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Mindestgirokonto in Belgien Pflicht.

Mindestgirokonto in Belgien Pflicht.
Wo bleibt die „Agenda Mindestgirokonto“ für Deutschland?

Nach dem am 1.9.2003 in Kraft getretenen belgischen Gesetz „Loi instaurant un service bancaire de base“ – nachzulesen im Moniteur Belge/Belgisch Staatsblad vom 15.5.2003, Edition 2, 26402 bis 26405 – hat jeder belgische Bürger einen Anspruch auf Einrichtung eines Sichtkontos auf Guthabenbasis bei einer Bank seiner Wahl.

Jedes Kreditinstitut muss ein solches Konto anbieten. Die mit diesem Konto verbundenen Dienstleistungen der Bank bestehen unter anderem darin, ein solches Konto auf Antrag eines Bürgers zu eröffnen und zu verwalten, Überweisungen (auch elektronischer Art) und Daueraufträge auszuführen und Kontoauszüge periodisch zur Verfügung zu stellen. Ablehnen kann die Bank die Eröffnung eines solchen Kontos unter anderem nur im Falle eines betrügerischen Bankrotts des Antragstellers, eines sonstigen betrügerischen Verhaltens oder eines vergleichbaren Vertrauensmissbrauchs. Für den Fall von Streitigkeiten sieht das Gesetz ein Schlichtungsverfahren vor.

Die Jahrespauschalgebühr für ein Sichtkonto auf Guthabenbasis darf zur Zeit nicht mehr als 12 € betragen. Wählt der Kontoinhaber eine Kontokarte, um insbesondere elektronische Operationen durchzuführen, deckt die Jahresgebühr 36 Operationen ab; verzichtet der Kontoinhaber hingegen auf die Kontokarte, deckt die Gebühr 72 manuelle Operationen p.a. ab (vgl. Ausführungsverordnung zum Gesetz vom 7.9.2003; nachzulesen im Moniteur Belge/Belgisch Staatsblad vom 15.9.2003). Will der Kunde mehr als diese Operationen durchführen, gelten die banküblichen Tarife.

Um zu verhindern, dass einzelne Banken von Kunden mehr als andere in Anspruch genommen werden, ist ein Kompensationsfonds eingerichtet worden, in den alle Banken einzahlen müssen und der von der Belgischen Nationalbank verwaltet wird.

Luxemburg beabsichtigt, dem Beispiel seines Nachbarn zu folgen und bereitet ein vergleichbares Gesetz vor.

Diese gesetzlichen Initiativen illustrieren die fortdauernde Peinlichkeit der Situation in Deutschland. 1994/1995 brachten die damaligen Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie die PDS Gesetzentwürfe zur Regelung eines Rechts auf ein Mindestgirokonto ein. Die damalige Bundesregierung hatte zwar die Probleme um das Girokonto durchaus erkannt, vertraute aber der Aussage der Banken, ihr Verhalten freiwillig und ohne gesetzlichen Druck zu verändern, und lehnte daher die Gesetzesinitiativen ab. Wenig später erging die ZKA-Empfehlung „Girokonto für Jedermann“, die bis heute mit all ihren bekannten Problemen maßgebend ist. Gleichwohl stellte die – neue – Bundesregierung in ihrem Bericht vom 9.6.2000 (BT-Drs. 14/3611) fest, dass sich die Kreditwirtschaft mit ihrer Empfehlung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stelle und sich die Empfehlung bewährt habe. Handlungsbedarf – allerdings nicht legislativer Natur – sei allenfalls für Einzelgruppen erkennbar. Diese könnten aber durch eine neuerliche Bekräftigung und ggf. Anpassung der ZKA-Empfehlung behoben werden. Beeindrucken ließ sich die Bundesregierung von der Meldung der Banken, wonach diese zwischen Sommer 1996 und Herbst 1999 876.000 Girokonten für Jedermann eingerichtet hätten (davon gingen mehr als 50% auf die Sparkassen zurück). Diese Gesamtzahl ließ aber nicht erkennen, wieviele der Kontoeröffnungen in Wahrheit Jugendkonten ohne oder mit begrenztem Überziehungslimit betrafen. Zudem fehlte die Information über die Anzahl der abgelehnten Kontoeröffnungsanträge und die Anzahl der Kontokündigungen nach erster Kontopfändung im selben Zeitraum. Hätten die Banken diese Informationen geliefert, hätte sich die Zahl „876.000“ schnell relativiert. Der Bericht der Bundesregierung konnte daher für sich gerade nicht in Anspruch nehmen, den Umsetzungserfolg der ZKA-Empfehlung vom Juni 1995 wirksam zu kontrollieren.

Der nächste – mittlerweile dritte – Bericht der Bundesregierung zum Girokonto für Jedermann wird für Januar/Februar 2004 erwartet. Stichprobenuntersuchungen und Evaluationen zur Umsetzung der ZKA-Empfehlung sind sicherlich wichtig und notwendig. Werden sie aber endlos, lustlos und konsequenzlos fortgesetzt, lähmen sie Aktivitäten zur überfälligen Etablierung eines gesetzlichen Anspruchs auf ein Mindestgirokonto in Deutschland.

Hamburg, den 5.12.2003

Helga Springeneer
Institut für Finanzdienstleistungen e.V.

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