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Rechtsprechungsticker von Tacheles 38 KW / 2009

1. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 B 15/09 AS 11.09.2009 rechtskräftig , Beschluss

In einem PKH-Verfahren vom Antragsteller geltend gemachte erhöhte Aufwendungen wegen Laktoseunverträglichkeit können die Einholung eines Befundberichts erfordern.

Gemäß § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der auf Grund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Erfolgsaussichten in diesem Sinn bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält. Dabei muss die Chance, den Prozess zu gewinnen, mindestens genauso groß sein wie ihn zu verlieren. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen gemäß § 103 SGG durchzuführen sind, bevor die streit-erheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (Bundesverfassungsgericht, NJW 1991, 413 ff.; NJW - RR 2002, 665 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.06.2009 - L 20 B 6/09 AS, Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7 und 7 a).

Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags in erster Instanz bestanden ausreichende Erfolgsaussichten im o.g. Sinne.

Zwar hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass nach den aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 01.10.2008 erkrankungsbedingte Einschränkungen der Nährstoffaufnahme lediglich im Einzelfall zu erhöhten Aufwendungen für Ernährung führen können. Anhaltspunkte für einen solchen Einzelfall bestanden allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrages aufgrund des Attestes des Dr. T vom 16.09.2008. Dort wurde dargestellt, dass alle Lebensmittel laktosefrei sein müssten. In diesem Zusammenhang hätte zumindest durch Einholung eines Befundberichtes abgeklärt werden müssen, ob eine echte laktosefreie Ernährung erforderlich ist oder ggf. eine laktosearme ausreicht. Der Schweregrad der Aufnahmestörung kann einen erheblichen Einfluss darauf haben, inwieweit ggf tatsächlich höhere Aufwendungen erforderlich sind.

Dem Antragsteller ist vorliegend auch nicht entgegen zu halten, dass die Einholung von Befundberichten in der Regel noch dem § 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO (Anforderung von Auskünften) unterfällt, für sich genommen daher noch keinen den PKH-Anspruch begründenden Ermittlungsschritt darstellt. Denn vorliegend wäre bei der notwendigen Abfrage der Erkrankungen, die ggf. in der Kombination mit der Laktoseintoleranz ungünstige Wechselwirkungen zeitigen können, voraussichtlich auch die - sich nunmehr als vorrangig darstellende - Lungenfunktionsstörung benannt worden.

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1.1 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.08.2009, Az. L 12 B 40/09 SO ER

1. Die Kürzung von Unterkunftskosten für einen Sozialhilfeempfänger um insgesamt etwas mehr als EUR 28,00 rechtfertigt keine Durchführung eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens.

2. Die maximal sechsmonatige Frist für Kostensenkungsbemühungen nach § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII kann sich verlängern , wenn eine Unterbrechung des Leistungsbezuges erfolgt. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn diese Unterbrechung Ausdruck eines prognostisch längerfristigen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit ist, beispielsweise durch die Aufnahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit. Nur dann ist gerechtfertigt, ein Mietverhältnis einzugehen, dass den örtlichen Angemessenheitskriterien nicht entspricht.

3. Ein größerer Wohnraumbedarf kann sich z.B. aus der Rollstuhlpflichtigkeit des Sozialhilfeempfängers ergeben.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=121333

Anmerkung : Vergleiche zu Punkt 2 LSG Berlin-Brandenburg Az. L 14 B 2268/08 AS ER , Beschluss vom 19.03.2009

Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II sind auch nach sechs Monaten in tatsächlicher Höhe von der Behörde zu übernehmen, wenn die Informationen zur Kostensenkungspflicht nicht ausreichend waren .

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB II - sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles entsprechenden Umfang übersteigen, so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Art und Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die im Gesetz vorgesehene Regelfrist ist dabei nicht so zu verstehen, dass nach Ablauf von sechs Monaten auch bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Kostensenkung die Kosten der Unterkunft nur noch in angemessener Höhe zu übernehmen sind (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 60). Sie belegt vielmehr, dass eine Beschränkung auf die angemessenen Kosten regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn einem Hilfebedürftigen vorher Gelegenheit gegeben worden ist, seine unangemessen hohen Kosten zu senken. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass dies innerhalb des zeitlichen Rahmens von sechs Monaten im Regelfall möglich sein wird. Die Übernahme der Kosten lediglich bis zur angemessenen Höhe soll nur die Hilfebedürftigen treffen, die es vorwerfbar versäumt haben, ihre unangemessen hohen Kosten zu reduzieren; sie setzt folglich voraus, dass es den Hilfebedürftigen vorher tatsächlich möglich und zumutbar gewesen sein muss, ihre Unterkunftskosten zu reduzieren (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 55). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind auch für einen längeren Zeitraum als sechs Monate weiter die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die gesetzliche Regelfrist bedeutet danach nur, dass vor Ablauf von sechs Monaten regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass eine Kostensenkung möglich und zumutbar war. Kostensenkungsaufforderungen haben ihre Bedeutung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung als Informationen gegenüber den Hilfebedürftigen mit Aufklärungs- und Warnfunktion (BSG v. 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R -). Wenn dem Hilfebedürftigen nicht ohnehin bekannt ist, dass seine Kosten für Unterkunft und Heizung zu hoch sind und er zur Absenkung verpflichtet ist, muss er darauf zunächst hingewiesen werden. Ohne einen erteilten Hinweis mag die Senkung der Unterkunftskosten zwar objektiv möglich gewesen sein, sie war dem Hilfebedürftigen aber - mangels Kenntnis von seiner Verpflichtung – nicht zuzumuten. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Regelfall ausreichend, dass der Hilfebedürftige den angemessenen Mietzins und die Folgen mangelnder Kostensenkung kennt. Weitergehenden Informationsbedarf soll er dadurch decken, dass er nähere Einzelheiten beim Leistungsträger erfragt (BSG, Urt. v. 19. März 2008 – B 11b AS 43/06 R – Rdnr. 16). Dies setzt dann aber voraus, dass auf entsprechende Nachfrage auch eine Antwort erteilt wird. Ansonsten hat der Hilfebedürftige, bei dem – nachvollziehbar – ein besonderer Informationsbedarf besteht, nicht die Möglichkeit, den Umfang und Inhalt seiner Pflicht zur Kostensenkung zur Kenntnis zu nehmen und sie entsprechend umzusetzen. Die durch eine Kostensenkungsaufforderung in Gang gesetzte Sechs-Monats-Frist, die der Gesetzgeber den Hilfebedürftigen regelmäßig als Übergangszeitraum zubilligt, läuft danach erst weiter, wenn die sich aus einer Nachfrage als erforderlich ergebenden Hinweise erteilt worden sind.

