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Welche Auswirkungen hat die Streichung von Rentenbeiträgen im Zuge des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 für Arbeitslosengeld-II-Bezieher?

Von Dipl. Päd. Nicole Göbel*

Bisher wurden in der Zeit des Arbeitslosengeld-II-Bezugs (ALG-II-Bezug) Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Hierdurch wurde ein monatlicher Rentenanspruch von 2,09 Euro für ein Jahr ALG-II-Bezug aufgebaut und Wartezeiten erfüllt. Ab Januar 2011 entfallen die Rentenbeitragszahlungen für Bezieher von ALG II. Zeiten des ALG-II- Bezugs werden fortan als Anrechnungszeiten und nicht mehr als Pflichtbeitragszeiten gewertet. Dies hat Auswirkungen auf die verschiedenen Rentenformen.

Um die Auswirkungen dieser Änderungen besser nachvollziehen zu können, bedarf es einer systematischen Einführung in die Thematik. Ich werde daher auf die konkreten Leistungen der Rentenversicherung, die Anspruchsvoraussetzungen und die Folgen des Wegfalls der Beitragszahlungen für Bezieher von ALG II eingehen. Der letzte Teil meiner Ausführungen enthält praktische Hinweise für die Sozialberatung und die soziale Arbeit.

1.1 Voraussetzungen für Rentenansprüche



Die Rentenversicherung erbringt verschiedene Rentenleistungen, die unterschiedliche Wartezeiten (Mindestversicherungszeiten) voraussetzen. Diese Wartezeiten können je nach Rentenform unter anderem mit

  1. Pflichtbeitragszeiten, z.B. als Beschäftigter, als Auszubildender (§ 1 SBG VI), als Selbständiger (§ 2 SGB VI), als Elternteil in Kindererziehungszeit in den ersten 36 Monaten nach Geburt, als Arbeitslosengeld-I-Bezieher, als Bezieher von Krankengeld, als Bezieher von Übergangsgeld, als Wehrdienst- oder Zivildienstleistender, als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson (§ 3 SGB VI) und bei geringfügiger Beschäftigung im Falle des Verzichts auf die Versicherungsfreiheit (§ 5 SGB VI);
  2. Monaten aus einem zugunsten des Versicherten durchgeführten Versorgungsausgleich, Rentensplitting unter Ehegatten und Zuschlägen an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung (§ 52 SGB VI);
  3. Anrechnungszeiten, z.B. Zeiten der schulischen Ausbildung, der gemeldeter Arbeitssuche und des ALG-II-Bezugs (§ 58 SGB VI)


erfüllt werden. (Einige Formen der Wartezeiterfüllung wurden hier ausgelassen, z.B. Ersatzzeiten, Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung und Zeiten der freiwilligen Versicherung.)

1.2 Rentenrechtlich relevante Zeiten:



Vereinfacht lassen sich die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug der Rentenversicherung als ein zweigeteiltes Konto darstellen, ein Teil für Geldbeiträge (Rentenhöhe) und ein Teil für Zeit (Vorversicherungszeit). Je nachdem, welche Zeiten erbracht werden, sind die Auswirkungen auf dieses Konto unterschiedlich.

Bei a) werden aufgrund eines Pflichtverhältnisses zwischen Versicherung und Versichertem Beiträge erbracht. Diese werden dem Konto für Geldbeiträge und dem Konto für Zeit voll gut geschrieben.

Bei b) besteht kein Pflichtverhältnis zwischen Versicherung und Versichertem, sondern zwischen der Versicherung und einem dritten (Ehegatte oder Arbeitgeber). Diese Zeiten werden dem Konto für Geldbeiträge nicht in voller Höhe zugerechnet und dem Zeitkonto z.T. auch nicht (z.B. Minijob). Das Konto für Zeit wird gedanklich geteilt und zwar in Zeit, die im Zuge einer vollwertigen Beitragszeit aufgebaut wurde und Zeit, die im Zuge des Versorgungsausgleichs, Rentensplitting und/oder Zuschlägen aus einem Minijob erworben wurde. Diese Zeiten sind nicht auf alle Wartezeiten anzurechnen. Hier sind die Bestimmungen zu den einzelnen Rentenformen und Rehabilitationsleistungen zu beachten. Diese Zeiten können gewertet werden, falls Lücken im Versicherungsverlauf entstanden sind.

Bei c) besteht kein Pflichtverhältnis zwischen Versicherung und Versichertem. Es werden auch keine Beiträge geleistet, das Konto für Geldbeiträge wird nicht gefüllt. Das Konto für Zeit wird gedanklich ein weiteres Mal geteilt und um eines für Anrechnungszeiten erweitert. Die Anrechnungszeit ist nicht auf alle Wartezeiten anzurechnen. Hier sind die Bestimmungen zu den einzelnen Rentenformen und Rehabilitationsleistungen zu beachten.

