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Rechtsprechungsticker von Tacheles 29 KW / 2009

1. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

1.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 140/09 AS ER 0807.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hartz IV Leistungen dürfen - nicht - gekürzt werden wegen Nichtteilnahme an einer Integrationsmaßnahme ohne Eingliederungsvereinbarung .

Die Nichtaufnahme der im Verwaltungsakt vom 29.10.2008 angebotenen Integrationsmaßnahme am 19.11.2008 erfüllt nicht den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 1b SGB II. Danach wird das Arbeitslosengeld II abgesenkt, wenn die erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen. Vorliegend ist die Pflicht der Antragstellerin zur Teilnahme an der am 19.11.2008 beginnenden Integrationsmaßnahme aber nicht in einer Eingliederungsvereinbarung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegt worden, sondern sie ist von der Antragsgegnerin durch den Bescheid vom 29.10.2008, der einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzt, bestimmt worden.

Die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II sanktioniert nach ihrem Wortlaut jedoch nur Verstöße gegen die Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts kann die Vorschrift nicht dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass sie auch Verstöße gegen die Pflichten aus einem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt sanktioniert. Auch wenn § 31 SGB II keine Strafvorschrift im eigentlichen Sinne darstellt und daher das Gebot strafbegründender oder strafverschärfender Analogien insoweit aufgrund des Charakters der Vorschrift nicht unmittelbar gilt, ist die Vorschrift als Sanktionsnorm, die für die Hilfesuchende gravierende Folgen hat, eng am Wortlaut der Regelung orientiert auszulegen. Eine ungewollte Regelungslücke des Gesetzgebers ist nicht erkennbar (LSG NW, Beschluss vom 26.09.2008, - L 19 B 162/08 AS ER -; LSG Hessen, Beschluss vom 09.02.2007 - L 7 AS 288/06 ER -; Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 31 Rdz.13a; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rdz. 34; siehe auch LSG Bayern, Beschluss vom 09.11.2007 - L 7 B 748/07 AS -; a. A. LSG NW, Beschluss vom 06.02.2008, - L 7 B 18/08 AS ER - ohne nähere Begründung). Denn die Nichterfüllung von Pflichten aus einem Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II kann je nach Inhalt der Pflichten den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II erfüllen.

Vorliegend erfüllt das Verhalten Antragstellerin nicht den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II. Danach wird das Arbeitslosengeld II einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gemindert, wenn die Hilfebedürftige eine zumutbare Arbeit, eine Ausbildung, eine Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach § 16a SGB II geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a SGB II oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme nicht aufnimmt. Bei der im Bescheid vom 29.10.2008 angebotenen Integrationsmaßnahme handelt es sich aber weder um eine Arbeit i.S. einer Betätigung gegen Arbeitsentgelt, eine Arbeitsgelegenheit (siehe zum Begriff der Arbeitsgelegenheit nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr.1c SGB II: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 Rdz 15) noch um ein Sofortangebot nach § 15a SGB II noch um eine sonstige Maßnahme i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II. Die Pflicht der Antragstellerin zur Aufnahme der Integrationsmaßnahme als sonstiger Maßnahme i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II beruht nicht auf den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

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1.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 SO 99/07 27.04.2009 ,Urteil

Kindergeld für im Haushalt lebende volljährige Kinder ist bei zeitnaher Überweisung grundsätzlich als dessen Einkommen anzusehen .

Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob Kindergeld für volljährige, im Haushalt der Eltern lebende Kinder nach dem SGB XII als Einkommen der Eltern oder der Kinder zu qualifizieren ist, fehlt bislang. Für das SGB II hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 13.11.2008 (B 14/7b AS 4/07 R) ausgeführt (im Anschluss an BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R = BSGE 97, 265), dass Kindergeld für volljährige, im Haushalt lebende Kinder jeweils als Einkommen des Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen sei (so auch schon im Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 54/06 R = FEVS 59, 395 ff.)

Kindergeld für im Haushalt lebende volljährige Kinder jedenfalls dann als deren Einkommen und nicht als solches der Eltern oder des leistungsberechtigten Elternteils im Sinne des § 82 SGB XII zu qualifizieren, wenn das Kindergeld dem volljährigen Kind zeitnah zugewandt oder es durch die Familienkasse unmittelbar an das volljährige Kind ausgezahlt wird und ohne die (freiwillige) Weiterleitung bzw. unmittelbare Auszahlung die Voraussetzungen des § 74 EStG vorliegen würden.

