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Rechtsprechungsticker von Tacheles 25 KW / 2009

Rechtsprechungsticker von Tacheles 25/2009

1. Bayerisches Landessozialgericht

1.1 Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 994/08 AS PKH 02.03.2009 , Beschluss

Hartz IV Empfänger darf einen Arbeitsplatz nicht allein wegen mangelnder Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ablehnen.

Die Behörde darf die Regelleistungen um 30 % kürzen, denn die Frage der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ist nicht im Rahmen eines wichtigen Grundes iSd § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II zu prüfen, sondern dies ist eine Frage der Zumutbarkeit des Arbeitsplatzangebotes, wie aus § 10 Abs 2 Nr. 3 SGB II zu schließen ist. Hierbei geht der Gesetzgeber jedoch generalisierend davon aus, dass es in der Regel keinen unerreichbaren Arbeitsplatz gibt und gegebenenfalls auch ein Umzug ins Auge zu fassen ist, es sei denn, dem stehen wichtige Gründe entgegen, so dass die Aufnahme einer solchen Beschäftigung unzumutbar iSd § 10 Abs 1 Nr. 5 SGB II erscheint (vgl. im Einzelnen zum sog. Job-Nomadentum: Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl. 2008, § 10 Rn.41, 125).

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1.2 Bayerisches Landessozialgericht L 8 B 900/07 SO PKH 23.01.2009, Beschluß

Trotz Einsatzes von vorhandenem Vermögen zur Schuldendeckung hat Hilfebedürftiger Anspruch auf Sozialhilfe.

Ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe besteht grundsätzlich auch bei einer schuldhaft herbeigeführten Hilfebedürftigkeit. Ursache und Zustandekommen einer Bedarfssituation sind regelmäßig, von einzelnen Ausnahmen abgesehen (vgl. §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 3 SGB XII), unerheblich für die Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers (vgl. Lücking in: Hauck/Noftz, SGB XII K § 103 Rz.: 1). Dabei gilt grundsätzlich das Faktizitätsprinzip, wonach sich ein Sozialhilfeanspruch regelmäßig nicht nach den Gründen der Notlage richtet und lediglich die tatsächliche Notlage des Leistungsberechtigten maßgeblich ist (vgl z.B. BSG v. 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 23/06 R; Rothkegel, die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, 2000, S. 18 m.w.N.).

Gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII ist jedoch der Leistungsempfänger zur Selbsthilfe verpflichtet. Dies hat der Gesetzgeber unter anderem auch durch die Verpflichtung zum Einsatz von Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten (vgl. z.B. §§ 19, 82 ff SGB XII) ausgestaltet. Der Leistungsberechtigte ist danach verpflichtet, sein Einkommen und verwertbares Vermögen zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen, soweit die Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen dies von ihm fordern (Dauber in Mergler/ Zink, Sozialgesetzbuch XII und Asylbewerberleistungsgesetzes, § 2, Rz. 9).

Nach Auffassung des Senats verletzt die Rückzahlung des Darlehens an Herrn H. Y. aus dem vorhandenen Vermögen der Antragsteller ohne Hinzutreten weiterer subjektiver Tatbestände, nicht den Selbsthilfegrundsatz. Die Rechtsfolge des Ausschlusses eines Anspruchs auf Sozialhilfe trifft hier nicht ein. Die gegenteilige Auffassung wird wohl in der Literatur teilweise bejaht (vgl. z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Auflage, § 2, Rz.: 12 m.w.N.).

So soll ein Leistungsberechtigter der dem Selbsthilfegebot zuwider handelt, indem er Schulden begleicht, seinen Anspruch auf Sozialhilfe verlieren (vgl. Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, neunte Auflage, Stand August 2007, § 2, Rz.: 9 m.w.N.). Der Gesetzgeber lässt jedoch eine Durchbrechung des Grundsatzes der Faktizität nur ausnahmsweise unter sehr engen subjektiven Voraussetzungen zu. So fordert beispielsweise § 26 Abs. 1 SGB XII bei einer Beschränkung der Hilfe zum Lebensunterhalt auf das zum Lebensunterhalt unerlässliche eine "Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen herbeizuführen", bzw. die §§ 41 Abs. 3, 103 SGB XII vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten Nach Auffassung des Senats lässt sich im vorliegenden Fall der Grundsatz der Faktizität nicht durch eine bloße Berufung auf das Selbsthilfegebot in § 2 SGB XII durchbrechen. Die gegenteilige Auffassung (vgl. Wahrendorf, aaO) verkennt den strengen Ausnahmecharakter der Vorschriften in §§ 26, 4 Abs. 3 und 103 SGB XII. So wird zu Recht gefordert, dass der Hilfesuchende hätte wissen müssen, dass er vorhandenes Einkommen und Vermögen vorrangig zur Bedarfsdeckung des eigenen Lebensunterhaltes und nicht zur Begleichung von Schulden zu verwenden hat (vgl. Dauber, a.a.O.).

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2. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

2.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 411/08 AS ER 08.06.2009, Beschluss

Für einen Hartz IV Empfänger ist ein Umzug unzumutbar, wenn er sich in ständiger psychiatrischer Behandlung befindet und keinen Belastungen ausgesetzt werden darf.

Auf die Einwendungen des Antragsgegners hiergegen hat der Senat von Dr. C eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Hierin hat er ausgeführt, dass bereits die schwebende Umzugsaufforderung gravierende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin gehabt habe. Seit dem 27.10.2008 befinde sich die Antragstellerin bei ihm erneut in Behandlung und zur Verlaufskontrolle. Neben den Gesprächsleistungen werde sie auch medikamentös behandelt. Sie habe über zunehmende Unruhe, Nervosität, Anspannung, Ängste, Beklemmungen, Kopfdruck, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen geklagt. Am 30.04.2009 sei es zu einer Krisenintervention gekommen. Sie sei sehr hektisch und getrieben gewesen und habe erhebliche somatisierte Beschwerden gehabt. Seit Oktober 2008 seien insgesamt sechs ärztliche Behandlungen durchgeführt worden.

Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 02.06.2009 erwidert hat, dass ein kausaler Zusammenhang zu der Umzugsaufforderung des Antragsgegners und der Erkrankung der Antragstellerin nicht gesehen werden könne, überzeugt dies den Senat aufgrund der ausführlichen Einlassungen von Dr. C nicht. Mangels eigener medizinischer Sachkunde kann sich der Senat über diese ausführlichen Ausführungen des behandelnden Neurologen und Psychiaters im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinwegsetzen. Die Gerichte haben sich zudem auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren schützend und fördernd vor die Grundrechte der hilfebedürftigen Menschen zu stellen (BVerfG a.a.O.). Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) hat jeder das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Diesem Grundrecht und seiner Bedeutung ist im Rahmen der gemäß § 86b Abs. 2 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung Rechnung zu tragen.

