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Rechtsprechungsticker von Tacheles 31 Kw / 2009

Erstellt: Montag, 03.08.2009 17:27



1.Bundessozialgericht

1.1 BSG, Urteil vom 19.05.2009, Az. B 8 SO 35/07 R

Energiekostenrückzahlung ist bei Sozialhilfebezug als Einkommen anzusehen .

Zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einkommen in diesem Sinne ist alles, was jemand in dem Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende also erst in der Bedarfszeit erhält - hier die Stromkostenerstattung im Februar 2006 -, sind regelmäßig als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in einer vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, Vermögen. Für die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht normativ ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (modifizierte Zuflusstheorie; BVerwGE 108, 296 ff, unter Aufgabe seiner Rechtsprechung zur Zeitraumidentität in BVerwGE 29, 295 ff; ebenso für das Recht des SGB II: BSG, Urteile vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R - und vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 15, sowie - B 4 AS 57/07 R).

Dass der Kläger ggf eine noch nicht fällige (bedingte) Forderung gegen den Energielieferanten bereits vor dem Zeitpunkt des Zuflusses hatte, ändert hieran nichts. Zwar stellt eine Forderung bzw Anwartschaft einen wirtschaftlichen Wert dar, der zu dem Vermögen des Sozialhilfeempfängers gehört. Der Regelung des § 82 Abs 1 SGB XII ist aber zu entnehmen, dass im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung sozialhilferechtlich grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung interessiert, sondern allein auf das Erzielen von Einkünften in Geld oder Geldeswert (als Einkommen) abzustellen ist. Dies gilt ausnahmsweise nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, zB bei einer Sparkasse, weil anderenfalls der Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen gewertet würde (BVerwGE 108, 296 ff). Der aus einer bloßen Umschichtung von bestehendem Vermögen, etwa durch Veräußerung oder Geltendmachung einer Forderung, resultierende Zufluss wird dann als Surrogat der Forderung nicht zum (vorübergehenden) Einkommen, sondern behält den Charakter von Vermögen (zum Recht der Arbeitslosenhilfe: BSGE 46, 271, 272 f = SozR 4100 § 138 Nr 3 S 12; BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 4 RdNr 8). Daher gilt § 82 Abs 1 SGB XII nicht für die Auszahlung solcher Forderungen, die als fällige und liquide Forderungen bewusst nicht geltend gemacht, sondern etwa angespart werden (BVerwG aaO).

Hiernach ist die Auszahlung des Guthabens aus den Stromkostenvorauszahlungen - im Februar 2006 zugeflossenes - Einkommen. Der Zuordnung als Einkommen im Monat der Auszahlung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger in der Zeit zuvor zu hohe Abschläge gezahlt hat. Er hat diese Zahlungen nicht in dem oben genannten Sinne angespart, weil die Abschläge zur Erfüllung einer Forderung aus dem Energielieferungsvertrag gezahlt wurden und ein etwaiger Erstattungsbetrag erst nach der Jahresabrechnung bzw dem Bezugszeitraum des Stroms fällig werden und zufließen kann (im Ergebnis ebenso zur Betriebskostenerstattung BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, SozR 4-4200 § 9 Nr 5). Dass vor Erstellen der Abrechnung überhaupt eine noch nicht fällige Forderung auf Auszahlung nicht verbrauchter Vorauszahlungen als Anwartschaft besteht und der Anspruch erst später entsteht, änder hieran nichts. Die Forderung und deren Höhe waren aufschiebend bedingt. Sie ist von dem Verbrauchsverhalten des Klägers abhängig und kann ihrer Höhe nach während des Abrechnungszeitraums variieren oder sogar ganz entfallen.

Die Berücksichtigung der Stromkostenerstattung als Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII verstößt nicht gegen Art 3 GG. Eine Regelung ist dann mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl nur BVerfGE 116, 229, 238). Der Gesetzgeber hat bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 16), der sich aber verringert, je stärker die nachteiligen Auswirkungen einer Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten sind (BVerfGE 88, 87, 96). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 51). Gemessen hieran ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht ersichtlich.

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1.2 BSG B 4 AS 39/08 R , Urteil vom 13.05.2009

Alleinerziehende Hilfeempfänger der Grundsicherung nach dem SGB II können für nicht hilfebedürftige Kinder mehrere Versicherungspauschalen einkommensmindernd geltend machen .

Nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Das Kindergeld soll vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Aus diesem Grunde nimmt das Kindergeld ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II teil (s im Einzelnen BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 34) und rechtfertigt eine vom Einkommensteuergesetz (EStG) abweichende Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes.

Verfügt das minderjährige Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht zur eigenen Unterhaltssicherung benötigte Teil des Kindergeldes wird sodann dem Kindergeldberechtigten - entsprechend den Regeln des EStG - als Einkommen zugerechnet

Zur Ermittlung des Umfangs des Hilfebedarfs der Kinder ist von deren Einkommen - hier der Unterhaltszahlungen - eine Versicherungspauschale von je 30 Euro monatlich vorab in Abzug zu bringen.

3 Alg II-V regelt, welche Pauschbeträge vom Einkommen abzusetzen sind. § 3 Nr 1 Alg II-V bestimmt: "Als Pauschbeträge sind abzusetzen: Von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II". Zwar haben die mit der Klägerin nicht in Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder tatsächliche Aufwendungen für private Versicherungen iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II nicht geltend gemacht. Dieses ist nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR, aaO, RdNr 42), der sich der erkennende Senat anschließt, jedoch unschädlich. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro gemäß § 3 Nr 1 Alg II-V ist grundsätzlich unabhängig davon in Abzug zu bringen, ob tatsächlich Beiträge zu privaten Versicherungen aufgewendet worden sind.

Aus dem Gesamtzusammenhang, in dem § 3 Nr 1 Alg II-V steht, sowie dem Sinn und Zweck der Norm iVm §§ 9 und 11 SGB II folgt, dass bereits zur Ermittlung des Hilfebedarfs die Versicherungspauschale vom Einkommen in Abzug zu bringen ist. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Ob und ggf in welchem Umfang eine Person hilfebedürftig iS des SGB II ist, ergibt sich (unmittelbar) aus dem ihr vom Gesetzgeber grundsicherungsrechtlich zugebilligten pauschalierten (im Wesentlichen §§ 20, 21, 23 und 28 SGB II) und tatsächlichen (§ 22 SGB II) Bedarf im Verhältnis zu den ihr zur Verfügung stehenden eigenen Kräften und Mitteln iS des § 9 SGB II. Einkommen als Mittel der Selbsthilfe ist nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen, wenn es sich um Einnahmen in Geld oder Geldeswert handelt. Dabei regelt § 11 Abs 2 SGB II, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind.

Dies gilt ebenfalls, soweit nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zu bestimmen ist, ob das minderjährige Kind sich seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen beschaffen kann und ob ggf vom Kindergeld ein Rest verbleibt, der einem hilfebedürftigen Elternteil als Einkommen zuzurechnen ist. Auch in diesem Fall ist der Hilfebedarf nach den Regeln des SGB II zu ermitteln, dh unter Beachtung von § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II bzw sofern keine tatsächlichen Aufwendungen geltend gemacht werden, unter Anwendung von § 13 Nr 3 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V. Jede andere Berechnungsweise würde den Vorgaben von Gesetz und Verordnung widersprechen und zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr 1 Alg II-V vor, dh leben minderjährige (hilfebedürftige) Kinder nicht in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern, wird von ihrem Einkommen ein Pauschbetrag in Abzug gebracht. Andererseits geht die Norm bei minderjährigen Kindern gerade davon aus, dass sie mit ihren Eltern nicht in Bedarfsgemeinschaft leben, was im Wesentlichen dann der Fall ist, wenn sie mit diesen nicht in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder sie zwar in häuslicher Gemeinschaft mit ihren Eltern leben, jedoch ihren Lebensunterhalt durch eigenes Einkommen/Vermögen selbst decken können. Hinge die Berücksichtigung der Pauschale tatsächlich davon ab, ob Hilfebedürftigkeit auch ohne Abzug der Versicherungspauschale vorliegt, und hinge die Beantwortung der Frage nach der Hilfebedürftigkeit wiederum davon ab, ob der maßgebliche Grenzwert zwar ohne Berücksichtigung, nicht jedoch bei Berücksichtigung der Pauschale überschritten wird, wäre ein Zirkelschluss nicht auszuschließen. Vor allem könnte der "Nichtabzug" der Versicherungspauschale zur Versagung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II führen, weil "unbereinigtes" Einkommen dem nach §§ 20, 21, 22 und 28 SGB II berechneten Bedarf gegenüberzustellen wäre. Kann das Kind seinen eigenen Bedarf durch Leistungen zB nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Kindergeld decken, wäre es nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern/einem Elternteil; Gründe dafür, ihm in einem solchen Fall des "Auf-eigenen-Beinen-Stehen-müssens" die Versicherungspauschale zu versagen, sind nicht erkennbar. Wird es bei Abzug der Versicherungspauschale von seinem Einkommen hilfebedürftig, ist es als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft auch leistungsberechtigt nach dem SGB II (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Zwar hat der 14. Senat des BSG die Möglichkeit des Abzugs der Versicherungspauschale vom Kindergeld verneint, wenn das Kindergeld das einzige Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ist und es an tatsächlichen Aufwendungen des Kindes für eine Versicherung fehlt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn jedenfalls dann, wenn das Kind auf Grund eigenen Einkommens auch bei Berücksichtigung der Versicherungspauschale "aus der Bedarfsgemeinschaft herausfällt", ist nur das um die Versicherungspauschale bereinigte Einkommen zur Feststellung seiner "Hilfebedürftigkeit" heranzuziehen.