Insoweit überträgt der Senat die Rechtsprechung des 8. Senats des BSG für volljährige, außerhalb des Haushalts ihrer Eltern lebende Kinder. Für volljährige Kinder, die außerhalb des Haushalts des Kindergeldberechtigten leben, entspricht es gefestigter Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 28.04.2005, 5 C 28/04 = NJW 2005, 2873ff.), dass das an einen Elternteil als Kindergeldberechtigten ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des volljährigen, außerhalb des Haushalts lebenden Kindes zu berücksichtigen ist, soweit dieses ihm zeitnah zugewendet wird (innerhalb eines Monats nach Auszahlung bzw. Überweisung des Kindergeldes) und ohne die "Weiterleitung" die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 EStG durch Verwaltungsakt zu Gunsten des Kindes vorliegen würden. Es ist kein Grund ersichtlich, für im Haushalt des kindergeldberechtigten Elternteils lebende, volljährige Kinder andere Maßstäbe anzulegen. Abweichend von der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG kommt es auch nicht darauf an, ob eine förmliche Abzweigungsentscheidung gemäß § 74 EStG ergangen ist. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der hierzu eingehend begründeten Auffassung des BSG (Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R = FEVS 59, 529-537) an

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1.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 143/09 AS ER 01.07.2009 rechtskräftig ,Beschluss

Nach vorheriger Belehrung darf die Arge bei Nichtannahme einer Arbeitsgelegenheit die Regelleistung absenken .

Der Antragsteller hat sich 16.02.2009 gegenüber der Antragsgegnerin geweigert, die angebotenen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II bei der Diakonie im Kirchenkreis V e.V. Sozialkaufhaus zum 17.02.2009 aufzunehmen. Nach Aktenlage sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die angebotene Arbeitsgelegenheit als Verkaufshilfe im AGH Sozialkrankenhaus G nicht den inhaltlichen und formellen Anforderungen des § 16 Abs. 3 SGB II an eine zulässige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung entsprochen hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R).

Das Arbeitsangebot der Antragsgegnerin vom 09.02.2009 ist auch hinreichend bestimmt gewesen. Ein Arbeitsangebot ist hinreichend bestimmt, wenn es die Art der Arbeit, ihren zeitlichen Umfang und ihre zeitliche Verteilung sowie die Höhe der angemessen Entschädigung für Mehraufwendungen im Einzelnen bestimmt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R). In dem Arbeitsangebot wird die Tätigkeit einer Verkaufshilfen ausreichend näher konkretisiert, wonach diese Tätigkeit die Mitarbeit im Sozialkaufhaus G, Unterstützung bei Verkaufsgesprächen, Preisauszeichnung, Regalpflege und Kassenführung umfasst. Ebenso ist die Höhe der Mehraufwandsentschädigung - 1,00 EUR pro Stunde - und der zeitliche Umfang der Tätigkeit - 30 Stunden wöchentlich - präzisiert. Die Angaben zur zeitlichen Verteilung der Arbeitszeit "Teilzeit-flexibel" sind auch hinreichend bestimmt, um den Antragsteller eine eigene Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Aufnahme der Arbeitsgelegenheit zu eröffnen. Dem Antragsteller ist es zumutbar gewesen, durch Rücksprache mit dem Träger der Maßnahme die genaue Verteilung der Arbeitszeiten abzuklären, zumal die Flexibilität der Teilzeittätigkeit die Möglichkeit eröffnet, dass auf seine Bedürfnisse hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der Arbeitszeit seitens des Trägers der Maßnahme Rücksicht genommen wird

Der Antragsteller ist auch im zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot über die Rechtsfolgen einer Ablehnung des Arbeitsangebots belehrt worden. Dabei kann dahinstehen, ob die dem Arbeitsangebot beigefügte Rechtsfolgenbelehrung den inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsmäße Rechtsfolgenbelehrung, insbesondere dem Erfordernis der konkreten Umsetzung auf den Einzelfall, genügt (vgl. zu inhaltlichen Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung, BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R ). Jedenfalls ist der Antragsteller nach Aktenlage am 16.02.2009 durch einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin mündlich über die Rechtsfolgen des Nichtantritts der Arbeitsgelegenheit zum 17.02.2009, insbesondere der Verhängung einer Sanktion nach § 31 SGB II, belehrt worden. Eine mündliche Belehrung genügt (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R ). Ein wichtiger Grund für die Weigerung der Antragstellers ist nicht ersichtlich. Der vom Antragsteller geltend gemachte Grund - Weigerung der Teilnahme an dem Bildungsanteil der Maßnahme wegen des jugendlichen Alters der anderen Teilnehmer - begründet unter Berücksichtigung des Charakters einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung als Förderungsleistung, die die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen erhalten, verbessern oder wiederherstellen soll, keinen wichtigen Grund i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

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1.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 188/09 AS ER 08.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hartz IV : Regelleistung darf im EA - Verfahren nicht auf 70 % begrenzt werden .