Liegt ein erhöhter Informationsbedarf seitens der Hilfebedürftigen nach dem SGB II vor, wie zum Beispiel hier etwa bei einer Erkrankung des Hilfebedürftigen, hat der Leistungsträger hierauf auch explizit einzugehen. Bei durch Krankheit bedingter attestierter Umzugsschwierigkeit des Hilfebedürftigen, ist der Leistungsträger verpflichtet , medizinische Einschätzungen (Gutachten ) einzuholen sowie den Hilfebedürftigen rechtzeitig über Möglichkeiten der Durchführung des Umzugs aufzuklären. Auch der Einwand der Hilfebedürftigen , dass der Vermieter eine Senkung der Miete abgelehnt habe und sie trotz Bemühungen keinen anderen geeigneten preisgünstigen Wohnraum finden könnten , ist erheblich nach Auffassung des Gerichts, denn weil erst das Bestehen der konkreten Möglichkeit zur Kostensenkung dazu führt, dass nur noch die angemessenen Kosten übernommen werden dürfen. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kostensenkung durch Umzug hätte der Leistungsträger durch die Benennung konkreter Möglichkeiten reagieren müssen, weil es im Streitfall seine Aufgabe sein dürfte, das Vorhandensein geeigneter Wohnungen zu belegen (BSG, Urt. v. 19. März 2008 – B 11b AS 41/06 R - Rdnr. 21).

Weitere Beispiele :

Der Grundsicherungsträger nach dem SGB II ist auch bei einer bereits bestandskräftigen Kostensenkungsaufforderung verpflichtet weiterhin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen , wenn der Hilfebedürftige aus ärztlicher Sicht im Falle eines Wohnungswechsels gravierenden gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wäre . Dies gilt insbesondere dann, wenn ihm bei einer Ablehnung seines Antrags existenzielle Nachteile drohen, die er aus eigener Kraft nicht imstande ist von sich abzuwenden (vergleiche dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2009, Az. L 25 AS 70/09 B ER ) .

In der Regel sind Kostensenkungsbemühungen einer Hilfebedürftigen zumutbar, da die Senkung der Unterkunftskosten zu den Obliegenheiten eines Hilfebedürftigen gehört (LSG NRW, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdz. 55). Die affektive Bindung eines Hilfebedürftigen an die seit mehr als 15 Jahren bewohnte Wohnung sowie das Alter des Hilfebedürftigen (55 Jahre) begründen keine Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels (vgl. LSG NRW, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08). Die Unzumutbarkeit eines Umzugs wegen einer affektiven Bindung an eine bestimmte Unterkunft nach langjähriger Nutzung unter Aufgabe des vertrauten Lebenskreises bzw. des Lebensalters von Hilfebedürftigen kann in Betracht kommen, wenn in kurzer Zeit ein Ende der Hilfebedürftigkeit absehbar ist (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 76/09 AS 17.04.2009 rechtskräftig, Beschluss ).

Bei der Prüfung der Zumutbarkeit, insbesondere eines Umzuges im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II, sind individuelle Gesichtspunkte der Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Solche individuellen Gesichtspunkte können liegen in der Dauer der Wohnzeit in einer Wohnung, den daraus erwachsenen sozialen Bindungen und Beziehungen, gesundheitlichen Beeinträchtigen, dem Lebensalter, Wirtschaftlichkeitserwägungen hinsichtlich der Kosten eines Umzuges, der Unmöglichkeit eines Umzuges (z. B. da eine geringere Wohnungsgröße auf dem Markt nicht vorhanden ist) und auch in einem baldigen Ausscheiden aus dem Leistungsbezug, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.092008, Az. L 6 AS 130/07 ) .

Bei gesundheitsbedingtem Umzugshindernis besteht behördliche Verpflichtung, überhöhte Unterkunftskosten zu tragen ( LSG Berlin-Brandenburg vom 23.07.2007, L 28 B 1061/07 AS PKH ) . Ein Umzug ist erst bei einer vom Durchschnitt abweichenden besonderen Belastungssituation unzumutbar, etwa bei Gebrechlichkeit im hohen Alter, aktueller schwerer Krankheit oder Behinderung. Bei substantiierter Berufung auf gesundheitsbedingte Umzugshindernisse ist gegebenenfalls gutachterliche Klärung geboten( vgl. Berlit in LPK-SGB-II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 59 m. w. Nachw.).

Ein solche Hindernis liegt vor bei ärztlich festgestellter multimodaler Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung mit Koordinationsstörung der Grobmotorik und Interaktionsstörung eines Kindes, wenn der Erfolg einer laufenden Therapie wesentlich vom Erhalt des Schutzraumes "Wohnung" abhängt.

1.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 106/08 31.08.2009 , Beschluss

Zur darlehensweisen Gewährung eines Existenzgründungszuschusses im Rahmen von sonstigen weiteren Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II.

Danach können über die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen hinausgehend weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Die Vorschrift enthält eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art, für die die nicht abschließend in Satz 2 der Vorschrift aufgeführten Einzelleistungen die Rolle von Hauptbeispielen übernehmen. Die BA unterscheidet bei den SWL drei grundsätzliche Leistungsbereiche, und hierunter zählt auch der Zuschuss bei Existenzgründung (Voelzke in Hauck-Noftz, Komm. zum SGB II, Stand Mai 2009, Rn. 348). Da § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II eine Generalklausel für Ermessens-Eingliederungsleistungen enthält, kann im Falle der Erforderlichkeit der Eingliederungsleistung das Entschließungsermessen entfallen und im Rahmen des Auswahlermessens auch eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht kommen (BSG, a.a.O., Rn. 28). Dem Gesetz sind dabei die näheren Modalitäten hinsichtlich Art, Dauer und Höhe der weiteren Eingliederungsleistung nicht zu entnehmen. Diese steht grundsätzlich im Ermessen der Verwaltung.

Voraussetzung ist zunächst die Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die Erforderlichkeit der Leistung für die Eingliederung in das Erwerbsleben (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R Rn. 18 ff.). Die Erforderlichkeit beurteilt sich nach den Zielvorgaben der §§ 1,3, SGB II i.d.F. vom 24.12.2003. Diese sind zwar für sich nicht anspruchsbegründend, stecken aber als programmatische Kernaussagen und Grundsätze den Leistungsrahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab (BT-Drucks 15/1516 S 50, 51). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Die Erforderlichkeit in diesem Sinne kann nur vorliegen, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorhergesagt werden kann. Diese Prognose wiederum setzt eine Plausibilitätsprüfung voraus und deshalb ein schlüssiges Konzept, wie aus der in Aussicht genommenen Tätigkeit der Lebensunterhalt bestritten werden soll (BSG, a.a.O., Rn. 27; Voelzke, a.a.O., § 16 Rn 334 ff.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens (BSG, Urteil vom 31.03.1992 - 9b RAr 18/91 SozR 3-4100 Rn. 10). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zum einen, dass die Leistungen des § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II auch § 3 Abs. 1. S. 4 gerecht werden muss, d.h. dass bei der Leistungserbringung die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet werden müssen (Eicher in Eicher Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, Rn. 175). Zum anderen muss auch das Gebot des § 10 Abs. 1 S. 3 SGB III, bei Arbeitgeberleistungen darauf zu achten, Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden, auf die Leistungsgewährung nach § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II übertragen werden. Denn dieses Erfordernis folgt schon aus dem europäischen Wettbewerbsrecht und dem darin verankerten grundsätzlichen Verbot der Gewährung staatlicher Beihilfen (Voelzke, a.a.O., Rn. 344).

Der Antragsteller hatte keinen Anspruch auf darlehensweise Gewährung eines Existenzgründerdarlehens wegen Verstoß gegen das Verbot der Wettbewerbsverfälschung . Es liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 4 SGB II und zwar gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vor. Denn mit der Leistungsgewährung würde die Behörde keine Leistung zur Eingliederung in Arbeit gewähren, sondern vielmehr eine Leistung erbringen, die in der Wirtschaft von den Banken angeboten wird.

