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Jahresarchiv

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DW Hinweise zum GMG / Stand 9.2.2004

Diakonische Werk Gescvhäftsbereich II / Peter Niemann

An alle
dem Diakonischen Werk Westfalen
angeschlossenen Träger von Einrichtungen
der Alten- und Behindertenhilfe, Wohnungslosenhilfe,
Suchtberatung, Rehabilitation, Betreutes Wohnen, Betreuungs-
vereine, sonstige Beratungsstellen

Münster, den 09.02.2004

GMG

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beziehen uns auf unser Rundschreiben vom 05.11.03 zum gleichen Thema. Der beigefügten Synopse fehlte leider die Bestimmung des § 264 SGB V über die Abwicklung der Krankenhilfeleistungen für Sozialhilfeempfänger durch die Krankenkassen. Den Text haben wir zur Vervollständigung Ihrer Unterlagen als Anlage diesem Schreiben beigefügt. Den neuen Text der Gesamtregelung des SGB V kann man unseres Wissens nur im Internet nachlesen unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/sgb_5/index.html .

Auch dieses Schreiben kann leider nur unseren aktuellen Stand widerspiegeln, es ist zu befürchten, dass noch weitere ungeklärte Fragen auftreten werden. Wenn Sie damit konfrontiert werden, wenden Sie sich bitte an uns, wenn wir Lösungen finden, können wir diese auch anderen Interessenten weitergeben. Dies gilt etwa für die Frage der Heilmittelrichtlinien, deren Neufassung nicht unmittelbar mit dem GMG zusammenhängt, aber vor allem für die dauerhaft erforderlichen Leistungen für behinderte Menschen Probleme mit sich bringt. Wir werden informieren, wenn uns der endgültige Stand bekannt ist.

I. Inzwischen sind zu einigen strittigen Fragen Klärungen des Bundesausschusses erfolgt:

• Praxisgebühren

Die Übergangsregelung für die Psychotherapie wird um ein Quartal bis zum 30. Juni 2004 verlängert. Danach muss ein Patient beim Psychotherapeuten keine zusätzliche Praxisgebühr entrichten, wenn er von einem anderen Arzt überwiesen wurde. Die entsprechende Be-stimmung im Gesetz zur Gesundheitsreform ist rechtlich umstritten. Ursprünglich sollte die Praxisgebühr jeweils für den ersten Besuch pro Quartal beim Arzt, beim Zahnarzt sowie beim Psychotherapeuten erhoben werden. Überweisungen zwischen diesen Facharztgruppen sollten nicht möglich sein. Während dies bei der Unterscheidung von Arzt- und Zahnarztbehandlung unstrittig ist, soll jetzt bis Mitte des Jahres rechtliche Klarheit für die Psychotherapie geschaffen werden.
Es wird keine Praxisgebühr für nicht verschiebbare Behandlungen im Notfalldienst erhoben, zum Beispiel für Verbandswechsel. Dazu wird eine Überweisungsmöglichkeit geschaf¬fen, die von der Praxisgebühr befreit.
Bei anderen Notfällen bleibt es bei der geltenden Regelung: Die Praxisgebühr im Notdienst wird auch fällig, wenn der Versicherte bereits in Behandlung war und im laufenden Quartal zum Beispiel schon beim Hausarzt eine Gebühr entrichtet hat.

Anfragen der Krankenkasse an den Arzt sind keine Inanspruchnahme durch den Versicherten. Sie lösen daher keine Praxisgebühr aus. Das betrifft zum Beispiel eine Patientin, die bei ihrer Kasse eine Mutter-Kind-Kur beantragt. Setzt sich die Krankenkasse mit dem behandelnden Arzt in Verbindung, um die medizinische Begründung abzuklären, wird für dessen Tätigkeit für die Patientin keine Praxisgebühr fällig.

Als Anmerkung aus der Praxis wurde bekannt, dass falls im Heim nicht der behandelnde Arzt des Bewohners zur Verfügung steht, etwa am Mittwochnachmittag oder am Wochenende, auch eine Praxisgebühr zu entrichten ist, wenn die Ärzte sich nicht untereinander vertreten.