Es ist bereits dargelegt worden, dass das Kindergeld nach den Regeln des SGB II zuvörderst der Unterhaltssicherung des Kindes dienen soll. Es ist daher, solange der Lebensunterhalt nicht anders sichergestellt werden kann, dem Kind in Abweichung von der einkommenssteuerrechtlichen Zuordnung als Einkommen zuzurechnen. Erst wenn die Unterhaltssicherungsfunktion auf andere Weise erfolgt, wird das Kindergeld als Einkommen iS des § 11 SGB II bei dem Erziehungsgeldberechtigten zur Deckung seines Hilfebedarfs berücksichtigt (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR, aaO). Das Kindergeld ist mithin im System des SGB II nicht "fremdes" Einkommen des Kindes, sondern wird umgekehrt erst dann Einkommen des Kindergeldberechtigten, wenn durch das Kindergeld die ihm eigene Funktion der Existenzsicherung des Kindes erfüllt worden ist. Hieraus folgt zugleich auch, dass ein Kind, das seinen eigenen Bedarf ua durch Kindergeld decken kann, nicht entgegen § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II wegen des Kindergeldbezugs Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist.

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2. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

2.1 Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 AS 143/09 B ER , Besch.luss vom 26.06.2009 , rechtskräftig

Hartz IV Empfänger dürfen keinen BMW leasen .

Nach Auffassung des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt sind die Ausgaben eines selbstständigen Videothek- und Bistrobetreibers für einen geleasten BMW 525d nicht von seinem erzielten Gewinn absetzbar.

Im zu entscheidenen Fall hatten die Fahrzeugkosten für den geleasten BMW 525d fast die Hälfte der Einkünfte ausgemacht.

Wer seinen Lebensunterhalt nicht ganz aus seinem Einkommen bestreiten kann, hat Anspruch auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Er muss aber alles tun, um seine Bedürftigkeit zu verringern.

Das Gericht hatte ausgeführt, dass von den Einnahmen aus seinem Gewerbebetrieb nur die notwendigen Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, bevor ergänzend Hartz IV-Leistungen gezahlt werde könnten . . Der Wagen sei für den Betrieb nicht erforderlich gewesen. Ein PKW der gehobenen Mittelklasse passt nach Meinung des Gerichts auch nicht zu den Lebensumständen der untersten Einkommensgruppen. Es müssten also zunächst die Gewinne – ohne Abzug der Kosten für den BMW – zum Lebensunterhalt verwendet werden, bevor der Staat einspringt.

Gemäß § 13 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-VO sind ab dem 01.01.2008 bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit nicht mehr die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes anzuwenden Vielmehr bestimmt § 3 Abs. 2 Alg II-VO, dass von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen sind.

3. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

3.1 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 25 AS 769/09 B ER 16.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hartz IV Empfängern ist beim Besitz von Wertpapieren ( Investmentfonds ) ein Wertverlust in einer Größenordnung von 10 bzw. 20 % zuzumuten.

