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»Arbeitsgelegenheit« – Arbeiten ohne Wert?

25.08.2005 aus JungeWelt http://www.jungewelt.de/2005/08-25/003.php

Thema
Wolfgang Richter

»Arbeitsgelegenheit« – Arbeiten ohne Wert?

Prekarisierung und Ausbeutung durch Ein-Euro-Jobs. Teil 1: Vorenthaltener Lohn und Zweckentfremdung öffentlicher Mittel: Eine Analyse der beim »Konzern Stadt Dortmund« eingerichteten »Arbeitsgelegenheiten«

* Seit 1. Januar dieses Jahres sind bundesweit »Arbeitsgelegenheiten« nach »Hartz IV« und Sozialgesetzbuch (SGB) II eingerichtet worden. Aber schon in den Monaten zuvor hatten eilige Fallmanager in den Arbeitsagenturen »Freiwillige« gedrängt, sich vorab dienstverpflichten zu lassen und gegen »Mehraufwandsentschädigung« einen sogenannten Ein-Euro-Job anzutreten. Nach über einem halben Jahr Laufzeit – dies ist die reguläre Dauer der »Arbeitsgelegenheiten« – ist es nun möglich und an der Zeit, erste Bilanzen zu ziehen und die oft euphorischen Voraburteile der Politik über das neue arbeitsmarktpolitische Instrument zu überprüfen. Auf der Grundlage von Material der Stadt Dortmund als Trägerin von »Arbeitsgelegenheiten« stellt Wolfgang Richter im ersten Teil die Frage nach ihrer materiellen Grundlage – wo fließen Fördergelder, was bewegen sie und wer profitiert von ihnen? Irina Vellay ordnet im morgen erscheinenden abschließenden Teil zwei aus feministischer Sicht die Veränderungen ein, die mit dem Instrument innerhalb der Lohnarbeitsverhältnisse im Bereich der gesellschaftlichen Reproduktion durchgesetzt werden sollen: Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihre Herauslösung aus den Tarifsystemen.

Dortmund war als Standort der Montanindustrie eine der am stärksten durch den klassischen Fordismus geprägten Städte in der alten Bundesrepublik. Das schloß alles ein, was in diesem Kontext politisch prägend war: Das unhinterfragt präsente Politikmodell des »rheinischen Kapitalismus«, die in der Stadt im Konsens mit den Gewerkschaften herrschende Sozialdemokratie und deren historischer Kompromiß mit »ihren« Großunternehmen, das System der betrieblichen »Versorgung«, der bornierte Glaube an ein grenzenloses Wachstum, das rigide Geschlechterverhältnis. Dortmunds Oberbürgermeister war früher wie selbstverständlich Mitarbeiter des größten Unternehmens in der Stadt. Zuletzt allerdings – besonders nachdem 1997 die Schließung der letzten Stahlstandorte beschlossen worden war – repräsentierte er diesen schon merklich kollabierenden Fordismus als ein betriebliches und gesellschaftliches Projekt ohne wirkliche Perspektive. Das langsame Sterben der großen Industrie gestaltete sich für die Stadt und ihre Menschen entsprechend dramatisch.

Die »heimliche Hauptstadt der (alten) Sozialdemokratie« sollte nun schnellstmöglich zu einem Musterbeispiel für einen erfolgreichen Strukturwandel im Ruhrgebiet umgestaltet werden. Zum politischen Selbstverständnis gehörte inzwischen, daß der nur im neoliberalen Modell zu haben sei. Die entsprechende strategische Grundlage für die weitere Stadtentwicklung erhielt hier im Jahr 2000 den klangvollen Namen »dortmund-project«: »Das Zukunftspaket. Dortmunds Sprung in die Informations- und Wissensgesellschaft« sollte private Investitionen im großen Stil mobilisieren. In dieser zwar schönen, aber fundamentlosen Vision hoffte man, daß Dortmund sich binnen zehn Jahren zu einer strahlenden Superstadt entwickeln würde, Seite an Seite mit Europas mächtigsten Wirtschaftsstandorten und lebendigsten Metropolen. Fast aus dem Nichts sollte Dortmund zum führenden Standort für die Wachstumsbranchen der Zukunft werden. Pate gestanden hatte seit 1999 das Beraterkonsortium McKinsey – dessen Rechnung übernahm der sich verabschiedende ThyssenKrupp-Konzern.1