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Anmerkung: Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe ergibt sich hier möglicherweise aus § 22 Abs. 1 Satz 3 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB II -. Nach dieser Vorschrift sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles entsprechenden Umfang übersteigen, so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Art und Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die im Gesetz vorgesehene Regelfrist ist dabei nicht so zu verstehen, dass nach Ablauf von sechs Monaten auch bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Kostensenkung die Kosten der Unterkunft nur noch in angemessener Höhe zu übernehmen sind (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 60). Sie belegt vielmehr, dass eine Beschränkung auf die angemessenen Kosten regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn die Hilfebedürftigen vorher Gelegenheit gehabt haben, ihre unangemessen hohen Kosten zu senken. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass dies innerhalb des zeitlichen Rahmens von sechs Monaten im Regelfall möglich sein wird. Die Übernahme der Kosten lediglich bis zur angemessenen Höhe soll nur die Hilfebedürftigen treffen, die es vorwerfbar versäumt haben, ihre unangemessen hohen Kosten zu reduzieren; sie setzt folglich voraus, dass es den Hilfebedürftigen vorher tatsächlich möglich und zumutbar gewesen sein muss, ihre Unterkunftskosten zu reduzieren (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 55). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind auch für einen längeren Zeitraum als sechs Monate weiter die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, gegebenenfalls sogar auf Dauer. Die gesetzliche Regelfrist bedeutet danach nur, dass vor Ablauf von sechs Monaten regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass eine Kostensenkung möglich und zumutbar war (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 14 AS 274/09 B ER 27.03.2009 rechtskräftig, Beschluss ) .

Die Unzumutbarkeit eines Umzugs wegen einer affektiven Bindung an eine bestimmte Unterkunft nach langjähriger Nutzung unter Aufgabe des vertrauten Lebenskreises bzw. des Lebensalters von Hilfebedürftigen kann in Betracht kommen, wenn in kurzer Zeit ein Ende der Hilfebedürftigkeit absehbar ist (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 22 Rdz. 56; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 22 Anm. 59 mit Rechtsprechungsnachweisen; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2007, L 14 B 1650/07 AS ER)

Bei gesundheitsbedingtem Umzugshindernis besteht behördliche Verpflichtung, überhöhte Unterkunftskosten zu tragen (LSG Berlin-Brandenburg vom 23.07.2007, L 28 B 1061/07 AS PKH ) . Ein Umzug ist erst bei einer vom Durchschnitt abweichenden besonderen Belastungssituation unzumutbar, etwa bei Gebrechlichkeit im hohen Alter, aktueller schwerer Krankheit oder Behinderung. Bei substantierter Berufung auf gesundheitsbedingte Umzugshindernisse ist gegebenenfalls gutachterliche Klärung geboten( vgl. Berlit in LPK-SGB-II, 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 59 m. w. Nachw.).

Ein solche Hindernis liegt vor bei ärztlich festgestellter multimodaler Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung mit Koordinationsstörung der Grobmotorik und Interaktionsstörung eines Kindes, wenn der Erfolg einer laufenden Therapie wesentlich vom Erhalt des Schutzraumes "Wohnung" abhängt.

Der Grundsicherungsträger nach dem SGB II ist auch bei einer bereits bestandskräftigen Kostensenkungsaufforderung verpflichtet weiterhin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen , wenn der Hilfebedürftige aus ärztlicher Sicht im Falle eines Wohnungswechsels gravierenden gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wäre . Dies gilt insbesondere dann, wenn ihm bei einer Ablehnung seines Antrags existenzielle Nachteile drohen, die er aus eigener Kraft nicht imstande ist von sich abzuwenden (vergleiche dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2009, Az. L 25 AS 70/09 B ER ) .

2.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 9 AS 68/06 28.05.2009, Urteil

Hartz IV Empfänger hat keinen Anspruch auf Übernahme der von ihm für Strom geleisteten Abschlagszahlungen.

Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Übernahme der von ihm für Strom geleisteten Abschlagszahlungen. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - m.w.N.) war auch schon vor dem Inkrafttreten der klarstellenden Neufassung des § 20 Abs. 1 SGB II davon auszugehen, dass zu dem der Regelleistung zuzuordnenden Bedarf die Position Haushaltsenergie gehört, die auch die vom Kläger geltend gemachten Stromkosten umfasst. Seine Stromkosten hat der Kläger daher aus der Regelleistung zu bestreiten

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2.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 279/08 AS NZB 08.06.2009 rechtskräftig, Beschluss

Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, ob die Heizkosten für die Unterkunft allein wegen der Überschreitung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als angemessen zu betrachtenden Wohnflächengrenze nur anteilig im Verhältnis zur angemessenen Wohnfläche berücksichtigt werden dürfen.

Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Verfahren insbesondere die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist, ob die Heizkosten für die Unterkunft allein wegen der Überschreitung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als angemessen zu betrachtenden Wohnflächengrenze nur anteilig im Verhältnis zur angemessenen Wohnfläche berücksichtigt werden dürfen. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu ist bislang nicht ergangen. Zu dieser Rechtsfrage ist derzeit vielmehr ein Revisionsverfahren vor dem BSG noch anhängig (B 14 AS 65/08 R). Die Rechtsfrage ist damit auch klärungsfähig.

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2.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 397/08 AS ER 08.06.2009 rechtskräftig, Beschluss

Die Vorgaben zur Berücksichtigung von Einkommen im SGB II, insbesondere § 11 SGB II, ist im Rahmen der Berechnung der zu gewährenden Leistungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II nicht zu berücksichtigen und insbesondere gewährtes Kindergeld nicht als Einkommen anzurechnen.

