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Rechtsprechungsticker von Tacheles 39 KW / 2009

Rechtsprechungsticker von Tacheles 39/2009


1. BSG, vom 07.05.2009, Az. B 14 AS 35/08 R

Hartz IV: Bei einem langjährig Selbständigen kann die Pflicht zur Verwertung seiner Lebensversicherung eine besondere Härte bedeuten.

Bei einem langjährig Selbstständigen kann die Pflicht zur Verwertung seiner Lebensversicherung wegen Vorliegens eines Härtefalls ausscheiden, wenn eine Kumulation von Umständen vorliegt. Das Vorliegen eines Härtefalls ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Selbstständige nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Verwertung der Lebensversicherungsverträge vor Eintritt in den Ruhestand vertraglich in der Form auszuschließen, wie das Gesetz es fordert ( §12 Abs 2 Nr 3 SGB II ) . Maßgebend ist insoweit nämlich lediglich, ob die Lebensversicherungsverträge objektiv und subjektiv zur Altersvorsorge zweckbestimmt waren.

Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl BSG Urteil vom 8. Februar 2007 - B 7a AL 34/06 R - SozR 4-5765 § 9 Nr 1 RdNr 13 mwN). Ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (so die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4 sowie die Urteile des erkennenden Senats vom 15. April 2008: B 14/7b AS 68/06 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 8; B 14 AS 27/07 R und B 14/7b AS 56/06 R). Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung idF vom 20. Oktober 2004 <Alg II-V>) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden. § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II setzt daher solche Umstände voraus (Beispiele etwa auch bei Brühl in LPK-SGB II, 2 Aufl 2007, § 12 RdNr 55 ff), die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. In den Gesetzesmaterialien wird für das Vorliegen eines Härtefalles iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II als Beispielsfall ausgeführt, dass eine solche Härte dann vorliege, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749 S 32). Es kommt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers somit nicht allein auf den Verlust der Altersvorsorge durch Verwertung und dessen Zeitpunkt an. Hinzu kommen muss vielmehr noch eine Versorgungslücke.

Das LSG hat einen Härtefall zu Unrecht schon deshalb abgelehnt, weil es davon ausgegangen ist, eine besondere Härte könne im Hinblick auf die Verpflichtung zur Verwertung von zur Altersvorsorge bestimmten Lebensversicherungsverträgen nur angenommen werden, wenn eine vertragliche Vereinbarung nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II (iVm § 165 Abs 3 VVG aF bzw § 168 VVG) vorliege, nach der der Inhaber vor dem Eintritt in den Ruhestand die geldwerten Ansprüche nicht verwerten könne. Eine solche Auslegung höbe aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Auffangfunktion der Härteklausel des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II für atypische Fälle gerade wieder auf

Vielmehr ist im Rahmen des Härtetatbestands lediglich entsprechend der früheren Rechtsprechung des BSG zum Recht der Alhi darauf abzustellen, ob der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine dieser Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (so bereits BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 56/06 R - RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2, Brühl in LPK-SGB II, aaO, § 12 RdNr 39; Spellbrink, ZfS 2000, 193, 201 ff). Eine entsprechende Zweckbestimmung zur Altersvorsorge im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II ist etwa dann zweifelhaft, wenn eine Rentenversicherung bereits erheblich früher als zur üblichen Altersgrenze fällig gestellt ist (vgl BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R - RdNr 46: Fälligkeit im 54. Lebensjahr). Insofern liegt es nahe, im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alternative SGB II, ebenfalls auf das 60. Lebensjahr als frühesten Fälligkeitszeitpunkt einer Lebensversicherung abzustellen. Eine entsprechende Altersgrenze wird jedenfalls im Rahmen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II für das Kriterium des "Eintritts in den Ruhestand" allgemein akzeptiert (so Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 52; Radüge in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 12 RdNr 73; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr 151, Stand September 2008; anders: Vollendung des 65. Lebensjahres Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 97, Stand Januar 2009).

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2009-5&nr=11154&pos=20&anz=37

1.1 BSG, vom 07.05.2009, Az. B 14 AS 13/08 R

1. Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II sind vom Leistungsträger anteilig zu erbringen , auch wenn der Antrag auf ALG II erst zur Monatsmitte gestellt wurde .

2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen im SGB II ist die Antragstellung gemäß § 37 SGB II .

Zu 1 . Der Beginn des Leistungszeitraums wird bestimmt durch die Antragstellung nach § 37 Abs 1 SGB II. Die Vorschrift statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteil des Senats vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R). Leistungen für Zeiten vor der Antragstellung werden nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht erbracht.

Die grundsätzlich monatsweise zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung sind hier ab Antragstellung gemäß § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II anteilig zu erbringen. § 41 Abs 1 SGB II legt die Zahlungsabschnitte für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf einen Monat fest (hierauf verweist auch Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 23. November 2006 - B 11b AS 17/06 B - SozR 4-4225 § 2 Nr 1 RdNr 14-15). Dies gilt für alle Leistungen nach §§ 19 bis 29 SGB II, soweit sie regelmäßig monatlich zu zahlen sind (vgl Eicher in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 9). Betont ist dies noch einmal in der Formulierung des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, der die Regelleistung ausdrücklich als Monatsleistung ausweist. § 30 SGB II sieht vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzende Freibeträge vor. Mit der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts korreliert die monatsweise Berücksichtigung von Einkommen, wie sie in § 2 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung <Alg II-V 2004> (idF vom 20. Oktober 2004, BGBl I 2622) vorgesehen ist (vgl Urteil des Senats vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R).

Auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II unterfallen dem Anwendungsbereich des § 41 SGB II. Jedenfalls die regelmäßig in monatlich gleichbleibenden Beträgen entstehenden Kosten der Unterkunft wie die Miete begründen einen monatsweise zu berechnenden Bedarf, der nach § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II anteilig berücksichtigt werden kann (vgl auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2009 - L 12 AS 3990/08). Einer Aufteilung auf Kalendertage steht insbesondere nicht entgegen, dass es sich bei den Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht um pauschale, sondern am tatsächlichen Bedarf orientierte Leistungen handelt. Nach § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II werden Leistungen anteilig erbracht, soweit sie nicht für einen vollen Monat zustehen. Der Monat wird nach § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II mit 30 Tagen berechnet. Bei einem Anspruch nur für einen Teil des Monats sollen nach dem gesetzlichen Konzept des § 41 Abs 1 SGB II sowohl Bedarf als auch Einkommen zunächst monatsweise einander gegenüber gestellt und dann in entsprechende Teilbeträge umgerechnet werden. Die Zahl der Anspruchstage wird dann mit einem Dreißigstel der vollen monatlichen Leistung multipliziert (BT-Drucks 15/1516, S 63; vgl hierzu auch Mecke in Eicher/Spellbrink, aaO, § 11 RdNr 53; siehe auch Eicher in Eicher/Spellbrink, aaO, § 41 RdNr 10).

Zu 2. Nach Antragstellung auf ALG II zugeflossenes Übergangsgeld ist zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 SGB II . Es handelt sich nicht etwa um Vermögen iS des § 12 SGB II, dessen Berücksichtigung sich nach anderen Maßstäben richtet. Der Senat folgt für das SGB II im Grundsatz der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Sozialhilfe entwickelten Abgrenzung von Einkommen und Vermögen (vgl Urteile des Senats vom 30. Juli 2008, insbesondere B 14 AS 26/07 R, sowie Urteile des 4. Senats vom 16. Dezember 2008, insbesondere B 4 AS 70/07 R). Sie entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Sinn und Zweck der Grundsicherungsleistungen als bedarfsabhängige Fürsorgeleistungen. Anders als im Recht der Sozialhilfe beginnt die maßgebliche vom BVerwG dort so genannten "Bedarfszeit" im Bereich des SGB II jedoch erst mit der Antragstellung.

