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Auszug aus dem Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD

2.6 Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV)



CDU, CSU und SPD bekennen sich nachdrücklich zur Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Die Betreuung der arbeitsfähigen ehemaligen Bezieher der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe aus einer Hand war und bleibt der richtige Weg.

Ein so komplexes und umfangreiches Reformvorhaben erfordert allerdings flexible Anpassungen und Verbesserungen. Wir werden daher durch detaillierte und passgenaue Veränderungen auf die Erfahrungen dieses Jahres reagieren und den gesamten Hartz IV Prozess optimieren.

  • Wir haben uns darauf verständigt, den Empfehlungen des Ombudsrates zu folgen und vereinheitlichen die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Ost- und Westdeutschland. Die Regelleistung in den neuen Ländern steigt um 14 Euro monatlich.
  • CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass durch gesetzliche und untergesetzliche Änderungen die praktische Umsetzung der Hartz IV-Reform bereits kurzfristig optimiert werden muss. Durch organisatorische Maßnahmen innerhalb der Bundesagentur für Arbeit wird sichergestellt, dass die Interessen des Bundes an der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitssuchende gewahrt werden. Neben technischen Änderungen wird es auch im Leistungsrecht Veränderungen geben.
  • Vertrauensklausel für optierende Kommunen: Sollte es bei der in 2008 anstehenden Evaluation zu keiner gemeinsamen Bewertung und Schlussfolgerung der Koalitionspartner kommen, wird die derzeit geltende gesetzliche Regelung für Kommunen zu optieren im bisherigen Umfang nach dem 31.12.2010 um weitere drei Jahre verlängert.
  • Wir werden eine Präzisierung bei der Definition der Bedarfsgemeinschaft vornehmen. Künftig sollen unverheiratete, volljährige, unter 25jährige Kinder grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden.
  • Wir werden bei der Ausgestaltung des Schonvermögens neue Akzente zugunsten der Alterssicherung setzen. Dazu könnten künftig die Schonbeträge zur Alterssicherung angehoben und die bisherigen Freibeträge entsprechend abgesenkt werden.
  • Unter 25jährige, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen, können künftig nur noch Leistungen erhalten, wenn sie vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen. Damit wollen wir verhindern, dass Bedarfsgemeinschaften nur zu dem Zweck gegründet werden, um höhere Arbeitslosengeld-II-Ansprüche geltend zu machen.
  • Wir werden die Definition eheähnlicher Partnerschaften und die Beweislastumkehr prüfen.
  • Daneben werden wir prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit finanzielle Anreize für die Träger der Grundsicherung verbessert werden können, wenn sie die Erwerbstätigkeit der Leistungsbeziehenden erfolgreich fördern.
  • Personen, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, und die keine Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt finden können, müssen eine Perspektive bekommen. Wir werden prüfen, ob und wie die Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass auch für diese Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, die eine sinnvolle und den individuellen Möglichkeiten entsprechende Entfaltung zulassen.
  • EU-Ausländer, die sich nur zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten und vorher in Deutschland nicht gearbeitet haben, sollen künftig keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehr haben.
  • Junge Menschen, die BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe beziehen, sollen künftig aus diesen Systemen bedarfsdeckende Leistungen erhalten, so dass aufstockendes Arbeitslosengeld II nicht mehr erforderlich ist.
  • Die Zuständigkeiten der Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Träger hinsichtlich Berufsberatung, Ausbildungsstellen- und Arbeitsvermittlung und Aufstockern, die sowohl Leistungen nach dem SGB II als auch dem SGB III beziehen, werden gesetzlich klargestellt.
  • Wir werden prüfen, ob beim Kinderzuschlag den Betroffenen ein Wahlrecht zwischen befristetem Zuschlag im Übergang vom Arbeitslosengeld zum Arbeitslosengeld II und dem Kinderzuschlag eingeräumt werden kann.
  • Wir werden dem Leistungsmissbrauch energisch und konsequent entgegentreten. Das trägt dazu bei, die Bereitschaft zum solidarischen Ausgleich in unserer Gesellschaft für die wirklich Bedürftigen auf eine verlässliche Basis zu stellen.