• Chronisch Kranke

Laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzten und Krankenkassen (http://www.g-ba.de/pdf/besch/2004-01-22-RL-62-Definition-Beschluss.pdf) gilt ein Patient als chronisch krank und hat die Belastungsgrenze von 1 % des Bruttoeinkommens, „wenn er wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dau-erbehandlung) und bei ihm zusätzlich eines der folgenden Merkmale zutrifft:

• Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach den Bestimmungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
• Ein Grad von mindestens 60 Prozent Schwerbehinderung oder mindestens 60 Prozent Erwerbsminderung (aufgrund der zu behandelnden Erkrankung)
• Nach ärztlicher Einschätzung ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung erforderlich, ohne die aufgrund der ständig behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung
o eine lebensbedrohliche Verschlimmerung,
o eine Verminderung der Lebenserwartung oder
o eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist.

Unter medizinischer Versorgung sind ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege oder die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln zu verstehen.“

Heimbewohner-Zuzahlung

Durch eine vom MGSFF vermittelte Verwaltungsvereinbarung zwischen Krankenkassen und den Sozialhilfeträgern unter Beteiligung der Heimträgerverbände sollte verabredet worden, dass der Gesamtjahres-Höchstbetrag an Zuzahlungen für Heimbewohner vom Sozialhilfeträger zu Beginn des Jahres überwiesen und dann vom Barbetrag abgezahlt wird. Diese Vereinbarung ist wegen Weigerung der Sozialhilfeträger nicht zustande gekommen. Es gibt daher nur die Möglichkeit, soweit die Zuzahlungsgrenzen im Einzelfall noch nicht erreicht sind, zur Verwaltungsvereinfachung mit den Kassen eine Einigung über eine Zahlung des infrage kommenden Höchstbetrages zu vermitteln, damit die Befreiungsbescheinigung möglichst schnell ausgestellt wird. Dazu ist von einigen Heimträgern wohl schon eine Voraus-zahlung dieses Höchstbetrages vorgenommen werden. Hierzu kann aber kein Heimträ-ger als verpflichtet angesehen werden, zumal ihm hierbei das Risiko der Eintreibbarkeit verbleibt. Möglicherweise ist diese Belastung aber geringer als der Verwaltungsaufwand mit der Sammlung von Belegen bis zur Ausstellung der Befreiungsbescheinigung.

II. Weitere praktische Fragen:

• Zuzahlung bei Hilfsmitteln

Nach § 33 Abs. 2 Satz 5 leisten Versicherte zu jedem verordneten Hilfsmittel als Zuzah¬lung 10 % des Abgabepreises, aber mindestens 5 und höchstens 10 €, an die abgebende Stelle. Wie zu erwarten war, behaupten einige Kassen, dass diese Regelung auch auf die Vereinbarung zwischen dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und den Kassen über die pauschale Finanzierung von Einmalunterlagen anzuwenden sei. Dabei werden die unterschiedlichsten Beträge von den Rechnungen abgezogen. Bei einem Expertengespräch am 04.02.04 zwischen den Vertretern der Kostenträger und der Heime konnte noch keine end-gültige Lösung getroffen werden. Man einigte sich aber, eine Anfrage an das BMGS zu richten und bis zum 31.03.2004 keine Zuzahlungen zu verlangen. Die Heime sollten bei den Krankenkassen, die Zuzahlungen abziehen, intervenieren. Sobald hierüber eine endgültige Klärung erfolgt, werden wir Sie informieren.

Im Zusammenhang mit der Zuzahlung zu Hilfsmitteln ist darauf hinzuweisen, dass die Eigenanteile bei orthopädischen Schuhen nach wie vor vom Sozialhilfeträger als einmalige Leistung zum Erwerb von Schuhen zu übernehmen sind, die Regelungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sind insoweit nicht verändert.

• Aufbringung von Zuzahlungen

Das SGB V kennt keine Ausnahmen von der Aufbringung von Zuzahlungen, es geht hier nach dem alten römischen Rechtssatz, dass man Geld zu haben hat. Hiervon geht ab 1.1.2004 auch das Sozialhilferecht aus, das in § 1 der Regelsatzverordnung in der neuen Fassung anordnet, dass von den Regelsätzen auch „die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Geset-zes über¬nommen werden“, zu tragen sind.
Wer laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Regelsätzen erhält, hat keinen Anspruch auf Übernahme der Zuzahlungen. Auch ohne Erhöhung der Regelsätze geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass die Zuzahlungen, die ja auch für eine Familie nicht mehr als ca 72 € im Jahr betragen können, aus diesen Mitteln aufzubringen sind. (So auch eine Entscheidung des VG Hannover vom 15.01.04 Az. 7 B 59/04). Eine Aus¬nahme kann hier nur für akute Notfälle des Verbrauchs (oder Verlusts) aller Barmittel angenommen werden, beispielsweise aber auch für die Zuzahlung eines mehrere Tage dauernden Krankenhausaufenthalts, insbesondere auch für Wohnungslose, die Hilfe zum Lebensunterhalt in Tagessätzen erhalten. /(Vgl. Beschluss des VG Braunschweig vom 14.01.04 Az. 4 B 64/04 für den Fall einer Methadonsubstitution.)