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1.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 211/09 AS ER 09.09.2009 rechtskräftig , Beschluss

Sanktionsbescheid der Arge ist rechtswidrig, wenn der Leistungsträger bei Sanktionsentscheidung über die Regelleistung - nicht zeitgleich - auch über ergänzende Sachleistungen entschieden hat.

Mit Sanktionsbescheid hob die Behörde die die Leistung des Arbeitslosengeldes II vollständig auf (Regelleistung und Kosten der Unterkunft). Für diesen Fall sind die Regelungen des § 31 Abs. 3 Satz 6 und 7 SGB II zu beachten: Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung kann der zuständige Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen (§ 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II). Der zuständige Träger soll diese Leistungen erbringen, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 31 Abs. 3 Satz 7 SGB II). Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die - wie der Antragsteller - noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, nimmt § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II auf die vorgenannte Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II Bezug.

Die Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen andererseits sind eigenständige Verwaltungsentscheidungen. Das SGB II verknüpft sie in zeitlicher Hinsicht nicht, sondern lässt es zu, dass die Entscheidung über die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen der Entscheidung über die Sanktion zeitlich auch nachfolgen kann.

Zur Überzeugung des Senats ist diese lose zeitliche Verbindung der beiden Verwaltungsentscheidungen in den Fällen, in denen der Grundsicherungsträger bei jungen Erwachsenen, die wie der Antragsteller das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II), einen Wegfall des Arbeitslosengeldes II verfügt, durch eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise zu reduzieren, dass der Grundsicherungsträger mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entscheiden muss, ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind.

Dieses Erfordernis zeitgleicher Entscheidung gilt zur Überzeugung des Senats auch für die sonstigen Fälle des vollständigen Wegfalles des Arbeitslosengeldes II und damit auch bei Erwachsenen, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben. Denn ein hinreichender Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht zu erkennen. In beiden Fällen ist der Gefährdung des physischen Existenzminimums Rechnung zu tragen.

Dieses Erfordernis verfassungskonformer Auslegung (Reduktion) ergibt sich aus Folgendem:

Die Gesetzgebung ist verfassungsrechtlich verpflichtet, dem grundgesetzlichen Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) Geltung zu verschaffen. Dabei kann sie einen Gestaltungsspielraum für sich in Anspruch nehmen, weil das Grundgesetz für die Umsetzung des Sozialstaatsgebotes keine konkreten Vorgaben macht (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.2008, B 1 KR 10/07 R, Juris, m.w.N.).

Verpflichtet ist die Gesetzgebung von Verfassungs wegen jedoch, für Bedürftige jedenfalls das zur physischen Existenz Unerlässliche zu gewähren. Zu diesem das "nackte Überleben" sichernden "physischen Existenzminimum" (zur Abgrenzung zum soziokulturellen Minimum vgl. Soria, JZ 2005, S. 644 ff) gehören neben Obdach und ausreichender medizinischer Versorgung auch ausreichende Nahrung und Kleidung (BSG a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008, L 10 B 2154/08 AS ER ). Die Verpflichtung der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung, diese existenziellen Bedarfe sicherzustellen, folgt aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Denn die Grundrechte enthalten nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt, sondern stellen zugleich Wertentscheidungen der Verfassung dar, aus denen sich Schutzpflichten für die staatlichen Organe ergeben (BVerfGE 117, 202, st. Rspr.). Die Regelungen der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG begründen eine staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit sowie hinsichtlich der Würde des Menschen (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Diese Schutzpflicht ist auch bei der Anwendung verfahrensrechtlicher Vorgaben zu berücksichtigen; ihr ist damit, soweit erforderlich, auch prozedural zu entsprechen (vgl. zum Grundrechtsschutz durch Verfahren zuletzt BVerfGE 117, 202). Einfachrechtlich ist zudem § 1 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu berücksichtigen, wonach das Recht des Sozialgesetzbuches dazu beitragen soll, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern.

Dieser verfassungsrechtlichen Schutzpflicht ist zur Überzeugung des Senats bei der Auslegung der Sanktionsnorm des § 31 SGB II in der dargelegten Weise Rechnung zu tragen. Denn ordnet der Grundsicherungsträger den Wegfall des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 SGB II an, besteht die konkrete Gefahr, dass dem Hilfebedürftigen im Sanktionszeitraum das zum (Über-)Leben Notwendige nicht zur Verfügung stehen wird. Der Grundsicherungsträger ist deshalb verpflichtet, vor Ausspruch der Sanktion den Hilfebedürftigen - z. B. im Rahmen der Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X, soweit diese erforderlich ist - über die Möglichkeit zu informieren, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erhalten zu können (so bereits LSG Berlin-Brandenburg aa.O.). Erst diese Information versetzt den Grundsicherungsträger in die Lage, das ihm insoweit durch § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II grundsätzlich eröffnete Ermessen ermessensfehlerfrei auszuüben gemäß § 39 Abs. 1 i.V.m. § 37 Satz 1 SGB I. Dieses Ermessen verdichtet sich ("soll") zu einer grundsätzlichen Leistungserbringungspflicht, wenn der Hilfebedürftige - wie hier der Fall - mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 31 Abs. 3 Satz 7 SGB II) und sofern kein atypischer Fall vorliegt, der eine Ermessensentscheidung ausnahmsweise (auch hier) erfordert.

Der Grundsicherungsträger wird die Reaktion des Hilfebedürftigen auf die vorherige Information über die ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen bei seiner Ermessensentscheidung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II zu berücksichtigen haben. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) reduziert sich hierbei das Ermessen nach Auffassung des Senats nicht stets in der Weise, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen immer und zwingend zu erbringen wären. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Hilfebedürftige diese Form der Leistungserbringung ablehnt und seinen Lebensunterhalt im Sanktionszeitraum z. B. aus seinem liquiden Schonvermögen, soweit vorhanden, oder durch die Unterstützung von Freunden, Verwandten oder Dritten, auch wenn diese grundsicherungsrechtlich nicht einstandspflichtig sein mögen, bestreitet (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O, Rn. 14).

Diesen rechtlichen Vorgaben ist die Antragsgegnerin nicht gerecht geworden. Dass der Antragsteller aufgrund vorangegangener Sanktionen Kenntnis von der Möglichkeit hatte, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erhalten, ändert daran nichts. Denn der Grundsicherungsträger ist von Verfassungswegen verpflichtet, den Leistungsfall "unter Kontrolle zu halten", d. h. die Sanktion mit Initiativen zur angemessenen Bewältigung des Leistungsfalles zu begleiten (so bereits LSG Berlin-Brandenburg a.aO.). Zudem ist zweifelhaft, ob dem Antragsteller auch die weiteren Konsequenzen bewusst waren. So dürfte etwa der Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung davon abhängen, ob ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden oder nicht (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Im Übrigen war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller u. a. mit einem erst wenige Monate alten Baby in Bedarfsgemeinschaft lebte, so dass die Gefahr bestand, dass sich die fehlende Bedarfsdeckung des Antragstellers im Sanktionszeitraum auch auf die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich nachteilig auswirkte

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Anmerkung : Vergleiche dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 267/09 AS ER 17.09.2009 rechtskräftig , Beschluss und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008, L 10 B 2154/08 AS ER .

