Newsticker

Jahresarchiv

Jahresarchive

Betreff: Schreiben an Bundesatgsabgeordnete wg. Wohnkosten Hartz IV

Betreff: Schreiben an Bundesatgsabgeordnete wg. Wohnkosten Hartz IV

Zur Kenntnisnahme an div. Verteiler
Den folgenden Brief habe ich an alle Bundestagsabgeordneten der SPD undähnlich lautend an die Abgeordneten der anderen Fraktionen geschickt.

Knut Unger, MieterInnenverein Witten im Deutschen Mieterbund

------------------------------------------
Keine Mietervertreibungen durch Hartz IV!
------------------------------------------

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe drohen auch die von den Städten zu übernehmenden Wohnkosten auf das bisherige
Sozialhilfeniveau abgesenkt zu werden. Wir müssen befürchten, dass ab 1.Januar Hunderttausende von Arbeitslosen Aufforderungen zur Senkung ihrer
Wohnkosten erhalten und dass es nach 6 Monaten dann zu Kürzungen der Wohnkostenzahlungen kommt. Die Folge wären massive Mieterverdrängungen, die Wohnsicherheit gefährdende Zahlungsrückstände und die Abdrängung in benachteiligte Wohnquartiere. Ich fordere Sie dringend auf, es nicht so weitkommen zu lassen!

Im SGB II wurde der Begriff der "Angemessenheit" der Wohnkosten aus der Regelsatzverordnung zum BSHG übernommen. Von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung dazu will, wie uns das Arbeitsministerium schriftlich mitgeteilt hat, Minister Clement keinen Gebrauch machen. Das
Ministerium geht davon aus, dass die bisherigen kommunalen Regelungen zur Angemessenheit der Unterkunftskosten nach BSHG übernommen werden. In allen uns bekannten Städten liegen die Sätze sowohl hinsichtlich der Wohnungsgrößen als auch der Quadratmetermieten am untersten Rand. Schon jetzt ist es für die betroffenen Sozialhilfe-EmpfängerInnen sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, zu diesen Kriterien Wohnraum zu finden. Seit Jahren kommt es zu Verdrängungen und sozialen Härten, wenn zum Beispiel Alleinerziehne mit kleinen Kindern auf ihrer Lebensumwelt verdrängt werden, wenn Menschen, die bereits am Existenzminimum knappsen auch noch Kürzungen der Wohnkosten hinnehmen müssen. Die BSHG-Rechtsprechung hat sich eindeutig zu Lasten der Hilfe-EmpfängerInnen entwickelt. Die Kommunen sind weitgehend frei, niedrigste Obergrenzen festzusetzen, ohne dass die Betroffenen realistische Chancen haben, dies rechtlich zu beanstanden.

Wenn diese Regelungen nun zum 1.Januar auf alle bisherigen
ALHI-EmpfängerInnen ausgedehnt werden, ist eine Katastrophe unausweichlich.
Soweit es überhaupt einen Markt mit derart niedrigen Mieten gibt, wird er durch die amtlich erzwungenen Umzüge chnell "dicht" sein. Auch Sozialamtsleiter und Sozialdezernenten diverser Städte bestätigen: Es gibt
diese Wohnungen nicht in ausreichender Anzahl! Es drohen starke Verwerfungen auf den lokalen Wohnungsmärkten! Unabhängig davon aber werden unzählige Menschen nicht nur eine rabiate Kürzung ihrer "Stütze" hinnehmen müssen, sie
werden auch noch mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Wohnung gefährdet ist!

Das SGB II sieht vor, dass die tatsächlichen Wohnkosten in der Regel nur für 6 Monate übernommen werden, danach sind auch dann Kürzungen zu befürchten, wenn Bemühungen um Kostensenkungen erfolglos blieben! Kommt es zu
Zahlungsrückständen und dann zu einer Räumungsklage ist nicht einmal mehr wahrscheinlich, dass die Mietschulden übernommen werden, weil dies nur noch dann geschehen soll wenn es der Aufnahme eines konkret in Aussicht stehenden
Arbeitsverhältnisses dient. SGB II kennt auch nicht die im SGB XII aufgenommene Hinweise auf örtliche Mietspiegel und die lokalen Bedingungen des Wohnungsmarktes.