Eine Begrenzung der Regelleistung kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf 70 % unter Hinweis auf eine ansonsten eintretende Vorwegnahme der Hauptsache nach der Rechtsprechung des Senats bei Vorliegen eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs nicht in Betracht (Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2009 - L 7 B 72/09 AS ER; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 0205.2007 - L 20 B 310/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 29.09.2006 - L 9 B 87/06 AS ER). Ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren ist im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II und des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht zumutbar. Es ist Bestandteil des effektiven Rechtsschutzes, dass, wenn ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wird, die notwendigen Leistungen zeitnah zur Verfügung stehen sollen. Denn jede Einschränkung der Leistungshöhe auf einen Betrag unterhalb der ungekürzten Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellt einen erheblichen Eingriff dar. Würde insoweit einstweiliger Rechtsschutz nicht umfassend gewährt, käme es auch zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Fallgestaltungen nach § 86b Abs. 1 SGG.

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1.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 B 59/09 AS ER 03.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Hartz IV Leistungsbezieher müssen sich die vom Staat gezahlte Abwrackprämie als Einkommen anrechnen lassen .

Die Abwrackprämie stellt Einkommen dar und ist deshalb bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II leistungsmindernd zu berücksichtigen. wenn es sich jedoch um eine nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II zweckbestimmte Einnahme handeln sollte, würde bei summarischer Prüfung die Gewährung der Umweltprämie jedoch die Lage ihres Empfängers im Sinne der Vorschrift so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Denn mit ihr würden dem Leistungsbezieher erhebliche Geldmittel in mehrfacher Höhe einer monatlichen Regelleistung letztlich für ein (wenn auch längerlebiges und höherwertiges) Verbrauchsgut und damit für den privaten Konsum zur Verfügung gestellt; letzteren hat er jedoch aus den Grundsicherungsleistungen zu bestreiten Eine Vergleichbarkeit mit der (bei Verwendung für die Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II als Vermögen geschützten Immobilie; vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 19/07 R) nicht auf die Leistungen nach dem SGB II angerechneten Eigenheimzulage besteht nicht (a.A. SG Magdeburg ,Beschluss vom 15.04.2009 - S 16 AS 907/09 ER ) .
Denn anders als bei der Anschaffung eines PKW dient die Eigenheimzulage der langfristigen - in der Regel so gut wie lebenslangen - Absicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens, welches zugleich in der Verfassung mit Art. 13 Abs. 1 GG besondere Berücksichtigung findet.

Die Umweltprämie stellt auch nicht etwa als ein Surrogat für ein nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II als angemessenes Kraftfahrzeug geschütztes Vermögen seinerseits als Vermögen bei den Leistungen nach dem SGB II anrechnungsfrei gestellt. Denn der Hilfeempfänger soll nach dieser Vorschrift zwar ein vorhandenes, angemessenes Kraftfahrzeug behalten dürfen. Damit geht jedoch nicht einher, dass alle mit der Anschaffung eines Fahrzeuges verbundenen Mittel ebenfalls vor einer Anrechnung geschützt sind

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1.6 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 68/09 AS 13.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Absenkung der Regelleistung ist rechtswidrig, wenn die Behörde zuvor keine konkrete, verständliche, richtige und vollständige Rechtsfolgenbelehrung erteilt hat .

Aufgrund der der Antragstellerin am 03.07.2008 erteilten Rechtsfolgenbelehrung im Zusammenhang mit der Ergänzung der Eingliederungsvereinbarung vom 17.04.2008 ergeben sich entsprechende Zweifel an der Rechtmäßgkeit der Herabsetzungsentscheidung der Antragsgegnerin. Die Belehrung nach § 31 Abs. 1 SGB II muss konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (BSG Urt. v. 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - Rn 36). Daran bestehen hier erhebliche Zweifel, weil die Antragstellerin zum einen darauf hingewiesen wurde, dass ab dem 22. Tag nach der 0rtsabwesenheit der Anspruch auf Arbeitslosengeld II entfalle. Gleichzeitig war der Vereinbarung der Gesetzeswortlaut des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II beigefügt. Damit war für die Antragstellerin aber schon nicht mehr zweifelsfrei erkennbar, ob die Überschreitung der genehmigten 0rtsabwesenheit nur für deren Dauer Konsequenzen nach sich ziehen sollte oder zusätzlich der Sanktionstatbestand im genannten Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 SGB II infolge einer Verletzung der aus der Eingliederungsvereinbarung folgenden Pflichten verwirklicht werde.

0b darüber hinaus wichtige Gründe für das Verhalten der Antragstellerin vorgelegen haben - insoweit haben die Antragsgegnerin und das SG auch unter Berücksichtigung des Verdachts einer "Urlaubsverlängerung" nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin nicht allein über die Nutzung eines PKW entscheiden und die Rückreise mit anderen Verkehrsmitteln u.U. erhebliche Kosten verursacht hätte -, kann daher dahin stehen.

0b auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung i.S. des § 86 Abs. 2 S. 2 SGG, die mangels Eingriffs in eine bereits erfolgte Leistungsbewilligung für die Zeit ab 01.11.2008 zusätzlich hätte beantragt werden müssen (vgl. Sächs. LSG Beschl. v. 28.04.2008 - L 3 B 110/08 AS ER) vorgelegen haben, kann dahin stehen. Denn auch die nur teilweise Erfolgsaussicht führt bei einem einheitlichen Streitgegenstand zur vollständigen Bewilligung der Prozesskostenhilfe (ständige Rechtssprechung des Senats seit Beschl. v. 11.12.2006 - L 19 B 111/06 AS -; ebenso LSG NW Beschl. v. 13.03.2008 - L 20 B 6/08 SO).

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2. LSG Berlin-Brandenburg

2.1 LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.05.2009, Az. L 28 AS 848/08

Zur Bestimmung der Betriebskosten bei Hartz IV Empfängern ist in Berlin auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte BRD ermittelten Betriebskostenspiegel zurückzugreifen.

1. In Berlin sind für Bewilligungszeiträume zwischen Mai 2006 und Oktober 2007 bei einem Einpersonenhaushalt Unterkunftskosten (einschließlich Betriebs- und Heizkosten) von weniger als 360,00 € angemessen.

2. Die Angemessenheit der Nettokaltmiete richtet sich nach der im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße und nach dem qualifizierten Mietspiegel des jeweiligen Wohnortes. Die Richtlinien für die Förderung von eigengenutztem Wohnungseigentum sind keine maßgebliche Orientierungsgröße. Es ist vielmehr in Berlin auf die früheren Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau abzustellen, bei denen zuletzt Bauprojekte für 1,5 Zimmer-Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 45 qm gefördert wurden.

3. Maßgeblich für die Zeit bis jedenfalls Mitte 2007 ist der Mietspiegel 2005 vom 22. August 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, S. 3109 ff.), auch wenn dieser auf in den Vorjahren erhobenen Daten basiert. Denn Grundlage für die Beurteilung der maßgeblichen Nettokaltmiete kann stets nur ein in dem fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichter Mietspiegel sein. Andernfalls müsste regelmäßig nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels für die Vorjahre eine umfassende Überprüfung der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen erfolgen.

4. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises ist ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen Mittelwerten einer Zeile zu bilden. Weder erscheinen nur einzelne der im Wesentlichen nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich, noch sind innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder –höchstwerte als entscheidend anzusehen (aA LSG Berlin-Brandenburg vom 04.04.2008 – L 32 B 458/08 AS ER).

5. Zur Bestimmung der Betriebskosten ist auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel zurückzugreifen, nicht hingegen auf den 4/5 Spannen-Oberwert der im Mietspiegel enthaltenen Betriebskostenübersicht (so jedoch LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 04.04.2008 – L 32 B 458/08 AS ER – sowie vom 09.12.2008 – L 32 B 2223/08 AS ER) abzustellen.

6. Es bleibt offen, ob die Kosten für die Warmwasseraufbereitung vom Gesamtbetrag der Nebenkosten ganz oder teilweise in Abzug zu bringen sind. Es ist zu bedenken, dass zwar die Kosten der Warmwasseraufbereitung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Regelsatz zu tragen sind, in diesem jedoch hierfür Kosten nur in einer niedrigeren Höhe als nach dem maßgeblichen Betriebskostenspiegel für die Warmwasseraufbereitung enthalten sind.

3. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

3.1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 AS 88/08 ER - Beschluss vom 05.06.2008

Die Auszahlung eines Spielbankgewinns (auch zunächst in Jetons) ist anrechenbares Einkommen im SGB II .

Einkommen ist all das, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraums wertmäßig dazu erhält, Vermögen ist demgegenüber das, was er bei Beginn eines Zeitraums bereits hat (sog. Zuflusstheorie, vgl BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1999 – BVerwG 5 C 35.97 – BVerwGE 108, 296 ff. = NJW 1999, S. 3649 ff.; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. August 2001 – B 11 AL 15/01 R –, BSGE 88, 258 ff. = SozR 3-4300, § 193 Nr. 3, zitiert nach juris). Die Auszahlung eines Spielbankgewinns (auch zunächst in Jetons) ist ein Zufluss in diesem Sinne und damit als Einkommen zu werten, nämlich als einmalige Einnahme (vgl. in anderem Zusammenhang – dort: Steuererstattung – Urteil des Senats vom 4. März 2008, L 13 AS 7/06, m. w. N.). Vom Ausgangspunkt des § 9 Abs. 1 SGB II betrachtet findet der Zufluss einer werthaltigen Rechtsposition in dem Zeitpunkt statt, zu welchem unter Zugrundelegung einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der fragliche Vermögenswert zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht. Die Jetons konnte der Antragsteller zu 1. jederzeit in Bargeld umtauschen und hat diesen Umtausch auch sogleich veranlasst.