In Übereinstimmung mit dem SG sind die Vorgaben zur Berücksichtigung von Einkommen im SGB II, insbesondere § 11 SGB II, im Rahmen der Berechnung der zu gewährenden Leistungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II nicht zu berücksichtigen und insbesondere gewährtes Kindergeld nicht als Einkommen anzurechnen (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.03.2009, L 19 AS 79/08; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27.03.2009, L 6 AS 340/08 B ER und Beschluss vom 02.08.2007, L 9 AS 215/07 ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2008, L 14 B 133/08 AS ER jeweils m.w.N.; Sozialgericht Schwerin, Beschluss vom 29.03.2007, S 10 ER 49/07 AS, Rn. 24; a.A. unter anderem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.02.2009, L 5 AS 74/08, anhängig beim Bundessozialgericht -B 14 AS 23/09 R-). Zwar lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber den Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II davon abhängig machen wollte, dass dem Auszubildenden selbst überhaupt Kosten für Unterkunft und Heizung entstehen und das diese nach Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ungedeckt sind. Daraus folgt aber nicht, dass der Gesetzgeber von einer Anrechnung von Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des SGB II ausgegangen ist. Da sowohl Leistungen nach dem BAföG als auch nach dem SGB II bedürftigkeitsabhängige Leistungen sind, auf die regelmäßig Einkommen und Vermögen angerechnet wird und im Übrigen nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber abweichend von den den Bestimmungen des BAföG zu Grunde liegenden Wertungen eine Verschlechterung der Situation von BAföG-Empfängern, die mit Hilfesuchenden nach dem SGB II bzw. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Bedarfsgemeinschaft lebten, gegenüber anderen BAföG-Empfängern beabsichtigt hat, ist § 22 Abs. 7 SGB II dahingehend auszulegen, dass die ungedeckten Unterkunftskosten ohne erneute Prüfung des (Gesamt-) Bedarfs und Anrechnung des Einkommens zu ermitteln sind. Diese Auslegung entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der ergänzend zu der pauschalierenden Regelungen der Ausbildungsförderungsvorschriften Leistungen insbesondere für diejenigen erbringen wollte, die mit Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben und ihren eigenen Anteil an den Unterkunftskosten nicht bzw. nicht vollständig erstattet bekommen. Beabsichtigt ist nur die Aufstockung der Unterkunftsleistungen bis zur Bedarfsdeckung. Dass Leistungen nur nach vorheriger Ausschöpfung auch des nach dem BAföG anrechnungsfreien Einkommens erbracht werden sollten, kann der Gesetzesbegründung nicht entnommen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Wertung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II wird deutlich, dass der Gesetzgeber bewusst verschiedene Leistungssysteme zur Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse bedürftiger Bürger zur Verfügung stellen wollte. Während in schulischer, betrieblicher oder universitärer Ausbildung befindliche Hilfebedürftige grundsätzlich dem Leistungssystem des BAföG bzw. dem der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III unterfallen, beziehen sonstige erwerbsfähige Hilfebedürftige, welche sich nicht in einer Ausbildung befinden, grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II. Der Gesetzgeber hat damit bewusst sich grundsätzlich gegenseitig ausschließende Leistungssysteme geschaffen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 06.09.2007, Az.: B 14/7 B AS 36/06 R, m.w.N.). Für die Ausbildungsförderung hat er ein spezialgesetzliches Leistungssystem etabliert. Die im BAföG und SGB III vorgesehenen Ausbildungsförderungsmöglichkeiten sind nach der gesetzgeberischen Konzeption des Gesamtsozialleistungssystems abschließend. Auch das Arbeitslosengeld II soll nicht dazu dienen, subsidiär die Ausbildung in solchen Fällen zu fördern, in denen die Leistungsvoraussetzungen nach dem BAföG oder dem SGB III nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 06.09.2007, Az.: B 14/7 B AS 28/06 R, m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Überzeugung, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der Durchbrechung der Trennung dieser Leistungssysteme nach § 7 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 SGB II sowie insbesondere vorliegend gemäß § 22 Abs. 7 SGB II an seiner Grundentscheidung, der Trennung der Leistungssysteme, im Grundsatz festhalten wollte. Danach sind Auszubildende, welche Leistungen nach dem BAföG oder Berufsausbildungs-beihilfe nach dem SGB III beziehen, vorrangig nach den im Rahmen der Konzeption dieser Leistungssysteme geltenden Grundregeln und grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers zu behandeln, nicht hingegen nach den Regelungen des SGB II, auch wenn die zusätzlich von ihnen bezogenen Leistungen - insbesondere solche nach § 22 Abs. 7 SGB II - durch den Gesetzgeber - wohl systemwidrig im Rahmen des SGB II nicht hingegen im BAföG oder SGB III normiert wurden. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber - auch soweit er eine Normierung im SGB II vorgenommen hat - von seiner grundsätzlichen Entscheidung, der strikten Trennung dieser Leistungssysteme, absehen und abweichen wollte. Daher muss vorliegend die vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung hinsichtlich der Nichtanrechenbarkeit von bezogenem Kindergeld als Einkommen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem BAföG bzw. nach dem SGB III auch bei Bezug von Leistungen nach § 22 Abs. 7 SGB II Geltung finden und Bestand haben. Durch den ergänzenden Bezug von Leistungen nach § 22 Abs. 7 SGB II wird die Klägerin nicht zur Bezieherin von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, sondern bleibt als vorrangige Bezieherin von Berufsausbildungsbeihilfe dem SGB Ill-Leistungssystem der Ausbildungsförderung unterworfen.

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2.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 9 AS 5/06 28.05.2009 ,Urteil

Die Übernahme von Kabelanschlussgebühren kommt nur dann in Betracht, wenn der Mieter die Zahlung dieser Kosten mietvertraglich schuldet.

1. Die Übernahme von Kabelanschlussgebühren kommt aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nur dann in Betracht, wenn der Mieter die Zahlung dieser Kosten mietvertraglich schuldet (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 48/08 R -). Zudem ist weitere Voraussetzung, dass der Fernsehempfang - im hier fraglichen Zeitraum - nicht anderweitig technisch sichergestellt war (vgl. BSG, a.a.O.). Der Senat geht insoweit davon aus, dass der Kläger im Jahre 2005 über die Gemeinschaftsantenne in der Lage war, Fernsehprogramme zu empfangen.

2. Im Rahmen der Angemessenheit hat Hilfebedürftiger Anspruch auf Übernahme der vollständigen und tatsächlichen Kosten für die Bereitung von Warmwasser.

Allerdings besteht dieser Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung nur, soweit der Bedarf nicht schon anderweitig gedeckt ist. Dies ist jedoch der Fall, da die Kosten der Warmwasserbereitung bereits von der Regelleistung gemäß § 20 SGB II umfasst sind und daher nicht zweifach gedeckt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11 b AS 15/07 R -). Dies wird durch die Neufassung der Norm durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) fixiert, indem nunmehr in § 20 Abs. 1 SGB II geregelt ist, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Insoweit handelt es sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1410 S. 23) zur Neufassung (lediglich) um eine Klarstellung, nach der insbesondere die Kosten der Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten seien und nicht als Bestandteil der Kosten der Unterkunft übernommen werden könnten. Demnach war die Höhe der Leistungen auch vor Inkrafttreten der Neuregelung nach gleicher Maßgabe zu bestimmen.