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass die Ärzte und Leistungserbringer keine Zuzahlungen verlangen können von Hilfeempfängern, die wegen kurzfristiger Sozialhilfeleistungen von weniger als einem Monat reguläre Krankenhilfe nach dem BSHG erhalten und nicht nach § 264 Abs.2 ff. SGB V wie Versicherte behandelt werden.

III. Ausgeschlossene Leistungen:

Hier soll zunächst einmal ein weitgehend vollständiger Überblick über den Umfang der Problematik gegeben werden:

• Bagatellarzneien § 34 Abs. 1 Satz 6

1. Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten ein¬schließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2. Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3. Abführmittel,
4. Arzneimittel gegen Reisekrankheit.

• Ausgeschlossene Hilfsmittel (§ 34 Abs.4)

§ 1 HilfsMKVV
Sächliche Mittel mit geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen
§ 2 HilfsMKVV
Sächliche Mittel mit geringem Abgabepreis
Von der Versorgung sind ausgeschlossen:
1. Alkoholtupfer
2. Armtragetücher, Armtragegurte
3. Augenbadewannen
4. Augenklappen
5. Augentropfpipetten
6. Badestrümpfe, auch zum Schutz vor Gips- und sonstigen Dauerverbänden
7. Brillenetuis
8. Brusthütchen mit Sauger
9. Druckschutzpolster (Ausnahme: Dekubitusschutzmittel)
10. Einmalhandschuhe (Ausnahmen: sterile Handschuhe zur regelmäßigen Katheterisierung und unsterile Einmalhandschuhe bei Querschnittsgelähmten mit Darmlähmung zur Darmentleerung)
11. Energieversorgung bei Hörgeräten für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben
12. Fingerlinge
13. Fingerschienen
14. Glasstäbchen
15. Gummihandschuhe
16. (gestrichen)
17. Ohrenklappen
18. Salbenpinsel
19. Urinflaschen

• Rezeptfreie (andere) Arzneien § 34 Abs. 1 Satz 1-5
„Seit 1. Januar 2004 dürfen die Krankenkassen rezeptfreie Medikamente in der Regel nicht mehr bezahlen. Als Ausnahme von der Regel sollen Medikamente bestimmt werden, die als Standard bei der Behandlung schwerer Krankheiten gelten und deshalb weiterhin von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden sollen.
Die Liste solcher rezeptfreier Arzneimittel wird zurzeit erarbeitet. Sie soll bis zum 31. März 2004 vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgelegt werden. Bis es diese Liste gibt, kann jeder Arzt auch weiterhin alle notwendigen rezeptfreien Medikamente auf Kassenkosten verordnen, wenn er die Notwendigkeit dazu entsprechend begründet.“
Problematisch bleiben die Fälle,
• in denen der Arzt nicht mit der entsprechenden Begründung rezeptfreie Medikamente verschreibt, bzw.
• in denen eine solche Begründung nicht zutrifft oder
• wenn der Arzt auch eine Verschreibung eines rezeptpflichtigen Medikaments ablehnt.

• Fahrkosten zur ambulanten Behandlung (§ 60 Abs.1)
Laut Gesundheitsreform dürfen die Krankenkassen mit wenigen Ausnahmen die Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nicht mehr übernehmen. Nach der Entscheidung des GemBA vom 22. Januar 2004 (http://www.g-ba.de/htdocs/ba_aek/Arbeitsausschuesse/Richtlinien-Texte/richtl_transport_ba_aek.htm) werden von dieser Regelung ausgenommen:

§ 8 Ausnahmefälle für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung
(1) In besonderen Ausnahmefällen können auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer der in § 7 Abs. 2 Buchstaben b) und c) geregelten Fälle bei zwin¬gender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse.
(2) Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind,
- dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist,
und
- dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.
Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinien genannten Aus-nahmefällen (Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie oder Chemotherapie) in der Regel erfüllt. Diese Liste ist nicht abschließend.
(3) Daneben kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen “aG“, “Bl“ oder “H“ oder einen Einstufungsbescheid gemäß SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkassen genehmigen auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen.

