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Rechtsprechungsticker von Tacheles 33 Kw / 2009

Rechtsprechungsticker von Tacheles 33/2009

1. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 41/08 22.07.2009, Beschluss

Hartz IV Empfänger haben keinen Anspruch auf Krankenkostzulage bei Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Hypertonie.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen (im Folgenden: Mehrbedarfsempfehlungen) herangezogen werden (BT-Drucks. 15/1516 S 57). Dies entspricht der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S 46,56). Bei der Erstellung dieser Mehrbedarfsempfehlungen, die schon im früheren Recht der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Anwendung fanden (vgl. BSG Urt. v. 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - Rn 25 - = SozR 4-4200 § 21 Nr. 2 Rn 25), haben Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet, die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt und die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt. Die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt. Die Mehrbedarfsempfehlungen wurden erstmals 1974 und 1997 in überarbeiteter Form ausgegeben und liegen nunmehr in dritter, völlig neu bearbeiteter Auflage 2008 vor.

Ob die Mehrbedarfsempfehlungen, die keine Rechtsnormen sind (BSG a.a.O. Rn 26), in ihrer nunmehr vorliegenden Form die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens haben, kann dahinstehen. Für die 1997 in überarbeiteter Form herausgegebenen Mehrbedarfsempfehlungen hat die Rechtsprechung dies abgelehnt, weil seit 1996 erfolgte Entwicklungen nicht berücksichtigt und abweichende Auffassungen, die ebenfalls von Ärzten begründet worden waren und daher auf medizinischer Sachkunde beruhten, nicht berücksichtigt worden seien (BSG a.a.O.; BSG Urt. v. 27.02.2008 - B 14 / 7b AS 32/06 R und Urt. v. 15.04.2008 - B 14 / 11 AS 3/07 R). Für die nunmehr vorliegende dritte, völlig neu bearbeitete Fassung der Mehrbedarfsemfpehlungen gelten diese Vorbehalte nicht mehr, weil sie in Zusammenarbeit mit den Ärzten der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen, die den Begutachtungsleitfaden (Herausgeber Landschaftsverband Westfalen Lippe, Stand Januar 2002) erstellt haben, und unter Zugrundelegung des "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes deutscher Ernährungsmediziner und anderer Fachverbände (www.daem.de/docs/rationalisierungsschema2004.pdf) sowie einer wissenschaftlichen Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu den Lebensmittelkosten bei einer vollwertigen Ernährung vom April 2008 (www.dge.de/pdf/ws/lebensmittelkosten-vollwertige- ernaehrung.pdf) entwickelt worden sind (vgl. Mehrbedarfsempfehlungen unter II. 1. und 2.). Für die nunmehr geltenden Empfehlungen wird daher die Annahme eines antizipierten Sachverständigengutachtens befürwortet (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 03.02.2009 - L 9 B 339/08 AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.12.2008 - L 8 B 386/08).

Aber auch wenn ihnen diese Bedeutung nicht zukommt, ist auf ihrer Grundlage unter Berücksichtigung der bisherigen medizinischen Erkenntnisse des vorliegenden Sachverhalts der Rechtsstreit entscheidungsreif. Auch für die früheren Mehrbedarfsempfehlungen war anerkannt, dass sie als Orientierungshilfe dienen können und weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich waren, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Mehrbedarfsempfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht wurden (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2. Rn 28). Dies muß für die nunmehr vorliegende Fassung erst recht gelten,weil sie die einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft in diesen Fragen wiedergibt und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt hat.

Nach dieser Fassung der Mehrbedarfsempfehlungen erfordern aber die beim Kläger bestehenden Erkrankungen - Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Hypertonie - sämtlich lediglich eine Vollkost, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten verursacht. Da sämtliche Erkrankungen dieselbe Ernährungsart - Vollkost - erforderlich machen, kann auch aus der Kumulierung dieser Krankheiten nicht die Notwendigkeit einer Krankenkostzulage resultieren. Zu diesem Ergebnis ist auch der von der Beklagten gehörte Mediziner Schnee gelangt, dessen Darlegungen der Senats urkundsbeweislich würdigt. Auch der behandelnde Arzt des Klägers hat keine Umstände dargelegt, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten. Ebensowenig ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers Hinweise auf Besonderheiten, die die Notwendigkeit einer weiteren, insbesondere medizinischen Klärung des Sachverhalts begründen könnten.

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2. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 AS 566/09 B ER 09.07.2009 , Beschluss

Keine Gewährung des Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung durch SGB-II-Leistungsträger ohne aktuellen Bezug von Regelleistungen nach dem SGB-II .

Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Wie aus dem Gesetzeswortlaut ersichtlich, können diese Leistungen nur "Hilfebedürftige" beanspruchen. Das bedeutet, dass die Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt nach § 21 Abs. 5 SGB II darstellt. Diese Einschränkung ergibt sich auch aus der Systematik und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Regelung in § 21 SGB II will Mehrbedarfe ausgleichen, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs. 1 SGB II). Der gesetzliche Mehrbedarf bezieht sich auf besondere Lebensumstände von bestimmten Personengruppen, bei denen der in der Regelleistung zur Sicherung des Unterhaltes enthaltene Bedarf (§ 20 Abs. 1 SGB II) als nicht ausreichend angesehen wird. Die Mehrbedarfsleistungen nach § 21 SGB II ist deshalb zu den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt zuzurechnen und dient lediglich der Sicherung der durch gesteigerte Bedarfssituationen bedingten Mehraufwendungen, die durch die Regelleistung nicht abgedeckt sind. Soweit der Gesetzgeber den begünstigten Personenkreis - wie in § 21 Abs. 5 SGB II für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung - mit dem Begriff "Hilfebedürftige" festsetzt, ist davon auszugehen, dass damit die fehlende Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 SGB II gemeint ist, aus eigenen Kräften für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen (vgl.: Hannes in Gagel, SGB II/SGB III-Kommentar, Stand: 2009, § 21 Rdnr. 4).

Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass der Gesetzgeber in § 21 Abs. 5 SGB II auch den weiteren Begriff "Erwerbsfähige" unpräzise verwandt habe. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass das Sozialgeld nach § 28 SGB II nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch Mehrbedarfsleistungen gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erfasst, obwohl das Sozialgeld im Prinzip nur Nichterwerbsfähigen in der Bedarfsgemeinschaft zusteht (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III-Kommentar, K § 28 Rdnr. 42 ff). Diese Ungenauigkeit ist aber nicht auf den Be-griff der "Hilfebedürftigen" als Voraussetzung für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu übertragen. Zum einen zeigt der Gesetzgeber für die inhaltsgleiche Regelung im Sozialhilferecht, dass er durchaus in der Lage ist, den Personenkreis für diesen Mehrbedarf genau zu umschreiben (§ 30 Abs. 5 SGB XII: Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen), und nicht den Begriff der Leistungsberechtigten im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - (vergleichbar mit dem Begriff "Hilfebedürftige" im Grundsicherungsrecht) verwendet. Zum zweiten ist nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber in § 21 Abs. 3 SGB II die Anspruchsberechtigten für den Mehrbedarf für Alleinerziehung allgemein mit "Personen" definiert, obwohl im ursprünglichen Gesetzesentwurf vom 17.10.2003 vorgesehen war, dass der Mehrbedarf für Alleinerziehende nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zustehen sollte (Bundesrat-Drucks. 731/03 S. 9 zu § 21 Abs. 5). Wenn der Normgeber jedoch im Gesetzgebungsverfahren für einen andersartigen Mehrbedarf in derselben Vorschrift auf das Erfordernis der Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung verzichtet, verbietet sich jede erweiternde Auslegung bezüglich eines anderen Mehrbedarfes (hier § 21 Abs. 5 SGB II), bei dem das Merkmal der Hilfebedürftigkeit beibehalten wurde. Soweit der Gesetzgeber zusätzlich zum Alg II im Sinne der §§ 19, 20 SGB II ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes trotz fehlender Hilfebedürftigkeit erbringen wollte, hat er dies nämlich ausdrücklich geregelt, wie in § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB II geschehen (vgl. auch § 26 Abs. 3 SGB II)