Folgt hieraus die Möglichkeit der grundsätzlichen Abzugsfähigkeit der Kosten für Warmwasserbereitung (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R -), so ist dieser Abzug nur in der Höhe gerechtfertigt, in der ansonsten dem Leistungsempfänger eine doppelte Leistung gewährt würde. Maßgeblich ist demnach, welcher Anteil der Regelleistung bereits für die Zubereitung von Warmwasser gewährt wurde. Dieser nicht exakt messbare Anteil für Kosten der Warmwasserbereitung wird in der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteile vom 27.02.2008 - B 14/11 b AS 15/07 R - und vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R -) auf der Grundlage einer Empfehlung des Deutschen Vereins für die öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahre 1991 auf 30 % des im sozialhilferechtlichen Regelsatz enthaltenen Betrages für Haushaltsenergie geschätzt. Im streitigen Zeitraum machte dies einen Betrag von 6,22 EUR monatlich - ausgehend von der Regelleistung West in Höhe von 345,- EUR monatlich und einem aus der Einkommens - und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 fortgeschriebenen und hochgerechneten Anteil für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 EUR - aus (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Diesen Erwägungen des BSG schließt sich der Senat ausdrücklich an.

3. Auch auf die Übernahme der von ihm für Strom geleisteten Abschlagszahlungen von 40,- EUR monatlich hat der Kläger keinen Anspruch. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - m.w.N.) war auch schon vor dem Inkrafttreten der klarstellenden Neufassung des § 20 Abs. 1 SGB II davon auszugehen, dass zu dem der Regelleistung zuzuordnenden Bedarf die Position Haushaltsenergie gehört, die auch die vom Kläger geltend gemachten Stromkosten umfasst. Seine Stromkosten hat der Kläger daher aus der Regelleistung zu bestreiten.

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2.6 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 99/09 AS 27.05.2009 rechtskräftig, Beschluss

Erhöhen sich durch einen nicht erforderlichen Umzug die Kosten für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Erhöhen sich durch einen nicht erforderlichen Umzug die Kosten für Unterkunft und Heizung eines Langzeitarbeitslosen , werden die Leistungen des Grundsicherungsträgers nach dem SGB II weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht , so urteilte mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.05.2009 das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 B 99/09 AS - .

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht. Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Der kommunale Träger ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Zusicherung nur verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendung für die neue Unterkunft angemessen sind Eine Zusicherung hat die Hilfebedürftige nicht eingeholt. Insbesondere liegt in dem Informationsschreiben der Behörde vom 06.06.2007 keine solche Zusicherung bezüglich der Übernahme von Mietaufwendungen in einer bestimmten Höhe, da sich dieses Schreiben auf eine andere als die nun zu finanzierende Wohnung bezog. Zu Recht hat die Behörde nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2008 bis 31.10.2008 nur die Kosten der zuvor genutzten Unterkunft bewilligt, da der Umzug in die neue Wohnung bei der im PKH-Verfahren alleine möglichen summarischen Prüfung nicht als erforderlich im Sinne der Vorschrift angesehen werden kann (vgl. zum Begriff der Erforderlichkeit: Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Randnr. 47 d ff., Beschluss des Hessischen LSG vom 19.03.2009 - L 7 AS 53/09 B ER ).

Die aus der Hilfebedürftigen und ihrer Tochter bestehende Bedarfsgemeinschaft verfügte bereits vor dem 01.04.2008 über der Größe nach angemessenen Wohnraum. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße abzustellen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 B AS 18/06 R). Nach den Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 13.11.1989 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006 ist für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass in der Regel für einen Haushalt mit zwei Haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 60 m² Wohnfläche im Sinne von § 27 Abs. 4 des Wohnungsbauförderungsgesetzes angemessen sind (Ziff. 5.7), ausführlich hierzu zuletzt Urteil des Senats vom 16.02.2009 - L 19 AS 62/08 -). Danach verfügte die aus der Klägerin und ihrer Tochter bestehende Bedarfsgemeinschaft nicht nur über eine der Größe nach angemessene Unterkunft, sondern zudem über eine 3-Zimmer-Wohnung anstelle der sozialrechtlich zustehenden 2-Zimmer-Wohnung.

Ein in der vormaligen Wohnung nicht gedeckter Raumbedarf ist auch unter Berücksichtigung der von der Tochter zu erledigenden Schularbeiten nicht festzustellen.

Selbst wenn man annähme - der Senat lässt dies offen -, dass bei letztlich auf jedem beliebigen Tisch zu erledigenden Schularbeiten ein besonderer Raumbedarf entstünde, wäre diesem Bedarf nach geltendem Recht wegen des Vorhandenseins eines dritten Zimmers in der vormaligen Wohnung der Klägerin bereits genügt gewesen: Nach 6.72 der vorgenannten Richtlinien zum Wohnungsbindungsgesetz ist unter anderem bei Alleinerziehenden mit Kindern ab vollendetem 6. Lebensjahr als auch wegen besonderer persönlicher oder beruflicher Bedürfnisse einer Haushaltsangehörigen Person ein zusätzlicher Raum oder eine zusätzliche Wohnfläche von 15 qm zuzubilligen. In der vormaligen Wohnung gab es diesen zusätzlichen dritten Raum.

Eine Annahme hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 73 a SGG, 114 ZPO rechtfertigt auch nicht die Argumentation der Klägerin, die Warmmiete der ab dem 01.04.2008 bewohnten Wohnung liege noch unter dem von der Arge selbst in der Vergangenheit für angemessen erachteten Maß der Kaltmiete für zwei Personen. Ein derart einschränkendes Verständnis widerspräche dem gesetzgeberischen Ziel des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I, S. 1706) neu gefasst und gilt seit dem 01.08.2006. Nach den Materialien (BT-Drs. 16/1410 S. 23) verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, gerade den Kostensteigerungen entgegenzuwirken, die sich in den Fällen ergeben, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten umziehen. Das Gesetz reagiert darauf mit einer Begrenzung des Leistungsanspruchs auf die bisher gewährten angemessenen Unterkunftskosten. Die gestiegenen Kosten für Unterkunft und Heizung muss der Leistungsempfänger dann selbst (aus der Regelleistung) aufbringen (Lang/Link,SGB II, 2. Aufl., § 22 Randnr. 47 a ).

Die nur teilweise Übernahme der tatsächlich entstehenden Unterkunftskosten greift faktisch in den Schutzbereich des der Klägerin nach Art. 11 des Grundgesetzes garantierten Freizügigkeitsrechts ein, dessen sachlicher Schutzbereich nicht nur die Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Wohnsitznahme und die Freizügigkeit beim Umzug zwischen Ländern und Gemeinden, sondern auch den Umzug innerhalb einer Gemeinde umfasst (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.03.2004 - 1 BvR 1266/00, Bundesverfassungsgerichtsentscheidung BVerfGE 110, 177 ff. mit Anmerkung Berlit in jurisPR-SozR 17-2004 Anmerkung 1).