3.2 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 AS 816/07 ER 30.01.2008 , Beschluss

Wird ein Sanktionsbescheid der Arge dem Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht gerecht ist er rechtswidrig .

Jedoch wird der streitgegenständliche Absenkungsbescheid vom 28. Juni 2007 dem Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht gerecht und ist daher rechtswidrig (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. Oktober 2007 - L 7 AS 646/07 ER -). Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Ein Verfügungssatz, dem sich entnehmen ließe, in welchem Umfang konkret die Leistungen im Sanktionszeitraum gekürzt werden sollen, fehlt Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid verfügt: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird für die Zeit vom 1. August 2007 bis 31. Oktober 2007 um 30 vH der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des Ihnen zustehenden Auszahlungsbetrages abgesenkt Daraus ergibt sich eine maximale Absenkung in Höhe von 94,00 EUR. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit für den o.g. Zeitraum gemäß § 48 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben."

Dieser Verfügungssatz lässt jedenfalls nicht die tatsächliche Höhe der Absenkung der bewilligten Leistung erkennen und genügt damit nicht den Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind. Vielmehr ist es aus Gründen der Rechtsklarheit erforderlich, die konkrete Höhe der Leistungskürzung anzugeben (vgl dazu BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7 a AL 24/05 R - ). Auch durch Auslegung des Verfügungssatzes oder unter Heranziehung der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides lässt sich kein auf den vorliegenden Einzelfall bezogener konkreter Absenkungsbetrag ermitteln. Der Verfügungssatz erschöpft sich in der Benennung eines Absenkungsrahmens um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, in Höhe von maximal 94,00 EUR. Ebenso bietet die Bescheidbegründung keinen näheren Aufschluss über die genaue Höhe des Absenkungsbetrages. Im Gegenteil, sie ist falsch und irreführend - so heißt es im Bescheid vom 28. Juni 2007 ua: "Im Einzelnen sind von der Absenkung betroffen: - Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Die Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) stand in meinem pflichtgemäßen Ermessen." Eine auf § 31 Abs 1 SGB II, wie vorliegend, gestützte Absenkung betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift aber nur die nach § 20 SGB II maßgebende Regelleistung. Bei einer Sanktionsentscheidung nach § 31 SGB II ist es jedoch unabdingbar, dass der entsprechende Bescheid eine konkrete Einzelfallentscheidung dergestalt enthält, dass ein genauer Absenkungsbetrag zu entnehmen ist, um dem Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X zu entsprechen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. Oktober 2007 - L 7 AS 646/07 ER - mwN). Der Hilfebedürftige muss nämlich dem Bescheid mit der notwendigen Sicherheit entnehmen können, um welchen genauen Betrag die ihm gewährte Leistung gekürzt wird und welcher Betrag ihm dann für den Sanktionszeitraum zwecks Sicherung seines Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Zudem ist nicht nachvollziehbar, welcher Auszahlbetrag an Leistungen nach dem SGB II monatlich dem Antragsteller bzw den anderen einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft je monatlich aus dem Bescheid vom 6. Juni 2007 für die Monate August bis Oktober 2007 noch zusteht. Denn der genannte Bescheid weist nur den gesamten Zahlbetrag monatlich auf. Die Individualansprüche (vgl dazu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - ) der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind weder im Bewilligungsbescheid noch sonst in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners dokumentiert. Eine Überprüfung, ob die im Absenkungsbescheid vom 28. Juni 2007 bezifferte maximale Absenkung in Höhe von 94,00 EUR den monatlichen Individualanspruch des Antragstellers gegebenenfalls bereits übersteigt und damit dann evtl in rechtswidriger Weise eine Absenkung der Leistungen der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgen würde, ist nicht möglich. Desweiteren ist so nicht ersichtlich, ob Alg II-Leistungen für den Antragsteller im Sanktionszeitraum damit vollständig wegfallen mit der Folge des Wegfalls der Kranken- und Pflegeversicherung.

Eine Heilung gemäß § 41 SGB X kommt bei unbestimmten Verwaltungsakten nicht in Betracht, da kein Formfehler sondern ein materieller Fehler vorliegt (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 33 Rdnr 10; Waschull in LPK-SGB X, 2. Auflage 2007, § 33 Rdnr 5).