Ein für die Antragstellerin günstigeres Ergebnis kann nicht damit begründet werden, dass bei Studenten ein nicht ausbildungsbedingter Mehrbedarf nach § 21 Abs. 3 SGB II anerkannt wird, obwohl der Grundanspruch nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen ist (BSG, SozR 4-4200 § 7 Nr. 6). Dies beruht auf dem Hintergrund einer Überlegung, die nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar ist: Der Leistungsausschluss für Studenten und Auszubildende nach § 7 Abs. 5 SGB II erfolgt im Rahmen des Nachrangs von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende gegenüber vorgelagerten Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und geht von der Prämisse aus, das BAföG oder SGB III den entsprechenden Bedarf abdecken, sodass grundsätzlich auch keine Aufstockung dieser Leistung in Betracht kommt. Der Leistungsausschluss gilt aber nicht, wenn wegen der Ausbildungssituation ein besonderer zusätzlicher Bedarf entstanden ist, der nicht durch die vorrangigen Sozialleistungssysteme gedeckt werden kann. Im Übrigen ist nach Auffassung des Senates auch für diesen ausbildungsbedingten Mehrbedarf Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II erforderlich.

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2.1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 AS 230/09 B ER 14.07.2009 , Beschluss

Sind Hilfebedürftige nach dem SGB II gezwungen ohne die Übernahme der Tilgungsraten ihr Wohneigentum aufzugeben, kommt eine Übernahme der Tilgungsraten
bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung in Betracht .

Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sein. Eine Übernahme von Tilgungsleistungen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil mit staatlichen Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kein Vermö-gensaufbau ermöglicht werden soll (vgl zB Kalhorn in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand August 2008, § 22 Rn 14; Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 Rn 27ff). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist allerdings abweichend von diesem Grundsatz in bestimmten Einzelfällen eine andere Handhabung denkbar. So komme jedenfalls dann, wenn der Hilfebedürftige ohne die (gegebenenfalls anteilige) Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben, eine Übernahme der gesamten Finanzierungskosten bis zur Höhe der abstrakt angemesse-nen Kosten einer Mietwohnung in Betracht (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 67/06 R -, Rn 23 ff).

3. LSG Hamburg, Beschluss vom 19.12.2007, Az. L 5 B 469/07 ER AS

Zum Anspruch eines Studenten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen bei Vorliegen eines Härtefalls .

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 26 Satz 2 Bun-dessozialhilfegesetz (BSHG), dem § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB II nachgebildet ist, besteht eine besondere Härte nur dann, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Ein ´besonderer` Härtefall im Sinne des § 26 Satz 2 BSHG liege erst dann vor, wenn im Ein-zelfall Umstände hinzuträten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen ließen(BVerwG, Urteil v. 14.10.1993, 5 C 16.91, BVerwGE 94, 224, 226-228).

Diese recht unbestimmten Grundsätze hat die Rechtsprechung der Oberverwaltungsge-richte der Länder durch die Bildung von Fallgruppen mit dem Ziel ausgefüllt, den Abbruch sinnvoller Ausbildungen zu vermeiden (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschluss v. 29.9.1995, 4 M 5332/95, FEVS 46, 422 ff. und zur sozialgerichtlichen Rechtsprechung Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 7 Rn. 102 m.w.N.). Dazu gehören insbesondere die Unzumutbarkeit der Arbeitsaufnahme wegen Krankheit oder Behinderung, der Wegfall einer bei Ausnahme der Ausbildung gesicherten finanziellen Grundlage und ein bereits weit fortgeschrittenes Studium. Die genannten Fallgruppen stellen nach Auffassung des Senats keinen abschließenden Katalog von Härtefallgründen dar, sondern dienen im Sin-ne einer typisierenden Betrachtungsweise der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Entscheidungsfindung. Maßgebend sind letztlich die besonderen Umstände des jeweili-gen Einzelfalles (vgl. Beschluss des Senats v. 14.5.2007, L 5 B 571/06 ER AS; Schuma-cher in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 7 SGB II Rn. 34).