Das Freizügigkeitsrecht der Klägerin ist jedoch nicht verletzt. Nach Art. 11 Abs. 2 GG kann das Freizügigkeitsrecht nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen unter anderem eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist. Dieser Fall ist bei der Klägerin gegeben, da sie nach dem aktenkundigen Sachverhalt über Eigenmittel nicht verfügt und auch ihre Unterkunftskosten daher ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestreitet. Das Grundrecht auf Freizügigkeit gibt keinen Anspruch gegen die öffentliche Hand auf Leistungen, die einen Ortswechsel praktisch erst ermöglichen (Beschluss des OVG Bremen vom 24.11.2008 - S 2 B 558/08, S 2 B 559/08 - ) .

Anmerkung: Ein Umzug ist im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II erforderlich, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist. Dies ist bei einem Antragsteller, der zur besseren Wahrnehmung des Umgangsrechts oder zur Aufrechterhaltung des Kontaktes mit seinem zweieinhalbjährigen Kind in eine andere Wohnortgemeinde umzieht, regelmäßig der Fall. Er kann daher die Übernahme der neuen - angemessenen - Unterkunftskosten vom nach dem Umzug zuständigen Leistungsträger beanspruchen, auch wenn diese höher als diejenigen am früheren Wohnort sind ( Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 53/09 B ER , Beschluss vom 19.03.2009 ).

Erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II ist ein Umzug, wenn für ihn ein wichtiger Grund vorliegt (Lang/Linck in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 80). Das ist vorliegend der Fall, weil die gegenwärtigen Wohnverhältnisse der Antragsteller unangemessen beengt sind ( Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 14 B 768/08 AS ER Beschluss vom 20.05.2008 )

Eine Definition, wann ein Umzug erforderlich ist, enthält das Gesetz nicht. Derselbe Begriff wird jedoch in § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II im Rahmen der Regelung über die Zusicherung verwendet. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen von den gleichen Grundsätzen ausgeht (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 47d; Berlit in LPK-SGB II, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 45). Maßgeblich ist danach, ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen (Berlit, a.a.O., Rdnr. 76; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Stand August 2007, § 22 Rdnr. 21b; OVG Lüneburg FEVS 36, 291 zum Bundessozialhilfegesetz). Dafür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23 zu Nummer 21) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen ( LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17.7.2008, L 7 AS 1300/08 ) .

Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von welchem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Grundsicherungsträger den Umzug veranlasst, weil beispielsweise die Unterkunft unangemessen teuer ist, der Umzug zur Aufnahme einer Arbeit notwendig ist, der Unterkunftsbedarf andernfalls nicht ausreichend gedeckt ist, gesundheitliche oder dringende persönliche Gründe vorliegen bzw. eine Räumung bevorsteht (vgl. LPK – SGB II – Berlit § 22, Rdn. 76 ; Sozialgericht Lüneburg S 28 AS 996/07 Urteil vom 20.09.2007 ) .

3.Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

3.1 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 34 AS 1336/08 25.03.2009, Urteil

Freigänger in der Justizvollzugsanstalt hat Anspruch auf Hartz IV Regelleistung und Kosten der Unterkunft

1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es bei dem Begriff der stationären Einrichtung ausschließlich auf die objektive Struktur und Art der Einrichtung an. Ist sie so strukturiert und gestaltet, dass es dem dort Untergebrachten nicht möglich ist, aus der Einrichtung heraus eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die dem durch § 8 Abs. 1 SGB II vorgegebenen täglichen Mindestumfang von drei Stunden genügt, so ist der Hilfebedürftige dem SGB XII zugewiesen. Tragender Gesichtspunkt für eine solche Systementscheidung ist die Annahme, dass der in einer Einrichtung Verweilende auf Grund der Vollversorgung und auf Grund seiner Einbindung in die Tagesabläufe der Einrichtung räumlich und zeitlich so weitgehend fremdbestimmt ist, dass er für die für das SGB II im Vordergrund stehenden Integrationsbemühungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff. SGB II) nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Bei der Abgrenzung von SGB II und SGB XII ist der Begriff der Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II mithin danach zu bestimmen, ob durch die Unterbringung in der Einrichtung die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Demnach handelt es sich bei einer Justizvollzugsanstalt im Regelfall um eine Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II, da im Normalvollzug eine Teilnahme am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich ist, wobei anderes gegebenenfalls bei Freigängern gilt (Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 9/08 R; Urteile vom 6. September 2007, B 14/7b AS 16/07 R, B 14/7b AS 60/06 R ) .

2. Ausgangspunkt der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist der Lebensunterhalt, der sich nach dem anzuerkennenden Bedarf im Sinne der §§ 19 ff. SGB II bemisst (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R). Danach sind hier jedenfalls Regelleistungen nach § 20 SGB II und – solange der Kläger noch über eine eigene Wohnung verfügte – Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II als Bedarf zu berücksichtigen.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestand in der Zeit bis zum 31. Dezember 2007 weder eine Rechtsgrundlage dafür, die Regelleistungen um eine erhaltene Vollverpflegung zu kürzen, noch durfte die Vollverpflegung gemäß § 11 Abs. 1 SGB II als Einkommen angerechnet werden (Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 9/08 R; Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 22/07; Urteil vom 18. Juni 2007, B 14 AS 46/07 R ) .

4. Das monatliches Taschengeld in Höhe von etwa 30,- EUR , ist bei der Anrechnung als Einkommen zu berücksichtigen, dass gemäß § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2622) eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR abzusetzen ist.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=89669&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

3.2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 32 AS 612/09 B ER 06.05.2009 rechtskräftig, Beschluss

Ein Hobbyraum im Keller ist ohne ausreichende natürliche Beleuchtung kein geeigneter Wohnraum - Eine einstweilige Anordnung auf Erteilung einer vorläufigen Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II ist denkbar, wenn der potentielle Vermieter aufgrund einer solchen zum Mietvertragsabschluss bereit ist.