1.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 6 B 71/09 AS ER 26.08.2009 rechtskräftig , Beschluss

459 Euro Darlehen an einem hilfebedürftigen Leistungsbezieher der Grundsicherung nach dem SGB II für die Anschaffung von Elektroherd, Kühlschrank, Spüle und Waschmaschine sind ausreichend.

Soweit die Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens fordert, fehlt es diesem Antrag am Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsgegnerin ein solches Darlehen bereits zugesagt hat. Die von der Antragsgegnerin für die begehrten Gegenstände/Geräte in Ansatz gebrachten 459,00 Euro sind für die Beschaffung von gebrauchtem Elektroherd, Kühlschrank, Spüle und Waschmaschine bei Wahrnehmung günstiger Angebote in örtlichen Zeitungen und im Internet auch ausreichend. Darüberhinaus fehlt es nach der Zusage der Darlehensgewährung - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat - an der Eilbedürftigkeit, d.h. einem Anordnungsgrund. Auch das Verhalten der Antragstellerin selbst weckt Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Obwohl die Antragsgegnerin bereits im April erklärt hat, ein Darlehen gewähren zu wollen, hat die Antragstellerin dieses Angebot bis zum heutigen Tag nicht in Anspruch genommen. Eine Anfrage des Senats vom 17.06.2009, in welcher konkreten Höhe sie Leistungen begehre, hat sie trotz Erinnerung unbeantwortet gelassen. Zu dem anberaumten Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage ist die Antragstellerin ohne hinreichende Entschuldigung nicht erschienen.

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1.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 11/08 27.08.2009 , Urteil

Ein Wohnhaus mit einer Größe von 131,61 qm stellt für 2 Hartz IV- Empfänger in einem Alter von Ende 50 kein Hausgrundstück von "angemessener Größe" im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II dar .

Das Hausgrundstück der Kläger ist ein Vermögensgegenstand und im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen. Anhaltspunkte für rechtliche Verwertungshindernisse bestehen nicht. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, sei es, dass Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder dass z. B. ein Grundstück infolge sinkender Immobilienpreise über den Marktwert hinaus belastet ist (BSG, Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243).

Das Hausgrundstück war kein Vermögen, das gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II privilegiert war. Zwar handelt es sich um ein selbst genutztes Hausgrundstück, jedoch nicht um ein Hausgrundstück von "angemessener Größe" im Sinne dieser Vorschrift.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R, BSGE 97, 203; Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243) ist bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs der angemessenen Größe im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II im Grundsatz bundeseinheitlich auf die Vorgaben des außer Kraft getretenen 2. WoBauG vom 19. August 1994 (BGBl. I 2137) abzustellen, wobei eine Differenzierung nach der Bewohnerzahl - nicht nur beschränkt auf die Bedarfsgemeinschaft - angebracht ist (BSG a.a.O.). Diese auf den Fall einer selbst bewohnten Eigentumswohnung bezogene Rechtsprechung des BSG ist einerseits im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe "oder eine entsprechende Eigentumswohnung" anspricht, andererseits aber auch aus Praktikabilitätsgründen auf den vorliegenden Fall eines selbst genutzten Einfamilienhauses zu übertragen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf das Recht der Arbeitslosenhilfe - dort zum alsbaldigen Erwerb eines Hausgrundstücks von angemessener Größe - BSG, Urteil vom 17.12.2002, B 7 AL 126/01 R, sowie BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 10). Im Grundsatz - also vorbehaltlich etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalles - handelt es sich deshalb bei einem von vier Personen bewohnten Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von mehr als 130 qm (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. WoBauG - "Familienheime mit nur einer Wohnung - 130 qm") nicht mehr um ein Hausgrundstück von "angemessener Größe" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II (BSG a.a.O.).

Das Wohnhaus der Kläger hatte eine Größe von 131,61 qm und war damit zu groß und nicht mehr angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Urteil des BSG vom 15.04.2008 (B 14/7b AS 34/06 R, SozR 4-4200 § 12 Nr. 10). Das BSG hielt dort ein Haus mit einer Wohnfläche von 91,89 qm und zwei Bewohnern noch für angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Zwar wies das BSG dort darauf hin, es sei bei typisierender Betrachtung gerechtfertigt, angesichts der im Regelfall bestehenden baulichen Besonderheiten eines Hauses die angemessene Größe gegenüber der Eigentumswohnung zu erhöhen, so dass keine starre Grenze zu ziehen sei. Denn eine schematische Übertragung des für Eigentumswohnungen entwickelten Wertes würde den anders gelagerten tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht; Hauseigentum überschreite in aller Regel eine Wohnfläche von 80 qm (BSG a.a.O.). Der Eigentumsschutz des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der gerade an erster Stelle das selbst genutzte Hausgrundstück nenne, würde in diesem Punkt ansonsten weitgehend leer laufen.

Das BSG hat dort aber weiter ausgeführt, dass die Gesetzgebung mit § 12 SGB II die Berücksichtigung von Vermögen im Wesentlichen wie im bisherigen Recht der Arbeitslosenhilfe habe regeln wollen; dort sei ein Familienheim in Anlehnung an die Vorschriften des II. WoBauG mit einer Größe von 130 qm als angemessen angesehen worden (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG, SozR 4-4300 § 193 Nr. 10 RdNr 24). Die Kläger bewohnen mit zwei Personen ein 131,61 qm großes Familienheim, das somit in jedem Fall zu groß und damit nicht mehr angemessen ist. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich oder vorgetragen worden, die Grund für eine andere Beurteilung sein könnten.

Das Hausgrundstück bleibt auch nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II als (Schon-)Vermögen unberücksichtigt. Nach dieser Regelung sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Wann von einer "besonderen Härte" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden (BSG, Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243).

Dabei gilt im SGB II ein strengerer Maßstab als im Recht der Sozialhilfe, in dem die Leistungsbewilligung nicht vom Einsatz und der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht werden darf, wenn dies für den Anspruchsteller oder seine Angehörigen "eine Härte bedeuten würde" (BSG a.a.O.). Für die Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II müssen daher außergewöhnliche Umstände (etwa die Betreuungspflege bedürftiger Personen) vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Dies machen auch die Gesetzesmaterialien deutlich. Hiernach liegt ein Härtefall im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alternative 2 SGB II z. B. dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist (BT-Drucks. 15/1749, S 32). Dem kann entnommen werden, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Beispielsfall nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides auch nur zusammen mit der Versorgungslücke eine besondere Härte darstellte. Es sind also nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (zum Vorstehenden wieder: BSG, Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243).

Solche besonderen, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffenden Umstände liegen hier nicht vor.

Auch der weitere, tatsächliche Geschehensablauf spricht gegen eine "besondere Härte" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II. Denn die Kläger haben sich nach Verbrauch ihres liquiden Schonvermögens nicht (mehr) um eine darlehensweise Gewährung von SGB II-Leistungen, etwa im Wege einstweiligen sozialgerichtlichen Rechtsschutzes, bemüht, sondern die nach ihren Angaben kurzfristig entstandene Gelegenheit zum Hausverkauf sofort realisiert.