Das Vorliegen derartiger, einen atypischen Ausnahmefall begründender Umstände ist im Rahmen einer Gesamtschau zu bejahen. Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass der Ausschlusstatbestand der Regelvorschrift grundsätzlich den Zweck hat, die So-zialhilfe von einer Ausbildungsförderung auf ´zweiter Ebene` zu befreien (vgl. BVerwG a.a.O.). Auf der anderen Seite muss der Zielvorstellung des Gesetzgebers, dass Hilfebe-dürftige ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten können und bei der Auf-nahme der Erwerbstätigkeit unterstützt werden sollen (§ 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II), auch bei der Auslegung des Begriffs der besonderen Härte in § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II Rechnung getragen werden (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse v. 5.11.2007, L 5 B 356/07 ER AS und v. 2.2.2006, L 5 B 396/05 ER AS, FEVS 57, 429,431).

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Antragsteller das Studium aus einer gesicherten finanziellen Lage heraus begonnen haben dürfte. Er erhielt bis zur Mitte des fünften Se-mesters Sozialhilfe. Grundsätzlich ist auch die Gewährung von Sozialleistungen wie Sozi-alhilfe (vgl. Hess. LSG, Beschl. v. 11.8.2005, L 9 AS 14/05, FEVS 57, 308) oder Arbeitslo-senhilfe (Beschluss des Senats v. 2.2.2006 a.a.O.) als ausreichende finanzielle Grundla-ge anzusehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bezieher nicht damit rechnen müssen, dass es in naher Zukunft zur Einstellung der Leistungen kommen wird. Dies dürfte vorlie-gend der Fall sein, da ihm vom seinerzeit zuständigen Sozialhilfeträger, der Sozialabtei-lung des Ortsamtes S., mit Schreiben vom 25. Juni 2002 zugesichert worden war, auch während des Studiums weiterhin Sozialhilfe zu zahlen.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Umstand, dass sich der Antragsteller derzeit im sechs-ten Semester des im Wintersemester 2002/2003 begonnenen – zwischenzeitlich aufgrund des im April 2005 geschlossenen Vergleichs unterbrochenen – Studiums der Islamwis-senschaften befindet; bei erstmaliger Antragstellung hatte er das fünfte Hochschulsemes-ter begonnen. Der Senat kann es dahingestellt bleiben lassen, ob schon die Dauer des bereits absolvierten Studiums für sich allein ausreicht, um einen Härtefall zu bejahen. Je-denfalls hat der Antragsteller bereits einen signifikanten Teil seines Studiums erfolgreich absolviert, der bei der Prüfung eines Härtefalles nicht außer Betracht bleiben kann.

Das Studium läßt auch erwarten, dass der Antragsteller nach dessen Abschluss in der Lage sein wird, jedenfalls im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst für seinen Lebensun-terhalt zu sorgen

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4. SG Bremen S 24 SO 103/09 ER , Beschluss vom 24.07.2009

Sozialhilfeempfängerin hat bei erforderlichem Umzug Anspruch auf Übernahme der Kosten für Mietkaution und für Erstausstattung ( Bodenbelag ) .

Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Übernahme des Deponats ist § 29 Abs. 1 S. 7 und 8. Es handelt sich um einen notwendigen Umzug, die Antragstellerin war wegen familiärer Hilfe angesichts ihrer Krankheit, der nötigen Kinderbetreuung und ihrer Schwangerschaft darauf angewiesen. Es ist zudem ihr Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 SGB XII) zu berücksichtigen. . Bei einem notwendigen Umzug soll die Zustimmung vom Sozialhilfeträger erteilt wer-den, d. h., der Anspruch ist in der Regel gegeben. Für die Übernahme der Mietkaution - als Darlehen - ist die vorherige Zustimmung des Sozial-hilfeträgers nicht Voraussetzung, zuständig ist der Träger am Zuzugsort (Grube/Wahrendorf, Komm. zu SGB XII Rnrn. 42, 43 und 53 zu § 29 m.N.. Anders bei Umzugskosten, die hier nicht streitig sind). Danach hat die Antragstellerin bzw. ihre Bedarfsgemeinschaft einen Anspruch auf Bewilligung der Kaution als Darlehen, das nicht mit der laufenden Hilfe verrechnet werden darf (Gru-be/Wahrendorf, a. a. O.). Einen weitergehenden (Zuschuss-) Anspruch hat sie nicht, insoweit war der Antrag abzulehnen. Die Antragsgegnerin kann sich ihren Rückzahlungsanspruch ab-treten lassen.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII hat die Antragstellerin auch einen Anspruch auf die begehrte Erstausstattung der Wohnung glaubhaft gemacht. Das bestreitet die Antragsgegnerin auch nicht grundsätzlich. Sie „…kommt immer dann in Betracht, wenn die nachfragende Person aus welchen Gründen auch immer(…) über keine entsprechenden Gegenstände verfügt (…). Dies kann etwa gegeben sein nach einem Wohnungsbrand, nach einer Partnerschaftstrennung….(Grube/Wahrendorf, Rn. 6 zu § 31 SGB XII). Die Besonderheiten des Einzelfalles sind zu berücksichtigen. Diese bestehen hier darin, dass die Antragstellerin zu 80% schwerbehin-dert mit einem kleinen Sohn nach Trennung vom Ehemann zu ihrer Familie nach A-Stadt zog. Es ist ihr in der Lage nicht vorzuhalten, dass sie nicht mit dem Ehemann direkt oder gerichtlich eine Aufteilung der Möbel erstritten hat, sondern ohne Umzugsgut (sie kann nicht einmal allein Treppen steigen) nach A-Stadt zu ihren Eltern ging.

