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Zum Anspruch auf digitale Endgeräte für den Distanzunterricht / Im Bedarfsfall jetzt Anträge stellen /// Update 18.04.2021

Die Bundesagentur für Arbeit hat in einer am 1. Feb. 2021 getroffenen Weisung festgestellt, dass rückwirkend ab Jan. 2021 ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für digitale Endgeräte in Höhe von bis zu 350 € auf Zuschussbasis besteht, wenn diese für das Homeschooling benötigt, aber nicht von den Schulen bereitgestellt werden.


1. Digitale Endgeräte für ALG II-Beziehende  

Laut der Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Bezug auf das SGB II besteht der Anspruch auf Grundlage des neuen § 21 Abs. 6 SGB II, nach welchem auch seit dem 1. Januar 2021 einmalige Bedarfe von den Jobcentern zu übernehmen sind. Diese Rechtslage wurde vom Bundesministerium für Arbeit in Bezug auf das SGB XII (Weisung vom BMAS vom 09. Februar 2021 - Aktz.: Vb1-50114).
Grundsätzlich seien alle Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen. Berechtigt sind zudem Schülerinnen und Schüler, die eine Ausbildungsvergütung erhalten. Die Leistungsberechtigten müssen beim Jobcenter dazu einen Antrag stellen und nachweisen, dass es anderweitig keine Kostenerstattung bzw. Sicherstellung des Bedarfes gibt.

Die Höhe des Zuschusses ist im Einzelfall (soweit vorhanden) auf der Grundlage der schulischen Vorgaben zu ermitteln und sollte im Regelfall den Gesamtbetrag von 350,00 EUR je Schülerin oder Schüler für alle benötigten Endgeräte (z. B. Tablet/PC jeweils mit Zubehör) nicht übersteigen, so die BA in der Weisung.
In Wuppertal  werden die Leistungen als Pauschale in Höhe von 250 € für ein digitales Endgerät und 100 € für einen Drucker erbracht, wünschenswert wäre, wenn dies anderswo auch so geschieht.   
Die Regelung greift zum 1. Januar 2021, sodass entsprechende Kosten auch rückwirkend geltend gemacht werden können.
Um den Anspruch zu erhalten, bedarf es eines Antrages und eines Nachweises der Schule über die Notwendigkeit der digitalen Endgeräte. Beides möchten wir als Muster zur Verfügung stellen.

Die Schulbescheinigung über die Notwendigkeit von digitalen Endgeräten ist in allen Fällen gleich. Daher wird diese vorab zum Download zur Verfügung gestellt.


Weisung der BA zum Härtefall(mehr)bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II: https://www.arbeitsagentur.de/datei/weisung-202102001_ba146855.pdf
Weisung des BMAS vom 09. Februar 2021 - Aktz.: Vb1-50114: BMAS Weisung vom 9. Feb. 2021

Zum Download:

+ Schulbescheinigung über die Notwendigkeit von digitalen Endgeräten (bundesweit)
+ Schulbescheinigung über die Notwendigkeit von digitalen Endgeräten des Jobcenters Wuppertal  
+ Antrag auf digitale Endgeräte im SGB II




2. Digitale Endgeräte für SGB XII - Beziehende und Geflüchtete, die Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten

Für Leistungsberechtigte nach SGB XII und Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entfaltet die Weisung der Bundesagentur für Arbeit keine Wirkung. Entsprechend der Weisung vom Bundesministerium, für Arbeit und Soziales, vom 09. Februar 2021 (Aktz.: Vb1-50114) besteht auch im Rechtskreis des SGB XII der Übernahmeanspruch auf digitale Endgeräte entsprechend der Weisung im SGB II (Weisung 202102001/ GR 1- II-1900 vom 01.02.2021) in Höhe von gesamt 350 EUR.
Laut BMAS Weisung ist nach nach § 37 Absatz 1 SGB XII eine Darlehensgewährung mit gleichzeitigem dauerhaften Verzicht auf die Rückzahlung nach § 37 Absatz 4 SGB XII möglich. Diese verbindliche Erklärung des dauerhaften Verzicht auf die Rückzahlung sollte gleich mit dem Antrag gestellt werden.

Daher sind aus Gründen der Gleichbehandlung zwischen SGB II und SGB XII bzw. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kindern und Jugendlichen auch im vorliegenden Fall digitale Endgeräte zu erbringen.


