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Rechtsprechungsticker von Tacheles 52 KW / 2009


Rechtsprechungsticker von Tacheles 52/2009

1. BVerfG, Beschluss vom 25.11.2009 - 1 BvR 2515/09

Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Prozesskostenhilfe bei Ablehnung von SGB II-Leistungen für Schönheitsreparaturen erfolglos

Zitat : " Es ist nicht verfassungswidrig, wenn ein Sozialgericht bereits im Prozesskostenhilfe-Verfahren feststellt, dass die von den Hilfebedürftigen begehrten SGB II-Leistungen für Schönheitsreparaturen in ihrer Mietwohnung nicht übernommen werden können. Dies gilt zumindest dann, wenn das Gericht sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundessozialgerichts stützt. Das Grundrecht auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes sei dann nicht verletzt, so das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25.11.2009 (Az.: 1 BvR 2515/09)."

http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=932A83EC6CD54D36B37B031D15933148&toc=HP.root

2. LSG NSB L 15 AS 1048/09 B ER vom 03.12.2009

Arbeitslosengeld II: Deckungslücke bei privater Kranken- und Pflegeversicherung verfassungswidrig

Der 15. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (BAgIS) verpflichtet, vorläufig die Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung einer Hilfebedürftigen in voller Höhe zu bezuschussen. Die gesetzlich vorgesehene nur anteilige Bezuschussung der entsprechenden Beiträge hält der Senat für verfassungswidrig.

Die 1948 geborene Antragstellerin bezieht seit Juni 2009 Arbeitslosengeld II. Zuvor war sie als Inhaberin einer kleinen Reinigungsfirma selbstständig tätig und privat kranken- und pflegeversichert. Aufgrund umfangreicher am 01.01.2009 in Kraft getretener Neuregelungen (Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG] vom 26.03.2007) wurde die Antragstellerin - anders als dies nach früherem Recht der Fall gewesen wäre - mit Beginn des Leistungsbezugs nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, sondern blieb kraft Gesetzes Mitglied ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II sieht das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eine Reduzierung des sog. Basistarifs in der Kranken- und Pflegeversicherung auf die Hälfte vor. Hieraus ergibt sich für die Zeit seit dem 01.01.2009 eine monatliche Beitragsbelastung für privat kranken- und pflegeversicherte Leistungsbezieher in Höhe von 320,64 €. Der Beitragszuschuss des Grundsicherungsträgers ist in diesen Fällen allerdings auf die für einen Arbeitslosengeld II-Bezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung zu tragenden Beiträge gesetzlich begrenzt (seit 01.07.2009 insgesamt 142,11 € monatlich). Dies führt bei Leistungsbeziehern wie der Antragstellerin des entschiedenen Verfahrens zu einer monatlichen Deckungslücke in Höhe von 178,53 €; ihr bliebe bei Zahlung der vom Grundsicherungsträger nicht übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus der Regelleistung (hier: 359,00 €) lediglich noch ein Betrag von 180,47 € pro Monat zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Betrag unterschreitet nach Ansicht des Landessozialgerichts die verfassungsrechtliche Untergrenze des sozialrechtlich zu sichernden Existenzminimums eines in der Bundesrepublik Deutschland lebenden alleinstehenden Erwachsenen und stellt das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nicht sicher. Der Senat hat sich daher aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes für berechtigt und verpflichtet gehalten, der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig einen Zuschuss in Höhe der tatsächlich zu entrichtenden Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zuzusprechen. Die durch die nur anteilige Bezuschussung entstehende erhebliche Deckungslücke verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Sicherstellung des Existenzminimums, welche aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt. Diese vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. als "sozialstaatlich unvertretbare Regelungslücke" bezeichnete Problematik ist bereits Gegenstand zahlreicher Änderungsvorschläge von Sozialverbänden, des Bundesrates und des Deutschen Städtetages, ohne dass der Gesetzgeber bislang eine Korrektur vorgenommen hat.

Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Dezember 2009 - Az. L 15 AS 1048/09 B ER -

Vorinstanz: Sozialgericht Bremen - S 23 AS 1525/09 ER

Normen: GG Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1, SGB II § 20 Abs. 1, § 26 Abs. 2, Abs. 3, SGB V § 5 Abs. 5 a, § 8 Abs. 1 Nr. 1 a, SGB XI § 110 Abs. 2, VVG § 193 Abs. 3, Abs. 6, VAG § 12 Abs. 1 a, Abs. 1 c, SGG § 86 b Abs. 2 S. 2

Nichtamtliche Leitsätze:

Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1 c S. 6 Halbs. 2 VAG ist in den Fällen, in denen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags vorliegt, der Zuschuss des Grundsicherungsträgers zu den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung der Höhe nach auf den für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag beschränkt.

Eine analoge Anwendung anderer Vorschriften, die die Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung in vollem Umfang vorsehen (§ 12 Abs. 1 c S. 5 VAG, § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 SGB II), kommt nicht in Betracht, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.

Aus § 110 Abs. 2 S. 4 Halbs. 2 SGB XI i. V. m. § 12 Abs. 1 c S. 6 VAG ergibt sich, dass auch hinsichtlich der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung der Zuschuss des Grundsicherungsträgers auf den Betrag begrenzt ist, der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen ist.

Die sich aus § 12 Abs. 1 c S. 6 Halbs. 2 VAG sowie § 110 Abs. 2 S. 4 Halbs. 2 SGB XI ergebende Begrenzung des Beitragszuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für SGB II-Leistungsbezieher, die unabhängig von der Höhe des zu leistenden Beitrags hilfebedürftig sind, auf insgesamt 142,11 € (ab 1. Juli 2009) verstößt gegen die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Sicherstellung des Existenzminimums. Denn die 178,53 € betragende Differenz zwischen den gewährten Beitragszuschüssen einerseits und dem tatsächlich zu entrichtenden Beitrag andererseits kann nicht aus der Regelleistung nach § 20 SGB II bestritten werden.

Der Hilfebedürftige kann nicht darauf verwiesen werden, eine Gefährdung seines Existenzminimums dadurch abzuwenden, dass er Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zukünftig nur noch in Höhe des Zuschusses des Grundsicherungsträgers zahlt und dadurch monatliche Beitragsschulden bei seinem Krankenversicherungsunternehmen i. H. v. 178,53 € anhäuft.

Der Anspruch des Hilfebedürftigen auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet es im vorliegenden Fall, bereits im Eilverfahren zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Hilfebedürftigen eine einstweilige Anordnung über die Gewährung vorläufiger Leistungen gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zu treffen. Die Fachgerichte sind durch das dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Verwerfungsmonopol nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht daran gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 - 1 BvR 1028/91, BVerfGE 86, 382, Rn 29).

http://www.landessozialgericht.niedersachsen.de/master/C60667341_L20_D0_I5210490_h1.html

3. Bundessozialgericht - B 14 AS 42/08 R - , Urteil vom 21.12.2009

1. Bezieher von Sozialgeld können einen Mehrbedarf analog § 30 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wie er nunmehr in § 28 Abs 1 Nr 4 SGB II vorgesehen ist, beanspruchen, während ihnen als erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Rahmen ihres Anspruchs auf Alg II ein solcher Mehrbedarf nicht zustände. Die unterschiedliche Behandlung nicht erwerbsfähiger und erwerbsfähiger Hilfebedürftiger verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG .

2. Allein aus der Tatsache , dass ein Hilfeempfänger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht , darf nicht geschlussfolgert werden , dass er wegen dieser vorübergehenden Erwerbsminderung die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld erfüllt . Der rentenversicherungsrechtliche Erwerbsunfähigkeitsbegriff ist mit dem grundsicherungsrechtlichen Erwerbs(un)fähigkeitsbegriff nicht deckungsgleich . Anders als im Rentenversicherungsrecht ist in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Hilfesuchenden grundsätzlich ohne Bedeutung, sodass der Bezug einer sog Arbeitsmarktrente grundsätzlich nicht zum Wegfall der Erwerbsfähigkeit führt.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2009&nr=11292

4. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 351/09 AS 17.12.2009 rechtskräftig , Beschluss

Eine vom Arbeitgeber laut Fördervertrag monatliche gewährte Förderung in Höhe von 500 Euro für die Weiterbildung eines Leistungsbeziehers der Grundsicherung nach dem SGB II stellt anrechenbares Einkommen dar .