Rechtsgrundlage für die begehrte Bewilligung eines Bodenbelags ist ebenfalls § 29 SGB XII. Eine erforderliche Einzugsrenovierung kann unter besondern Umständen einen notwendigen Bedarf darstellen (Grube/Wahrendorf, a a. O., Rnr. 57 zu § 29 SGB XII m. N.), auch dann, wenn sie nicht eine „Schönheitsreparatur“ im mietvertragsrechtlichen Sinne ist. Mehr als den Bodenbelag verlangt die Antragstellerin nicht. Hier ergibt sich aus dem Besichtigungsprotokoll der „G. Wohnungsbaugesellschaft“ vom 4.5.2009 (Bl. 9 GA), dass der vorhandeneBodenbe-lag erhebliche Gebrauchsspuren aufweist. Angesichts der nachgewiesenen Lungenkrankheit der Antragstellerin ist damit glaubhaft gemacht, dass sie diese Teilrenovierung benötigt, um - wie z. B. auch Allergiker - ohne zusätzliche Atemnot dort leben und Physiotherapie erhalten zu können.

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5. Sozialgericht Osnabrück S 16 AS 411/09 ER 22.06.2009 , Beschluss

Die Lebensversicherung eines Leistungsbeziehers nach dem SGB II ist dann kein Schonvermögen, wenn Verwertung nicht unwirtschaftlich ist und kaum Versorgungslücken in der Rentenversicherung vorliegen .

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II ist vom Vermögen Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge abzuziehen, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet. Eine solche geförderte Altersvorsorge liegt hier nicht vor.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sind vom Vermögen zudem geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen abzuziehen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners nicht übersteigt. Ein solcher Ausschluss nach § 165 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wurde hier, soweit ersichtlich, nicht vereinbart.

Die Lebensversicherung stellt kein Schonvermögen nach § 12 Abs. 3 SGB II dar.

Nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II sind Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde, nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Hier liegt weder eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vor , noch bedeutet die Verwertung für den Antragsteller eine unzumutbare Härte .

Die Verwertung der Lebensversicherung ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich.

Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe: BSG, Urteil vom 17.10.1990, Az.: 11 RAr 133/88, Urteil vom 25.04.2002, Az.: B 11 AL 69/01 R). Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Alhi: BSG, Urteil vom 17.10.1996, Az.: 7 RAr 2/96). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen.

Dafür ist ein Vergleich zwischen Verkehrswert und Substanzwert vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07) Dabei ist der Substanzwert grundsätzlich zunächst der Wert der eingezahlten Beträge, hier also 16.745,56 EUR. Auch die Chance bzw. die Anwartschaft auf eine höhere Auszahlung (hier der Verkehrswert von 20.163,00 EUR) können aber bei dem Substanzwert berücksichtigungsfähig sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07). Dies gilt aber wohl erst dann, wenn eine gewisse Diskrepanz zwischen Verkehrswert und dem Wert der eingezahlten Beträge vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 52/06 R). Ob ein solcher Rückgriff hier notwendig ist braucht nicht abschließend zu entschieden werden, da auch in diesem Fall keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vorliegt.