Die Umsetzung dieser ehrgeizigen Pläne erforderte den vollen Einsatz des neoliberalen Instrumentariums: deregulierter Standortwettbewerb, hemmungslose Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, Subventionierung jeder privaten Regung, Befreiung der Flächennutzung von Eingrenzungen, Polarisierung in reich und arm, Abschütteln sozialer Fragen. Die Planungen wurden rücksichtslos umgesetzt, Erfolge blieben aber dennoch rar.

Die Stadt wurde so zum idealen Pflaster für das Einüben der neuen Arbeits- und Dienstverhältnisse. Der jetzige Oberbürgermeister, Dr. Gerhard Langemeyer (SPD), erklärter neoliberaler Politik- und Stadtmanager, hatte den Genossen in Berlin schon während der Konzeption des »Hartz-IV«-Gesetzes öffentlich Zustimmung zugesichert. Damit werde den finanziell ausblutenden Kommunen endlich eine Möglichkeit gegeben, die maroden Haushalte zu entlasten. Er werde zugreifen: »Dortmund wird Hartz IV im Schweinsgalopp umsetzen!«

Es gab dazu auch schon ein passendes, seit 2003 in Planung befindliches Projekt: Im Ergebnis des industriellen Rückzugs waren immense Brachen entstanden, die leergeräumt und umgewidmet werden mußten. Auf dem Gelände des Stahlwerks »Phönix« in Dortmund-Hörde sollte ein See entstehen, eine schöne Naturwelt für die neuen glücklichen Menschen in der High-Tech-Metropole Dortmund. Dazu ein Park als Verbindung zu den Grünflächen der bürgerlichen Wohngebiete im Süden der Stadt. Dort würden zahllose »Arbeitsgelegenheiten« geschaffen werden – »im öffentlichen Interesse«, wer wolle das bestreiten, »zusätzlich«, d. h. quasi unentlohnt, denn hohe Kosten dürften nicht entstehen, und »qualifizierend« Arbeiten in und mit der Natur bildet schließlich von alleine. Unter Einsatz von Ein-Euro-Jobbern hat der Bau des »Phönix-Parks« inzwischen begonnen.

Wege-, Park-, Friedhofsbau und -pflege blieben einige Zeit hindurch der bevorzugte Einsatzbereich für »Arbeitsgelegenheiten« – nicht erstaunlich angesichts der offensichtlichen Rückgriffe des Neoliberalismus auf die Methoden des Krisenregimes von Heinrich Brüning und dessen Nachfolgern. Nach und nach wurde so der ganze Kanon von Arbeiten und Dienstleistungen wiederentdeckt, den heute die kommunalen und »wohlfahrtsverpflichteten« Träger wie selbstverständlich auch in »Arbeitsgelegenheiten« erledigen lassen. Grund genug für kritische Linke in Dortmund, die konkrete Umsetzung der Pläne einmal bei offiziellen Stellen zu hinterfragen.

Anfrage an den »Konzern«

Auf Anfrage des »Linken Bündnis Dortmund – parteilose Linke, DKP und SDAJ« bilanzierte Oberbürgermeister Langemeyer detailliert die Einrichtung von »Arbeitsgelegenheiten« beim »Konzern Stadt Dortmund« (dieses Etikett wurde erstmals im Geschäftsbericht 1999/2000 der Stadt verwendet).2 Damit wurden erstmals einer begrenzten Öffentlichkeit Fakten aus einem eher verschwiegen funktionierenden Bereich der Lohnarbeitsverhältnisse beim »Konzern« zugänglich gemacht. Die Vorgabe des Gesetzes lautet: In »Arbeitsgelegenheiten« arbeiten die Menschen nicht gegen Lohn, sondern ihnen wird zum Arbeitslosengeld II eine »Mehraufwandsentschädigung« gewährt – der inzwischen sprichwörtliche eine Euro pro Stunde, der auch eineinhalb betragen kann.