Dass eine Verwertung des Hausgrundstücks "offensichtlich unwirtschaftlich" war gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II ist nicht zu erkennen Denn von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ist auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" steht (BSG, Urteil vom 16.05.2007, B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243). Eine Unwirtschaftlichkeit in diesem Sinne käme etwa in Betracht, wenn bei einer Veräußerung wesentlich weniger als der von den Klägern zum Erwerb des Grundstücks und zur Erstellung des Hauses aufgewendete Gesamtbetrag erzielt werden könnte; gewisse Verluste - insbesondere unter dem Aspekt veränderter Marktpreise und des bisher in Anspruch genommenen Wohnwertes - können jedoch als zumutbar angesehen werden (BSG a.a.O.).

Dies ist angesichts des zwischenzeitlich erfolgten Verkaufs hier, wie bereits ausgeführt, nicht zu erkennen. Die Kläger haben keinen Verlust bei Verkauf ihres Hauses erzielt, sondern vielmehr einen Gewinn.

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1.6 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 SO 33/08 29.07.2009 , Urteil

Sozialhilfeträger ist nicht berechtigt den Mehrbedarfszuschlag für Erwerbsgeminderte nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) wegen des gleichzeitigen Bezuges von Pflegegeld nach § 37 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu kürzen .

Dieser Mehrbedarf ist nicht zu kürzen. § 30 Abs. 1 SGB XII enthält am Ende zwar eine Öffnungsklausel. Danach ist der Mehrbedarf nur dann mit 17 % des maßgeblichen Regelsatzes zu bestimmen, soweit nicht im Einzelfall ein anderer Bedarf besteht. Es besteht damit die Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung des Mehrbedarfszuschlags, und zwar sowohl im Sinne einer Erhöhung als auch einer Kürzung.

Ein geringerer Bedarf kann aber nur dann vorliegen, wenn ein Bedarfs(teil) bereits durch eine andere Leistung konkret gedeckt ist. Nur dann ist gerechtfertigt, die nachrangige Leistung der Grundsicherung, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade das Existenzminimum abbildet, zu kürzen. Diese Auslegung des Senats findet ihre Bestätigung in dem Urteil des BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R -. Hierin wird ausgeführt, dass die ersparten Aufwendungen für die Einnahme eines kostenlosen Mittagsessens in einer Werkstatt für Behinderte (WfB) nur dann dem Anspruch auf Regelleistung entgegen gehalten werden können, wenn diese Ersparnisse taggenau nachgehalten werden.

Eine solch konkrete Überschneidung von Bedarfen - Kosten der Ernährung gegenüber kostenlosem Mittagessen - findet sich in der vorliegenden Fallkonstellation nicht.

Schon bei der Schaffung der Vorgängerregelung des § 23 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung behinderungsbedingter Mehrbedarfe vor Augen gehabt, dass in der entsprechenden Bedarfsgruppe u.a. höhere Telefonkosten, Porto und Fahrkosten anfallen. Auch in den Bedarfsgruppen Ernährung, Haushaltsenergie und Reinigung wurde von einem erhöhten Aufwand ausgegangen (vgl. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 30 Rn. 18ff) Diese Erwägungen basierten im Wesentlichen auf einer gutachterlichen Äußerung des Deutschen Vereins (Mehrbedarf nach §§ 23, 24 BSHG und Einkommensgrenzen nach §§ 79, 81 BSHG). Dieser Äußerung kommt aber keine normative Qualität im Sinne der Vorgabe bestimmter Verbrauchsanteile zu. Dies gilt erst recht für die von der Beklagten hieran angelehnte noch konkretere prozentuale Aufschlüsselung in den Empfehlungen zum Sozialhilferecht durch den Arbeitsausschuss der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe. Vielmehr steht es dem Leistungsempfänger völlig frei, wie er den Mehrbedarf einsetzt.

Dem Mehrbedarf stehen vorliegend die Leistungen nach dem SGB XI gegenüber. Das der Klägerin nach dem SGB XI gewährte Pflegegeld soll die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson in geeigneter Weise sicherstellen (§ 37 SGB XI). Die Geldleistung soll den Pflegebedürftigen in die Lage versetzen, Angehörigen und sonstigen Pflegepersonen eine materielle Anerkennung für die im häuslichen Bereich sichergestellte Pflege zukommen zu lassen. Dies umfasst zwar auch, sich durch "kleine Aufmerksamkeiten" bei anderen Personen zu bedanken, die im täglichen Leben gelegentlich helfen (vergl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1992 - Az 5 C 82/88 -). Doch auch hier gilt, dass eine solche Verwendung nicht zwingend ist. Der Einsatz des Pflegegeldes ist frei, soweit nur die Pflege als solche sichergestellt ist. Es ist kein Einzelverwendungsnachweis zu führen (siehe Kesselmann, Die Praxis der Pflegeversicherung, Rd. F 87).

Aus der Gegenüberstellung ergibt sich, dass es keine konkret nachzuhaltenden - zwingenden - Überschneidungen gibt, anders als bei dem Bedarf "Nahrungsmittel" und der Bedarfsdeckung durch ein (kostenlos) gewährtes Mittagessen. Für eine Kürzung des Mehrbedarfs aufgrund anderweitiger Bedarfsdeckung bleibt damit vorliegend kein Raum.

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2. SG Dresden, Urteil vom 11.05.2009, Az. S 10 AS 908/07 anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 40/09 R .

Auch bei volljährigen Stiefkindern ist das Einkommen der Stiefeltern bei der Ermittlung ihrer Hilfebedürftigkeit heranzuziehen .

Es verstößt nicht gegen die Grundrechte von 18-24-jährigen Stiefkindern, dass auch das Einkommen ihrer mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Stiefeltern bei der Berechnung ihrer Ansprüche nach dem SGB II heranzuziehen ist, insbesondere wenn die Möglichkeit eines Auszuges bestünde, aber nicht genutzt wird.

Offen bleiben konnte schließlich, ob die Kürzung der Regelleistung für 14 – 24-Jährige auf 80 % verfassungsgemäß ist (vgl. BSG, Beschlüsse vom 27.01.2009 – B 14 AS 5/08 R und B 14/11b AS 9/07 R; HessLSG, Beschluss vom 29.10.2008 – L 6 AS 336/07 für unter 14-Jährige Kinder).

Die Sprungrevision war gemäß §§ 161 Abs. 1 und 2, 160 Abs. 2 Nr 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 13.11.2008 – B 14 AS 2/08 R – ausdrücklich offen gelassen, ob § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II im Falle von volljährigen Stiefkindern verfassungsgemäß ist

Da diese Frage eine Vielzahl von Hilfebedürftigen betrifft, hält die Kammer eine grundsätzliche Bedeutung für gegeben.

B 4 AS 40/09 R Vorinstanz: SG Dresden, S 10 AS 908/07

Ist die Neuregelung des § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 idF vom 20.7.2006 über die Berücksichtigung des
Einkommens des in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners auch zugunsten nicht leiblicher Kinder
im Fall eines volljährigen Stiefkindes verfassungsgemäß?

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2.1 Sozialgericht Dresden S 12 AS 3516/09 ER 26.08.2009 , Beschluss

Abwrackprämie ist kein anrechenbares Einkommen im SGB II , wenn der Hartz IV-Empfänger die Abwrackprämie an das Autohaus erfüllungshalber abgetreten hat.

Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung zu der streitigen Frage, ob die Umweltprämie grundsätzlich (nicht) privilegiertes Einkommen i. S v. § 11 Abs. 1 SGB II darstellt, das (nicht) als zweckbestimmte Einnahme privilegiert ist nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) SGB II (für Privilegierung: SG Magdeburg, B. v. 15.4.2009, S 16 AS 907/09 ER; gegen Privilegierung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, B. v. 3.7.2009, L 20 B 59/09 AS ER, L 20 B 66/09 AS, jeweils m. w. N.). Denn in jedem Fall setzt die Anrechnung als Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II voraus, dass dem Antragsteller die Prämie tatsächlich im Bedarfszeitraum in Form bereiter Geldmittel zur Verfügung steht. Das hätte im vorliegenden Fall angenommen werden können, wenn die Prämie bewilligt und an den Antragsteller ausgezahlt, wenn sie auf dessen Abtretung hin an das Autohaus zum Zwecke der Erfüllung (§ 362 Abs. 2 BGB) ausgezahlt oder wenn die Abtretung des Auszahlungsanspruches für die Umweltprämie durch das Autohaus an Erfüllungs statt – mit der Wirkung der Erfüllung der anteiligen Erfüllung des Kaufpreisanspruches, § 364 Abs. 1 BGB – vorgenommen worden wäre. An all dem fehlt es hier.

Im vorliegenden Fall wurde der verbleibende Kaufpreisanspruch daher gegenüber dem Antragsteller letztlich nur teilweise gestundet, was für die Annahme eines geldwerten Mittelzuflusses i. S. v. § 11 Abs. 1 SGB II nicht genügt. In diesem Zusammenhang kann auch nicht angenommen werden, dass sich die Anrechnung als Einkommen im Hinblick auf die vorzeitige - d. h. vor vollständiger Bezahlung, vgl. §§ 320, 322 BGB, erfolgte - Übergabe des Pkw rechtfertigen könnte. Dem steht entgegen, dass mit dem Kauf des Pkw der Antragsteller eine gleichwertige schuldrechtliche Verpflichtung nach § 433 BGB eingegangen ist, die sich insgesamt einkommensneutral als Vermögenstausch darstellt und daher allein nach § 12 SGB II zu beurteilen ist (vgl. dazu: Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 11 Rn. 25 m. w. N.). Daran ändert die Übergabe des Pkw vor vollständiger Bezahlung nichts, denn es besteht nach dem Gesagten die verbliebene Zahlungsverpflichtung in Höhe von 2.500,00 Euro fort. Nachdem der gekaufte Pkw geschütztes Vermögen nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 BGB darstellt, ist auch insoweit die Bedürftigkeit nicht in Frage gestellt.

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3. Sozialgericht Bremen S 23 AS 1629/09 ER 11.09.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hartz IV Empfänger und seine herzkranke Mutter müssen nicht im Dunkeln sitzen, denn die Behörde ist nach § 22 Abs. 5 SGB II verpflichtet, die Stromschulden als Darlehen zu übernehmen .

Das SG Bremen hat mit Beschluss vom 31. März 2009 – S 23 AS 547/09 ER – ausgeführt:

"1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 5 SGB II. Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Hierunter fällt auch eine Übernahme von Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden. Dies gilt vor allem dann, wenn eine andere Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II Kommentar, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 106). Nach diesen Vorgaben besteht im vorliegenden Fall für die Antragsgegnerin die Verpflichtung, die Stromschulden der Antragstellerin zu übernehmen.

Zwar stellt § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II die Entscheidung über die Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft grundsätzlich in das Ermessen des Leistungsträgers ("können"). Bei der Ermessensentscheidung über die Übernahme von Energiekostenrückständen hat dieser dann im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, so etwa die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekostenrückstand geführt haben, die Zusammensetzung des von einer eventuellen Energiesperre bedrohten Personenkreises (insbesondere Mitbetroffenheit von Kleinkindern), Möglichkeiten und Zumutbarkeit anderweitiger Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten, etwa ob es sich um einen erstmaligen oder einen wiederholten Rückstand handelt, Bemühungen, das Verbrauchsverhalten anzupassen sowie einen erkennbaren Selbsthilfewillen (vgl. (Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 118 m.w.N.). Eine solch umfassende Gesamtabwägung kann in dem vorliegenden Eilverfahren nicht erfolgen, da dieses nur eine summarische Prüfung vorsieht. Allerdings hat die Antragstellerin bislang weder eine gesundheitliche Härte noch eine Mitbetroffenheit von Kindern glaubhaft gemacht hat, was zunächst gegen eine Reduzierung des Ermessens der Antragsgegnerin spricht. Gleichwohl liegen die Voraussetzung für die darlehensweise Übernahme von Energieschulden nach § 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier vor. Denn das Ermessen der Antragsgegnerin ist vorliegend gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift sollen Schulden übernommen werden, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht. Wie der Wortlaut "sollen" anzeigt, ist das Ermessen des Leistungsträgers in diesen Fällen im Sinne einer positiven Übernahmeentscheidung gebunden (Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 108). Das bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar ist die Antragstellerin nicht im engeren Sinne vom Verlust ihrer Wohnung bedroht. Allerdings wird die Wohnung der Antragstellerin bereits seit dem 11 März 2009 nicht mehr mit Strom versorgt. Die Unterbrechung der Stromversorgung stellt eine der Wohnungslosigkeit nahe kommende Notlage dar (s. Beschluss der 21. Kammer des Sozialgerichts vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.01.2008 - L 28 B 53/08 AS ER, L 28 B 57/08 AS PKH -; Beschl. v. 11.12.2007 - L 28 B 2169/07 AS ER -; Beschl. v. 22.6.2006 - L 25 B 459/06 AS ER -; SG Karlsruhe, Beschl. v. 03.03.2008 - S 14 AS 879/08 ER; VG Bremen, Beschl. v. 22.10.2008 - S3 V 3413/08; a.A. OVG Bremen, Beschl. v. 21.04.2008 - S2 B 141/08; S2 S 142/08 -). Die 21. Kammer des Sozialgerichts hat hierzu ausgeführt (Beschluss vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER -): "Bereits in der Rechtsprechung der Sozialhilfe war anerkannt, dass die regelmäßige Versorgung eines Haushaltes mit (Heiz-)Energie nach den Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (vgl. OVG Münster FEVS 35, 24; Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 34 Rdnr. 6). Die faktische Unbewohnbarkeit einer Wohnung infolge (drohender) Sperrung der Energie- und Wasserzufuhr steht daher dem Verlust der Unterkunft gleich (Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 116 m.w.N.; vgl. SG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2007 - S 30 AS 579/07 ER -) Ist - wie hier - eine Stromsperre bereits vollzogen, ist daher grundsätzlich von einer Ermessensreduzierung des Leistungsträgers gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II zugunsten einer Schuldenübernahme auszugehen, die nur in atypischen Fällen versagt werden kann." Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Diese Auffassung steht im Übrigen im Einklang mit der Auffassung der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Nach deren ergänzenden Hinweisen zur Verwaltungsanweisung gem. § 22 SGB II (http://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13 /WH%20der%20VAnw%20komplett%20in%20einer%20Fassung Stand%2001.pdf) sind rückständige Stromkosten - unter bestimmten Umständen ("rückständige Stromkosten, soweit vor allem Familien mit Kindern die Einstellung der Lieferung droht") - als vergleichbare Notlage anerkannt (S. 42 der Hinweise). Anhaltspunkte, die im konkreten Fall ausnahmsweise gegen eine Übernahme der Stromschulden sprechen würden, sind nicht ersichtlich."