Daraus folgt, dass nicht jede Beitragszeit (Gutschrift auf dem Konto für Geldbeiträge) eine Pflichtbeitragszeit ist und nicht jede Gutschrift auf dem Zeitkonto immer eingesetzt werden kann, um Wartezeiten zu erfüllen. Ein weiterer Begriff, den ich vorab erklären möchte, ist die Zurechnungszeit. Sie hat Bedeutung bei der Erwerbsminderungsrente und den Renten wegen Todes (Hinterbliebenenrenten). Da diese Renten vor dem regulären Renteneintrittsalter ausgezahlt werden, entsteht eine Lücke im Rentenverlauf. Damit auf dem gedachten Konto für Geldbeiträge in dieser Zeit nicht jahrelang der Wert 0 auftaucht und der spätere Rentenzahlbetrag immer kleiner wird, gibt es die Zurechnungszeit. Dies ist die Zeit bis zum 60. Lebensjahr des Versicherten. Es wird der durchschnittliche Zahlbetrag, der bisher auf dem Konto für Geldbeiträge eingegangen ist ermittelt. Bei der Berechnung der dann ausgezahlten Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente wird so getan, als hätte der Versicherte diesen Durchschnittsbetrag in der Zurechnungszeit gezahlt.

2. Konsequenzen für die Rente



Es gibt verschiedene Rentenarten (wegen Alters, wegen Erwerbsminderung, wegen Todes) in unterschiedlichen Formen. Folgend werden nur einige von ihnen angesprochen und dies auch nicht abschließend, da dies den Rahmen sprengen würde.

2.1 Konsequenzen für die Altersrenten



Es gibt verschiedene Formen der Altersrente. Diese hören sich ähnlich an, erfordern aber unterschiedliche Wartezeiten (5, 15, 35 oder 45 Versicherungsjahre), die mit unterschiedlichen rentenrelevanten Zeiten zu erbringen sind.

Anrechnungszeiten können bei den Altersrenten nur auf die Wartezeiten für die Rente für langjährig Versicherte und die Rente für schwerbehinderte Menschen angerechnet (§ 51 SGB VI) werden.

Auf die Regelaltersrente, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit sowie die Altersrente für Frauen können sie nicht angerechnet werden (§§ 51, 237 u. 237a SGB VI). Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit und die Altersrente für Frauen laufen aus. Solche Rentenansprüche sind für die Geburtsjahrgänge ab 1952 nicht realisierbar.

Die Regelaltersrente setzt eine Wartezeit von 5 Jahren voraus. Diese ist mit Pflichtbeitragszeiten oder mit Zeiten aus dem Bereich b) (s.o.) zu erfüllen. Weiter müssen Versicherte das 65. bis 67. Lebensjahr vollendet haben (§ 235 SGB VI; die Rente mit 67 erreichen Jahrgänge ab 1964) oder es muss ein Anspruch auf eine Erziehungsrente oder eine Erwerbsminderungsrente bis zum Renteneinritt bestanden haben. Hier werden die aufgrund wegfallender Beitragszahlungen für ALG-II-Bezieher fehlenden Zeiten und Beiträge kaum zum tragen kommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass bis zum Renteneintrittsalter die fehlenden ALG-II-Beitragszeiten und -beträge zu kompensieren sind. Es geht hier um die Minimalversorgung, denn die 5 Jahre Beitragszeit sind im Laufe eines Erwerbslebens zu erbringen.

Die (Alters-)Rente für langjährig Versicherte und die Rente für schwerbehinderte Menschen setzten eine Wartezeit von 35 Jahren voraus. Auf diese können alle oben angeführten Zeiten angerechnet werden. Die Regelaltersgrenze muss erreicht sein, um diese Rente ohne Abschläge anzutreten. Die Altersgrenze liegt bei schwerbehinderten Menschen zwei Jahre unter der Regelaltersgrenze. Die vorzeitige Inanspruchnahme ist ab dem 63. Lebensjahr möglich, bei schwerbehinderten Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Durch die Anhebung der Altersgrenzen steigen auch hier die Altersgrenzen um bis zu 2 Jahre.

Die Streichung der Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Bezieher wirkt sich auf die Höhe der zukünftigen Altersrenten für langjährig Versicherte und schwerbehinderte Menschen aus. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich „der rentensenkende Effekt auf die große Mehrheit der von der Streichung der Beträge Betroffenen auswirken wird” (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2597, S. 3).” Bei einer Durchschnittsrentenhöhe von 670 Euro für die 2009 in Altersrente gegangenen Versicherten (vgl. DRV 2010a) ist allerdings fraglich, ob der Wegfall der Beitragszeiten aus dem ALG-II-Bezug in Höhe von monatlich 2,09 Euro ernsthafte materielle Folgen für die Betroffenen haben wird. Da die durchschnittliche Rentenhöhe bereits jetzt im Bereich des Niveaus der Grundsicherung liegt, sind entsprechend geringe Rentenansprüche nicht geeignet, einen Bezug von Grundsicherung im Alter nach dem vierten Kapitel SGB XII zu vermeiden.