Die Notwendigkeit eines Umzuges im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II ist hinreichend dargelegt worden. Ein Umzug ist erforderlich, wenn der Wunsch nach einer eigenen Wohnung ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund darstellt, der auch einen Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (so bereits Beschluss des Senats vom 27. September 2007 - L 32 B 1912/07 - unter Bezugnahme auf Berlit in LPK-SGB II § 22 Rdnr. 76 und SG Lüneburg, Beschluss vom 19. August 2005 - S 24 AS 472/05 ER -). Da ein Hobbyraum im Keller ohne ausreichende natürliche Beleuchtung kein geeigneter Wohnraum ist (vgl. die Anforderungen an allgemein Aufenthaltsräume in § 48 Abs. 1 Bauordnung Berlin und speziell an Wohnräume im Hinblick auf Belichtung und Belüftung (§ 4 Abs. 2 Nr. 7 Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin) liegen bei der gebotenen summarischen Betrachtung bereits nach der für den Antragsgegner zu beachtenden Nr. 7 Abs. 5 f der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) vom 10. Februar 2009 unzumutbare Wohnverhältnisse vor. Hier handelt es sich beim dritten Zimmer der bisherigen Wohnung um einen im Keller befindlichen Hobbyraum, der im Mietvertrag nur als Nutzfläche ausgewiesen ist und Licht nur über Lichtschächte erhält.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=89400&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

3.3 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 1354/08 07.05.2009, Urteil

Das Rückabwicklungsverhältnis von Leistungen, die Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Unrecht gewährt wurden, ist das "Spiegelbild" des Leistungsverhältnisses.

1. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was insbesondere den Adressaten und den Verfügungssatz betrifft. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Zur hinreichenden Bestimmtheit muss eine behördliche Entscheidung so eindeutig formuliert sein, dass sich ohne Rückfrage ergibt, für wen was wie geregelt wird. Gegenstand, Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen demgemäß für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - L 25 B 1646/07 AS PKH ) .

2. Ob hinreichend konkrete Verfügungen vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (vgl. BSG, Urteil vom 14.08.1996 - 13 RJ 9/95 – Rn. 38 mwN).

3. Die Rückabwicklung für vergangene Zeiträume nach Auszahlung rechtswidrig bewilligter Leistungen vollzieht sich in einem zweistufigen Verfahren , so dass zwischen der Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides für die Vergangenheit einerseits und der Rückforderung geleisteter Zahlungen andererseits zu unterscheiden ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2006 – L 9 AS 127/06 ER -; SG Berlin, Urteil vom 23.04.2007 - S 119 AS 751/07 – Rn. 15).

4. Das Rückabwicklungsverhältnis von Leistungen, die Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Unrecht gewährt wurden, ist das "Spiegelbild" des Leistungsverhältnisses (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. November 2007 – L 18 B 1985/07 AS Rn. 3; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. November 2008 – L 6 AS 16/07 Rn. 24; in diesem Sinne auch die Literatur vgl. Spellbrink, NZS 2007, Seite 121 (124); Brühl in LPK-SBG II 2. Auflage 2007, § 7 Rn. 33; Marschner in Estelmann, SGB II § 38 Rn. 15 Stand 11/2007). Damit entspricht das Rückabwicklungsverhältnis dem individuellen Leistungsverhältnis im Rahmen des SGB II, wonach nicht die Bedarfsgemeinschaft als solche, sondern die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Anspruchsinhaber sind (grundlegend BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 6b AS 8/06 R Rn. 14).

5. Es bestehen grundsätzliche Bedenken, eine pauschale Gesamtaufhebung im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion in dem jeweils rechnerisch und materiell zutreffenden Umfang hinsichtlich des oder der Adressaten bestehen zu lassen. Die komplexe gesetzliche Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft mit den leistungs- und einkommensmäßigen Zuordnungen der Einzelansprüche verbietet es nach Überzeugung des Senats, aus einer möglicherweise zutreffenden Gesamtsumme auf eine materiell richtige Einzelaufhebung gegenüber dem Adressaten zu schließen. Globale Gesamtaufhebungen auch gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ohne konkrete Verfügungen im jeweiligen Leistungsverhältnis sind mangels Bestimmtheit in Gänze und nicht nur in ihrem überschießenden – die anderen Mitglieder betreffenden - Teil aufzuheben (a.A. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. November 2008 – L 6 AS 16/07 – Rn. 27).

6. Ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist aufzuheben, wenn dieser nicht fristgerecht d.h. nach Ablauf der Ausschlussfrist nach § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 SGB X ergangen ist . Danach kann die Behörde einen Verwaltungsakt für die Vergangenheit nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Es kann offen bleiben, ob es dabei auf die Kenntnis aller die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen oder die Rechts- und Tatsachenkenntnis hinsichtlich der Grundvoraussetzung der Rücknahme ankommt (vgl. zu diesen beiden Auslegungsmöglichkeiten BSG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 7 Rar 28/88 - Rn. 27/28).

Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die klärungsbedürftige Frage zugelassen worden, welche Anforderungen das Bestimmtheitsgebot nach § 33 SGB X an Verwaltungsakte über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II stellt.

Anmerkung : Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 25 B 2122/08 AS PKH 1505.2009 rechtskräftig, Beschluss

Ein Aufhebungsbescheid für eine Bedarfsgemeinschaft besteht aus Vielzahl von Einzelfallregelungen und muss für jedes einzelne Mitglied eine Regelung treffen .

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids unterliegt zumindest Zweifeln, weil er entgegen § 33 Abs. 1 SGB X schon nicht hinreichend bestimmt sein dürfte. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Gegenstand, Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen demgemäß für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann. Dies bedeutet zunächst für Aufhebungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), dass die entsprechenden Bescheide aus einer Vielzahl von Einzelfallregelungen bestehen müssen. Insbesondere muss ein Aufhebungsbescheid zum Ausdruck bringen, für welches einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für welchen genauen Leistungszeitraum in jeweils welcher Höhe aufgehoben werden Demgegenüber erscheint es rechtlich zweifelhaft, den Aufhebungsbetrag für eine Bedarfsgemeinschaft insgesamt und für einen mehrmonatigen Leistungszeitraum nur der Gesamtsumme nach auszuweisen. Die Behörde dürfte bei einer derart pauschalen Regelung übersehen, dass der Aufhebungsbescheid aus einer Vielzahl von Einzelfallregelungen bestehen muss, nämlich nicht nur aus der jeweiligen Neuregelung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den einzelnen Monat, sondern auch im Hinblick auf jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das allein Anspruchinhaber sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R - Rn. 11 f.). Denn das Aufhebungsrecht ist nur das Spiegelbild des Leistungsanspruches, gegebenenfalls in Verbindung mit einer hier anknüpfenden Rückforderung nur die Umkehrung des Gläubiger-Schuldner-Rechtsverhältnisses ohne Änderung der Rechtsnatur des Rechts selbst. Die Angabe der Gesamtsumme hat vor diesem Hintergrund keinen eigenen Regelungsgehalt, sie erleichtert lediglich die Abwicklung (vgl. etwa Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 3. April 1990 - 8 A 231.88 - ). Hiervon ausgehend spricht vieles dafür, dass auch ein Änderungsbescheid rechtswidrig ist, wenn der Leistungsträger die bei bestehender Bedarfsgemeinschaft notwendige Individualisierung nicht vornimmt. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides muss hervorgehen, wie sich der geänderte Leistungssatz für die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft berechnet. Bei Verletzung dieses Bestimmtheitsgebotes ist der Änderungsbescheid rechtswidrig ergangen (so Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2007 - L 19 B 122/07 AS ER - Rn. 9).