Der Wertverlust der Anlagen im Vergleich zu ihrem Wert zum Zeitpunkt des erstmaligen Antrages der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Mai 2005 in einer Größenordnung von 10 bzw. 20 % ist von den Antragstellern hinzunehmen; denn der Erwerb von Investmentfondsanteilen ist einem erhöhten Risiko sich ändernder Marktverhältnisse ausgesetzt, so dass unter diesem Aspekt gewisse Verluste zuzumuten sind (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 -, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11 b AS 37/06 R - ) .

Der Verwertung steht schließlich nicht entgegen, dass neben den Kapitalanlagen der Antragsteller zu 3. und 4. möglicherweise auch die Kapitalanlagen der Antragsteller zu 1. und 2. als Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II anzusehen sind. Denn den Antragstellern drohen bei einer Verwertung des Schonvermögens keine schwerwiegenden durch das Hauptsacheverfahren nicht zu korrigierenden Nachteile. Denn sollte sich in der Hauptsache ergeben, dass den Antragstellern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht, wären ihnen diese Beträge rückwirkend zu gewähren (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2007 - 1 BvR 535/07 -, nicht veröffentlicht; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2008 – L 28 AS 1203/08 ER

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3.2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 25 AS 1031/09 B ER 16.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Auszubildende, die von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind, haben keinen Anspruch auf Leistungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB II .

Bei den begehrten Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten handelt es sich um einen ausbildungsbedingten bzw. ausbildungsgeprägten Bedarf mit der Folge, dass die Gewährung entsprechender Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen ist (vgl. grundsätzlich zum ausbildungsbedingten Bedarf: BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R).

Nicht ausbildungsbedingt sind lediglich solche Umstände, die von der Ausbildungssituation unabhängig sind. Dazu zählen – hier nicht gegebene – besondere in der Person des Hilfesuchenden liegende Umstände wie etwa Behinderungen, Krankheiten, Schwangerschaft, Kindererziehung und Kinderpflege, die entgegen dem grundsätzlichen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II einen Anspruch auf Mehrbedarfe nach § 21 SGB II oder eine Leistungserbringung nach § 23 SGB II begründen können (vgl. hierzu: Valgolio in: Hauck/Noftz, Loseblattkommentar zum SGB II, Stand: IV/2008, § 7 Rn. 86 sowie A. Loose in: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 7 Rn. 122). Auch unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zählten bereits Haushaltsgegenstände zum ausbildungsgeprägten Bedarf mit der Folge eines Leistungsausschlusses nach dem BSHG, vgl. § 26 Satz 1 BSHG (s. etwa BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1993 - Az: 5 B 47/93 -, zitiert nach juris). Hieran hat sich zur Überzeugung des Senates unter nunmehriger Geltung des Sozialgesetzbuches XII. Buch bzw. des SGB II nichts geändert. Dass die hier begehrten Leistungen dazu dienen sollen, einen im Bereich von Wohnung und Hausrat erstmalig auftretenden Bedarf zu decken, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit liegt zwar nach dem Regelungssystem des SGB II eine besondere Bedarfslage vor; diese Bedarfslage ist jedoch nicht durch besondere, von der Ausbildung unabhängige Umstände im o.g. Sinne bedingt.

Anmerkung : Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 78/08 02.03.2009 , Urteil

Dahinstehen kann, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II den Anspruch auf einmalige Leistung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfasst. Dies wäre nur der Fall, wenn es sich bei den Erstanschaffungen für eine Wohnung i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II um einen ausbildungsbedingten Bedarf (siehe Reichweite des Leistungsausschlusses BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R) handelte (bejahend: BVerwG, Beschluss vom13.05.1993, 5 B 47/93, Urteil vom 03.12.1992, 5 C 15/90 und vom 18.07.1994, 5 B 25/94 zu § 26 BSHG; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4 Aufl., § 11 Rdz. 4 zum gleichlautenden § 31 SGB XII; verneinend: Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 Abs. 5 SGB II Punkt 7.90).

3.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 165/09 AS 24.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hilfebedürftiger hat seinen Anordnungsanspruch bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe gaubhaft gemacht , wenn er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und von Kontoauszügen nachvollziehbar dargelegt, dass er kein Einkommen erzielt und er damit hilfebedürftig i.S.v. § 9 SGB II ist.