Die Regelung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist im Wesentlichen wortgleich mit dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden § 76 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sowie § 82 Abs 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Bereits nach dem Wortlaut, der auf "Einnahmen in Geld oder Geldeswert" abstellt, sind als Einkommen alle eingehenden geldwerten Leistungen anzusehen (so für § 76 BSHG BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1999 - 5 C 35/97 - BVerwGE 108, 296, 299 und 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137). Mit der Formulierung war auch eine inhaltliche Anknüpfung an die unter der Geltung des BSHG bestehende Rechtslage beabsichtigt (vgl BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, jeweils RdNr 21). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie im Sozialhilferecht geregelt werden (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53 zu § 11).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen im SGB II die Antragstellung gemäß § 37 SGB II (vgl auch Urteile des Senats vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 43/07 R und B 14/11b AS 17/07 R). Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auf die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit kommt es anders als im Sozialhilferecht nicht an (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62 zu § 37). Die "Bedarfszeit" im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG kann im SGB II damit erst mit der Antragstellung beginnen.

Die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen nach dem Zeitpunkt der Antragstellung führt nicht zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung. Das Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 109, 96, 123 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 69 - stRspr). Hier besteht aber ein sachlicher Grund für die Differenzierung. Diejenigen, denen eine Leistung vor der Antragstellung ausgezahlt wird, erhalten einen geldwerten Vorteil zu einem Zeitpunkt, in dem sie noch keine staatlichen Leistungen nach dem SGB II beanspruchen können. Erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung können die Vorschriften des SGB II überhaupt Anwendung finden. Soweit das Gesetz auf aktuell zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehende Einnahmen abstellt, kann dies erst ab dem Zeitpunkt gelten, zu dem ein Anspruch bestehen kann. Da die Frage nach Einkommen allein der Prüfung dient, ob tatsächlich Mittel zur Deckung eines Bedarfs vorhanden sind, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich, ob der Antragsteller den Zeitpunkt des Zuflusses bestimmen konnte oder nicht.

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2009-5&nr=11158&pos=17&anz=37

1.2 BSG B 8 SO 4/08 R Urteil vom 19.05.2009

Ein Arbeitsloser, der zuvor keinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II gestellt hat, hat trotzdem Anspruch auf eine Notfallbehandlung im Krankenhaus.

Bestand kein Krankenversicherungsschutz nach dem SGB V, ist § 25 Satz 1 SGB XII nach Wortlaut, Zweck und Systematik der gesetzlichen Regelungen anwendbar. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Anspruch auf Sozialhilfe wäre der Anspruch auf Hilfe zur Gesundheit nach §§ 48 Satz 1, 52 Abs 1 Satz 1 SGB XII ( vgl zum Vorrang des § 264 SGB V: § 48 Satz 2 SGB XII). Danach werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des SGB V (§§ 27 bis 43b SGB V) erbracht. Zur Krankenbehandlung gehört auch die Behandlung im Krankenhaus nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V.

Die Vorschriften des § 5 Abs 2 SGB II und des § 21 SGB XII schließen jedenfalls diese Leistungen nicht aus. Zwar beabsichtigte der Gesetzgeber mit § 5 Abs 2 SGB II und § 21 SGB XII, Schnittstellen zwischen den beiden Büchern und ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu vermeiden ( BT-Drucks 15/1514 S 57 zu § 21 ); ein Hilfebedürftiger ist daher regelmäßig entweder dem System des SGB II oder dem System des SGB XII zuzuweisen, soweit es die Hilfe zum Lebensunterhalt betrifft. Damit sind aber schon nach dem Wortlaut der bezeichneten Konkurrenzregelungen die Hilfen zur Gesundheit nach § 48 Satz 1 SGB XII, die dem Fünften Kapitel des SGB XII entstammen, von dem Ausschlusstatbestand der Normen nicht betroffen, selbst wenn der Gesetzgeber diese Problematik nicht erkannt haben sollte. Auf die Frage, ob Leistungen für den Lebensunterhalt auch dann ausgeschlossen sind, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (noch) nicht den nach § 37 SGB II für die Leistung von Alg II/Sozialgeld erforderlichen Antrag gestellt hat, ob er also dann dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II war, kommt es vorliegend nicht an

Das Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 25 SGB XII, der das Ziel verfolgt, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen durch Gewährleistung eines leistungsfähigen Schuldners zu erhalten und zu stärken sowie Hilfe in Fällen sicherzustellen, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen oder wegen Zeitablaufs ins Leere gingen (BVerwGE 91, 245, 248; 114, 326, 332) Dieser Grundgedanke greift auch bei der Leistung von Nothilfe für hilfebedürftige Personen, die Leistungen nach dem SGB II (noch) nicht beantragt haben (vgl zum selben Ergebnis mit anderer Begründung: Franke in Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Aufl 2005, Kap 16 Teil III RdNr 5; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 25 RdNr 5, Stand September 2007; Schoch in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB XII, 8. Aufl 2008, § 25 RdNr 4; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 25 RdNr 2).

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2009-5&nr=11156&pos=5&anz=37

2. Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 227/09 B 31.08.2009 rechtskräftig , Beschluss

Bietet die Verwaltungsbehörde einem Widerspruchsführer an, ein Verfahren wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens, welches auch die vom Widerspruchsführer aufgeworfenen Rechtsfragen tangiert, ruhend zu stellen, ist die nach Beharren auf der Entscheidung im Widerspruchsverfahren erfolgte Klageerhebung als mutwillig anzusehen.

Ein verständiger Kläger würde in dieser Situation auch wegen des Kostenrisikos hinsichtlich der Anwaltsgebühren mit Blick auf das nach § 193 SGG entscheidungserhebliche Veranlassungsprinzip das Widerspruchsverfahren zunächst ruhen lassen.

Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob für eine Klageerhebung und einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erforderlich ist.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=122139&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

3. LSG Sachsen- Anhalt L 2 AS 315/09 B ER , rechtskräftiges Urteil vom 22.09.2009

Abwrackprämie für Hartz-IV-Empfänger bleibt anrechnungsfrei

Wie schon zuvor das Sozialgericht Magdeburg hat auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt jetzt entschieden, dass die Abwrackprämie nicht als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet werden darf. Es sei eine zweckbestimmte Einnahme, mit der die Bundesregierung den Absatz von Neuwagen fördern wollte. Würde die Prämie angerechnet werden, hätten die Leistungsbezieher nicht zum Kauf eines Neuwagens motiviert werden können. Auch stehe die Prämie nicht für den Unterhalt zur freien Verfügung, da sie wirtschaftlich betrachtet in die Bezahlung des Neuwagens einfließe. Das neue Auto sei nicht als Vermögen zu verwerten gewesen, da es den vermögensgeschützten Wert von 7.500 Euro nicht erreiche.

http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/lsg/2009/009_2009_182b1bb3df06adb6e64deeb5fe2cb393.htm

4. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 SO 49/08 10.06.2009 rechtskräftig , Urteil

Sozialhilfe : Untätigkeitsklage kann nur dann in zulässiger Weise erhoben werden, wenn zuvor zumindest ein Antrag auf die konkrete Leistung an die Behörde gerichtet worden ist .