Entscheidend ist die besondere Behandlungsform oder ein Schwerbehindertenausweis bzw. Pflegeeinstufung, wobei von diesen auch abgewichen werden kann, wenn eine vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität vorliegt. In jedem Fall muss eine vorherige Genehmigung der Kasse beantragt werden, die auch für mehrere Fahrten erfolgen kann.

IV. Sozialhilfeansprüche

Bei den Leistungsausschlüssen ist der Gesetzgeber offenbar ebenfalls davon ausgegangen, dass sie von allen Versicherten zu tragen sind und auch die zitierte Neufassung der Regelsatzverordnung kann man so verstehen, dass alle nach §§ 36 bis 38 BSHG nicht mehr übernommenen Leistungen daraus zu bezahlen sind. Eigenartigerweise ist die Selbstübernahme der ausgeschlossenen Leistungen bisher in allen uns zugänglichen öffentlichen Verlautbarungen, von der Gesetzesbegründung bis heute totgeschwiegen worden, sodass man durchaus bezweifeln kann, dass die Parlamentarier sich klar gewesen sind, was sie zu die¬ser Thematik beschlossen haben.
Bei bisher genannten ausgeschlossenen Leistungen, außer den noch zu erörternden Brillen, handelt es sich um Bedarfe, die in der Regel auf Dauer auftreten, beispielsweise bei Abführmitteln und Hörgerätebatterien für ältere Menschen. Hier ist die naheliegende Konsequenz im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt eine Erhöhung des Regelsatzes gem. § 22 Abs.1 Satz 2 BSHG. Hiernach sind laufende Leistungen zum Lebensunterhalt abwei¬chend von den Regelsätzen zu gewähren, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Typische Beispiele sind erhöhte Kosten für die Teilnahme am Essen eines Altenheims für Externe oder der Bezug von Essen auf Rädern. Als Gegenargument lässt sich auch nicht die Einbeziehung in den Regelsatz durch die neue Fassung des § 1 der RegelsatzVO anführen. Denn diese kann sich nur auf regelmäßig auftretende Bedarfe wie etwa die Praxisgebühren und Zuzahlungen beziehen, die sich bei Sozialhilfeempfängern auf einen Betrag von 6 oder 3 € im Monat beschränken und sich auch bei mehr oder weniger Kranken nicht erhöhen. Völlig unkalkulierbar und daher vom Regelsatz nicht erfassbar sind die oben aufgelisteten Leistungsausschlüsse. Hier muss ein Gesunder überhaupt keine Zahlungen einkalkulieren, ein chronisch Kranker oder auch nur ein schwerhöriger älterer Mensch mit Verdauungsproblemen beispielsweise hat laufende höheren Aufwendungen für Hörgerätebatterien und Abführmittel. Wie die regelmäßige Ernährung für Selbstversorger im Regelsatz enthalten ist, nicht aber besondere Aufwendungen für Essen auf Rädern, so sind im Regelsatz zwar (obwohl er nicht erhöht wurde und auch in keiner statistischen Zusammenstellung bisher solche Kosten enthalten waren) die begrenzten Zuzahlungen enthalten, nicht aber die mehr oder minder regelmäßig auftretenden Aufwendungen für ausgeschlossene Leistungen. Dass der Gesetzgeber krankheitsbedingte Mehraufwendungen im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt gesondert decken wollte und auch immer noch will, ergibt aus der bisherigen Regelung des Mehrbedarfzuschlags für Krankenkost gem. § 23 Abs.4 BSHG, die auch im SGB XII weitergeführt wird. Für eine Übernahme gem. § 22 Abs.1 Satz 2 BSHG spricht auch, dass in den Gesetzesmaterialien an keiner Stelle deutlich wird, dass der Gesetzgeber eine Tragung der ausgeschlossenen Leistungen aus dem Regelsatz für möglich gehalten und daher die Tragweite seiner Formulierung in § 1 RegelsatzVO überhaupt nicht erfasst hat.

Es ist daher bei allen zu einer dauerhaften Belastung führenden ausgeschlossenen Leistun¬gen – gem. § 5 BSHG vor Kauf dieser Mittel – ein Antrag auf Erhöhung des Regelsatzes gem. § 22 Abs.1 Satz 2 BSHG beim zuständigen Sozialhilfeträger zu stellen.