Zum Download:

+ Schulbescheinigung über die Notwendigkeit von digitalen Endgeräten
+ Antrag auf digitale Endgeräte im SGB XII – und Analog-Leistungen beziehende Geflüchtete nach § 2 AsylbLG

3. Digitale Endgeräte für Geflüchtete, die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG beziehen:

Für Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG entfaltet die Weisung der BA erst einmal ebenfalls keine Wirkung. Es fehlt bei diesem Kreis eine klare Rechtsgrundlage zur Erbringung der Leistung. Als Anspruchsgrundlage bietet sich der § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG an. Die dort formulierte „Kann“ Regelungslage reduziert sich regelmäßig auf ein „Ist“, das zu erbringen ist, denn der Bedarf an digitalen Endgeräten besteht natürlich auf bei Geflüchteten und vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kinder, besteht auch hier ein klarer Leistungsanspruch.

Zum Download:

+ Schulbescheinigung über die Notwendigkeit von digitalen Endgeräten
+ Antrag auf digitale Endgeräte für Geflüchtete mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG

4. Digitale Endgeräte im Bezug von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG

Beim Kinderzuschlag (KiZ) sind Zusatzleistungen für digitale Endgeräte für Schüler*innen nicht gesetzlich vorgesehen. Für Familien, die den KiZ beziehen jedoch kein Wohngeld zusätzlich in Anspruch nehmen, gibt es dennoch unter Umständen die Möglichkeit, für deren Kinder das Tablett oder den Schulcomputer samt Zubehör über das Jobcenter finanzieren zu lassen.

Ist der Kinderzuschlag einmal bewilligt, schießt dieser den Bezug von aufstockenden Leistungen nach dem SGB II nicht mehr kategorisch aus. Voraussetzung für diese wenig beachtete Möglichkeit ist eine im Januar 2020 in Kraft getretene Gesetzesänderung. Bedingung für den Bezug von KiZ ist seitdem nicht mehr wie zuvor die Vermeidung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, sondern dass i.d.R. zum Zeitpunkt der Feststellung des KiZ-Anspruchs „bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht“ (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG). Ist der KiZ jedoch erst einmal bewilligt, sind „Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums […] abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich“ (§ 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG). Das bedeutet, selbst wenn eine Familie während des sechsmonatigen KiZ-Bewilligungszeitraums aufgrund geringerer Einkünfte oder gestiegener Bedarfe SGB-II-Leistungen beantragt und bewilligt bekommt, wird der einmal bewilligte Kinderzuschlag bis zum Ende des Bewilligungszeitraums weitergezahlt. Es ist demnach möglich, den KiZ mit SGB-II-Leistungen aufzustocken.

Das gilt auch für monatsweisen SGB-II-Bezug bei kurzzeitig anfallenden Bedarfen, wie eine höhere, in einem Monat anfallende Betriebs- bzw. Heizkostennachzahlung oder eben der notwendigen Finanzierung eines Schulcomputers. Rutscht also eine KiZ-Familie, die ihren Bedarf normalerweise mit dem Kinderzuschlag und anderen Einkünften gerade so decken kann, aufgrund eines Fehlbedarfs in Höhe von 350 EUR für ein Tablett/ Schulcomputer nebst Zubehör unter das SGB-II-Existenzminimum, können im Bedarfsmonat SGB-II-Leistungen in Anspruch genommen werden. Das setzt voraus, dass beim Jobcenter ein ganz normaler Erstantrag gestellt, gleichzeitig das digitale Endgerät für die Schule inklusive Zubehör beantragt und eine entsprechende Schulbescheinigung vorgelegt wird. Das Jobcenter darf den Antrag nicht ablehnen, weil der Anspruch auf SGB-II-Leistungen für Personen, die Kinderzuschlag beziehen, nicht gesetzlich ausgeschlossen ist.

KiZ-Familien, die diesen Weg beschreiten wollen, brauchen jedoch Durchhaltevermögen, denn sie müssen mit dem Antrag auf SGB-II-Leistungen eine hohe bürokratische Hürde überwinden, zumal davon auszugehen ist, dass die Jobcenter es ihnen nicht leicht machen werden.

Downloadmaterialen von Punkt 1.



5. Schulcomputer für Familien im Bezug von Wohngeld

Grundsätzlich schließen sich Wohngeld und SGB II und SGB XII – Leistungen aus (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. WoGG. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sollen davon nur laufende Leistungen nach dem SGB II / SGB XII umfasst sein. Einmalige Zahlungen führen nicht zum Leistungsausschluss (I. a., Durchführungserlass BMI vom 04.08.2020 – Aktz. SW II 4- 72307/2#29).
In dem Erlass des BMI sind zwar nicht einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 6 SGB II und (Null)Darlehen für unabweisbare Bedarfe im SGB XII, aber das ist dem Umstand davon geschuldet, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses noch keine Anspruchsgrundlage für einmalige Bedarfe und digitale Endgeräte gegeben hat.

Für Wohngeldbeziehende besteht somit auch ein Übernahmeanspruch auf digitale Endgeräte nach dem SGB II oder SGB XII. Es sind somit Anträge entsprechend der Ziffern 1. + 2. zu stellen




6. Digitale Endgeräte in der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII

Kinder und Jugendliche, die in einer Pflegefamilie oder einer stationären Jugendhilfeeinrichtung untergebracht sind, bekommen ihren Lebensunterhalt nach § 39 SGB VIII erbracht. Nach § 39 Abs. 3 können „einmalige Beihilfen oder Zuschüsse […] insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden“. Diese Regung ist offen formuliert, die Aufzählung ist nicht abschließend.

In Empfehlungen oder Richtlinien der Bundesländer finden sich Hinweise, was noch unter „einmalige Beihilfen oder Zuschüsse“ fallen kann. So kann z.B. nach den „Empfehlungen der Landeskommission Jugendhilfe NRW“ vom 25.11.2010 (S. 5; https://www.lwl.org/abt20-download/sgb_viii/07_
Empfehlung_Sach-u-Nebenleistung_lt_Info_10.pdf) „in besonders begründeten Ausnahmefällen bzw. aus besonderen Anlässen […] von den getroffenen Regelungen abgewichen werden. Es können besondere Zuschüsse gewährt werden, wenn die Prüfung im Einzelfall eine unumgängliche Notwendigkeit ergibt.“ Infolge des pandemiebedingte Homeschooling stellt die Beschaffung digitaler Endgeräte für den Distanzunterricht eine unumgängliche Notwendigkeit dar. Entsprechende Anträge auf Schulcomputer/Tabletts und Zubehör, die sich an der Weisung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 09.02.2021 und dem in der Weisung für das SGB II vom 01.02.2021 festgelegten Bedarf in Höhe von 350 EUR orientieren sollten, sind vom Jugendamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Der Kollege Claudius Voigt von der GGUA hat in seiner Handreichung vom 12.02.2021 zur „Übernahme der Kosten für PC-Ausstattung für Schüler*innen im SGB II, SGB XII, AsylbLG und SGB VIII“ noch eine neuere Quelle bezüglich der Jugendhilfe aufgetan. In den Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen im Rahmen von Vollzeitpflege (gem. § 33 SGB VIII i.V.m. § 39 SGB VIII) der Stadt Bergisch Gladbach, die ab 01.01.2020 in Kraft getreten sind, findet sich folgende Regelung: Eine „Beihilfe zur Beschaffung eines PC/Laptops kann in Höhe von ¾ der tatsächlichen Aufwendungen bei zwingender Notwendigkeit im Rahmen der schulischen oder beruflichen Ausbildung, maximal jedoch 500,00 EUR abhängig vom technischen Ausstattungsbedarf gewährt werden.“ (https://www.bergischgladbach.de/xxxix.pdfx) Als die Richtlinie Im November 2019 verabschiedet wurde, waren flächendeckendes Homeschooling und Distanzunterricht unter Pandemiebedingungen noch nicht abzusehen. Aktuell ist der Bedarf kaum mehr abzuweisen.

7. Digitale Versorgung

Einigen Leistungsbeziehenden wird es wegen negativer Schufaeinträge nicht möglich sein, einen Vertrag über eine leistungsfähige Digitalversorgung abzuschließen, ebenso wird es strukturschwache Gebiete geben, in denen kein ausreichend belastbarer Festnetzinternetanschluss erhältlich ist. In diesen Fällen
wird die digitale Versorgung über einen mobilen Router oder Surftstick mit entsprechend unbegrenzter Datenflat erforderlich sein. Diese Kosten sind selbstverständlich zusätzlich vom Jobcenter/sonstigen Sozialleistungsträgern zu übernehmen.





Hintergrund:

+ Weisung der BA vom 01.02.2021 zu digitalen Endgeräten

+ Weisung vom Bundesministerium, für Arbeit und Soziales, vom 09. Februar 2021 - Aktz.: Vb1-50114

+ Brief BMAS zur Umsetzung der Weisung auch bei kommunalen Jobcentern v. 02.02.2021

+ Durchführungserlass BMI vom 04.08.2020 – Aktz. SW II 4- 72307/2#29 zum Wohngeld


+ Alte Tacheles Schulcomputer sofort! – Kampagne aus 2020


+ Kritik von GGUA / Tacheles an das BMAS: Keine Ungleichbehandlung einkommensschwacher Gruppen v. 4. Februar 2021   

Harald Thomé & Frank Jäger / Tacheles e.V.

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