3.3 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 7 AS 456/09 B ER - Beschluss vom 23.06.2009

Der 7. Senat des LSG NSB teilt nicht die Auffassung, dass der Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung bezüglich Leistungen der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn Wohnungslosigkeit unmittelbar bevorstehe oder eine vergleichbare Notlage vorliege.

Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass der Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung bezüglich Leistungen der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn Wohnungslosigkeit unmittelbar bevorstehe oder eine vergleichbare Notlage vorliege. Es ist nämlich nicht ersichtlich, was die Anspruchsvoraussetzungen für die Übernahme von Mietschulden gemäß § 22 Abs. 5 SGB II mit der Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums durch Gewährung von Arbeitslosengeld II, zu dem gemäß § 19 Satz 1 auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gehören, zu tun haben. Vielmehr ist beim Streit um Arbeitslosengeld II in aller Regel ohne Weiteres ein Anordnungsgrund zu bejahen, weil gerade diese Leistung dazu bestimmt ist, den Lebensunterhalt und ein menschenwürdiges Wohnen zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung des Senates). Es stellt einen schwerwiegenden Wertungswiderspruch dar, wenn ein Gericht von einem Bürger, der Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Behördenentscheidung ersucht, verlangt, er solle sich davor gegenüber einem Dritten vertragswidrig verhalten und zunächst nicht vollständig die Miete zahlen oder eine Kündigung des Mietverhältnisses provozieren und abwarten. Dadurch werden nicht nur die Anforderungen an den Anordnungsgrund überspannt, sondern im Ergebnis Rechtsschutz verweigert. Wenn nach der abweichenden Auffassung zunächst die Kündigung des Mietverhältnisses als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewartet werden muss, können die erst für die Zeit ab Antragstellung beim Sozialgericht zugesprochenen Kosten für Unterkunft keinen effektiven Rechtsschutz mehr gewährleisten. Denn die Kündigung des Vermieters und der davor durch die rechtswidrige Verwaltungspraxis verursachte Zahlungsverzug bleiben bestehen mit der Folge, dass gleichwohl Wohnungslosigkeit eintreten kann. Man könnte im Gegenteil eher die Auffassung vertreten, dass nach Ausspruch einer Wohnraumkündigung keine Eilbedürftigkeit für danach entstehende Unterkunftskosten bestehe, wenn nicht sichergestellt sei, dass gleichzeitig auch die Mietschulden übernommen werden, so dass der Vermieter aus der ausgesprochenen Kündigung keine Rechte mehr herleiten kann. Um diese unerträglichen Verwerfungen zu vermeiden, geht der Senat davon aus, dass die Sozialleistung Arbeitslosengeld II in der Regel eilbedürftig ist, wenn dem Rechtsuchenden keine anderen zumutbaren Abhilfemöglichkeiten zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes und des menschenwürdigen Wohnens zur Verfügung stehen.

Von diesem Regelfall ist aber an die Anforderung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes eine Ausnahme in den Fällen zu machen, in denen ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung aktuell und auch in Zukunft keine spürbaren Nachteile zu befürchten sind, so dass die Antragsteller auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden können. Das gilt im Bereich der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II z.B. wenn ein Mietverhältnis unter engsten Familienangehörigen besteht und schon deswegen nicht zu befürchten ist, dass der fehlende Eilrechtsschutz zu Konsequenzen führen könnte. So verhält es sich hier. Nach umfassender Bewertung aller Umstände ist der Senat überzeugt, dass die Antragsteller zur Sicherung ihrer eigenen Rechtsposition nicht auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Hause des Vaters bzw. des Großvaters wohnen bleiben können.

4. Hessisches Landessozialgericht

4.1 Hessisches Landessozialgericht L 9 SO 65/09 B ER 19.05.2009 rechtskräftig , Beschluss

Dem Erlass der einstweiligen Anordnung steht nicht die Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dem Erlass der einstweiligen Anordnung auch nicht die Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist stets dann zulässig, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät käme. Das ist immer dann der Fall, wenn es um existenzsichernde Leistungen geht, aber auch, wenn es – wie hier – um die Verwirklichung von Grundrechten geht und es dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Das Risiko der Uneinbringlichkeit der Rückzahlungsforderung besteht immer bei zusprechenden Entscheidungen in Eilverfahren. Im Übrigen wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird, wenn Leistungen – wie hier – nur darlehensweise gewährt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juli 2008 – L 19 B 111/08 AS ER – m.w.N.-).

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5. Sozialgericht Detmold

5.1 Sozialgericht Detmold S 10 AS 87/09 ER 19.03.2009 , Beschluss

Minderung des Arbeitsosengeldes II um 100% ist rechtswidrig , wenn die Arge den Sanktionsbescheid zu spät erlässt .