Hier liegt für den 01.04.2009 ein Verlust von ca. 15,6% vor, für den 01.07.2009 ein Verlust von ca. 14%. .Das BSG hat noch keine Grenze für die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit festgelegt. Allerdings hat das BSG bereits ausgeführt, dass die in der Alhi (wohl zumindest implizit) gezogene Grenze von 10% nicht mehr weitergelten soll. Zwar habe der Gesetzgeber bezüglich der Vermögensberücksichtigung an die Bedürftigkeitsprüfung der Arbeitslosenhilfe angeknüpft (vgl. BT-Drucks 15/1516, S. 53), andererseits dürfe aber nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber des SGB II auch davon ausging, dass für die Verwertbarkeit von Vermögen generell der Lebenszuschnitt des Hilfebedürftigen während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend sein solle Dem SGB II komme dabei nicht mehr die Funktion zu, den Lebensstandard des Hilfesuchenden zu sichern (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007, Az.: B 14/7b 66/06 R). In dieser Entscheidung hat das BSG einen Verlust von 12,9 % noch nicht als offensichtlich unwirtschaftlich angesehen, es aber als fraglich angesehen, ob bei einem Verlust von 18,5 % bei isolierter Betrachtung von eingezahltem Geld und Rückkaufwert noch zumutbar sei. In einem weiteren Urteil hat das BSG einen Verlust von 11,48 % als noch nicht offensichtlich unwirtschaftlich angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 52/06 R). In beiden Fällen hat das BSG nicht (auch nicht ergänzend) auf die Anwartschaft abgestellt.

Danach erkennt das BSG einen Verlust von mehr als 10% nicht mehr zwingend als offensichtlich unwirtschaftlich an. In Bezug auf den Wert von 18,6 % hat das BSG nur geäußert, dass dieser Verlust bei alleiniger Betrachtung des Vergleichs von eingezahltem Geld und Rückkaufswert als fraglich angesehen wird.

Zudem bedeutet die Verwertung keine besondere Härte für den Antragsteller.

Wann von einer "besonderen Härte" im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2007, Az.: B 11b AS 37/06 R). Nach den Gesetzesmaterialien kommt eine besondere Härte zum Beispiel in Betracht, "wenn ein erwerbesfähiger Hilfsbedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweist" (vgl. BT-Drucks. 15/1749, aufgenommen in: BSG, Urteil vom 16.052007, Az.: B 11b AS 37/06 R und Urteil vom 14.05.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R). Dem kann entnommen werden, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers für das Vorliegen einer besonderen Härte die vom Hilfsbedürftigen vorgenommenen Zweckbestimmung, das Alter des Hilfsbedürftigen, die voraussichtliche Dauer des Arbeitslosigkeit sowie besondere, bei anderen Hilfsbedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände, beachtliche sein können (ähnlich: Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 12, Rn. 91). Für den vorliegenden Fall ist damit auf bisherige Versorgungslücken und die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Versorgungslücken abzustellen. Dabei ist die Atypik entscheidend (vgl. Thüringisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15.09.2005, Az.: L 7 AS 542/05 ER bei behindertenbedingter Versorgungslücken). Erforderlich sind nämlich außergewöhnliche Umstände, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R).

Im vorliegenden Fall sind die bisherigen Versorgungslücken vergleichsweise gering , zukünftige Versorgungslücken sind nicht hinreichend wahrscheinlich .Der 48-jährige Antragsteller kann auch grundsätzlich weitere rentenrechtlich relevante Zeiten aufbauen (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 52/06 R zu einem bei Antragstellung 53-jährigen Hilfsbedürftigen).

6. Sozialgericht Kassel S 7 AS 608/06 15.07.2009 , Urteil

Die Pauschalen des Grundsicherungsträgers für den Bereich der Stadt A. für Unterkunft und Heizung sind rechtswidrig. Als angemessene Kosten der Unterkunft sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, jedoch begrenzt auf die Höchstwerte nach der jeweils geltenden Tabelle zum Wohngeldgesetz. Kosten der Heizung sind unabhängig von der Wohnungsgröße grds. in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

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