Die so geleistete Arbeit ist nach Auffassung des Oberbürgermeisters und Chefs der Stadtverwaltung nichts wert. Auf die Fragen: »Welche Werte wurden und werden in den Arbeitsgelegenheiten nach Hartz IV geschaffen? In welchen Positionen des Haushalts – oder eines Schattenhaushalts – werden sie als Einnahmen, Wertzuwächse oder Überschüsse verbucht? Wie werden diese Zugewinne verwendet? Ist beabsichtigt, sie an die beteiligten Ein-Euro-Jobber auszuzahlen?« antwortete er: »Zielsetzung bei der Durchführung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ist es nicht, bestimmte Werte, Wertzuwächse, Einnahmen oder Überschüsse zu erzielen. Vielmehr sollen im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II die Beschäftigungsfähigkeit und Motivation von Maßnahmeteilnehmern erhalten und schrittweise die individuelle Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit erhöht werden. Zudem soll insbesondere die soziale Integration gefördert und die Heranführung von Langzeitarbeitslosen an den allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden.« Auf Nachfrage erläuterte er, daß in den »Arbeitsgelegenheiten« in seinem Verantwortungsbereich keine Werte geschaffen würden und diese deshalb auch nicht bezifferbar seien.

Wo bleibt der Mehrwert?

Langemeyers Aussage zufolge arbeiteten die 863 im Juni 2005 beim »Konzern Stadt Dortmund« in »Arbeitsgelegenheiten« (nach der gesetzlichen Vorgabe maximal 30 Stunden abzüglich Qualifizierungsmaßnahmen) Beschäftigten ohne jedes erkennbare, quantifizierbare und bewertbare Arbeitsergebnis. Das offenbart massive Widersprüche zur Systematik und zu den Grundlagen und Zielen des Gesetzes und seinen Ausführungsrichtlinien: Hier wird ausnahmslos von »Arbeiten« gesprochen – »im öffentlichen Interesse«, »zusätzlich«, »qualifizierend« und erforderlich »für die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt«. Arbeiten, ohne etwas zu schaffen, kann keinem dieser Ansprüche genügen.

Im Gegenteil muß angenommen werden, daß solches Arbeiten ohne erkennbaren, quantifizierbaren und bewertbaren Sinn im Verständnis des kapitalistisch organisierten Arbeitsmarkts all denjenigen psychisch schweren Schaden zufügt, die durch Langzeitarbeitslosigkeit bereits gesellschaftlich diskriminiert sind. Dieses Manko wird auch nicht dadurch beseitigt, daß die herrschende Ideologie dem Arbeiten in »Arbeitsgelegenheiten« in aller Regel sehr schöne und wichtige immaterielle Werte zuspricht. Das verweist auf einen Kontext, der Frauen wohlbekannt ist: unbezahlte Hausarbeit in der Familie galt schon immer als »Arbeit aus Liebe« und wurde damit moralisch so überhöht, daß ihre materielle Seite verdrängt werden konnte. Im Kern geht es nun auch bei der gesellschaftlichen Reproduktion außerhalb der Familie darum, die hier in großem Umfang erforderliche Arbeit außerhalb des direkten Lohnarbeitsverhältnisses einzuüben – nicht entlohnt, ohne Beiträge zur Sozialversicherung, ohne Sozialprestige und berufliche Perspektive – und sie auf lange Sicht unter Bedingungen der »Mehraufwandsentschädigung« durchzusetzen.