Hilfebedürftiger hat seinen Anordnungsanspruch bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe gaubhaft gemacht , wenn er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und von Kontoauszügen nachvollziehbar dargelegt, dass er kein Einkommen erzielt und er damit hilfebedürftig i.S.v. § 9 SGB II ist. Insbesondere sind die Angaben des Antragstellers, mit welchen Mitteln - Ausübung einer Erwerbstätigkeit, Überziehen des Kontos, Darlehen eines Freundes - er seinen Lebensunterhalt bis zur Antragstellung bestritten hat, in der Antragsschrift nachvollziehbar. In dem von der Antragsgegnerin eingeleiteten Bewilligungsverfahren sind die Angaben auch bestätigt worden .

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4. Landessozialgericht Hamburg

4.1 Landessozialgericht Hamburg L 5 B 1140/08 ER AS 30.12.2008 rechtskräftig , Beschluss

1. Zur Ablehnung eines Anordnungsanspruchs und zur Versagung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage von Hinweistatsachen und eigenen Angaben der Antrag stellenden Partei, welche die hinreichende Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchstabe c) SGB II begründen.

2. Eine solche Einstandsgemeinschaft kann auch dann angenommen werden, wenn kein Vermutungstatbestand im Sinne von § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt ist.

3. Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Mai 2009 - Aktenzeichen 1 BvR 255/09).

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5. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

5.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 9 AS 51/06 07.05.2009 ,Urteil

Leistungen für Stromkosten sind bereits in der Regelleistung bei hilfebedürftigen nach dem SGB II enthalten und können daher nicht zusätzlich zur Regelleistung gewährt werden .

Auszugehen ist davon, dass zu dem der Regelleistung zuzuordnenden Bedarf die Position Haushaltsenergie gehört, die unter anderem auch die Stromkosten umfasst. Diese sind aus der Regelleistung zu bestreiten. Deren Festlegung wiederum ist ein normativ-wertender Prozess, der in seinen einzelnen Schritten keiner naturwissenschaftlich-mathematischen Richtigkeitsprüfung unterliegt. Vielmehr ist es geradezu das Wesen einer pauschalierten Regelleistung, dass sie dem Leistungsempfänger in ihrer Gesamtheit zur selbstverantwortlichen Gestaltung seines Lebens zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend ist es entgegen dem klägerischen Ansatz gerade nicht möglich, die in den einzelnen Teilen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zum Ausdruck kommenden Positionen einer je gesonderten juristischen Richtigkeitsprüfung zu unterziehen. Vielmehr ist unter Berücksichtigung des Systems der Leistungen im SGB II die Regelleistung insgesamt in ihrer Höhe verfassungsrechtlich zu würdigen und auf Grund ihrer Pauschaliertheit nicht um konkret anfallende Einzelpositionen zu erhöhen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/11b AS 15/07 R, Rn. 21, 22). Da somit eine "einzelfallbezogene" Erhöhung der Regelleistung nicht in Betracht kommt, hat die Beklagte die dem Kläger zustehende Regelleistung korrekt bestimmt.

6. Sozialgericht Lüneburg

6.1 SG Lüneburg 30 AS 398/05 , Urteil vom 23.04.2009

An Neurodermitis erkrankte Hartz IV Empfängerin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente und Hautpflegeprodukte nach § 73 SGB XII .

1. Es handelt sich bei den Kosten für Medikamente und Pflegeprodukte grundsätzlich um einen von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfassten Bedarf. Zu dem dortigen Bedarf gehören auch Kosten für Medikamente und Produkte, die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen werden. Dies ist bei Körperpflegeprodukten und nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten der Fall.

2. Eine Erhöhung des individuellen Bedarfs sieht § 20 SGB II nicht vor. Auch handelt es sich bei dem Mehrbedarf für die Produkte nicht um einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II .

