Newsticker

Jahresarchiv

Jahresarchive

Bericht: Protestaktion bei AWO Bundeskonferenz gegen 1-Euro-Zwangsarbeit

Aktion bei AWO Bundeskonferenz
von egal - 02.11.2004 12:23

Am letzten Freitag (29.10.2004) fand im Bremer Congress Centrum der Bundeskongress der Arbeiterwohlfahrt (AWO) statt.
Dabei kam es zu einer Protestaktion von gut 50 Personen in Bezug auf die 1-Euro-Zwangsarbeit und die Beteiligung der AWO an der so geannten "freiwilligen" Rückkehr.

Gegen 17 Uhr trug eine Gruppe von 50 Personen ihren Protest gegen die AWO in ihren Tagungsort. Dabei wurde die Rede des damaligen Bundesvorsitzenden Manfred Ragati gestört und Flugblätter an die anwesenden Deligierten verteilt. Einige AWO AnhängerInnen versuchten die Protestierenden aus dem Saal zu drängen, was allerdings kaum gelang.

Die Aktion richtete sich gegen die AWO, da diese als einer von mehreren Wohlfahrtsverbänden von den ein-euro-zwangsjobs profotieren wird. Der damalige Vorsitzende der AWO Manfred Ragati (neuer Vorsitzender ist der Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt) beschrieb das Interesse der Wohlfahrtsverbände mit den Worten: "Die Wohlfahrtsverbände scharren mit den Füßen." (Frankfurter Rundschau, 7.9.2004).

Ferner richtete sich der Protest gegen die Mitwirkung der AWO an der so genannten "freiwilligen" Rückkehr, einem Instrument der staatliche Abschiebepolitik, welches die Freiwilligkeit vortäuscht um die Rückkführungspolitik zu legitimieren und auszuweiten. Exemplarisch hierfür ist der Ableger der AWO Bremerhaven Heimatgarten, spezialisiert auf die Rückkehr alter und kranker Menschen.

Im folgenden ist das verteilte Flugblatt dokumentiert:

Wohlfahrt? Von wegen!
Gegen Profite mit 1-Euro Jobs, Lohndumping und Abschiebungen

Im Bremer Congress Centrum findet vom 29. bis 31. Oktober die Bundeskonferenz 2004 der AWO mit 441 Delegierten und 250 Gästen statt. Wir sind der Auffassung, dass die Bundeskonferenz eine gute Gelegenheit dafür ist, der AWO als künftigem Profiteur von 1-Euro-Jobs und Abschiebedienstleister klar zu machen, was wir von ihren Geschäftspraktiken halten: Nämlich nichts.

„Die Wohlfahrtsverbände scharren mit den Hufen“- mit diesem in der Frankfurter Rundschau vom 7.9.2004 zitierten Satz hat Manfred Ragati, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und gleichzeitig Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO), das große Interesse der Wohlfahrtsverbände an den 1 Euro-Jobs deutlich gemacht. Gleichzeitig hat man Vorschläge eingebracht, wie das Ganze aus Sicht der Verbände noch günstiger gestaltet werden könnte. So wünscht man sich z.B. eine Verlängerung der Beschäftigungsdauer, die derzeit mit 6 bis 12 Monaten vorgesehen ist. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt geht davon aus, dass allein 60.000 derzeit unbesetzte Zivi-Stellen problemlos durch 1-Euro-Jobs ersetzt werden könnten. Weiterhin würden bundesweit noch 35.000 Tagesmütter benötigt. Hier tut sich also ein weites Beschäftigungsfeld für die Wohlfahrtskonzerne auf.

Mit den 1-Euro-Jobs wird nun nach jahrelangen Diskussionen der Niedriglohnsektor mit staatlicher Subvention etabliert und ausgeweitet. Von diesem wird massiver Druck auf die bestehenden regulären Beschäftigungsverhältnisse ausgehen. Die geforderte „Zusätzlichkeit“ ist hierbei lediglich eine wirkungslose Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Denn wie die Sozialpolitische Opposition Hamburg so treffend festgestellt hat: „Zusätzlichkeit“ wird täglich produziert: Der Kahlschlag in allen Bereichen des sozialen Hilfesystems und der sozialen Sicherung, die Ausdünnung von Leistungskatalogen, jede Entlassung und jede geschlossene Einrichtung schafft neue „Zusätzlichkeiten“, mit der 1-Euro-Tätigkeiten in diesen Bereichen gefordert und begründet werden.

Die Perspektiven sind bedrohlich: ErzieherInnen, die bei der Schließung von Kitas arbeitslos werden, sollen nach einem Jahr Erwerbslosigkeit dieselbe Arbeit in einer anderen Einrichtung oder als Tagesmutter erledigen – erzwungener maßen und für 1 Euro die Stunde. Entlassene KrankenpflegerInnen arbeiten anschließend für 1 Euro in irgendwelchen Pflegediensten, erwerbslose MaschinenschlosserInnen oder LandschaftsgärtnerInnen leiten für 1 Euro in Beschäftigungsprojekten Jugendliche an – die dort ihrerseits auf 1-Euro-Basis arbeiten. Die Spirale des Lohndumpings und der Entwertung von Qualifikationen scheint unendlich.

Die AWO – ein Wohlfahrtskonzern mischt mit
Wenn der AWO Bundesvorsitzende Ragati sagt, dass die Wohlfahrtsverbände mit den Hufen scharren, dann hat er klar gemacht, dass diese sich nicht nur zähneknirschend, sondern mit großem Elan an der Umsetzung von Hartz IV beteiligen wollen. Auch die AWO, die mit 480.000 Mitgliedern, 100.000 Ehrenamtlichen und 145.000 hauptamtlich Beschäftigten zu den Großen im Geschäft zählt, wird zu den Profiteuren der 1-Euro-Jobs gehören.
Wie heißt es so schön in einer anläßlich der Bundeskonferenz 2004 verbreiteten Selbstdarstellung der AWO: „Die Arbeiterwohlfahrt arbeitet auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Überlegungen, bewertet ihren Erfolg aber nicht allein an den Betriebsergebnissen. (...) Betriebwirtschaftliche Erfordernisse und soziale Mitverantwortung für die Lebenslage des Einzelnen und für das Gemeinwesen sind für uns gleichrangige Güter. (...) Mit unseren Dienstleistungen stehen wir im Wettbewerb. Wir verstehen dies als Chance, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität unserer Arbeit im Interesse unserer Nutzer ständig zu überprüfen und zu verbessern.“

Viele Beschäftigte der AWO (und auch anderer Wohlfahrtsverbände) wissen ein Lied davon zu singen, was das Gerede von betriebwirtschaftlichen Erfordernissen und sozialer Mitverantwortung konkret heißt: Knallharter Kostendruck und eine stetige Verschlechterung von Arbeitsbedingungen. Aber nicht nur die Beschäftigten, sondern auch diejenigen, die von der AWO „betreut“ werden, kennen die Geschäftspraktiken der AWO. In den von der AWO in den frühen 1990er Jahren in Bremen betriebenen Unterkünften für AsylbewerberInnen herrschten miserable Bedingungen. Sie waren aufgrund der räumlichen Verhältnisse, der Verpflegung, der Besuchsverbote und der Feindseligkeit des eingesetzten Leitungspersonals geradezu berüchtigt. Es war die AWO, die diese Art von Unterbringung zusammen mit dem Bremer Senat auf die Spitze trieb, als sie sich nicht zu schade dafür war, auch noch fensterlose Kriegsbunker als Flüchtlingsunterkünfte zu bewirtschaften.

Abschiebedienstleistungen
Unter „sozialer Mitverantwortung für das Gemeinwesen“ versteht man bei der AWO offenbar auch Abschiebedienstleistungen. Die AWO Bremerhaven organisiert unter dem wohlklingenden Namen Heimatgarten die Rückkehr von alten und schwer erkrankten Menschen in das ehemalige Jugoslawien. Das Ganze wird beschönigend als “freiwillige Rückkehr“ bezeichnet, wohl wissend, dass ein Großteil der RückkehrerInnen erst durch die Abschiebeandrohung in die Programme gedrängt wird. Wo bislang aus humanitären Gründen auf eine gewaltsame Abschiebung verzichtet werden musste, bieten nun „freiwillige“ Rückkehrprogramme den Ausländerbehörden neue Perspektiven, kranke Menschen auf unkomplizierte und preisgünstige Weise los zu werden. Um die Sicherung eigener Pfründe bemüht, greift die AWO in Anpreisung ihrer Fähigkeiten bereitwillig auf die in Mode befindliche Diskussion der Sparpotenziale zurück. Volker Tegeler, AWO-Geschäftsführer in Bremerhaven, stellt erst fest „Die Kassen sind leer“, um dann zu folgern: „Flüchtlinge in ihre Heimat zu begleiten ist günstiger, als sie in Deutschland zu betreuen“ (Nordsee-Zeitung vom 19.05.04)

Protest anläßlich der Bundeskonferenz
Gegen 18 h spricht heute SPD Chef Franz Müntefering auf der Konferenz ein Grußwort. Dies ist ein Symbol nicht nur für die enge Verbindung zwischen SPD und AWO sondern auch für die Kooperation des Wohlfahrtsverbandes bei der Umsetzung von Hartz IV. Wir nehmen daher den Zeitpunkt seines Auftritts zum Anlaß, die AWO Bundeskonferenz mit unserem Protest zu konfrontieren und rufen Alle auf, sich uns anzuschließen.

Finger weg vom Geschäft mit der Entrechtung!
Protest gegen die AWO als Profiteur von 1-Euro Jobs,
Lohndumping und Abschiebungen!

Bündnis gegen 1-Euro-Zwangsarbeit

Zurück