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte; auszugehen ist hierbei vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (zuletzt BSG, Urteil vom 13.05.2009, B 4 AS 49/08 R, m.w.N.).

Nach § 2 Ziffer 2. des "Fördervertrages" des Klägers mit der N GmbH in Dortmund vom 29.09.2008 erhält der Kläger eine "monatliche, persönliche Förderzahlung in Höhe von 500,- EUR (brutto)". Der entsprechende Nettobetrag fließt dem Kläger monatlich zu; dies steht zwischen den Beteiligten ebenso wie die Höhe der abzusetzenden Beträge nicht im Streit. Er ist damit Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II.

Dieses Einkommen ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht privilegiert im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Denn es handelt sich, worauf das SG bereits zu Recht hingewiesen hat, bei der "Förderzahlung" nicht um eine zweckbestimmte Einnahme, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient. Der "Fördervertrag" soll dem Kläger eine Weiterqualifikation an der "IT-Center Dortmund GmbH" ermöglichen. Die dortigen Studiengebühren werden gemäß § 2 Ziffer 1. des "Fördervertrages" von der N GmbH im Ergebnis getragen. Ergänzend hierzu erfolgt nach der dortigen Ziffer 2. die erwähnte "Förderzahlung". Diese hat erkennbar den Zweck, den Lebensunterhaltes des Klägers während der Weiterqualifikation sicherzustellen, gerade um den Erfolg der Qualifizierung zu gewährleisten. Die Sicherung des Lebensunterhaltes ist aber (auch) der Zweck der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (§ 1 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).

Die in § 8 des "Fördervertrages" vereinbarte "Rückforderung von gewährten Fördermitteln" setzt nach den dortigen Ziffern 2. bis 4. einen Abbruch der Weiterqualifikation oder aber voraus, dass der Kläger die im Anschluss an seine Qualifizierung angestrebte Beschäftigung bei der N GmbH nicht aufnimmt oder vorzeitig beendet. Ob diese zukünftigen Umstände und damit eine Rückzahlungspflicht des Klägers eintreten, ist derzeit und insbesondere im streitigen Bewilligungszeitraum aber (noch) vollkommen ungewiss.

b) Eine ungeklärte Rechtsfrage, welche die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen könnte, liegt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht vor.

Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, hat die Gesetzgebung mit den Regelungen der § 7 Abs. 5 sowie § 22 Abs. 7 SGB II erfasst; ein solcher Sachverhalt ist hier zudem von vornherein nicht gegeben.

Soweit der Kläger auf das Urteil des erkennenden Senats zu Privatdarlehen Bezug nimmt (vom 11.12.2008, L 7 AS 62/08; anhängig BSG B 14 AS 46/09 R), betraf dieses ein Privatdarlehen, bei dem die Rückzahlungspflicht der dortigen Darlehensnehmerin nicht von dem Eintritt einer Bedingung abhängig war. Bereits dies unterscheidet den dortigen Sachverhalt von dem hier zu bewertenden, so dass der Senat nicht zu entscheiden hatte, ob die hier vereinbarte "Rückforderung von gewährten Fördermitteln" rechtlich überhaupt als Darlehen zu qualifizieren ist.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=125184&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

5. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8/13 SO 7/07 26.02.2009 ,Urteil

1. Spricht sich der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen für die Aufnahme eines behinderten Menschen in die Einrichtung aus und ist der Betreffende in einer WfbM tätig, gilt er als voll erwerbsgemindert im Sinne des Vierten Kapitels SGB XII.

2. Bei dem Ausbildungsgeld nach § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III handelt es sich um einen pauschalierten Aufwendungsersatz. Es ist als zweckbestimmte Leistung i. S. v. § 83 Abs. 1 SGB XII nicht als Einkommen bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen zu berücksichtigen.

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