Auch im vorliegenden Fall sind nach dem Kenntnisstand des Gerichts keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine Übernahme der Stromschulden sprechen würden. Dies gilt insbesondere wegen der Herzerkrankung der Großmutter des Antragstellers, wegen der nach ärztlichem Rat eine Stromversorgung notwendig ist. Etwas anderes folgt nicht aus den von der Antragsgegnerin hiergegen vorgebrachten Gründen. Zwar trifft es zu, dass Stromkosten aus der Regelleistung zu zahlen sind. Etwas anderes gilt aber – wie oben ausgeführt und der Antragsgegnerin bekannt – aber unter bestimmten Umständen bei Stromschulden.

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4. Sozialgericht Aachen S 20 SO 29/09 15.09.2009 , Urteil

1. Für 2 Leistungsbezieher der Grundsicherung nach dem SGB XII kann ein Hausgrundstück mit einer Größe von 104 qm noch angemessen sein .

Das BSG hat die angemessene Größe für eine selbst genutzte Eigentumswohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt in Höhe von 80 qm für angemessen gehalten, jedoch entschieden, dass dies nur eine Orientierung am Durchschnittsfall ist und je nach Umständen des Einzelfalles eine Anpassung nach oben, ggf. aber auch nach unten bedürfe. Die bei Eigentumswohnungen bezogene Grenze könne nicht ohne Weiteres für ein selbst genutztes Hausgrundstück übernommen werden. Das BSG hat dementsprechend ein Hausgrundstück mit einer Größe von 91,89 qm noch für angemessen gehalten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 2/05 R, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7 b AS 34/06 R, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R). Der Beklagte hat in seiner Rentabilitätsberechnung im Fall der Klägerin und ihres Ehemannes 104 qm als (noch) angemessen anerkannt und der Berechnung der berücksichtigungsfähigen KdU zugrunde gelegt.

2. Tilgungsraten für Baudarlehen sowie die Beiträge für den Bausparvertrag sind nicht als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen

Soweit die Klägerin geltend macht, dass auch die auf eines der Baudarlehen gezahlten Tilgungsraten sowie die Beiträge für den Bausparvertrag, der zur Tilgung des anderen Baudarlehens dienen soll, sozialhilferechtlich anerkannt und bedarfserhöhend berücksichtigt werden müssen, ist der Beklagte diesem Begehren zurecht nicht nachgekommen. Zwar hat das BSG in der Entscheidung vom 18.06.2008 (B 14/11 b AS 67/06 R) entschieden, dass die Berücksichtigung von Tilgungsraten als Bestandteil der Finanzierungskosten einer vom Hilfebedürftigen selbst genutzten Eigentumswohnung vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als KdU übernommen werden können; das BSG hat jedoch zugleich deutlich gemacht, dass dies nicht generell und in jedem Fall gilt, sondern nur dann, wenn der Hilfebedürftige anderenfalls gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben. Es besteht insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohnungseigentums einerseits und der Beschränkung der Sozialhilfe auf die aktuelle Existenzsicherung anderseits. Die Leistungen der Sozialhilfe sollen den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen. Die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen führt jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies ist aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tillgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbst genutzten Wohneigentums droht. Ist die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können, und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, hat bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten (so entsprechend für das Arbeitslosengeld II: BSG, Urteil vom 18.08.2008 - B 14/11 b AS 67/06 R). Erforderlich ist daher - so das BSG (a.a.O.) - zum einen, dass die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Der Hilfebedürftige muss deshalb vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternehmen, um die Tilgungsverpflichtung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten. Zum anderen können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte.

Die Klägerin hat nicht vorgebracht und erst recht nicht nachgewiesen, dass nicht die Zinszahlungen, sondern auch die Tilgungsraten in der gezahlten Höhe notwendig und unverzichtbar sind, um das Einfamilienhaus weiter benutzen zu können. Denkbar wäre, mit dem Darlehensgeber über eine Aussetzung oder Herabsetzung der Tilgungsraten zu verhandeln. Auch wäre ein Antrag auf Aussetzung oder Herabsetzung der Bausparvertragsraten in Betracht zu ziehen. Schließlich kommt möglicherweise auch ein vorzeitiger Ablauf des Bausparvertrages in Betracht. Die Klägerin hat jedoch - soweit ersichtlich - keinerlei Versuche unternommen, die Tilgungsraten oder Einzahlungen auf den Bausparvertrag zu senken. Aus diesem Grunde können diese Zahlungen auch nicht als KdU anerkannt werden.

3. Kein Anspruch auf erhöhte Sozialhilfeleistungen wegen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung - Diabetes mellitus Typ II a, Hyperlipidämie, Hypertonie, Hyperurikämie und Vitamin K-Mangel .

Der Ehemann der Klägerin bedarf keiner Ernährung, deren Kosten über den üblichen Bedarf hinausgehen. Bei dem bei ihm bestehenden Diabetes mellitus Typ II, der Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), der Hypertonie (Bluthochdruck), der Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut) und dem Vitamin-K-Mangel ist nach den "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" vom 0110.2008 (im Folgenden: Empfehlungen 2008) eine Vollkost-Ernährung angezeigt. Eine Vollkost ist eine Kost, die

1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, 2.in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, 3.Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie berücksichtigt, 4.in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1 bis 3 nicht tangiert werden (Definition nach: Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner [BDEM] e.V., der Deutschen Adipositas Gesellschaft [DAG] e.V., der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin [DAEM] e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährung [DGE] e.V., der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin [DGEM] e.V., des Verbandes der Diätassistenten - Deutscher Bundesverband [VDD] e.V. und des Verbandes der Diplom-Oecotrophologen [VDOE] e.V.). Die Vollkost-Ernährung für Diabetiker erfordert keinen krankheitsbedingten erhöhten Ernährungsaufwand und dementsprechend keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Wesentlich ist die Erhebung einer strukturierten Ernährungsanamnese, die Feststellung eines Therapieziels, die Erstellung eines individuellen Ernährungsplans und eine Diabetiker-Schulung. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist eine vollwertige ausgewogene Ernährung (Mischkost) angezeigt, wie sie auch für gesunde Erwachsene generell empfohlen wird. Eine besondere kostenaufwändige Ernährung mit "für Diabetiker geeignete" Lebensmitteln ist als Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus nicht erforderlich und wird auch nicht empfohlen (so übereinstimmend: Empfehlungen 2008; Rationalisierungsschema 2004; "Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus" in Abstimmung mit der DDG, DAG, DGEM und DGE, abgedruckt in Diabetes und Stoffwechsel, Heft 14/2005, S. 74 ff.; "Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus", Info der DGE vom 01.08.2008; ebenso: LSG NRW, Urteil vom 28.07.2008 - L 20 SO 13/08). Diese für Diabetes mellitus Typ II gegebenen Empfehlungen gelten entsprechend für die Hyperlipidämie, die Hypertonie, die Hyperurikämie und einen Vitamin-Mangel. Die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen können für die Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht, herangezogen werden (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S. 57 zu § 21 Abs. 5 SGB II). Sie sind zwar keine Rechtsnormen, können jedoch in der Fassung der Empfehlungen 2008 als "antizipiertes Sachverständigengutachten" angesehen werden. Allerdings hatte das Bundessozialgericht (BSG) die früheren Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 1997 noch nicht ("derzeit") als antizipiertes Sachverständigengutachten akzeptiert. Es hatte dies damit begründet, dass die Empfehlungen aus dem Jahre 1997 datieren, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützen und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen noch nicht aktualisiert waren (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7 b AS 64/06 R; Urteil vom 15.04.2008 - B 14/11 b AS 3/07 R). Diese Ausgangslage hat sich jedoch durch die neuen Empfehlungen 2008 grundlegend geändert. Die Empfehlungen 2008 wurden in einer vorwiegend mit sozialrechtlichen und medizinischen Fachkräften besetzten Arbeitsgruppe erstellt. Wichtige Arbeitsgrundlagen waren das Rationalisierungsschema 2004 sowie eine wissenschaftliche Ausarbeitung der DGE zu den Lebensmittelkosten bei einer vollwertigen Ernährung von April 2008. Weiterhin wurde die einschlägige Literatur ausgewertet (Urteil der Kammer vom 28.04.2009 - S 20 SO 82/08).