In dieser Skizze soll nur die unmittelbar materielle Seite des Arbeitens in »Arbeitsgelegenheiten« untersucht werden – welche Finanzumschläge erfolgen, welche »Arbeitsergebnisse« werden produziert und was geschieht mit erzieltem Mehrwert? Deshalb wird hier darauf verzichtet, die Dialektik zwischen »Arbeitsgelegenheit« im gesetzlich geforderten »öffentlichen Interesse« und systematisch betriebener Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Daseinsvorsorge zu behandeln. Auch der Widerspruch zwischen gesetzlich geforderter »Zusätzlichkeit« und systematisch hergestellter Defizite im Gesamtvolumen der Beschäftigung soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ebensowenig der zwischen gesetzlich geforderter »Qualifizierung« für den allgemeinen Arbeitsmarkt in diesen Arbeitsgelegenheiten und offenkundiger Unfähigkeit des Systems, das zu realisieren.

Unverbuchte Millionengewinne

Im Gegensatz zur Aussage des Dortmunder Oberbürgermeisters wird in den »Arbeitsgelegenheiten« real gearbeitet und selbstverständlich wird das Arbeitsergebnis verwertet. Hier soll auf zwei Aspekte aufmerksam gemacht werden:

Erstens: Die Arbeitsergebnisse: Es ist sicher nicht zu hoch angesetzt, wenn als nicht gezahlter Lohn – für das Arbeiten in Schulen und Kitas, im Tief- und Grünbau, in der Stadtreinigung und in Stadtämtern, im Klinikum und in Seniorenheimen – generalisierend eingesetzt wird, was dem Lohn eines/r Hauswirtschafter/in entspricht. In der für die Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes ermittelten und für volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen benutzten Position »Hauswirtschafter/in« wurden zuletzt für 2001 abgerundet sieben Euro netto pro Stunde ausgewiesen, brutto mehr als das Doppelte. Für die Berechnung des Werts der hier geleisteten Arbeit soll im weiteren der Nettolohn zugrundegelegt werden.

Die Verwendung des Nettolohns als Berechnungsgrundlage ergibt im ersten Halbjahr 2005 eine Lohnsumme von zirka 3,1 Millionen Euro, die die in den »Gelegenheiten« Arbeitenden wertmäßig eingebracht haben und die vom »Konzern« vereinnahmt wurden. Vereinfachend sind für die Berechnung bei den 863 eingerichteten Plätzen durchschnittlich 20 Stunden/Woche in 26 Wochen und sieben Euro/Stunde angesetzt worden. In der Erfassung des Arbeitsergebnisses wird auf alle Wertsteigerungen verzichtet, die über die verausgabte Arbeit und in ihrer weiteren Verwertung realisiert werden. Berücksichtigt wird auch nicht das Einsparen tariflich geregelter Arbeit in den Einsatzgebieten der »Arbeitsgelegenheiten«. Da »Mehraufwandsentschädigung« und symbolischer Minibeitrag zur Sozialversicherung aus Mitteln des aus kommunalen und Bundesmitteln finanzierten Jobcenters ARGE übernommen werden und damit die Arbeitsleistung der Dienstverpflichteten kostenlos bereitgestellt wird, kann der »Konzern Stadt Dortmund« aus den Arbeitsergebnissen in »Arbeitsgelegenheiten« also aufs Jahr 2005 hochgerechnet mehr als sechs Millionen Euro Gewinn verbuchen. Sie werden im Haushalt der Stadt offiziell nicht vereinnahmt und ausgewiesen. Wo bleiben sie?