Das Gleiche gilt auch für Heimbewohner. Bei ihnen kann ebenfalls nur die Tragung der Praxisgebühr und Zuzahlungen aus dem Barbetrag (und Zusatzbarbetrag) verlangt werden, weil dieses dem durch den Heimpflegesatz nicht erfassten Anteil des Regelsatzes der Hilfe zum Lebensunterhalt entspricht. Insoweit muss wohl die Ergänzung der RegelsatzVO auf die Heimbewohner übertragen werden. Aber auch für diese kann nichts anderes gelten, als dass ihnen nur die Übernahme der Praxisgebühr und der Zuzahlungen in der vorgesehenen Begrenzung zuzumuten ist. Der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG entspricht der Begriff „mindestens“ bei der Festlegung der Höhe des Barbetrages in § 21 Abs.1 Satz 2 (Niemann/Renn. Der Barbetrag zur Pers. Verfügung 2. Aufl. 1987 unter 2.1; Schoch in LPK-BSHG Rd.Nr. 77 zu § 21 BSHG unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des OVG Münster), daraus folgt, dass ein Anspruch auf (laufende) Erhöhung des Barbetrages besteht, wenn ein wiederholter oder laufender Bedarf auf Beschaffung beispielsweise von Abführmitteln und/oder Hörgerätebatterien gegeben ist. Auch hier empfiehlt sich nach § 5 BSHG die vorherige Antragstellung beim zuständigen Sozialhilfeträger.

Rechtsmittel: Zunächst ist es, wie bereits ausgeführt, wichtig, Anträge auf Aufstockung der Regelsätze oder des Barbetrages vor der Deckung entsprechenden Bedarfs zu stellen. Dabei sollte auf die Eilbedürftigkeit wegen der dringenden Bedarfslage verwiesen werden. Wenn keine oder eine ablehnende Antwort innerhalb von ca. 1-2 Wochen erfolgt, kann der Bedarf wegen Verzögerung der Hilfeleistung bei dringendem Bedarf die Bedarfsdeckung nach Möglichkeit mit aus diesem Grunde geliehenem Geld erfolgen, damit nicht später der Einwand des Sozialhilfeträgers kommt, dass der Bedarf aus eigenen Mitteln gedeckt und daher vom Sozialhilfeträger nach § 2 BSHG nicht mehr zu übernehmen ist.
Bei einer Ablehnung des Antrags sollte unbedingt Widerspruch eingelegt werden. Dann oder wenn die Bearbeitung je nach Dringlichkeit nach 1 oder 2 Wochen immer noch nicht erfolgt ist, sollte in folgenden Fällen ein Antrag auf einstweilige Anordnung beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht werden. Da in dem Antrag nicht nur die Begründung für den Anspruch (s.o.) dargestellt werden muss, sondern auch die Begründung für die besondere Dringlichkeit, muss dort zum einen der dringliche Bedarf zum anderen aber die Unmöglichkeit der Deckung des Bedarfs aus dem eigenen Einkommen und Vermögen dargelegt werden. Das bedeutet, dass dem Hilfesuchenden kein Schonvermögen zur Verfügung stehen darf, aus dem er den Bedarf zunächst decken kann, bei Heimbewohnern bedeutet das auch, das auf dem Barbetragskonto keine freien Beträge zur Verfügung stehen, zum Zweck einer solchen vorläufigen Bedarfsdeckung ist auch der ggf. vorhandene Zusatzbarbetrag zu verwenden (der nach dem Sozialhilferecht sowenig den Anspruch auf aufstockende Leistungen ausschließt wie vorhandenes Schonvermögen). Wenn dieses nicht beachtet wird, ist ein Scheitern des Antrags auf einstweilige Anordnung ungeachtet der inhaltlichen Begründetheit des Anspruchs vorprogrammiert.