Zwar hängt die Gewährung von Grundsicherungsleistungen weder nach dem derzeit geltenden SGB XII noch nach dem früheren Recht des BSHG von einem Antrag des Hilfebedürftigen ab. Maßgeblich ist vielmehr gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII bzw. § 5 BSHG allein die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit. Unabhängig davon kann aber auch im Bereich der Sozialhilfe eine Untätigkeitsklage nur dann in zulässiger Weise erhoben werden, wenn zuvor zumindest ein Antrag auf die konkrete Leistung an die Behörde gerichtet worden ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 20.06.2007 - L 12 SO 25/06 -). Schon nach dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 S. 1 SGG setzt eine Untätigkeitsklage stets einen Antrag des Rechtsuchenden an die Behörde voraus.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=119262&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

4.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 91/08 13.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Gegen eine Entscheidung über eine vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist Widerspruch und Klage möglich .

Die Möglichkeit gegen eine Entscheidung über eine vorläufige Leistung Widerspruch und Klage zu erheben, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (vgl. Leopold, info also 2008, S. 104, 107 f.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, derartige Verwaltungsentscheidungen und Akte öffentlicher Gewalt von der verfassungsrechtlich verbürgten Garantie effektiven Rechtsschutzes generell auszunehmen. Zwar ist die Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines vorläufigen Bewilligungsbescheid von vornherein bis zur Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt begrenzt. Ergeht die endgültige Entscheidung, so erledigt sich dadurch der vorläufige Verwaltungsakt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]). Der vorläufige Bescheid regelt aber im Sinne des § 31 SGB X bis zum Erlass des endgültigen Bescheides den Einzelfall (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008, L 28 B 1869/07 AS PKH ). Mit einer Klage kann also überprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine (nur) vorläufige Leistungsbewilligung vorlagen und - sofern Ermessen eröffnet ist, ob die Verwaltung von diesem rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

Die Behörde hat die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Recht bislang nur vorläufig erbracht. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorläufigen Entscheidung gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) waren erfüllt (mit § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II). Danach ist (§ 428 Abs. 1 Satz 3 SGB III) über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen des Anspruchs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=119864&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

4.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 311/09 AS ER 21.09.2009 , Beschluss

1. Die Übernahme von Stromschulden ist in Anlehnung an § 22 Abs. 5 SGB II gerechtfertigt und geboten, um einen der Wohnungslosigkeit gleichzusetzenden Zustand der Unbewohnbarkeit der Wohnung der zu vermeiden .

2. Der Begriff des dauernden Getrenntlebens (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB) wird durch den Zustand gekennzeichnet, dass die zum Wesen der Ehe gehörende Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=122096&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

4.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 298/09 AS 15.09.2009 rechtskräftig , Beschluss

Die dringende Erforderlichkeit eines Umzuges in eine andere Wohnung kann aus gesundheitlichen Gründen bei einem Hilfebedürftigem gegeben sein .

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=122098&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

4.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 269/09 AS ER 10.09.2009 rechtskräftig , Beschluss

Eine Begrenzung der Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kommt unter Hinweis auf eine ansonsten eintretende Vorwegnahme der Hauptsache nach der Rechtsprechung bei Vorliegen eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs regelmäßig nicht in Betracht .

Soweit sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde dagegen richtet, dass das SG die Antragsgegnerin zur Erbringung der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 90 % einstweilen verpflichtet hat, weist der Senat darauf hin, dass eine Begrenzung der Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Hinweis auf eine ansonsten eintretende Vorwegnahme der Hauptsache nach der Rechtsprechung des Senats bei Vorliegen eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs regelmäßig nicht in Betracht kommt (Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2009, L 7 B 72/09 AS ER; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2007, L 20 B 310/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 29.09.2006, L 9 B 87/06 AS ER). Denn das Abwarten des Hauptsacheverfahrens ist im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II regelmäßig nicht zumutbar. Es ist Bestandteil des effektiven Rechtsschutzes, dass, wenn ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wird, die notwendigen Leistungen in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zeitnah zur Verfügung stehen sollen.

Ausnahmsweise sind lediglich 90 % der Regelleistung im EA-Verfahren zu gewähren, wenn nicht fest steht, woder Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat ( § 36 SGB II ) . Denn der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers ist entscheidungserheblich, um beurteilen zu können, ob die Antragsgegnerin für die Erbringung von Grundsicherungsleistungen örtlich zuständig ist gemäß § 36 SGB II oder nicht. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers berührt dies sein Recht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Grundgesetz (GG) von vornherein nicht, sondern ist notwendige Folge der örtlich begrenzten Zuständigkeit der Grundsicherungsträger.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=122012&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

4.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 9 SO 5/08 27.08.2009 , Urteil

Kosten einer Reittherapie sind aus Mitteln der Eingliederungshilfe auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vom Sozialhilfeträger - nicht - zu übernehmen .

Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Nach dieser Maßgabe liegen die Voraussetzungen der Übernahme der Kosten der Reittherapie als Leistung der Eingliederungshilfe nicht vor. Zunächst liegt keiner der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII hervorgehobenen Leistungsfälle vor. Insbesondere handelt es sich nicht um Hilfe zu einer angemessene Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, denn diese Norm bezieht sich nur auf spezielle Ausbildungshilfen, die gerade auf den Schulbesuch ausgerichtet sind. Dieser spezielle Bezug zum Schulbesuch ist bei der Reittherapie des Klägers nicht erkennbar.

Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe ergibt sich auch aus keiner der durch § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Bezug genommenen Normen.

Dabei beziehen sich die §§ 41, 33 SGB IX auf Werkstätten für behinderte Menschen sowie auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben und sind damit für den Kläger nicht einschlägig.

Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX werden zur Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen erbracht, um Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind nach § 26 Abs. 3 SGB IX auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Abs. 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere auch (Nr. 5) Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen. Dabei richtet sich die Abgrenzung zu Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 Abs. 2 SGB IX danach, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen die jeweilige Leistung dient (vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R -).

Sowohl bei der Hippotherapie als auch beim heilpädagogischen Reiten handelt es sich um medizinische Rehabilitationsleistungen im oben dargestellten Sinne. Dem Sozialgericht ist darin beizupflichten, dass durch das Reiten die Folgen der Behinderung gemindert und möglichst sogar überwunden werden sollen. Auch setzt es unmittelbar an der Behinderung an, da gerade die Verbesserung des Gleichgewichtssinnes, der Muskulatur und des Muskeltonus im Vordergrund stehen. Indem die Ursachen der Behinderung beseitigt oder jedenfalls ihre Auswirkungen minimiert werden, werden die behinderungsbedingten Entwicklungsverzögerungen des Klägers aufgeholt. Demnach geht es nicht darum, Auswirkungen der Behinderung auf die allgemeine Lebensgestaltung aufzufangen (vgl. dazu auch VG Aachen, Urteile vom 21.06.2006 - 6 K 103/04 - (heilpädagogisches Reiten) und vom 10.02.2006 - 6 K 2480/06 - (Hippotherapie)). Soweit positive Entwicklungen des Klägers auch im allgemeinen Lebensbereich zu verzeichnen sind, sind dies indirekte Auswirkungen, die mit der Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers einhergehen. Es handelt sich danach schwerpunktmäßig um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. 26 SGB IX und zwar um ein Heilmittel nach § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX.