Zweitens: Die Träger von »Arbeitsgelegenheiten« – hier der »Konzern Stadt Dortmund« – erhalten je eingerichtete »Gelegenheit« monatlich 500 Euro von der ARGE. Davon werden durchschnittlich 200 Euro für die »Mehraufwandsentschädigung« eingesetzt – den bekannten einen oder eineinhalben Euro pro Stunde. Neben diesen lediglich durchlaufenden Mitteln verbleiben damit 300 Euro beim Träger. Diese Mittel sollen nach der Vorgabe des Gesetzes »für Qualifizierungsmaßnahmen und für Verwaltungsaufgaben« eingesetzt werden. Hierzu sagte der Dortmunder OB am 30. Juni im Rat der Stadt: »Bis Mitte Juni 2005 sind im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten Qualifizierungsaufwendungen von insgesamt zirka 60 000 Euro angefallen. Die Aufwendungen für Verwaltungsaufgaben und sonstige Aufwendungen können in der Gesamtheit noch nicht genau beziffert werden. Für die Dortmunder Dienste GmbH gilt, daß sie derzeit ihre Infrastruktur nach dem zu erwartenden künftigen Maßnahmeumfang der ›Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung‹ ausrichtet und die von der Arbeitsgemeinschaft im JobCenter Dortmund finanzierte Trägerpauschale zur Deckung ihrer künftigen Aufwendungen heranzieht und diese Trägerpauschale zur Finanzierung sonstiger Sachaufwendungen ausschöpft.«

Der »Konzern Stadt Dortmund« hat im ersten Halbjahr 2005 für Qualifizierungsmaßnahmen und für Verwaltungsaufgaben knapp 1,5 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten, sofern die 863 »Arbeitsgelegenheiten« in den sechs Monaten voll ausgeschöpft wurden. Davon sind lediglich 60000 Euro für Qualifizierungsmaßnahmen ausgegeben worden – das sind ganze 11,50 Euro pro »Arbeitsgelegenheit« und Monat! Diese Zahl läßt vermuten, daß der »Konzern« nur den niedrigsten Standard der gesetzlichen Vorgabe umsetzt – Qualifizierung »im praktischen Bereich durch ›Training-on-the-job‹«. Es ist noch nicht untersucht, wie unterqualifiziert dieses Angebot für die oft ja bereits beruflich, zuweilen sogar mehrfach qualifizierten Menschen in Arbeitsgelegenheiten ist und wie dequalifizierend es sich für sie auswirkt. Die gesetzlich geforderte »individuelle Verbesserung des Zugangs zum allgemeinen Arbeitsmarkt« kann auf diese Weise jedenfalls nicht hergestellt werden. Eher scheint mit dem Einrichten der »Arbeitsgelegenheiten« generell die Absicht verbunden, herabstufende Zugänge zu Niedrigstlohnsektoren des Arbeitsmarkts ohne existenzsicherndes Einkommen zu öffnen und einzuüben.

Illegale Umverteilung

Dem »Konzern Stadt Dortmund« verbleiben also aufs Jahr hochgerechnet zirka drei Millionen Euro – wo bleiben sie? Der Oberbürgermeister weiß es: »Die Dortmunder Dienste GmbH zieht die Trägerpauschale zur Deckung ihrer künftigen Aufwendungen heran und schöpft sie zur Finanzierung sonstiger Sachaufwendungen aus.« Offenbar bleibt einiges »hängen«. Das ist schlicht gesetzwidrig, weil die auf die konkreten Arbeitsgelegenheiten bezogene öffentliche Leistung nicht für die Förderung der in ihr dienstverpflichteten Menschen verwendet, sondern zweckentfremdet wird – für Sonstiges und für Künftiges. Dies ist auch nach bürgerlichem Gesetzbuch unzulässig – für »ungerechtfertigte Bereicherung« (§§ 812 ff BGB) dürfen die Arbeitsgelegenheiten nicht herhalten. Sie liegt schon dann vor, wenn »nur die Mehraufwandsentschädigung gezahlt wird«.3

Die »Dortmunder Dienste GmbH« – zur Zeit wird die Gesellschaft, die die »Arbeitsgelegenheiten« für die Stadt managt, noch als Betrieb im »Konzern Dortmund« geführt – kann also mit zirka drei Millionen Euro jährlichen Einnahmen rechnen, sofern die Zahl der Arbeitsgelegenheiten etwa gleich bleibt. Die Absicht, diese Zahl radikal zu erhöhen, ist allerdings bereits angekündigt. 2005 werden diese Mittel statt zur Förderung der Langzeitarbeitslosen in den »Arbeitsgelegenheiten« rechtswidrig für den Aufbau und zur Entwicklung der Gesellschaft verwendet, deren geplante Herauslösung aus dem »Konzern Stadt Dortmund« bereits öffentlich diskutiert wird. Eine schöne Abfederung für ihre Privatisierung.