1. Ungeachtet der Frage, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 31 SGB II erfüllt sind, dürfte der Sanktionsbescheid bereits nicht mehr in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang zur begangenen Pflichtverletzung ergangen sein. Zwar knüpft § 31 Absatz 6 Satz 1 SGB II Absenkung und Wegfall des Leistungsanspruchs lediglich an den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des feststellenden Verwaltungsaktes. Dies eröffnet dem Leistungsträger jedoch keine freie Wahl des Sanktionszeitraumes, sondern setzt als ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung und dem Erlass des Sanktionsbescheides voraus. Diese zeitliche Nähe stellt sicher, dass der mit der Sanktion auch verfolgte Zweck der Verhaltenssteuerung des Sanktionierten erreicht wird und verhindert zugleich, dass die Behörde Sanktionssachverhalte "aufsparen" kann und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise im Zusammenhang mit einer erneuten Pflichtverletzung, zum Anknüpfungspunkt für eine Sanktion macht (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06; SG Berlin, Beschluss vom 12.01.2006, Az. S 37 AS 11525/05 ER). Zwar ist dem Leistungsträger eine gewisse Frist für die Reaktion auf einen bekannt gewordenen Sanktionssachverhalt einzuräumen; dies erfordert bereits die Notwendigkeit der verwaltungstechnischen Umsetzung einer festzustellenden Absenkung. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang dürfte jedoch jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten seit Bekanntwerden des Absenkungs- oder Wegfallgrundes fehlen, wobei Ausnahmefälle, etwa bei aufwendigen Ermittlungen oder Verzögerungen, die der Hilfeempfänger zu vertreten hat, denkbar sind (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06).

Die Antragsgegnerin hat den Sanktionsbescheid erst 4 1/2 Monate nach vollständigem Bekanntwerden des Sanktionssachverhaltes ausgesprochen. Eine Ausnahmesituation, die ein Abweichen von der vorbezeichneten für angemessen gehaltenen Frist von drei Monaten rechtfertigen würde ist nicht ersichtlich.

5.2 Sozialgericht Detmold S 18 AS 172/06 09.11.2007 rechtskräftig , Urteil

Die Nicht - Vorlage schriftlicher Bewerbungsunterlagen durch den Hilfebedürftigen darf durch die Arge sanktioniert werden .

Vorliegend hat der Kläger insoweit gegen seine laut Eingliederungsvereinbarung vom 13.02.2006 bestehenden Pflichten verstoßen, als er der Aufforderung des L-Bildungswerkes durch der Zeugin H zur Vorlage schriftlicher Bewerbungsunterlagen nicht nachgekommen ist. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsakte und der Aussage der Zeugin H ist er am 02.06.2006 wiederholt gebeten worden, zumindest einen handschriftlichen Lebenslauf sowie weitere Bewerbungsunterlagen bis spätestens zum 09.06.2006 vorzulegen, was er nicht getan hat. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, dass er bis zu diesem Zeitpunkt bereits Unterlagen vorgelegt habe und seine Daten der Zeugin H bekannt gewesen seien, ist dies unter Würdigung der vorliegenden Aktenunterlagen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht nachvollziehbar.

So hat die Zeugin H glaubhaft bekundet, dass der Kläger die geforderten Bewerbungsunterlagen, selbst einen handschriftlichen Lebenslauf nicht vorgelegt habe. Ferner hat die Zeugin nachvollziehbar ausgeführt, dass es zu einer zügigen und effektiven Vermittlungstätigkeit erforderlich sei, von Anfang an komplette Bewerbungsunterlagen zur Verfügung zu haben. Auch hat die Zeugin dargelegt, dass der Kläger mehrfach aufgefordert wurde, solche Unterlagen einzureichen und ihm hierzu jeweils eine angemessene Frist eingeräumt worden sei.

Demgemäß hat sich die Behauptung des Klägers, er habe in hinreichender Form Unterlagen bereits vorgelegt, nicht bestätigt. Nach Überzeugung der Kammer war es ihm auch zumutbar, die geforderten Bewerbungsunterlagen vorzulegen, weil dies einer effektiven Vermittlungstätigkeit dient und das diesbezügliche Ansinnen der Zeugin H einleuchtend und nachvollziehbar ist, insbesondere keine "Provokation" darstellt (siehe auch LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006, AZ: L 9 B 153/06 AS ER). Der Kläger hat aufgrund seines Verhaltens nicht aktiv an der Vermittlung mitgewirkt.

Dem Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass ihm ein wichtiger Grund für sein Verhalten im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II zuzuerkennen ist. Er mag sich zwar insofern noch in einer schwierigen Lebenssituation befunden habe, in dem er zum damaligen Zeitpunkt erst seit wenigen Wochen wieder eine neue Wohnung bezogen hat, demgegenüber hatte er jedoch hinreichend Gelegenheit gehabt, innerhalb der großzügig bemessenen Fristen die geforderten Unterlagen zu erstellen und bei der Zeugin H vorzulegen. Die Zeugin H hat ihm sogar die Möglichkeit eingeräumt, einen lediglich handschriftlich erstellten Lebenslauf einzureichen.