Eine Übernahme der Kosten für die Reittherapie als medizinische Rehabilitationsleistung scheitert an § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur übernommen werden, wenn sie den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind also keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Reittherapie entspricht nicht dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich um eine therapeutische Dienstleistung, die auf Verordnung eines Arztes durch besonders ausgebildete, nichtärztliche Fachkräfte erbracht wird. Sie ist als Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V einzustufen (vgl. zur Petö-Therapie BSG, Urteil vom 03.09.2003 - B 1 KR 34/01 R -).

Nach § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4-6 nicht erbracht werden. Ziel der Leistungen nach § 55 Abs. 1 SGB IX ist es einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, den Zugang zur Gesellschaft zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (vgl. BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R -).

Nach dieser Maßgabe bildet das therapeutische Reiten für den Kläger trotz des offenen Leistungskatalogs des § 55 Abs. 2 SGB IX keine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Reittherapie setzt nach der oben vorgenommenen Abgrenzung zur medizinischen Rehabilitation schwerpunktmäßig an der Behinderung an und versucht, die Behinderungsfolgen zu mindern oder sogar zu beheben.

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5. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 3 AS 80/07 21.04.2009 rechtskräftig , Urteil

Eine Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht, muss vom Grundsicherungsträger erneut über die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten belehrt werden, wenn sich ihr Wohnbedarf durch die Geburt eines Kindes erhöht hat

Grundsätzlich haben Empfänger von Grundsicherungsleistungen nur Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn diese angemessen sind. Lediglich für eine Übergangszeit, in der Regel sechs Monate, werden zu hohe Unterkunftskosten übernommen, um dem Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, sich eine preiswertere Wohnung zu suchen. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Hilfebedürftigen der für seine Familie angemessene Mietpreis bekannt ist ( vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss des erkennenden Senats vom 19.09.2006 – Az.: L 3 ER 161/06 AS; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 27.02.2008 - Az.: B 14/7b AS 70/06 R).

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5.1 Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 AS 131/08 23.07.2009 , Urteil

Auch ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitslosengeld II-Bezieher muss sich bei seinem Leistungsträger melden, wenn seine Erkrankung dies zulässt.

Nach § 59 SGB II sind die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309 SGB III, entsprechend anzuwenden. Nach § 309 SGB III hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht, Absatz 1 Satz 1) Die Aufforderung zur Meldung kann u.a. zum Zwecke der Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen oder Entscheidungen im Leistungsverfahren oder der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs erfolgen (Absatz 2).

Die von Dr. B u.a. für den Meldetermin am 9.10.2007 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit des Klägers führt nicht dazu, dass der Kläger für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Alg II erhoben hätte. Denn der Anspruch auf Alg II besteht auch bei Arbeitsunfähigkeit des hilfebedürftigen Arbeitsuchenden fort (Birk, in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 56 Rn. 5).
Die Verpflichtung zur Meldung ist auch nicht entsprechend § 309 Abs. 3 Satz 3 SGB III entfallen. Hiernach wirkt, wenn der Meldepflichtige am Meldetermin arbeitsunfähig ist, die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt. Diese Regelung erweckt zwar den Eindruck, Arbeitsunfähigkeit des Leistungsberechtigten ließe die Meldepflicht entfallen (vgl. dazu und zum Folgenden Düe, in Niesel, SGB III, 4. Aufl. 2007, § 309 Rn. 21). Dies mag in der Praxis in der Regel auch so gehandhabt werden. Aus einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergibt sich in der Regel jedoch nur, dass der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen die ihm zumutbaren Beschäftigungen nicht ausüben kann. Dagegen ergibt sich daraus nicht notwendig, dass die Erkrankung der Wahrnehmung eines Meldetermins entgegensteht.

Jedenfalls in Fällen, in denen begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzeitig die Unfähigkeit zur Wahrnehmung eines Meldetermins begründet und der Leistungsträger den Betroffenen zuvor darauf hingewiesen hat, dass eine "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" nicht ausreicht, um die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Meldetermins nachzuweisen, lässt eine bestehende Arbeitsunfähigkeit die Meldepflicht nicht entfallen.

Die Rechtsfolgenbelehrung war auch nicht deshalb mangelhaft, weil der Kläger mit dem am 8.10.2007 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vor dem Meldetermin mitgeteilt hatte, er könne den Termin wegen eines wichtigen Arzttermins nicht wahrnehmen. Es kann dahinstehen, ob in solchen Fällen der Leistungsträger grundsätzlich dazu verpflichtet ist, dem Betroffenen noch vor dem Termin mitzuteilen, ob der vorgetragene Entschuldigungsgrund ausreicht oder nicht, und ein Unterlassen dazu führt, dass die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft wird (vgl. dazu Sonnhoff, in JurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 Rn. 179). Zwar datiert das Entschuldigungsschreiben des Klägers vom 5.10.2007. Unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten und einer angemessenen Bearbeitungszeit konnte der Kläger bei einer so kurzfristigen Entschuldigung jedoch nicht davon ausgehen, dass er noch vor dem Termin eine Mitteilung der Beklagten erhalten würde. Unter diesen Umständen wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, eine telefonische Klärung herbeizuführen (Sonnhof, a.a.O.). Da er dies nicht getan hat, blieb die ursprüngliche Meldeaufforderung wirksam und die Rechtsfolgenbelehrung ausreichend (Sonn-hof, a.a.O.).

Der Kläger hat schließlich auch keinen wichtigen Grund für die Versäumung des Meldetermins nachgewiesen. Ein wichtiger Grund liegt allgemein vor, wenn dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Erscheinen unmöglich ist oder so erschwert wird, dass ein anderes Verhalten bei einer Abwägung seiner Interessen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit unzumutbar erscheint. Bei einer Erkrankung reicht es nicht aus, wenn der Betroffene arbeitsunfähig ist (so aber für die Sperrzeit bei Meldeversäumnis Winkler, in Gagel, SGB III § 144 Rn. 198, zitiert nach beck-online); vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob der Betroffene krankheitsbedingt daran gehindert war, den Meldetermin wahrzunehmen (Sonnhoff, a.a.O. Rn. 182). Das war beim Kläger nicht der Fall. Er hat lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, aus der sich nicht ergibt, welche Erkrankungen vorlagen.

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5.2 Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 AS 111/09 23.07.2009 , Urteil

1. Die Kosten einer Instandhaltungsrücklage sind bei Wohnungseigentümern Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II .

2. Aus Gründen der Gleichbehandlung von Wohnungseigentümer und Mieter sind auch bei Eigentumswohnungen die Kosten des Kabelanschlusses zu übernehmen, wenn der Arbeitsuchende kraft Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung zur Zahlung verpflichtet ist und die Gebühr nicht abwenden kann.