  • Hierzu zählt v.a.:
    • CDU, CSU und SPD haben sich darauf verständigt, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Leistungsempfänger zur Teilnahme an einer Telephonabfrage verpflichtet werden, in der die aktuellen Lebenssituationen überprüft werden.
    • Die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten zum Datenabgleich sollen noch konsequenter genutzt werden. Wir werden daher die gesetzliche Grundlage für eine Erweiterung des Datenabgleichs schaffen, um auch im Ausland existierende Konten und Depots von Leistungsbeziehern aufzudecken.
    • Gemeinsam mit den Ländern werden wir prüfen, ob die Einrichtung eines Außendienstes bei den Arbeitsgemeinschaften und den zugelassenen kommunalen Trägern vorgesehen werden soll.
    • Jedem Antragsteller soll verdeutlicht werden, dass in der Grundsicherung für Arbeitsuchende das Prinzip „Fördern und Fordern“ vom Beginn der Antragsstellung an systematisch umgesetzt wird. Personen, die erstmals einen Antrag auf Leistungen stellen, sollen daher nach Prüfung der individuellen Situation Sofortangebote zur Aufnahme einer Beschäftigung oder Qualifizierung erhalten. Diese Maßnahmen können auch der Überprüfung der Arbeitswilligkeit dienen.
    • Die Praxis hat gezeigt, dass die bisherigen Regelungen zu Sanktionen zu starr sind und eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene, angemessene Anwendung erschweren. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, hier eine gesetzliche Änderung herbeizuführen. Gegenwärtig beziehen zahlreiche Personen Arbeitslosengeld II, obwohl sie nicht erwerbsfähig sind. Die Folge sind Mehrausgaben für den Bund und die Krankenkassen. Wir werden daher den Krankenkassen ein Beantragungsrecht bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit einräumen.




  • Schließlich sind wir gefordert, ein Bewusstsein in unserer Bevölkerung zu veran kern, das auf Eigenverantwortung, Teilhabe an der Erwerbsarbeit und solidarische Unterstützung der Hilfebedürftigen setzt. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess hat seit Einführung der Grundsicherung der Ombudsrat wahrgenommen. Wir haben daher beschlossen, seine Tätigkeit um ein halbes Jahr zu verlängern. Der Ombudsrat wird seine Empfehlungen in einem Schlussbericht zum 30. Juni 2006 vorlegen.
  • CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass die zum 1.10.2005 eingeleitete Revision, mit der die Höhe der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft festgelegt wird, zügig weitergeführt werden muss. An dem Ziel, die Kommunen im Zuge des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt bundesweit um 2,5 Mrd. Euro zu entlasten, wird festgehalten. Unmittelbar nach Bildung der neuen Bundesregierung wird die notwendige Abstimmung mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden herbeigeführt. Auf dieser Basis soll – im Zuge des bereits eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens – die Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung sowohl für das Jahr 2006 als auch das Jahr 2007 festgelegt werden. Eine weitere – abschließende – Revision soll zum 1.10.2007 durchgeführt werden.


Insgesamt werden wir durch die vorgeschlagenen Maßnahmen und Verbesserungen bei Hartz IV 3,8 Mrd. Euro einsparen. Wir erreichen dies im Einzelnen durch folgende Veränderungen:

  • Einführung eines grundsätzlichen Rückgriffsrechts für bis zu 25-jährige (0,5 Mrd. Euro).
  • Einschränkung der Finanzierung des Erstwohnungsbezugs von Jugendlichen (0,1 Mrd. Euro).
  • Verbesserung der Verwaltungsabläufe und Organisationsstruktur von Hartz IV (1,2 Mrd. Euro).
  • Reduzierung des Zahlbetrages für die gesetzliche Rentenversicherung von 78 Euro auf 40 Euro monatlich (2 Mrd. Euro).


Den kompletten Koalitionsvertrag als PDF downloaden. (638 KB)

Tacheles Online Redaktion
Harald Thomé

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