4. Hessisches Landessozialgericht

4.1 Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.02.2009, Az.: L 6 SO 78/07

Wer seinen Briefkasten nicht mit seinem Namen kenntlich macht und deshalb nicht rechtzeitig Klage erhebt, hat dies schuldhaft versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird in diesem Fall nicht gewährt.

Wer seinen Briefkasten nicht mit seinem Namen kenntlich macht und deshalb nicht rechtzeitig Klage erhebt, hat dies schuldhaft versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird in diesem Fall nicht gewährt. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der Klagefrist zugegangen

Ein Mann aus dem Landkreis Groß-Gerau beantragte Sozialhilfe. Da er die erforderlichen Beweismittel zur Überprüfung der Hilfebedürftigkeit nicht vorgelegt habe, wurde sein Antrag abgelehnt. Der Prozessbevollmächtigten schickte seinem 44-jährigen Mandanten den Widerspruchsbescheid noch innerhalb der Klagefrist mit der Anfrage, ob Klage erhoben werden solle. Der Mann aus Südhessen meldete sich jedoch erst Monate später bei seinem Anwalt, um sich nach dem Sachstand zu erkundigen. Da mittlerweile die Klagefrist abgelaufen war, beantragte der Anwalt beim Sozialgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sein Mandant habe den Widerspruchsbescheid nicht erhalten, obwohl er an seinem Hausbriefkasten einen Vermerk angebracht habe, dass sämtliche Post an sein Postfach weiterzuleiten sei. Dies sei in den vergangenen Jahren auch so geschehen. Nur in wenigen Fällen sei seine Post einem falschen Postfach zugeordnet worden. Ihn treffe daher kein Verschulden daran, dass das Schreiben auf dem Postweg verlorengegangen sei.

Kläger hat Fristversäumnis selbst verschuldet

Die Richter beider Instanzen lehnten eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch ab. Diese werde nur dann gewährt, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen sei, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass sich am Eingangstor der Hofeinfahrt sein Name weder an der Klingel noch am Briefkasten befunden habe. Auf dem Briefkasten sei
lediglich der Name der vom Kläger betriebenen Firma angebracht. Der Firmenname enthalte jedoch nicht den Namen des Klägers. Auch der am Briefkasten angebrachte Hinweis des Klägers, die Post möge an sein Postfach weitergeleitet werden, ist nach Ansicht der Richter nicht ausreichend. Denn ein Postzusteller sei nicht verpflichtet, Post unentgeltlich an ein Postfach weiterzuleiten. Einen kostenpflichtigen Nachsendeauftrag
habe der Kläger nicht gestellt. Zudem habe der Kläger mit der Zusendung des Widerspruchsbescheids rechnen müssen. Schließlich habe er eine entsprechende Niederschrift erhalten, aus welcher hervorgehe, dass dem Widerspruch voraussichtlich nicht stattgegeben werde.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=88450&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

5. SG Bremen

5.1 SG Bremen S 23 AS 937/09 ER , Beschluss vom 09.06.2009

§ 23 Abs. 4 SGB II kann auch den Fall betreffen, dass bei einem hilfebedürftigen Leistungsbezieher der Grundsicherung nach dem SGB II wegen der Zahlung des Arbeitslosengeldes (I) jeweils erst am Monatsende eine Leistungsunterdeckung besteht.

§ 23 Abs. 4 SGB II besagt , dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Umfasst sind auch diejenigen Fälle, in denen Arbeitslosengeld (I) gezahlt wird (Hengelhaupt, in: Hauck/Haines, SGB II, § 23 Rn. 69).

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift sind gegeben. Die Antragsstellerin erzielt im laufenden Monat Juni 2009 Einahmen, namentlich Arbeitslosengeld (I). Der Juni 2009 ist auch ein Monat, in dem Leistungen (nach dem SGB II) gezahlt werden. Insofern ist durch § 23 Abs. 4 SGB II ein Ermessen eröffnet. In die Ermessensausübung sind die Wertungen einzustellen, die das SGB II vorgibt (Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 23 Rn. 120). Das so eröffnete Ermessen ist durch § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Weise reduziert, dass eine Gewährung des Darlehens erfolgen soll. Nach dieser Vorschrift dient die Grundsicherung der Sicherung des Lebensunterhalts. Daraus folgt zugleich, dass immer dann, wenn eine existenzielle Unterdeckung besteht, eine Leistungsgewährung zu erfolgen hat. Dem steht im Übrigen nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin nach der Darstellung der Antragsgegnerin Lebensmittelgutscheine angeboten hat. Auf Lebensmittelgutscheine verweist nämlich – und nur für den hier nicht vorliegenden Fall einer Sanktion - nur § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II, nicht aber § 23 Abs. 4 SGB II.

Dem steht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin unstreitig die der Antragstellerin zustehenden Leistungen für den Monat Juni 2009 bereits gewährt hat. Denn gerade diese Fallkonstellation soll von § 23 Abs. 4 SGB II geregelt werden. In dem Zusammenhang ist die Antragsgegnerin darauf hinzuweisen, dass die amtliche Überschrift des § 23 SGB II „Abweichende Erbringung von Leistungen“ lautet.

http://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/media.php/13/23_AS_937_09_ER_BESCHLUSS_20090609Anonym.pdf

5.2 SG Bremen S 21 AS 981/09 ER , Beschluss vom 05.06.2009

Die Erteilung eines Bildungsgutscheins steht im Ermessen der Behörde.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Bildungsgutscheins für eine Ausbildung zum Web-Developer (Programmierung und Design). Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Eingliederungsleistung kommt nur § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 3 SGB III in Betracht.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II können als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit unter anderem alle im Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbracht werden. Soweit das SGB II nichts Abweichendes regelt, gelten für diese Leistungen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des SGB III mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II treten.
Anspruchsgrundlage für die Erteilung des Bildungsgutscheins ist § 77 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit Abs. 1 SGB III. Nach § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) bei ihnen wegen eines fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen ist. Aus dem Wort "können" ist zu entnehmen, dass die Förderung der Maßnahme im Ermessen steht. Insoweit hat das SGB II nichts Abweichendes geregelt, wie sich aus der Verwendung des Wortes "kann" in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II ergibt (Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 16 Rdnr. 61, 61a; LSG Thüringen, Beschl. v. 20.10.2008 – L 9 AS 746/08 ER -). Auch die hier in Rede stehende Eingliederungsleistung des Bildungsgutscheins steht somit im Ermessen der Behörde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juni 2007, L 28 B 1085/07 AS ER, L 28 B 1190/07 AS PKH -).