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6. Sozialgericht Aachen

6.1 Sozialgericht Aachen S 20 SO 20/09 14.07.2009 , Urteil

Zu Beginn des Bedarfszeitraums gezahltes Überbrückungsgeld ist auf Grundsicherungsleistungen im Alter anzurechnen .

Sozialhilferechtlich ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat (sog. Zuflusstheorie; BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 286). An dieser noch unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) getroffenen Abgrenzung hat sich seit der Ablösung des BSHG durch das SGB XII ab 01.01.2005 nichts geändert. Soweit das BSG durch Urteil vom 30.07.2008 (B 14/11b AS 17/07 R), auf das der Kläger sich beruft, entschieden hat, dass - anders als unter der Geltung des BSHG - maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen die Antragstellung ist und Einkommen grundsätzlich alles das ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er von Antragstellung bereits hatte, bezieht sich dies ausdrücklich auf das SGB II. Das BSG hat dies damit begründet, dass die Leistungsgewährung nach § 5 BSHG keinen Antrag vorausgesetzt habe, weshalb Bedarfszeit nach der Rechtsprechung des BVerwG die Zeit gewesen sei, in der der Bedarf bestanden habe und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken gewesen war. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG sei in der Regel auf den jeweiligen Kalendermonat als der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen gewesen. An dieser Rechtsprechung könne - so das BSG - für das SGB II nicht angeknüpft werden, weil § 37 SGB II ein konstitutives Antragserfordernis statuiere, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden.

Diese Rechtsprechung des BSG ist auf Sozialhilferecht und speziell auch auf das GSi-Recht nach dem 4. Kapitel des SGB XII nicht übertragbar, auch wenn GSi-Leistungen nur auf Antrag (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) gewährt werden. Denn anders als SGB II-Leistungen, die nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II), beginnt der Bewilligungszeitraum für Leistungen der GSi im Alter am Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist oder die Voraussetzungen für Änderungen eingetreten oder mitgeteilt worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Auch hier kommt es also nicht allein auf das Datum der Antragstellung an, sondern auf den Beginn des Bedarfsmonats (der Antragstellung), hier also auf den 01.05.2008. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger das in der Haft verdiente und angesparte Überbrückungsgeld bereits zugeflossen; es war ihm am Tag der Entlassung, dem 30.04.2008, in bar ausgezahlt worden. Da der Kläger das Geld also bereits zu Beginn des Bedarfszeitraums am 01.05.2008 hatte, handelt es sich sozialhilferechtlich um Vermögen. Dieses Vermögen hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum im vollem Umfang einzusetzen.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Sozialhilfe nicht vom Einsatz eines Barbetrages unter 2.600,00 EUR (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) hätte abhängig gemacht werden dürfen. Der Kläger verkennt die Bedeutung des § 51 Abs. 1 StVollzG, der den Zweck des Überbrückungsgeldes bestimmt. Hierzu hat das BVerwG im Urteil vom 21.06.1990 (5 C 64/86) ausgeführt: "Das Überbrückungsgeld dient nach seiner gesetzlichen Zweckbestimmung der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts nach der Entlassung des Gefangenen. Dieser soll seinen Lebensunterhalt nach der Entlassung mit eigenen Mitteln bestreiten können und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein, die dem Mittellosen sonst den notwendigen Lebensunterhalt sichert. Die Verpflichtung, ein Überbrückungsgeld zu bilden, dient also der Freistellung von Sozialhilfe. Dieser Funktion entsprechend muss es geeignet sein, in vorhandener Höhe einen ohne Überbrückungsgeld bestehenden Sozialhilfeanspruch zu beseitigen. An dieser Funktion gemessen können weder das ganze Überbrückungsgeld noch Teile davon Schonvermögen sein. Denn soweit es Schonvermögen wäre, minderte es die Sozialhilfebedürftigkeit nicht. Ordnete man das Überbrückungsgeld oder Teile davon als Schonvermögen ein, könnte damit der in § 51 StVollzG für das Überbrückungsgeld festgesetzte Zweck, die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts, nicht erreicht werden." Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an (vgl. ebenso: VG Augsburg, Beschluss vom 25.07.2002 - Au 9 E 02.754; VG Augsburg, Urteil vom 15.02.2002 - Au 3 K 01.1210; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2009 - L 12 AS 5623/08).

Das Gericht hat die im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (518,00 EUR) an sich nicht statthafte Berufung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGG) gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.

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