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Gegenwehr soll immer mehr erschwert werden
Der Gesetzesentwurf geht auch auf einen Konsens zwischen den Justiz- und Finanzministern der Länder sowie dem Bundesrechnungshof zurück.
Nach diesem Entwurf sollen „Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängern, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger” an Verfahrenskosten beteiligt werden. Auch auf einkommensschwache Arbeitslosengeld II Bezieher kommen dann Gebühren in Höhe von 75 € (1. Instanz Sozialgericht), 150 € (2. Instanz Landessozialgericht) und 225 € (3. Instanz Bundessozialgericht) zu. Hierzu soll jetzt das Sozialgerichtsgesetz geändert werden (§ 187 Abs. 3 SGG n. F.).
Zur Zeit gilt eine generelle Kostenfreiheit (§ 183 SGG und § 188 VwGO).
Die geplante Verfahrensgebühr wäre mit Einreichung der Klage, des Antrags oder der Rechtsmittelschrift fällig. Bis zur Zahlung der Gebühr oder der Bewilligung von Prozesskostenhilfe würde das Verfahren nach dem neuen Gesetz nicht betrieben (§ 187 Abs. 2 SGG, n. F.).
Ein Beispiel verdeutlicht die Folgen einer solchen Gerichtsgebühr:
Der zukünftige Fallmanager der Bundesagentur für Arbeit behauptet, ein SGB II - Leistungsempfänger habe sich nicht ausreichend um Arbeit bemüht. Er verhängt eine 12-wöchige Sperrzeit. Nach dem neuen SGB II hat der Betroffene somit auch keinen Anspruch auf Wohngeld oder sonstige Leistungen. In der Sperrzeit steht er gänzlich ohne jeden Sozialleistungsanspruch da. Die BA ist nicht bereit, dem Widerspruch abzuhelfen. Es bleibt dem Leistungsempfänger nur die Möglichkeit, die Sperrzeit durch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht überprüfen zu lassen.
Bevor die Entscheidung der BA überprüft wird, hat der Betroffene nach den geplanten Änderungen zunächst die 75 € Gerichtskosten zu zahlen.
Wenn er diese Summe nicht zahlt, wird das Gerichtsverfahren nicht betrieben und es kommt zu keiner gerichtlichen Überprüfung und Entscheidung.
Der Gesetzesentwurf deutet lediglich die Option Prozesskostenhilfe an. Hierbei würde nach einer positiven Entscheidung über Prozesskostenhilfe auch die Gerichtsgebühr übernommen. Es ist aber davon auszugehen, dass dies in den seltensten Fällen passiert. Für Einkommensschwache ist der Bezug von Prozesskostenhilfe (PKH) kaum durchzusetzen. Ohne Rechtsanwalt kann der Leistungsempfänger die hinreichende Erfolgsaussicht in der Regel nicht glaubhaft machen. Diese sind jedoch für die Bewilligung der PKH notwendig.
Die geplante Regelung würde den Betroffen ALG II - Leistungsempfängern eine zentrale Chance nehmen, sich gegen rechtswidriges Handeln der Behörden zu wehren.
Mit dieser Regelung wäre der soziale Rechtsstaat weiter geschwächt. Ein wirksamer Rechtsschutz gegen Behördenwillkür wäre damit nur noch einkommensstarken Personen gewährt.
Es sind daher alle aufgerufen, sich gegen die Einführung von Gerichtsgebühren für die Sozialgerichte zur Wehr zu setzen.
Tacheles e.V. fordert daher:
Für den genannten Personenkreis muss es weiterhin eine Kostenfreiheit des Verfahrens geben.
Jetzt ist das Gesetz noch nicht beschlossen, daher ist es noch möglich darauf Einfluss zu nehmen.
Tacheles Online-Redaktion
Harald Thomé
Tacheles Pressemitteilung v. 28.02.2004
Tacheles warnt: Gegenwehr wird erschwert
Wuppertal. Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II zum 01.01.2005 sollen nun auch Gerichtsgebühren für Sozialgerichtsverfahren eingeführt werden. Einkommensschwache müssten dann bis zu 225 € Gerichtsgebühren zahlen, um Ihre Rechte durchzusetzen. Zur Zeit gilt eine generelle Kostenfreiheit.
Ende April wird der Deutsche Bundestag den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes” beraten (Bundestag - Drucksache 15/2722).
Der Gesetzesentwurf geht auf eine Bundesrat-Initiative des Landes Baden-Württemberg und dem Konsens unter den Justiz- und Finanzministern der Länder zurück.
Selbst Leistungsempfänger sollen an Verfahrenskosten beteiligt werden. Auf Einkommensschwache kommen dann Gebühren in Höhe von 75 € bis 225 € zu. Die geplante Verfahrensgebühr wäre mit Einreichung der Klage, des Antrags oder der Rechtsmittelschrift fällig. Bis zur Zahlung der Gebühr oder der Bewilligung von Prozesskostenhilfe würde das Verfahren nicht betrieben.
Der Wuppertaler Sozialhilfeverein Tacheles e.V. warnt vor den Folgen des Gesetzes: „Behördenentscheidungen sind oft fehlerhaft, Sechzig Prozent aller Sperrzeiten verhängte das Arbeitsamt im Jahre 2002 zu Unrecht. Widerspruch ist also oft berechtigt.
Gerichtsgebühren schrecken Einkommens-schwache ab. Sie verzichten auf eine Prüfung ihrer Rechte, weil sie die Gebühren nicht zahlen können”, erläutert Harald Thomé, Vorstand von Tacheles e.V.
Und genau da wird die geplante Änderung des Sozialgerichtsgesetzes wirksam: Bevor eine Entscheidung der Behörden überprüft wird, hat der Betroffene nach den geplanten Änderungen zunächst die 75 € Gerichtskosten zu zahlen.
Wenn er diese Summe nicht zahlt, wird das Gerichtsverfahren nicht betrieben und es kommt zu keiner gerichtlichen Überprüfung und Entscheidung. Die geplante Regelung würde den Betroffen eine wichtige Chance nehmen, sich gegen rechtswidriges Handeln der Behörden zu wehren.
„Mit dieser Regelung wäre der soziale Rechtsstaat weiter geschwächt. Ein wirksamer Rechtsschutz gegen Behördenwillkür wäre damit nur noch einkommensstarken Personen gewährt”, warnt Thomé.
Auch die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) kritisiert den Gesetzesentwurf. Die Sozialgerichtsgebühr ziele lediglich „auf eine Reduktion der Verfahren durch Abschreckung”, erläutert Prof. Dr. Uwe Berlitt, Vorsitzender der ASJ.
Der Gesetzesentwurf deutet lediglich die Option Prozesskostenhilfe an. Hierbei würde nach einer positiven Entscheidung über Prozesskostenhilfe auch die Gerichtsgebühr übernommen. Es ist aber davon auszugehen, dass dies in den seltensten Fällen passiert. Für Einkommensschwache ist der Bezug von Prozesskostenhilfe (PKH) kaum durchzusetzen. Ohne Rechtsanwalt kann der Leistungsempfänger die hinreichende Erfolgsaussicht in der Regel nicht glaubhaft machen. Diese ist jedoch für die Bewilligung der PKH notwendig.
Angesichts der zahlreichen Behördenfehler fordert Thomé eine Lösung, die dem sozialen Rechtsstaat angemessen ist: „Für Einkommensschwache müssen Sozialgerichtsverfahren weiterhin kostenfrei sein”.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/Sozialgerichtskosten.html
Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Markus Magaschütz
Tacheles e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit