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Zum Thema Weihnachtsgeschenke im SGB II/SGB XII
Grundsätzlich sind Geschenke in Geldeswert (also in Form von Gegenständen oder Gutscheinen) im SGB II und im SGB XII nicht als Einkommen anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II; § 82 Abs. 1 Nr. 11 SGB XII). Nach dem Zuflussmonat wird das Geschenk in Geldeswert zu Vermögen und ist, solange der jeweilige Vermögenshöchstbetrag nicht überschritten ist, unbedenklich. Im SGB II beträgt dieser 15.000 € im SGB XII 10.000 €.
Das Sozialgericht Kiel hat jüngst entschieden, dass ein 400 € Geldgeschenk für zwei Personen ebenfalls nicht als Einkommen anzurechnen ist, da dieses Geschenk ohne rechtliche und sittliche Pflicht erbracht wird und somit nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre (Nr. 1) oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (Nr. 2), so § 11a Abs. 5 SGB II (SG Kiel 23.9.2024 - S 34 AS 10/23).
Aus dem Urteil des SK Kiel: „Für die Frage des Vorliegens grober Unbilligkeit ist vorrangig auf den Zweck und die Umstände der Zuwendung abzustellen. Grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn die Zuwendung mit einem objektivierbaren Zweck verknüpft ist, dessen Verwirklichung durch eine Berücksichtigung als Einkommen vereitelt würde (BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 75/20 R zit. n. juris). Geldgeschenke zu Weihnachten sollen grundsätzlich nicht zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden, sondern die Erfüllung eines Wunsches abseits vom Existenzminimum ermöglichen. Dies würde durch eine Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II vereitelt. Angesichts der weiterhin besonders großen Bedeutung des Weihnachtsfestes und den im Übrigen Leistungsempfängern zur Verfügung stehenden geringen Mitteln hält die Kammer die Berücksichtigung eines Betrages in Höhe von 400 € für zwei Personen, mithin 200 € pro Personen, für grob unbillig. Im Übrigen beeinflusst dieser Betrag die Lage des Klägers und seiner Partnerin auch nicht so günstig, als daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären.“
Weitere Infos zum Urteil des SG Kiel: https://t1p.de/nyzba
Die BA vertritt in ihren Weisungen zu § 11 die Position das „Geld- oder Sachgeschenke zu Weihnachten oder Geburtstag“ aber nur für Kinder anrechnungsfrei seien (FW § 11, Rn. 110, S. 50, Download: https://t1p.de/hul20
Beratungsfazit: Das SG Kiel ist nicht so restriktiv wie die BA. Diese sieht nur die Anrechnungsfreiheit für bis 14 Jahre alte Kinder vor. Das SG Kiel baut auf einem Urteil des BSG zur Anrechnung von Trinkgeld auf und legt dies sachgerecht und richtig aus.
Aus Beratungssicht sollten weiterhin Geldgeschenke vermieden werden. Wenn sie doch erfolgen und dem Jobcenter/Sozialamt offenbar werden, sollte, wenn möglich, gegen die Anrechnung mit Rechtsmitteln vorgegangen und auch ins Klageverfahren gegangen werden. Das SG Kiel hat dazu eine 1a-Vorlage gemacht.
Im SGB XII existiert eine vergleichbare Rechtsvorschrift unter § 84 Abs. 2 SGB XII, wo geregt wird: „Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sollen als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten eine besondere Härte bedeuten würde“.
Harald Thomé / Tacheles Online - Redaktion