3. Ein Anspruch kann sich allenfalls aus § 73 SGB XII ergeben (vgl Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006 S 161 f; aA Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 73 RdNr 5, Stand Juni 2006, und Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 28 RdNr 13).
Bereits unter Geltung des BSHG war anerkannt, dass die Kosten des Umgangsrechts zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1994 1 BvR 1197/93 -, NJW 1995, 1342 f; BVerwG Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr 32). Dabei war im Hinblick auf Art 6 Abs 2 Satz 1 GG zu beachten, dass die Leistungen mehr als das Maß an Umgang ermöglichen mussten, das im Streitfall zwangsweise hätte durchgesetzt werden können (BVerfG aaO). Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums müssen danach - und insoweit ist weder eine zeitliche Zäsur (1. Januar 2005: In-Kraft-Treten des SGB XII) noch eine strukturelle Unterscheidung zwischen SGB 11 und SGB XII gerechtfertigt - im Ergebnis die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen. Wie dies im Einzelnen zu erfolgen hat, ist abhängig von der einfachrechtlichen Ausgestaltung, die im Licht des Art 6 Abs 1 und 2 S 1 GG auszulegen ist.

4. Vor diesem Hintergrund kann eine atypische Bedarfslage angenommen werden, die die Anwendung des § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) rechtfertigt (vgl Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 162; aA Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB II/Asylbewerberleistungsgesetz, § 73 SGB XII RdNr 11, Stand Februar 2006; vgl auch 0 Sullivan, SGb 2005, 369, 371 f), ohne dass die Norm zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB 11 mutiert. Erforderlich ist nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl Berlit, LPK-SGB XII, § 73 RdNr 5: "wertende Betrachtung mit anderen Bedarfslagen") und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt (Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, IV.7 RdNr 20, Stand März 2006). Eine derartige Bedarfslage, und nicht nur ein erhöhter Bedarf wie im Rahmen des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII, ist - wie vorliegend - in der mit der Scheidung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeit der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei unterschiedlichen, voneinander entfernt liegenden Wohnorten zu sehen (s auch BVerwG aaO). Dass diese besondere, atypische Situation eine Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach dem 9. Kapitel des SGB XII rechtfertigen kann (vgl auch Schellhorn, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 73 RdNr 7: Übernahme von Reisekosten), zeigt ein Blick auf die Altenhilfe nach § 71 SGB XII. Obwohl nach § 27 Abs 1 Satz 2 SGB XII die Beziehungen zur Umwelt zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören und damit vom Regelbedarf des § 28 SGB XII erfasst werden, können alte Menschen wegen deren besonderer Situation gleichwohl weitere Leistungen erhalten, die ihnen die Verbindung mit nahe stehenden Personen ermöglichen (§ 71 Abs 2 Nr 6 SGB XII).
Das systematische Argument, das SGB XII biete nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in seinem für SGB-II-Leistungsbezieher verschlossenen 3. Kapitel (§ 5 Abs 2 S 1 SGB II) bereits die Möglichkeit zur Erhöhung der Leistungssätze und schließe deshalb im Sozialhilferecht die Anwendung des § 73 SGB XII und in der Folge auch für SGB-II-Leistungsbezieher aus (s dazu nur Luthe in Hauck/Noftz, SGB 11, K § 5 RdNr 101, Stand Juli 2006), ist deshalb bereits in sich zweifelhaft und muss angesichts der besonderen Bedeutung des Elterngrundrechts in den Hintergrund treten. Eine Privilegierung der Empfänger von Sozialhilfeleistungen ist insoweit nicht zu rechtfertigen (Luthe in Hauck/Noftz, SGB 11, K § 5 RdNr 103, Stand Juli 2006; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB 11, Einführung RdNr 179e, Stand August 2006)

