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Polizei Wuppertal versucht illegales Filmen von Demonstrationsteilnehmer*innen nachträglich zu rechtfertigen

Auf der Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch am 16. Juni hat die Polizei während der Kundgebung am Berliner Platz zumindest illegal ihre Videokameras auf Teilnehmer*innen gerichtet. In der Nähe des Kundgebungsplatz standen zwei Polizistinnen auf der Plattform der Schwebebahnhaltestelle und richteten über einen längeren Zeitraum eine Videokamera auf die Kundgebungsteilnehmer*innen. Ob die Polizei Übersichtsaufnahmen oder Aufnahmen von einzelnen Personen gemacht hat, war für die Demonstrant*innen nicht erkennbar.

Auf die Beschwerde eines Unterstützers des Wuppertaler Bündnisses gegen Nazis hat die Polizei sich nun geäußert. In dem Schreiben wird bestritten, dass die Polizei Videoaufnahmen gefertigt hat. Die Beamtinnen seien lediglich dort positioniert gewesen, um die bei Bedarf sofort Aufnahmen anfertigen zu können. Das Bündnis hat erhebliche Zweifel an der dieser Aussage. Unabhängig voneinander hatten mehrere Demonstrationsteilnehmer*innen beobachten, wie die Beamtinnen gemeinsam auf das Display der Videokamera geschaut haben, als betrachteten sie Aufnahmen. Auf jeden Fall mussten die Teilnehmer*innen der Kundgebung davon ausgehen, dass sie von der Polizei gefilmt wurden.

In der Rechtsprechung, bis hin zum Bundesverfassungsgericht, wurde immer wieder klargestellt, dass anlassunabhängige Videoaufnahmen von Demonstrationen rechtswidrig sind. Demonstrant*innen würden dann damit rechnen, dass sie von der Polizei überwacht werden. Hierdurch würde die sogenannte „innere Versammlungsfreiheit“ von Teilnehmer*innen in unzulässiger Weise eingeschränkt. beeinträchtigt werden. Ein polizeiliches Recht auf Bild- und Videoaufnahmen besteht nur in akuten Gefahrensituationen bzw. zur Beweissicherung bei Straftaten oder anderen akuten Gefährdungen der öffentlichen Ordnung. In allen anderen Fällen darf die Polizei nicht filmen (OVG NRW vom 23.11.2010 – 5 A 2288/09).

Das Verwaltungsgericht Leipzig erklärte jüngst in zwei Entscheidungen Standardvideoaufnahmen der Polizei bei Demonstrationen für unzulässig (VG Leipzig 17.06.2016 - 1 K 222/13 und 17.6.2017 - 1 K 259/12). Das Gericht stellte in seinem Urteil (1 K 259/12) fest, dass es sich „bereits beim Vorhalten der eingeschalteten Kamera […] um einen Eingriff in das Recht der Klägerin aus Artikel 8 Abs. 1 Grundgesetz“ handelt. Auch die „bloße Übertragung von Kamerabildern auf einen Monitor, ohne dass dabei eine Aufzeichnung erfolgt, stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar“, so das Verwaltungsgericht. Das Beobachten durch eine Kamera ermögliche „eine andere Qualität und Quantität der Beobachtung“, als die mit dem bloßen Auge.

Weil Teilnehmer*innen einer Versammlung nicht einschätzen können, ob eine Kamera eingeschaltet und auf sie gerichtet ist, entsteht ein Anpassungsdruck, der dazu führen kann, dass Menschen ihr Grundrecht an Versammlungen teilzunehmen nicht mehr wahrnehmen. Wenn die Wuppertaler Polizei jetzt argumentiert, es sei doch gar nicht gefilmt und deswegen seinen auch keine Grundrechte verletzt worden, vertritt sie eine Rechtsauffassung, die schon lange überholt ist. Das Bündnis gegen Nazis fordert die Wuppertaler Polizei auf, die oben zitierte Rechtsprechung umgehend anzuwenden und ihren rechtswidrigen Umgang mit Videokammaras einzustellen.

Stellungnahme der Polizei Wuppertal vom 09.Juli 2018 

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