Bei Heimbewohnern oder ambulant versorgten Empfängern von Hilfen in besonderen Lebenslagen, insbesondere von Hilfe zur Pflege oder Eingliederungshilfe, gibt es noch eine andere sozialhilferechtliche Begründung für die Freilassung von Kosten für ausgeschlossene Leistungen, evtl. auch für Praxisgebühren oder Zuzahlungen. Nach § 84 Abs. 1 BSHG ist Einkommen oberhalb der Einkommensgrenze nur „in angemessenem Umfang“, d.h. nach Abzug von besonderen Belastungen für Heimaufenthalt oder ambulante Pflege etc. einzusetzen. Nach den Empfehlungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe T 84 Tz. 2.4.4 (insoweit vergleichbar mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins) können besondere Belastungen insbesondere sein: „Aufwendungen bei Krankheit ...(z.B. besonders teure Arz¬neien oder Stärkungsmittel... erhöhte Fahrtaufwendungen“). Nach der Gesundheitsreform betrifft dies zumindest alle Leistungen, die aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen worden sind, behauptet werden könnte dies ggf. auch für Praxisgebühren oder Zuzahlungen. Während die Praxisgebühren und Zuzahlungen bei Sozialhilfeempfängern begrenzt sind, könnte hier das besondere der Belastungen bezweifelt werden, nicht aber hinsichtlich der ausgeschlossenen Leistungen, die den Normalverbraucher nicht treffen. Bei (alleinstehenden) Heimbewohnern kommt die Berücksichtung von besonderen Belastungen nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG auch in Frage, wenn sie mit ihrem Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze liegen, da auch hier der Einkommensein¬satz nur „in angemessenem Umfang“ erfolgt, weshalb auch hier besondere Belastungen freizulassen sind.

Hinweis zum Verfahren: Anders als oben beschrieben, ist der Antrag auf Berücksichtigung von Gesundheitsausgaben als besondere Belastung nicht vor Deckung des jeweiligen Bedarfs zu stellen, sondern setzt die Vorlage von Quittungen voraus. Es kommt von daher auch kein Antrag auf einstweilige Anordnung, sondern nur das reguläre Rechtsmittelverfahren mit Widerspruch und ggf. Klage in Betracht.

• Brillen:§ 33 Abs.1

„Versicherte haben bis zur Vollendung des18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden.“

Brillen benötigen auch Personen, die nicht eine schwere Sehbeeinträchtigung besitzen, sei es zur Bewältigung des täglichen Lebens oder zur Leistung ihrer Arbeit. Der Gesetzgeber kann nicht so verstanden werden, als ob er den Bedarf verneinen wollte. Sein Argument war lediglich, dass eine Vielzahl von Bürgern soviel Geld ausgibt, um die früheren Mindestleistungen der Kassen aufzustocken, dass sie getrost noch den Rest der Aufwendungen selbst tragen können. Dabei wurde, ebenso wenig wie bei den anderen Leistungsausschlüssen, an die Sozialhilfeempfänger gedacht, so dass auch in diesem Zusammenhang die mehrfach erwähnte Änderung des § 1 der Regelsatzverordnung nicht so verstanden werden kann, als sollten Brillen zukünftig aus dem Regelsatz bezahlt bzw. angespart werden. So wie bei den anderen Leistungsausschlüssen eine Aufstockung des Regelsatzes oder bei Heimbewohnern des Barbetrages zu erfolgen hat, besteht bei erforderlichen Aufwendungen für Brillen ein Anspruch auf eine einmalige Leistung nach § 21 Abs. 1a Nr.6 BSHG, weil es sich hier um die Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und von höherem An¬schaffungswert handelt.

Auch hier gilt zum Rechtsmittelverfahren, dass bereits vor der Bestellung ein Antrag beim zuständigen Sozialhilfeträger gestellt werden und eine Selbstbeschaffung nur nach Abwarten einer angemessenen Frist (je nach der Dringlichkeit des Einzelfalls) und aus hierzu geliehenem Geld erfolgen sollte. Für einen Antrag auf einstweilige Anordnung ist auch hier zu beachten, dass kein Schonvermögen vorliegen darf.

Bitte teilen Sie uns besonders krasse Problemfälle mit, damit wir diese unserer Hauptgeschäftsstelle mitteilen können, die darum zur Unterstützung für öffentlichkeitswirksame Kampagnen gebeten hat.

Zu Rückfragen wenden Sie sich bitte an Herrn Niemann.

Mit freundlichen Grüßen

Britta Anger Peter Niemann
Geschäftsführerin Referent

Anlage 1

SGB V § 264 Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskos-ten gewährleistet wird.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2, von Empfängern von Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes und von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, Personen, die ausschließlich Leistungen nach den §§ 14 und 17 des Bundessozialhilfegesetzes beziehen sowie für die in § 119 des Bundessozialhilfegesetzes genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine Krankenversichertenkarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291 Abs. 2 Nr. 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushalts-vorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes sind, meldet der Sozial-hilfeträger diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Sozialhilfeträger die Krankenversichertenkarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Sozialhilfeträger zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Kranken-kasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leis-tungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 85a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgern vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Perso-nenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen fest-gelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Sozialhilfeträger von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

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