Zu 1. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Für den Eigentümer eines selbstbewohnten Hauses zählt eine Erhaltungsaufwandspauschale - anders als angemessene tatsächliche Instandhaltungsaufwendungen - nicht zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen (BSG 3.3.2009 B 4 AS 38/08 R). Anders ist die Rechtslage jedoch im Falle von Wohnungseigentum, wenn der Arbeitsuchende der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber zur Zahlung der Pauschale verpflichtet ist. Bei Mietern sind die Nebenkosten zu übernehmen, welche der Vermieter aufgrund des Mietvertrags vom Mieter verlangen kann und tatsächlich verlangt (vgl BSG 19.2.2009 B 4 AS 48/08 R). Dies gilt entsprechend für Wohnungseigentümer. Da diese der Eigentümergemeinschaft gegenüber zur Zahlung der Pauschale verpflichtet sind, sind die betreffenden Kosten vom SGB II Träger zu übernehmen (LSG Baden-Württemberg 26.1.2007 L 12 AS 3932/06, juris; LSG Rheinland-Pfalz 28.6.2007 L 3 ER 136/07 AS; Piepenstock in jurisPK SGB II, § 22 Rn 40, 42). Gemäß § 21 Abs 5 Nr 4 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) steht die Bildung der Instandhaltungsrücklage nicht zur Disposition des einzelnen Eigentümers, da die Wohnungseigentümerversammlung für sämtliche Mitglieder bindend über die zu bildenden Rücklagen für die ordnungsgemäße Instandhaltung und setzung des Gemeinschaftseigentums beschließt.

Der Pflicht zur Übernahme der Kosten der Instandhaltungspauschale steht nicht entgegen, dass bei Mietern die Übernahme einer solchen Pauschale deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Erhaltungsaufwand dem Vermieter obliegt und daher solche Kosten nicht auf den Mieter umgelegt werden können (vgl § 2 Betriebskostenverordnung). Obwohl grundsätzlich aus Gründen der Gleichbehandlung Eigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Unterkunfts und Heizkosten im Zweifel gleich zu behandeln sind (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, Rn 25), ist eine Ausnahme da gerechtfertigt, wo sich diese aus den Gegebenheiten der jeweiligen Sachlage begründet. Dies ist vorliegend wegen der, anders als beim Mieter, gegebenen Verpflichtung des Wohnungseigentümers zur Zahlung der Pauschale im Falle eines Beschlusses der Eigentümerversammlung der Fall. Dies führt nicht notwendig zu einer Privilegierung gegenüber Mietern, weil letztere den Erhaltungsaufwand regelmäßig über die Miete finanzieren.

Die Übernahme der Instandhaltungspauschale ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Pauschale auch Kosten für bauliche Maßnahmen betreffen kann, die über den reinen Erhaltungsaufwand (vgl Lang/Link, aaO Rn 26) hinausgehen und deshalb zu einer Wertsteigerung auch der Eigentumswohnung führen können. Die Instandhaltungspauschale darf zwar nur für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums verwendet werden (vgl § 21 Abs 5 Nr 2 WEG). Zu dieser zählen nicht Umgestaltungen des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes abweichen und über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen (AG Düsseldorf 29.5.2007 291 II 148/06 WEG, juris Rn 37). Die ordnungsgemäße Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums ist jedoch nicht auf die Reproduktion des vormals bestehenden Zustandes beschränkt; vielmehr sind auch technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösungen mit Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft möglich (aaO Rn 38). Insoweit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Instandhaltungspauschale auch für bauliche Maßnahmen Verwendung finden wird, die sich wertsteigernd auswirken können. Dies ändert jedoch nichts an der Übernahmepflicht der Beklagten für die Kosten der Pauschale. Diese Kosten unterscheiden sich nämlich von Kosten, die ein Eigentümer eines Eigenheims für wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen aufwenden muss, dadurch, dass der Wohnungseigentümer die laufende Entrichtung der Pauschale nicht vermeiden kann, während wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen des Eigentümers eines Eigenheims idR aufschiebbar sind.

Die Höhe der Instandhaltungspauschale ist vorliegend angemessen. Insoweit gilt die Faustregel, dass die Rücklage für erforderliche Instandsetzungen am Wohneigentum monatlich mindestens 1 EUR je Quadratmeter betragen soll (LSG Baden-Württemberg aaO juris Rn 28). In Anbetracht der Größe der Eigentumswohnung der Klägerin (54 qm) und der jährlichen Höhe der Pauschale von 355,57 EUR ist die Pauschale nicht überhöht.

Zu 2. Einem Mieter ist die Kabelanschlussgebühr vom SGB II Träger im Falle der nicht abwendbaren Verpflichtung zur Zahlung gegenüber dem Vermieter zu erstatten (BSG 19.2.2009 B 4 AS 48/08 R Rn 19). Anderenfalls sind derartige Bedürfnisse des täglichen Lebens, die nicht zu den eigentlichen Kosten der Unterkunft zählen, von der Regelleistung abgedeckt; auf Grundrechte kann sich der Betroffene in diesem Fall nicht stützen (BSG aaO Rn 18). Wie dargelegt, müssen aus Gründen der Gleichbehandlung Wohnungseigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Unterkunfts und Heizkosten im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden, sofern nicht nach der jeweiligen Sachlage solche Unterschiede bestehen, die eine abweichende Handhabung begründen. Daher sind auch bei Eigentumswohnungen die Kosten des Kabelanschlusses zu übernehmen, wenn der Arbeitsuchende kraft Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung zur Zahlung verpflichtet ist und die Gebühr nicht abwenden kann. So ist die Sachlage im vorliegenden Fall. Das Haus, in dem die Klägerin wohnt, verfügt nicht über eine Gemeinschaftsantenne. Welche Möglichkeiten die Klägerin haben soll, die Kabelanschlussgebühr zu vermeiden, ist nicht ersichtlich. Die Aufwendungen für den Kabelanschluss werden auch fällig, wenn der Kabelanschluss von der Klägerin nicht genutzt wird. Der Einbau einer Filter- oder Sperrdose führt nicht dazu, dass die Klägerin von der Entrichtung der anteiligen Kosten des Kabelanschlusses für das Haus an die Eigentümergemeinschaft befreit würde.

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6. Sozialgericht Berlin S 160 AS 21415/09 ER 28.07.2009 , Beschluss

Nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von mehr als einem Jahr ist dem Hilfebedürftigen nach Wiedereintritt in den Leistungsbezug auch in diesem Fall eine (erneute) Übergangsfrist zur Senkung der Wohnkosten ( 6 Monate ) zuzubilligen .

Die Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II soll verhindern, dass der Leistungsberechtigte ggf. sofort beim erstmaligen Eintritt der Hilfebedürftigkeit seine Wohnung aufgeben muss (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R und B 7 b AS 18/06 R).

Unter Berücksichtigung des Zwecks der Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 steht dem erstmaligen Eintritt der Hilfebedürftigkeit der Fall des nicht vorhersehbaren Eintritts der erneuten Hilfebedürftigkeit nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von mehr als einem Jahr gleich. Daher ist dem Hilfebedürftigen nach Wiedereintritt in den Leistungsbezug auch in diesem Fall eine (erneute) Übergangsfrist zur Senkung der Wohnkosten zuzubilligen. Etwas anderes mag gelten, wenn der Leistungsberechtigte nicht ernsthaft davon ausgehen durfte, er werde nicht mehr hilfebedürftig werden und er während der Unterbrechung des Leistungsbezugs sehenden Auges Kostensenkungsmaßnahmen unterlässt, obwohl der wiederholte Eintritt der Hilfebedürftigkeit absehbar ist.

7. Sozialgericht Lüneburg S 41 AS 662/07 18.05.2009 , Urteil ; Sprungrevision wurde zugelassen

Rechtsgrundlage für die Übernahme der Schulbeförderungskosten für einen Leistungsbezieher der Grundsicherung nach dem SGB II ist § 73 SGB XII . Von den tatsächlich entstandenen Fahrtkosten ist auch nicht derjenige Betrag abzusetzen, welcher in der Regelleistung für die Teilnahme am Verkehr vorgesehen ist

Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Nach dieser Vorschrift können Leistungen in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen; Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Wie auch schon das Bundessozialgericht ausgeführt hat, kann diese Regelung bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dann zur Anwendung gelangen, wenn eine atypische Bedarfslage besteht, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt (Bundessozialgericht, Urteil v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R, Rn. 22; Urteil v. 25.06.2008, Az.: B 11b AS 19/07 R, Rn. 28). § 73 SGB XII soll dabei keine allgemeine Auffangnorm darstellen, die dazu könnte, alle im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ungedeckten Bedarfe - insbesondere, soweit sie eigentlich von der Regelleistung umfasst sein müssten - im SGB XII geltend zu machen (Bundessozialgericht, Beschluss v. 27.01.2009, Az.: B 14/11b AS 9/07 R, Rn. 45). Die Vorschrift ist auf der anderen Seite aber nicht auf Einzelfälle beschränkt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R, Rn. 22: Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts eines Elternteils mit seinen Kindern).

Eine andere, vorrangige Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin besteht nicht. Sie kann namentlich keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II gegenüber der Agentur für Arbeit geltend machen. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht vor, dass, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringt und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen gewährt. Zwar sind Kosten für die Monatsfahrkarte eines Schülers von der Regelleistung umfasst (vgl. O´Sullivan, SGb 2005, 369; Sozialgericht Aurich 16.06.2005, Az.: S 13 SO 18/05). Allerdings kommt diese Regelung bei Sonderbedarfen, die zwar von der Regelleistung umfasst sind, aber keine einmalige Bedarfsspitze darstellen, sondern dauernd und zumindest so regelmäßig wiederkehrend auftreten, dass die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II angeordnete Aufrechnung faktisch eine unerträgliche Schuldenspirale zur Folge hätte, nicht in Betracht (Bundessozialgericht, Urteil v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 03.12.2007, Az.: L 7 AS 666/07 ER).

Eine atypische, besondere Bedarfslage, die auch in anderen Bereichen des Sozialrechts nicht abschließend geregelt ist, liegt vor. Der Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst zwar auch Aufwendungen zum typischen Schulbesuch und in einem bestimmten Umfang auch Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 20, Rn. 24, 30), nicht jedoch die atypische Lebenssituation, dass im besonderen Einzelfall sonst der Besuch einer zur Hochschulreife führenden Schule nicht möglich wäre. Mit diesem Normverständnis enthält § 73 SGB XII eine Ermächtigung an die Verwaltung, vom Gesetzgeber übersehene oder noch nicht erkannte und somit vom Sozialleistungssystem nicht erfasste aber gleichwohl regelungsbedürftige Hilfetatbestände im Ermessenswege aufzufangen. Die von der Klägerin begehrten Kosten für die Monatsfahrkarte zwecks Besuches des Gymnasiums sind nicht den in den Kapiteln 3 bis 9 liegenden Tatbeständen des SGB XII zuzuordnen. Es handelt sich nicht um Aufwendungen für den allgemeinen Lebensunterhalt, d. h. Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 27 SGB XII), oder Grundsicherung (§§ 41, 42 SGB XII) oder um krankheits-/behinderungsbedingten, durch besondere soziale Schwierigkeiten bedingten Bedarf oder um Pflegebedarf (§§ 47 ff, 53 ff., 61 ff., 67 ff. SGB XII) oder um Haushalts-, Alten-, Blindenhilfe oder Bestattungskosten (§§ 70 - 72, 74 SGB XII). Die Möglichkeit einer Hilfegewährung durch andere sozialrechtliche Vorschriften ist somit nicht gegeben. Soweit die Klägerin vom Diakonischen Werk eine einmalige Beihilfe für Schulwegkosten erhalten hat, ist dieser karitative Einsatz auf die ablehnende Haltung des Beklagten zurückzuführen und schon deshalb gegenüber dem Anspruch aus § 73 SGB XII nachrangig (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 03.12.2007, Az.: L 7 AS 666/07 ER).

Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geforderte gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen ist insofern gegeben, als nach § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch Hilfen zur Ausbildung in Betracht kommen. Bei diesen Hilfen wie bei der hier im Streit stehenden Übernahme der Fahrtkosten handelt es sich um Leistungen, die den Zugang zur Bildung ermöglichen. Es handelt sich somit um eine Aufgabe von erheblichem Gewicht.

Die sonstige Lebenslage im Falle der Klägerin ist darin zu sehen, dass sie ohne die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in der Lage ist, die Oberstufe eines Gymnasiums zu besuchen. Der niedersächsische Gesetzgeber ist in § 114 Abs. 1 Nr. 1 Niedersächsisches Schulgesetz mit der Beschränkung der Kostenübernahme bis zum 10. Schuljahrgang davon ausgegangen, dass ab einer gewissen Altersstufe die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr erforderlich ist. Von diesem typischen Regelfall weicht jedoch die individuelle Lebenssituation der Klägerin ab. Die von ihr besuchte Schuleinrichtung liegt 22 km von ihrem Wohnort entfernt. Ihr kann nicht zugemutet werden, diese Strecke täglich mit dem Fahrrad zu bewältigen. Sie muss fast ein Drittel ihrer Regelleistung für die Fahrt zur Schule aufwenden, ohne dass ihre Eltern sie finanziell unterstützen können. Es liegt also eine atypische Bedarfslage vor und nicht nur ein erhöhter Bedarf, der allein für die Anwendung des § 73 SGB XII nicht ausreichen würde (vgl. hierzu und auch zum Folgenden Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 03.12.2007, Az.: L 7 AS 666/07 ER).

Die sonstige Bedarfslage rechtfertigt auch den Einsatz öffentlicher Mittel. Geboten ist eine wertende Entscheidung mit anderen Bedarfslagen, wobei Ausmaß und Schwere der atypischen Lebenssituation in den Vergleich einzubeziehen sind. Zu berücksichtigen ist auch, ob durch die erforderliche Hilfestellung etwaige spätere und unter Umständen höhere Kosten vermieden werden können. Entscheidend ist insoweit, ob Art und Dringlichkeit der sonstigen Lebenslage eine Hilfestellung erfordern, ohne dass die Vorschrift des § 73 SGB XII zu einem allgemeinen Auffangbecken für sämtliche Notlagen wird.

Der Einsatz öffentlicher Mittel zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten in der atypischen Situation der Klägerin ist geboten, um ihre Teilhabechancen für Jugendliche aus Haushalten von SGB II-Leistungsbeziehern zu fördern. Es ist durch viele Studien der letzten Jahren belegt, dass in der Bundesrepublik Deutschland Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten nicht dieselben Chancen haben, am Bildungserfolg zu partizipieren wie Kinder und Jugendliche von besser situierten Eltern. So haben z.B. Kinder aus der oberen Einkommensschicht bei gleichen kognitiven Fähigkeiten eine sechs Mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als jene aus unteren bis mittleren Einkommensschichten (BT-Drucksache 16/5253). Der Zugang zu Bildung ist eine zentrale Aufgabe des Einsatzes öffentlicher Mittel, weil dadurch die Zukunftsperspektiven des Landes maßgeblich beeinflusst werden. Dabei ist sicher zu stellen, dass der Zugang zu Bildung nicht nur formal gleichberechtigt allen Kindern und Jugendlichen offen steht, sondern dass auch die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Angebote tatsächlich beanspruchen zu können (BT-Drucksache 16/4486).