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Notwendigkeit der Weiterbildung angenommen werden kann, hat das LSG Thüringen in einer aktuellen Entscheidung (LSG Thüringen, Beschl. v. 20.10.2008 – L 9 AS 746/08 ER -) ausgeführt:
Nach der Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 - Az.: B 7 AL 66/02 R ) setzt die Annahme der beruflichen Wiedereingliederung als Fördervoraussetzung unter anderem eine positive Beschäftigungsprognose voraus. Es muss zu erwarten sein, dass die Eingliederungschancen nach Abschluss der Maßnahme erheblich verbessert sind, und es muss die begründete Aussicht bestehen, dass dem Antragsteller infolge der Maßnahme ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden kann. Hinsichtlich dieser Prognoseentscheidung steht dem Leistungsträger ein Beurteilungsspielraum, der seitens der Gerichte nur beschränkt überprüfbar ist. Nur wenn die (tatbestandlichen) Voraussetzungen nach § 77 Abs. 1 SGB III vorliegen, hat die Behörde auf der Rechtsfolgenseite ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Teilnahme an einer Maßnahme und, wenn ja, welche und in welchem Umfang, gefördert wird.
Die Kammer schließt sich den vorstehenden Ausführungen des LSG Thüringen an. Gemessen hieran weist die von der Antragsgegnerin getroffene Prognoseentscheidung nach der hier gebotenen summarischen Prüfung keine Fehler auf. Die Kammer teilt vielmehr deren Einschätzung, dass bei dem Antragsteller zwar grundsätzlich Qualifizierungsbedarf bestehe, die hier konkret begehrte Maßnahme jedoch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zu einer beruflichen Integration des Antragstellers führen würde.

Die Erteilung eines Bildungsgutscheins steht im Ermessen der Behörde. Die Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme durch einstweiligen Rechtsschutz kommt deshalb nur in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist . Die Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme durch einstweiligen Rechtsschutz - so wie hier - setzt voraus, dass jede andere Entscheidung als die Förderung der vom Antragssteller favorisierten Maßnahme fehlerhaft wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juni 2007, L 28 B 1085/07 AS ER, L 28 B 1190/07 AS PKH -; Beschlüsse vom 9. Juli 2007 - Az.: L 28 B 1082/07 AS ER und vom 16. März 2007 - Az.: L 28 B 298/07 AS ER ). Anhaltspunkte für eine solche Reduzierung des Entschließungs- und des Auswahlermessens auf Null sind nach dem Sach- und Streitstand aber nicht ersichtlich.

http://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/media.php/13/21_AS_981_09_ER_BESCHLUSS_20090607Anonym.pdf

6. Sozialgericht Karlsruhe

6.1 Sozialgericht Karlsruhe S 4 SO 3352/08 28.05.2009,Urteil

Verschweigt ein Bezieher von Sozialhilfe während des Hilfebezugs eine Lebensversicherung sowie eine Rentenversicherung , auf die sein Vater (zumindest teilweise) monatliche Beitragszahlungen geleistet hat , ist die zu unrecht erbrachte Sozialhilfe zurück zu zahlen, denn Sozialhilfe dient nicht dazu, Altersvorsorgevermögen aufzubauen.

Einkommen gehören nach § 82 Abs. 1 SGB XII (vormals bis zum 31. Dezember 2004: Inhaltsgleich geregelt in § 76 BSHG) alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Für die Frage, wie Geld und Geldeswert dem Einkommen zuzurechnen ist, ist regelmäßig der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend (vgl. BVerwGE 108, 296 und BVerwG, info also 2001, 220). Erfolgt der Zufluss im Bedarfszeitraum, ist er nach § 82 SGB XII i. V. m. der DCO zu § 82 SGB XII zu behandeln. Dabei ist unerheblich, ob Identität der Zweckbestimmung zwischen Einkünften und Bedarf vorliegt, und ob Identität des Bedarfszeitraums mit dem Zeitraum vorliegt, für den die Einkünfte bestimmt sind. Ohne Bedeutung ist schließlich die Form des Zuflusses (z.B. Sparkonto, Versicherungskonto, Girokonto, Bargeld). Einkommen sind ferner Zuflüsse aus Eigenheimzulagen (vgl. SHR Baden-Württemberg, Rn. 82.09).

Nach § 103 Abs. 1 SGB XII ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz ist auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des (der Leistung) zugrunde liegenden Verwaltungsakts gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. (Von der) Heranziehung vom Kostenersatz kann abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).

Die Kostenersatzrückforderungsentscheidung ist eine gebundene Entscheidung. Der Kläger haftet für die seinem Sohn und seiner damaligen Lebensgefährtin erbrachten Sozialhilfeleistungen als Gesamtschuldner. Gründe dafür, von einem Kostenersatz aufgrund eines Härtefalls abzusehen vermag auch das Gericht nicht zu erkennen. Der Begriff der Härte, der als unbestimmter Rechtsbegriff nach § 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, erfordert eine Atypik, die es rechtfertigt, von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz abzuweichen. Ein in diesem Sinne atypischer Sachverhalt ist nur gegeben, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, die eine Heranziehung zum Kostenersatz auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, den Nachrang der Sozialhilfe wiederherzustellen, als unzumutbar und unbillig erscheinen lassen. Bloße ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse des Ersatzpflichtigen genügen jedoch nicht (vgl. näher Schoenfeld, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Auflage 2008, § 103 Nr. 18 m.w.N.).

7. Sozialgericht Aachen

7.1 Sozialgericht Aachen S 14 AS 143/07 02.06.2008 rechtskräftig ,Urteil

Zufluss einer Einkommensteuererstattung 2 Tage vor Antragstellung auf ALG 2 ist Vermögen

Auch einmalige Einnahmen sind nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie dem Hilfebedürftigen im gleichen Monat zufließen, in dem die Hilfebedürftigkeit eintritt.

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=80192&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Steuererstattungen, die ein ALG II-Empfänger vor Antragstellung erhalten hat, dürfen nicht als Einkommen auf die Leistungen angerechnet werden (BSG, Urteil vom 30.07.2008, Az. B 14/7b AS 12/07 R ) .

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