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Sozialgericht Aachen S 20 SO 28/09 15.09.2009 , Urteil

1. Der Umstand, dass der Bestattungsvorsorgevertrag eine Woche vor Aufnahme in das Altenpflegeheim geschlossen wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass dieser als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen anzusehen ist .

2. Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist mit dem Bedarfsdeckungsgrundsatz des Sozialhilferechts grundsätzlich unvereinbar .

1. Zum verwertbaren Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gehört jeder Vermögensgegenstand, der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tatsächlich verwertet werden kann und damit grundsätzlich geeignet ist, der bestehenden Hilfebedürftigkeit zu begegnen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte. Vermögen des Klägers (bzw. seiner Ehefrau) ist damit zum einen der Hauptleistungsanspruch gegen den Unternehmen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach der Auflösung dieses Vertrages bzw. Ansprüche gegen denjenigen, bei dem die 5.000,00 EUR auf einem Treuhandkonto hinterlegt sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 9/06 R). Darüber hinaus sind Vermögen auch die Ansprüche aus dem bei der Aachen Münchener Versicherung bestehenden Lebensversicherungsvertrag. Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung des zeitlichen Moments: Der Vermögensinhaber verfügt nicht über bereite Mittel, wenn er diese nicht in angemessener Zeit realisieren kann (BSG a.a.O.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten durfte und darf die dem Kläger zustehende Sozialhilfe jedoch nicht vom Einsatz oder der Verwertung dieses Vermögens abhängig gemacht werden, da dies für ihn bzw. seine Ehefrau eine Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 5 C 84/02) hat den Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung getragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen angesehen. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 9/06 R) angeschlossen. Für diese Auffassung - so das BSG - spricht nicht zuletzt, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, mit der die ausdrückliche Privilegierung eines Bestattungsvorsorgevertrages im Gesetz vorgesehen war, mit der Begründung abgelehnt hat, die vorgesehene Regelung sei nicht erforderlich, weil bereits nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sichergestellt sei (vgl. BT-Drucksache 16/239, S. 10, 15 und 17 zu Art. 3 Nr. 4).

Der Umstand, dass der Bestattungsvorsorgevertrag eine Woche vor Aufnahme in das Altenpflegeheim geschlossen wurde, ändert hieran grundsätzlich nichts. Nur dann, wenn der Bestattungsvorsorgevertrag in der Absicht (direkter Vorsatz) geschlossen worden wäre, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, kann dies aus dem Rechtsgedanken des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII der Annahme eines Härtefalls entgegenstehen (BSG a.a.O.).

Selbst wenn durch den Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrages die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden wäre, genügt dies nicht, einen Härtefall auszuschließen, wenn es dem Kläger (bzw. seinen Angehörigen) nicht zielgerichtet um den Erwerb eines Leistungsanspruchs ging (vgl. in diesem Sinne: BSG a.a.O.).

Dem vorliegend angenommenen Härtefall gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII steht auch nicht entgegen, dass der Geldbetrag aus dem Bestattungsvorsorgevertrag zwar zur Finanzierung der eigenen Bestattung des Klägers dienen soll, aber gleichzeitig mit der Ehefrau und dem Sohn Verwandte vorhanden sind, die für eine Bestattung (bei dann vorliegender Leistungsfähigkeit) aufkommen müssten, sodass der Hilfebedürftige keine "unwürdige" Bestattung befürchten müsste (vgl. insoweit: LSG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2004 - L 4 B 246/07 ER SO). Auch das BSG hat in seiner Entscheidung vom 18.03.2008 (B 8/9b SO 9/06 R) seine Auffassung, dass das Vermögen aus einem Bestattunsvorsorgevertrag grundsätzlich unter Härtegesichtspunkten Schonvermögen sein kann, nicht vom Vorhandensein bestattungpflichtiger Angehöriger abhängig gemacht; im Gegenteil: in dem vom BSG entschiedenen Fall wurde die Klägerin von ihrer Tochter gepflegt; mit der Tochter war also eine potenziell bestattungspflichtige Person vorhanden, ohne dass das BSG hierin einen Härtefall ausschließenden Umstand gesehen hätte.

2. Einzusetzen war und ist dagegen das in dem bei der Aachen Münchener Versicherung bestehende Lebensversicherungsvertrag liegende Vermögen. Die Verwertung dieses Vermögens bedeutet keine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII.

Ausgehend von einem im Juli 2008 bestehenden Rückkaufwert von 4.645,60 EUR stand nach Abzug eines Freibetrags in Höhe von 3.214,00 EUR ein verwertbares Vermögen von 1.431,60 EUR zur Verfügung. Mit diesem Vermögen kann der ungedeckte Heimpflegetagesbedarf von 12,94 EUR 110 Tage gedeckt werden, bevor der Kläger Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte. Gerechnet vom 01.09.2008, von dem ab der Kläger Sozialhilfe beansprucht, wären die 110 Tage bereits am 19.12.2008 verstrichen. Gleichwohl hat der Kläger auch ab 20.12.2008 (und heute) noch keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten, da das in der Lebensversicherung liegende Vermögen nach wie vor vorhanden ist.

Ein Hilfesuchender kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es stelle eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII dar, vor Inanspruchnahme von Sozialhilfe auch solches Vermögen einsetzen zu müssen, das schon bei früherer Gelegenheit hätte eingesetzt werden können (müssen) und nicht mehr vorhanden wäre, wenn es bei dieser Gelegenheit für eine Bedarfsdeckung eingesetzt worden wäre. Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist mit dem Bedarfsdeckungsgrundsatz des Sozialhilferechts grundsätzlich unvereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1981 - 5 C 16/80; Urteil vom 19.02.1997 - 5 C 7/96). Solange das Vermögen aus dem Lebensversicherungsvertrag nicht verwertet, also noch vorhanden ist, steht es als einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII der Sozialhilfebedürftigkeit entgegen.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=121995&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

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