5. Eine derartige Bedarfslage ist in dem extrem hohen Bedarf an Körperpflegemitteln und nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten der Klägerin zu sehen. Zwar wird grundsätzlich in dem Regelsatz nach § 20 SGB 11 eine Leistung für diese Artikel erbracht; dass eine Person jedoch diese Bedarfsgegenstände in einem so großen Ausmaß benötigt wie die Klägerin, ist außergewöhnlich. Eine gewisse Nähe zu den §§ 47 bis 74 SGB XII ist ebenfalls gegeben, da in den §§ 47 bis 51 SGB XII auch Hilfen zur Gesundheit erbracht werden. Da die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente und die Salben aus medizinischen Gründen notwendig sind, dienen sie ebenfalls der Gesunderhaltung der Klägerin.
Die Kosten für diesen Bedarf sind grundsätzlich in den Vorschriften über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt; der konkrete Bedarf der Klägerin wird von diesen jedoch nicht übernommen, da er nach deren Leistungskatalog ausgeschlossen und von den Versicherten selbst zu übernehmen ist. Es ist dennoch nicht zu befürchten, dass mit der Übernahme dieser Kosten nach § 73 SGB XII durch den Beklagten eine Umgehung der spezial-gesetzlich geregelten Voraussetzungen des in §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1 Satz 4 SGB 11 zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn § 73 SGB XII in eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet würde, die in all den Fällen einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger begründen würde, in denen die eigentlich einschlägigen Normen den betreffenden Anspruch gerade ausschließen. Die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente und Salben, die nach den fachärztlichen Attesten und Befundberichten der behandelnden Ärzte medizinisch notwendig zur Behandlung der bei der Klägerin vorliegenden schweren Neurodermitis sind, sind nach
dem Regelungszweck des § 34 SGB V deshalb ausgeschlossen, um die gesetzliche Krankenversicherung von Kosten für Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln zu entlasten, deren Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht entspräche, oder bei denen die Übernahme der Kosten durch die Versicherten selbst zumutbar ist (ebenso: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2007, Az. L 1 B 7/07 AS ER - ) .

6. Da der in der Regelleistung nach § 20 SGB 11 enthaltene Anteil für die Gesundheitspflege zu gering ist, um die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente und Salben im notwendigen Umfang zu kaufen, ist der Klägerin die Übernahme dieser Kosten im Rahmen des Bezuges von Arbeitslosengeld 11 nicht möglich. Auch von der Krankenkasse werden diese medizinisch notwendigen Kosten als Folge der Auswirkungen von Leistungsbeschränkungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV - Modernisierungsgesetz) vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I 2003, 2190) nicht mehr übernommen. Andererseits können diese angesichts der Höhe der Ausgaben offensichtlich nicht aus den Regelleistungen getragen werden. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des grundgesetzlich gewährleisteten Rechts auf körperliche Unversehrtheit in Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz (= GG) kann vor diesem Hintergrund eine atypische Bedarfslage angenommen werden, die die Anwendung des § 73 SGB XII rechtfertigt (ebenso: LSG Nordrhein-Westfalen a. a. 0.).

7. Soweit sich der Beigeladene auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22. November 2007 (Az. L 7 SO 4180/06) beruft, in dem ein besonders hoher Bedarf an nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht als eine atypische Bedarfslage nach § 73 SGB XII angesehen wurde, folgt die Kammer dem nicht.
Zum einen würde, wollte man in der Situation der Klägerin keine atypische Bedarfslage und damit keinen Anspruch nach § 73 SGB XII anerkennen, diese nachhaltig in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 GG verletzt. Die bei der Klägerin vorliegende Krankheit ist nach den ärztlichen Attesten so gravierend - zumindest war dies der Fall bis zum Jahr 2006, denn danach wurden keine weiteren Medikamente und Salben mehr benötigt -, dass es mit den Rechten der Klägerin aus Art. 2 und auch mit dem Anspruch auf Menschenwürde aus Art. 1 GG nicht vereinbar wäre, ihr diese vorzuenthalten. Die Kammer hält das Urteil des LSG Baden-Württemberg auch schon deshalb nicht für mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, weil es sich in dem entschiedenen Fall um eine Heimbewohnerin handelte, die Anspruch auf einen Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII hatte. Auch nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg wäre es grundsätzlich in Betracht gekommen, den Mindestbarbetrag so weit zu erhöhen, dass der ständigen Belastung durch die Beschaffung notwendiger, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel hierdurch hätte begegnet werden können. Letztlich hat das LSG Baden-Württemberg dies jedoch offen gelassen, da die Klägerin ihr Begehren ausdrücklich auf die Leistung von Krankenhilfe nach § 48 8GB XII beschränkt hatte. Dem LSG Baden-Württemberg war es daher nicht möglich, einen Anspruch der dortigen Klägerin auf einen höheren Mindestbarbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII zuzusprechen. Da die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch keinerlei weitere Möglichkeiten hat, Leistungen für die benötigten Medikamente zu erlangen, wäre hier Art. 2 GG verletzt, auch wenn dies in dem Verfahren, das das LSG Baden-Württemberg zu entscheiden hatte, nicht der Fall war.

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