Vorläufiges Fazit

Ursprünglich hatte der »Konzern Stadt Dortmund« 1500 »Arbeitsgelegenheiten« schaffen wollen – das hätte fast eine Verdoppelung der verschwiegenen Einnahmen ergeben können. Daß bisher »nur« 863 eingerichtet werden konnten, muß so gesehen ein schmerzhafter Verlust für den Stadtkämmerer und für den Geschäftsführer der »Dortmunder Dienste GmbH« sein. Zu dem zitierten »Schweinsgalopp« des Oberbürgermeisters ist es so nicht gekommen, aber es ist klarer geworden, warum er es mit der Umsetzung von »Hartz IV« so eilig hatte.

Von den 863 »Arbeitsgelegenheiten« beim »Konzern Stadt Dortmund« sind gerade einmal 24 »in den allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. in Weiterbildungsmaßnahmen eingemündet«. Diese Quote wäre auch ganz ohne die Förderung erreicht worden, deren gesetzliche Zielvorgabe unübersehbar nicht erfüllt wird. Das Ergebnis rechtfertigt das Einrichten der »Arbeitsgelegenheiten« nicht. Als erkennbarer Zweck verbleiben materielle Entlastung und Bereicherung der Trägerin und ihrer geschäftsführenden »Dienste GmbH«. In dieser Zielprojektion spielt der langzeitarbeitslose Mensch nur eine kalkulatorische Rolle.

Die noch amtierende Bundesregierung hat die »Bestimmungen« für Arbeitsgelegenheiten noch einmal modifiziert. Sie wurden ausgeweitet auf den Personenkreis der über 58jährigen Langzeitarbeitslosen; in 50000 einzurichtenden »Arbeitsgelegenheiten« sollen sie maximal drei Jahre arbeiten dürfen. Künftig werden nur noch 300 Euro Bundesmittel je Fall und Monat gezahlt, maximal 150 Euro »Mehraufwandsentschädigung« für die Arbeitenden und nur noch 150 Euro für die kommunalen und »gemeinnützigen« Träger.4 Letzteren wird nicht mehr zugemutet, etwas Kostenträchtiges für die Arbeitsgelegenheiten zu tun; auch die Qualifizierung kann hier künftig entfallen, weil ein Transfer in den allgemeinen Arbeitsmarkt entgegen den gesetzlichen Vorgaben gar nicht mehr angestrebt wird. Das zeigt die allgemeine Richtung an.

Bei der »Verschlankung« öffentlicher Aufgabenerfüllung geht es nun nicht mehr länger nur um die gewohnte Deregulierung als Privatisierung renditeträchtiger Bereiche, sondern auch um die ordnungspolitische Regulierung der verbleibenden, nicht hinreichend profitablen, aber unverzichtbaren gesellschaftlichen Erfordernisse.

1 Vgl. Wolfgang Richter: Das »dortmund-project«, in: Werner Rügemer (Hrsg.): »Die Berater. Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft«, Bielefeld 2004

2 Vgl. Protokoll der Sitzung des Stadtrats am 30.6.2005, Beantwortung von Anfragen, in: www.dortmund.de und kritisch kommentiert in: »Linkes Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ (Hrsg.): Informationen und Positionen 07.05«, Dortmund 2005, auch in: www.linkes-buendnis-dortmund.de

3 Vgl. Bertram Zwanziger: Rechtliche Rahmenbedingungen für »Ein-Euro-Jobs« in: Arbeit und Recht 1/2005, auch in: www.tacheles.de

4 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: »Bund-Länder-Initiative zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit Älterer durch Förderung von bis zu dreijährigen Zusatzjobs«, Juli 2005

* Prof. Wolfgang Richter ist Mitglied des Rates der Stadt Dortmund für das »Linke Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ«

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