossenschaftsanteilen mit einer Dauer von 6,33 Jahren.

Die Aufrechnung von Genossenschaftsanteilen war auf 3 Jahre zu begrenzen.

Leitsatz Redakteur v. Tacheles e. V.

  1. Aufrechnung des Darlehens für die Zahlung von Genossenschaftsanteilen mit einer Dauer von 6,33 Jahren führt zu einer Grundrechtsverletzung des Leistungsbeziehers und war deshalb auf 3 Jahre zu begrenzen.

    2. Das Gericht ist nicht an die Regelungen der Fachanweisung der Freien und Hansestadt Hamburg gebunden, gerade wenn diese eine Aufrechnung von Darlehen für Genossenschaftsanteile von bis zu fünf bzw. zehn Jahren vorsieht. Die Verwaltung ist dazu verpflichtet, die Weisungen – sofern diese aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber Leistungsempfängern angewendet werden – wegen der insoweit bestehenden Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) anzupassen.

 

Hinweis Redakteur v. Tacheles e. V. : Siehe dazu auch: SG Köln, Urt. v. 07.02.2023 - S 45 AS 3461/20 WA ( veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 03/2023 )

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Mietkautionsdarlehen - ca 4- jährige Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs - Aufrechnung ist auf max. 3 Jahre zu beschränken - Restbetrag der Kaution abtreten an das JC

Eine Aufrechnung eines Darlehens ist dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn sehr hohe Rückzahlungspflichten aus Darlehen und/oder zeitlich unmittelbar nacheinander folgende Aufrechnungen länger als drei Jahre in Folge jeweils monatlich i.H.v. 10 Prozent mit dem Regelbedarf aufgerechnet werden.

 

2.4 SG Nordhausen, Beschluss v. 12.01.2023 - S 13 AS 1227/22

Leitsätze

1. Eine Verweisung des örtlich unzuständigen Sozialgerichts an ein anderes örtlich unzuständiges Sozialgericht ist für das im Verweisungsbeschluss benannte Gericht jedenfalls dann bindend, wenn ein einfacher Irrtum des verweisenden Gerichts über die örtliche Zuständigkeit gegeben war, der für die Beteiligten nicht offensichtlich war.

2. Als nächsthöheres gemeinsames Gericht im Sinne des § 58 Abs. 1 SGG ist das Bundessozialgericht auch dann anzurufen, wenn sich zwei zum Zuständigkeitsbereich eines Landessozialgerichts gehörende Sozialgerichte, von denen eines zuständig ist, für unzuständig erklärt haben und ein drittes Sozialgericht, das zum Zuständigkeitsbereich eines anderen Landessozialgerichts gehört, nicht als zuständiges Gericht in Betracht kommt.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172788

 

 

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

3.1 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.12.2022 - L 3 AL 4290/19

Leitsätze

1. Zugunsten eines Trägers einer Werkstatt für behinderte Menschen greift keine gesetzliche Rechtsgrundlage ein, die die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger verpflichten würde, mit ihm als Leistungserbringer eine bestimmte vertragliche Vereinbarung mit der von ihm geforderten Höhe der Vergütungen für die Bereiche Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu treffen.
2. Er hat auch weder einen Anspruch auf Ersetzung der bisher vereinbarten Vergütungen nach billigem Ermessen des Gerichts noch einen Anspruch auf Verurteilung der Behörde zur Neuausübung ihres Abschlussermessens über neue Kostensatzvereinbarungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
3. Insbesondere ist es nicht geboten, die vom Bundessozialgericht entwickelte Rechtsprechung zur Ermittlung der Vergütung stationärer oder ambulanter Pflegeleistungen, häuslicher Krankenpflegeleistungen sowie ambulanter Krankenhausleistungen durch ein zweistufiges Verfahren (nachvollziehbare Kostenkalkulation und externer Vergleich) auf den Abschluss von Vergütungsverträgen in den Bereichen Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu übertragen.
4. Vielmehr findet lediglich eine Rechtskontrolle statt, ob der Leistungsträger die Grenzen des ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Verhandlungsspielraums missbraucht und dem Leistungserbringer Konditionen aufgezwungen hat, die mit seiner Stellung als öffentlich-rechtlich gebundener Träger unvereinbar sind (Anschluss an BSG, Urteil vom 20.11.2008 – B 3 KR 25/07 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 17.02.2022 – B 3 KR 13/20 R, juris Rn. 19).
5. Die vom Leistungsträger angebotene Vergütung ist insoweit sowohl am Maßstab der Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG als auch daraufhin zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX a. F. beziehungsweise § 38 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB IX n. F stattgefunden hat.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172780