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Einwand des Beklagten, die Schülerbeförderung sei grundsätzlich in landesrechtlichen Vorschriften geregelt, die nicht durch die Verpflichtung zur Erbringung von Sozialleistungen faktisch außer Kraft gesetzt werden dürften. Es ist zunächst zu beachten, dass die hier im Streit stehenden sozialrechtlichen Normen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Die Normsetzungsbefugnis über die Grundsicherung für Arbeitsuchende und über die Sozialhilfe obliegen nicht den einzelnen Bundesländern. Wenn der Bundesgesetzgeber eine entsprechende Regelungskompetenz an die Länder delegieren wollte, ist dies im Rahmen einer Öffnungsklausel geschehen (vgl. § 70 SGB II). Das ist jedoch für die Übernahme von Schülerbeförderungskosten als Hilfestellung in außergewöhnlichen Lebenssituationen nicht feststellbar. Dessen ungeachtet ist aber auch zu bedenken, dass das Land Niedersachsen mit der Regelung des § 114 Abs. 1 Nr. 1 Niedersächsisches Schulgesetz offenbar nicht beabsichtigte, die finanzielle Unterstützung von Schülern abschließend zu regeln, d. h. zu begrenzen, und damit bedürftigen Schülern die Möglichkeit des Schulbesuchs ab der 11. Klasse zu versperren.

Der Einsatz öffentlicher Mittel ist bis auf einen Betrag von 110,- Euro (dazu sogleich) hinsichtlich der Übernahme der vollständigen tatsächlichen Kosten gerechtfertigt. Die Klägerin war namentlich nicht auf den Erwerb eines Jahresabonnements zu verweisen. Insbesondere im Hinblick auf die Schulferien und etwaige Krankheitszeiten war es nicht erforderlich, ein Jahresabonnement zu nutzen, da ein solches auch in den genannten Zeiträumen zu bezahlen gewesen wäre.

Von den tatsächlich entstandenen Fahrtkosten ist auch nicht derjenige Betrag abzusetzen, welcher in der Regelleistung für die Teilnahme am Verkehr vorgesehen ist (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 20, Rn. 24, 30: 4,5 %). Zum einen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem Anteil zumindest auch um solche Kosten handelt, die im Zusammenhang mit Fahrten in der Freizeit entstehen. Zum anderen würde eine nur anteilige Übernahme dazu führen, dass die Klägerin hinsichtlich des ungedeckten Teils auf ihre Regelleistung zurückgreifen müsste. Diese würde faktisch eine Absenkung der Regelleistung bedeuten. Eine Abweichung von dem als Regelleistung vorgesehen pauschalierten Betrag ist jedoch, wie sich aus § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ergibt, nicht zulässig (vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil v. 18.06.2008, Az.: B 14 AS 22/07 R, Rn. 22).

Die Entscheidung darüber, ob die Kostenübernahme als Geldleistung in Form einer Beihilfe oder als Darlehen zu erfolgen hat, ist ermessensfehlerfrei nur im Sinne der Gewährung einer Beihilfe zu treffen. Im Falle einer Darlehensgewährung würde sich, da ein beständig sich erneuernder Bedarf besteht, eine der Klägerin nicht zumutbare Schuldenspirale entstehen (s. die obigen Ausführungen zu § 23 Abs. 1 SGB II). Die Dauer des Schulbesuchs ist zwar begrenzt. Da die Ermöglichung des Zugangs zur Bildung jedoch eine vordringliche öffentliche Aufgabe bildet, erschiene es der Kammer nicht gerechtfertigt, wenn die hierfür gewährten Leistungen vom Leistungsempfänger zurückgefordert werden könnten.

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Sozialgericht Lüneburg S 28 AS 883/07 03.06.2008 , Urteil

Zur Übernahme der Kosten der Unterkunft bei längeren Haftaufenthalten durch den SGB II und SGB XII- Leistungsträger .

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf beihilfemäßige oder darlehensweise Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung

Ein beihilfemäßiger Anspruch gegenüber der Beklagten ergibt sich nicht aus § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Norm werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Voraussetzungen dieser Leistungen sind jedoch, dass der Anspruchsteller die Wohnung tatsächlich bewohnt (vgl. LPK-SGB II-Berlit § 22, Rd. 17). Dies war im streitigen Zeitraum nicht der Fall, weil der Kläger tatsächlich im LKH und in der JVA gelebt hat.

Ein darlehensweiser Anspruch gegen die Beklagte ergibt sich nicht aus § 22 Absatz 5 SGB II. Nach Satz 1 dieser Norm können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach Satz 2 sollen sie übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Satz 1 setzt nach dem Wortlaut die Erbringung von Leistungen zur Unterkunft und Heizung, also den laufenden Leistungsbezug, voraus (LPK-SGB II-Berlit § 22, Rd. 111). Dieser war beim Kläger nicht gegeben, was einer Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung entgegensteht. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung führt dazu, dass nur Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach § 22 Absatz 5 SGB II Leistungen erlangen können. Die übrigen Anspruchsteller werden auf § 34 SGB XII verwiesen. Für den Kläger greift auch nicht Ausnahmetatbestand des § 22 Absatz 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II, weil er nicht mindestens 15 Wochenstunden einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Ferner scheitert sowohl der Ermessensanspruch nach Satz 1 als auch der intendierte Anspruch nach Satz 2 daran, dass die Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt ist. Denn es droht zum einen nicht unmittelbar eine Vermieterkündigung bzw. Räumung. Diese hat der Kläger mit einem Vergleich vor dem Amtsgericht K. abgewandt. Zudem hat er mit dem Vermieter vereinbart, die Schulden mit monatlich 50,- Euro abzuzahlen. Somit hat er bereits mit Selbsthilfe den Erhalt der Wohnung erreicht und ist auf die Hilfe des Grundsicherungs- oder Sozialhilfeträgers nicht angewiesen. Deren Leistung ist nicht notwendig, um den Hilfebedarf zu decken und drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf darlehensweise Übernahme der Mietschulden durch den Beigeladenen als Sozialhilfeträger gemäß § 34 SGB XII. Nach Satz 1 dieser Norm können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach Satz 2 dieser Norm sollen sie übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Die Übernahme ist vorliegend weder gerechtfertigt noch notwendig. Der Kläger hat mit dem Vermieter einen Vergleich abgeschlossen, nach dem keine Räumung mehr droht. Er hat sich im Rahmen der Selbsthilfe zur Abzahlung der Schulden verpflichtet. Ein Handeln des Sozialhilfeträgers ist nicht notwendig, um die Wohnung zu erhalten und Obdachlosigkeit zu verhindern. Denn es besteht keine Notlage, die der Betroffene nicht ohne den Sozialhilfeträger lösen könnte (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 34, Rd. 6).

Ferner scheitert die Übernahme daran, dass nach der Rechtsprechung allenfalls für kurzfristige Haftaufenthalt unter 6 Monaten die Übernahme der Mietschulden als geboten angesehen wird. Denn bei längeren Aufenthalten ist es dem Betroffenen zuzumuten, eine neue Wohnung anzumieten, was im Übrigen auch kostengünstiger ist (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. August 2007 - L 8 SO 87/06 -).

