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Pressemitteilung: Dubiose Telefonüberprüfung von Arbeitslosen - Erwerbslosenverbände raten: einfach auflegen!

Zuletzt hatte der Datenschutzbeauftragte des Bundes Peter Schaar bemängelt, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten würden, weil die Betroffenen nicht schriftlich über die Telefonabfrage informiert worden seien. Zudem seien viele Arbeitslose nicht aufgeklärt worden, dass die Angaben am Telefon freiwillig sind. Das deckt sich auch mit den Rückmeldungen, die bei Erwerbsloseninitiativen eingegangen sind. "Viele Betroffene fühlen sich überrumpelt und unter Druck gesetzt. Von Freiwilligkeit kann da keine Rede sein", sagt Harald Thomé vom Erwerbslosenverein Tacheles e.V..

Der Überraschungseffekt am Telefon kann missverständliche Aussagen geradezu provozieren. Es ist mehr fraglich, ob Betroffenen über die rechtlichen Zusammenhänge der Überprüfung und mögliche Konsequenzen bis hin zum Leistungsentzug hinreichend aufgeklärt werden. Zudem gibt es keine Garantie dafür, dass zu Beginn der Telefonate wirklich klargestellt wird, alle Auskünfte sind freiwillig, die Angerufenen können jederzeit auflegen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen und Tacheles e.V. rufen Arbeitslosengeld-II-Beziehende deshalb auf, ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren. "Legen Sie am besten sofort auf, wenn Telefonschnüffler am anderen Ende der Leitung sind," so Frank Jäger von der Bundesarbeitsgemeinschaft für die beiden Organisationen, "denn nur durch einen konsequenten Boykott kann die Bundesagentur von solch unsensiblen Methoden abgebracht werden". Leistungsrelevante persönliche Daten sind von den Behörden selbst zu ermitteln und nicht durch Privatunternehmen am Telefon. "Man stelle sich vor, was in diesem Land los wäre, würden die Finanzbehörden Steuerzahler von Call Centern überprüfen lassen," gibt er zu bedenken.

Die schroffe Reaktion der Bundesagentur auf die Kritik von Erwerbslosenverbänden und Datenschützern belegt indessen, dass der Maßstab im Umgang mit Arbeitslosen völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Die Erwerbslosenvertreter vermuten hinter den zusätzlichen Kontrollen die Suche nach Sanktionstatbeständen oder anderen Gründen, das Arbeitslosengeld zu kürzen. Dies passe zusammen mit Minister Clements Anordnungen von Anfang Juli, schärfer gegen Arbeitslosengeld-II-Beziehende vorgehen zu wollen und insbesondere deren Anwesenheit in der Urlaubszeit "verschärft" zu prüfen. Somit können unbedachte Äußerungen fatale Folgen für Betroffene haben.

Wenn Erwerbslose, die ohnehin fast jede Veränderung ihrer Lebensverhältnisse dem Amt melden müssen, jetzt auch noch von privaten Stellen durchleuchtet werden, kommt der Verdacht auf, dass die Behörden gar nicht in der Lage sind, persönliche Daten ordnungsgemäß zu erheben und zu verarbeiten. Die zahlreichen Pannen bei der überhasteten Einführung des neuen Leistungsrechts scheinen gravierender zu sein, als man es in Nürnberg und Berlin zugeben möchte. "Die verschleiernde Informationspolitik der Agentur für Arbeit im Rahmen dieser Telefonüberprüfung verstärkt dieses Bild und zerstört das ohnehin belastete Vertrauen der Erwerbslosen in die Behörde," beschreibt Frank Jäger die Situation.

Harald Thomé weist darauf hin, dass kein Betroffener wegen Ablehnung der Teilnahme an dieser Telefonschnüffelaktion sanktioniert werden darf. "Diese fällt nicht unter die Mitwirkungspflicht, eine Sanktion ist daher rechtswidrig." Sollte es daraufhin Probleme mit der Arbeitslosengeld-II-Behörde geben, raten die Erwerbslosenorganisationen umgehend eine unabhängige Beratungsstelle aufzusuchen.

Frank Jäger, BAG-SHI e.V.
Harald Thomé, Tacheles e.V.

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