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4.1 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.03.2022 - L 7 SO 1635/19

Orientierungssatz Redakteur v. Tacheles e. V.

Zur Annahme eines seltenen Ausnahmefalles der Unzumutbarkeit eines Umzuges insbesondere aus gesundheitlichen Gründen, hier bejahend.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172700

 

4.2 LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 17.11.2022 - L 9 SO 40/15

Leitsatz

In einer Einrichtung, die ihrem Zweck nach nur dem vorübergehenden Verbleib dient, bis zur Entscheidung über den weiteren Aufenthalt, wird kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet.

Quelle: https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/JURE230039404

 

4.3 Sächsisches LSG, Urt. v. 30.11.2022 - L 8 SO 107/19

Leitsätze

1. Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Norm soll nur eine angemessene Bestattung garantieren und der Steuerzahler soll sozialhilferechtlich nur für eine würdige Bestattung aufkommen müssen. Maßstabe kann dann nicht der frühere Lebensstandart des Verstorbenen sein, sondern das, was ortsüblicherweise (§ 9 Abs. 1 SGB XII) zu den Bestattungskosten im bezeichneten Sinne gehört.


2. Kosten einer Überführung in das Ausland an den dort vorgesehenen Bestattungsort sind nur dann erdorderlich im Sinne von § 74 SGB XII, wenn diese Überführung auch nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Umstände eine Bestattung nach dem religiösen Bekenntnis des Verstorbenen im Inland nicht ermöglichen.


3. Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII ) ist in einem angemessenen Rahmen nachzukommen. Dem ausgeübten religiösen Bekenntnis und der auch nach dem Tod zu beachtenden Menschenwürde (Art. 4 GG) ist Rechnung zu tragen.

Bemerkung

Zur Übernahme der erforderlichen Kosten einer Bestattung i.S.v. § 74 SGB XII bei einer Beerdigung im Ausland

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/172693

 

 

5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5.1 Bundesgerichtshof: Pflegegeld darf nicht gepfändet werden

Überschuldeten pflegenden Angehörigen darf das Pflegegeld nicht gepfändet werden. Denn anderenfalls werde das gesetzliche Ziel des Pflegegeldes, die Pflegebereitschaft von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn zu erhöhen, nicht erreicht, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem  veröffentlichten Beschluss. (AZ: IX ZB 12/22).

weiter: https://www.evangelisch.de/inhalte/210831/16-01-2023/bundesgerichtshof-pflegegeld-darf-nicht-gepfaendet-werden

 

 

6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

6.1 Hessisches Landessozialgericht – Beschluss vom 20.12.2022 – Az.: L 4 AY 28/22 B ER und L 4 AY 29/22 B

Normen: § 1a Abs. 3 AsylbLG, § 3 AsylbLG, § 2 AsylbLG – Schlagworte: Anhörung zu Verstoß gegen ausländerrechtliche Mitwirkungspflichten, Regelbedarfsstufe 1, Hessisches Landessozialgericht

Auch bei Grundleistungen (§ 3a AsylbLG) ist für Alleinstehende Bedarfssatz 1 zu gewähren!( RA Volker Gerloff )

Leitsatz Redakteur v. Tacheles e. V.

Anspruch der Antragstellerin auf Regelbedarfsstufe 1 unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2022 – 1 BvL 3/21 .

weiter bei RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2023/01/03/hessisches-landessozialgericht-beschluss-vom-20-12-2022-az-l-4-ay-28-22-b-er-und-l-4-ay-29-22-b/

 

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

 

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