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7.2 Sozialgericht Lüneburg S 81 AS 311/09 ER 10.03.2009 , Beschluss

Die gesetzliche Regelung zur Übernahme von Schulden für Energiekostenrückstände nach § 22 Abs. 5 SGB II dient dem Zweck, die gegenwärtig genutzte Unterkunft zu sichern und damit Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Insoweit ist das Ermessen des Leistungsträgers nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II, soweit jedenfalls u. a. Wohnungslosigkeit bzw. einer der Wohnungslosigkeit nahe kommende Notlage durch Verlust der Energieversorgung droht, auch eingeschränkt ("soll"). Das bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. - Folgenabwägung -

Steht dem Antragsteller ein geltend gemachter Anspruch zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens noch abzuwarten, so hat der Antragsteller Anspruch auf die begehrte Leistung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - bei Unüberschaubarkeit der Sach- und Rechtslage aufgrund einer Folgenabwägung (LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 2.10.2008 - L 7 AS 463/08 ER - ; BVerfG NVwZ 2005, 927 f.).

Nach § 22 Abs. 5 SGB II können nämlich, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen gem. § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II regelmäßig übernommen werden, wenn das gerechtfertigt und notwendig ist und andernfalls Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Hierunter fällt auch die Übernahme von Energiekostenrückständen (vgl. Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 116 zu § 22). Die bei der Ermessensentscheidung im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigenden Umstände, wie Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, die Zusammensetzung des von der eventuellen Energiesperre bedrohten Personenkreises und die Möglichkeiten sowie die Zumutbarkeit einer anderweitigen Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten, insbesondere Bemühungen, das Verbrauchsverhalten einzuschränken bzw. angemessen anzupassen und ein Selbsthilfewillen (vgl. hierzu Berlit LPK - SGB II Rdnr. 118 zu § 22 SGB II) können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch nicht derart umfassend wie in einem Verfahren der Hauptsache geprüft und geklärt werden, da sie sich regelmäßig nicht vollständig den Verwaltungsakten entnehmen lassen. Ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und die Möglichkeiten der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten, welches das Ermessen der Antragsgegnerin prägen könnte, liegt hier jedenfalls nicht offensichtlich zutage (vgl. dazu SG Hannover v. 19.12.2005 - S 51 SO 741/05 ER), hat somit außer Betracht zu bleiben - zumal ein etwa unwirtschaftliches Verhalten der Antragsteller vom Träger der Leistung nachzuweisen wäre (LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 2.10.2008 - L 7 AS 463/08 ER - ).

Im vorliegenden Fall ist das Ermessen der Antragsgegnerin daher auf die Gewährung des Darlehens reduziert: Denn das Ermessen des Leistungsträgers nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist - jedenfalls soweit Wohnungslosigkeit bzw. eine der Wohnungslosigkeit doch sehr nahe kommende Notlage durch Verlust der Energieversorgung droht - unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen dahingehend stark eingeschränkt, dass der Leistungsträger in der Regel auch entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon noch abweichen kann (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007 - L 28 B 2169/07 AS ER - ). Eine erhebliche Einschränkung des Ermessens ergibt sich zusätzlich daraus, dass die Bedarfsgemeinschaft - wie vorliegend - minderjährige Mitglieder hat, die besonders schutzbedürftig sind (Art. 6 GG, vgl. den o.g. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007). Anhaltspunkte für einen atypischen Fall liegen hier nicht vor und sind für das Gericht nicht ersichtlich. Das Darlehen ist somit zu gewähren.

Die Übernahme der Stromkosten kann von flankierenden Maßnahmen abhängig gemacht werden, die dem Auflaufen weiterer Rückständen entgegenwirken, z.B. der Einwilligung in die Direktüberweisung von Vorauszahlungen an das Energieversorgungsunternehmen (vgl. dazu Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 1178 zu § 22; Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007, aaO). Das Gericht macht vorliegend von der in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iV.m. § 938 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, zum Erreichen des Zwecks der Regelungsanordnung diese von einer Mitwirkungshandlung der Antragsteller abhängig zu machen. Die dauerhafte Versorgung mit Strom und damit der Erhalt der Wohnung, der Zweck der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II sein muss, kann nur erreicht werden, wenn die Antragsteller bereit sind, einer Erbringung der Stromkosten als Sachleistung durch direkte Überweisung der Abschlagszahlungen an den Stromversorger zuzustimmen und so ein weiteres Verfahren darüber, ob der zuständige Träger dazu auch ohne ihre Zustimmung berechtigt wäre, zu vermeiden. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 SGB II bzw. des § 22 Abs. 4 SGB II dürften nach Auffassung des Gerichts vorliegen, da die Antragsteller in der Vergangenheit nicht einmal Teile der geschuldeten Abschlagszahlungen an den Stromversorger überwiesen und es damit haben darauf ankommen lassen, dass der Antragsgegner angesichts der Notlage, in welche die Bedarfsgemeinschaft einschließlich der Kinder damit gebracht wird, gezwungen ist, die aufgelaufenen Schulden im Nachhinein zu übernehmen (vgl. die Begründung im zitierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007).

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7.3 Sozialgericht Lüneburg S 78 AS 666/09 ER 12.05.2009 , Beschluss

Bei einer 5-köpfigen Familie, die ein autistisches, stark behindertes Kind aufzunehmen hat und deren Tochter ab August 2009 das örtliche Fachgymnasium besuchen wird, liegen - bei der festzustellenden Erforderlichkeit eines Umzugs und einer nur geringfügigen Überschreitung der geltenden Richtwerte - die Anspruchsvoraussetzungen für eine kurzfristig abzugebende Zusicherung im EA- Verfahren vor , denn andernfalls hätten die Antragsteller weiterhin eine nur 2 1/2-Zimmerwohnung zu bewohnen, was ihnen mit Blick auf ihre grundrechtlichen Ansprüche (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 - ) nicht zuzumuten ist - auch nicht übergangsweise und nur zeitweilig. - Folgenabwägung -

Steht dem Antragsteller ein geltend gemachter Anspruch zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang eines (verpflichtenden) Hauptsacheverfahrens noch abzuwarten, so hat der Antragsteller Anspruch auf die begehrte Leistung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - bei Unüberschaubarkeit der Sach- und Rechtslage aufgrund einer Folgenabwägung (LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 2.10.2008 - L 7 AS 463/08 ER - ; vergl. BVerfG NVwZ 2005, 927 f. und Beschl. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -).

Im Rahmen einer Folgenabwägung ist unter Berücksichtigung der Grundrechte (Art. 1 GG, Menschenwürde) und sämtlicher Belange des Rechtsschutzsuchenden zu entscheiden. Jedenfalls eine Versagung und Abweisung des gerichtlich erstrebten vorläufigen Rechtsschutzes hätte sich stets auf eine eingehende Aufklärung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die in vielen Fällen jedoch nicht möglich ist. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -:

"Art. 19 Abs. 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 (74); 94, 166 (216)). Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. BVerfGK 5, 237 (242 f.))."

Maßgeblich ist nämlich allein, ob der Umzug durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist (Sächsisches Landessozialgericht 20. Oktober 2008 – L 3 B 530/08 AS-ER) bzw. ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen (Berlit in Münder, SGB II-Kommentar, § 22, Rdnr. 76; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Stand August 2007, § 22 Rn. 21b). Hierfür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23 zu Nr. 21) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2008 - L 5 B 940/08 AS ER).

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