Die möglichen Folgen dieser Regelungen widersprechen allem, was ich bislang für Zielsetzungen der Wohnungs-, Sozial- und Städtebaupolitik der Bundesregierung gehalten habe: Das Programm "Soziale Stadt" zum Beispiel wird zum reinen Hohn, wenn hier per staatlicher Regelung Millionen
Arbeitslose in Substandardquartiere oder ohnehin schon benachteiligte Wohnbereiche abgedrängt werden. In Leipzig sollen bereits Leerstände gehortet werden, um die neuen sozialen Brennpunkte zu schaffen. Jahrzehnte an
Bemühungen um soziale Mischung werden handstreichartig erledigt. Wir werden eine starke Erhöhung der Obdachlosenquoten erleben. Empfehlungen und Programme zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit werden zur Makulatur.
Gigantische Sozialkosten sind die Folge. Ich gehe davon aus, dass die amtliche Massenvertreibung verfassungswidrig wäre, sie würde zudem gegen internationale Menschenrechts-vereinbarungen verstoßen, die die Bundesrepublik unterzeichnet hat.

Es ist mir unbegreiflich, wie die SPD diesem Gesetzespaket zustimmen kann.
Es gibt drei Möglichkeiten, die Gefahren abzuwehren:
1. Es wird unmittelbar mit dem Gesetzgebungsverfahren zur Rückabwicklung der Hartz IV- "Reformen" begonnen, weil die Umsetzung nicht möglich und verfassungswidrig ist. Dies würde nicht bedeuten, dass positive Aspekte des Hartz-Konzeptes ein für alle mal erledigt wären. Aber es wäre das ehrliche Eingeständnis, dass die Zielsetzung dieser Reform verfehlt war und dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die Umsetzbarkeit endgültig unmöglich gemacht wurde.

2. Es werden durch - allerdings massive - Änderungen am Gesetzespaket die schlimmsten Auswüchse repariert. Das würde in unserem Fall zum Beispiel bedeuten, dass der Begriff der Angemessenheit im SGB II sozialverträglich
definiert wird und dass Klauseln zum Schutz bestehender Wohnverhältnisse eingeführt werden, die sich in Übereinstimmung mit dem Recht auf Wohnen befinden. Da es aber zahlreiche andere derartige Nachbesserungsanforderungen
gibt, zum Beispiel hinsichtlich der Zumutbarkeit der Arbeitsangebote oder der Allmacht der Fallberater, und weil diese Nachbesserungen natürlich erst einmal zu erheblichen Kostensteigerungen führen werden, halte ich das für
unrealistisch.

3. Es werden im vorliegenden Fall Etat-Mittel bereit gestellt, die es den Kommunen ermöglichen, die bisherigen tatsächlichen Wohnkosten zu tragen. Das heißt, dass die geplante Revisionsklausel so gestaltet werden muss, dass die
Kommunen nachgewiesene tatsächliche Wohnkosten in jedem Fall ersetzt bekommen, und zwar einklagbar. Im Grunde erfordert eine solche Regelung aber eine rechtliche Bestimmung, die bislang nicht vorgesehen ist, zu weiteren
Kosten führt und die unter Punkt 2 gemachten Ausführungen gelten ja auch in diesem Fall.

Kommt es nicht zu einer dieser Lösungen, werden sich die Kommunen im nächsten Jahr mit massivsten Protesten, massenhaften Widersprüchen, Musterklagen usw. auseinander setzen müssen. Wir werden nicht scheuen, dieses Thema bereits in den Kommunal-Wahlkampf NRW und dann in die
Landtagswahlauseinandersetzung einzubringen!

Ich bin Mitarbeiter des MieterInnenvereins Witten. Zusammen mit den Mietervereinen Bochum, Dortmund Essen bilden wir das Mieterforum Ruhr im Deutschen Mieterbund. Hinsichtlich der Einschätzung der HARTZ IV Wohnkosten Regelung sind wir uns völlig einig und haben das in Briefen, Beteiligung an
Protestaktionen und Presserklärungen deutlich gemacht. Ich bin außerdem Sprecher der AG Habitat im Forum Umwelt und Entwicklung.

Mit freundlichen Grüßen
Knut Unger

Email: unger@mvwit.de
MieterInnenverein Witten u. Umg. e.V. / Habitat-Netz. e.V.
Postfach 1928, 58409 Witten
Bahnhofstr. 46, 58452 Witten
Geschäftsstelle Tel. 02302-51793
Direkt/ Habitat-Netz: 02302-276171
Fax. 02302-27320

Zurück