2.2 Folgen für die Erwerbsminderungsrente (EM-Rente)



Die Auswirkungen auf die EM-Rente sind nicht pauschal zu beantworten. Neben den persönlichen Voraussetzungen, nämlich dem Vorliegen einer mindestens teilweisen Erwerbsminderung (das Restleistungsvermögen liegt unter 6 Arbeitsstunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes) und dem Unterschreiten der Regelaltersgrenze (65 bis 67 Jahre), gilt es die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Grundsätzlich müssen in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt sein. Falls innerhalb der letzten 5 Jahre nicht 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt sind, kann sich der Fünfjahreszeitraum um bestimmte Zeiten verlängern, z.B. um Anrechnungszeiten, wie den ALG-II-Bezug. Der Mindestversicherungszeitraum von 5 Jahren kann auch unterschritten werden, wenn die Erwerbsminderung auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit, auf eine Wehrdienst- oder Zivildienstbeschädigung oder auf den Gewahrsam im Sinne des Häftlingsgesetzes zurückzuführen ist. Wenn eine volle Erwerbsminderung innerhalb von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten ist, kann die Wartezeit ebenfalls als vorzeitig erfüllt gelten (§ 43 SGB VI).

Es gibt verschiedene Formen der EM-Rente, je nach Höhe des Restleistungsvermögens unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Bei einem Restleistungsvermögen von unter 3 Stunden am Tag ist dies die volle EM-Rente (volle Rentenhöhe) und bei einem Restleistungsvermögen von 3 bis 6 Stunden ist dies die teilweise EM-Rente (halbe Rentenhöhe). Bei einem Restleistungsvermögen von 6 Stunden und mehr liegt kein Anspruch auf eine EM-Rente vor. Eine Ausnahme gibt es für die vor dem 2.1.1961 Geborenen. Hier wird das Restleistungsvermögen im bisherigen Beruf bzw. einer Verweisungstätigkeit mit berücksichtigt. Liegt dieses unter 6 Stunden am Tag, kann ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (halbe Rentenhöhe) bestehen.

Bisher konnte während des ALG-II-Bezugs ein Anspruch auf eine EM-Rente erworben werden. Ab 2011 bleibt durch die Bewertung des ALG-II-Bezuges als Anrechnungszeit ein bestehender Anspruch lediglich erhalten. Es wird allerdings kein neuer Anspruch aufgebaut. Diese Regelung hat vor allem negative Folgen für ALG-II-Bezieher, die vor dem Leistungsbezug in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder nicht versichert waren, z.B. Selbständige, Schüler, Studenten, Hausfrauen und -männer, Pflegepersonen, für die keine Rentenbeiträge entrichtet wurden, Beamte, Berufssoldaten, Arbeitslose, die nicht gemeldet waren, und Minijobber. Außerdem sind alle betroffen, die vor in den letzten 5 Jahren vor dem SGB-II-Bezug keine 3 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten aufbauen konnten.

Unter Umständen kann die neuartige Bewertung der ALG-II-Bezugszeiten als Anrechnungszeiten allerdings auch zu einem höheren Zahlbetrag der EM-Rente und bei Hinterbliebenenrenten im Vergleich zur alten Bewertung als Beitragszeit führen. Dies liegt an dem Umstand, dass der Zahlbetrag bei diesen Rentenformen mithilfe von Zurechnungszeiten (s.o.) berechnet wird.

Bei der Bewertung des ALG-II-Bezugs als Pflichtbeitragszeit wurde vor 2011 ein Rentenanspruch von 2,09 Euro erworben. Floss dieser geringe Anspruch über einen längeren Zeitraum in die Berechnung der EM-Rente mit ein, minderte er somit die Ansprüche aus einer vorherigen Beitragszeit. Dieser Effekt verstärkte sich besonders bei jungen Rentenbeziehern, da die bisher erworbenen Ansprüche schnell reduziert wurden. Umgekehrt haben Jüngere jetzt am ehesten die Möglichkeit, von der Gesetzesänderung zu profitieren, da bei der Berechnung der Zurechnungszeit nun nur noch auf die vorherigen Pflichtbeiträge zurückgegriffen werden kann. Die Bundesregierung geht allerdings davon aus, „dass dieser positive Effekt nur eine eher kleine Minderheit der Versicherten nennenswert betreffen wird” (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2597, S. 3). Typischerweise verdienen gerade jüngere Menschen oft unterdurchschnittlich, so dass der beschriebene Effekt bei den meisten nicht zu einer wesentlichen finanziellen Verbesserung führen wird.

2.2.1 Bedeutung der EM-Rente


Viel diskutiert wird aktuell der gefährdete Anspruch auf eine EM-Rente. Vorab wurden die konkreten Auswirkungen auf die Anspruchsvoraussetzung benannt. Weiter möchte ich die grundsätzliche Bedeutung der Erwerbsminderungsrente diskutieren. Fast immer erlebe ich in der Praxis, dass der Antrag auf diese Rente bei den Versicherten mit dem Wunsch nach Schonung, Anerkennung der Lebensleistung, Planungssicherheit und Unabhängigkeit von Sozialleistungen verbunden ist. Eine weitere Motivation zur Antragstellung stellt natürlich die Aufforderung durch die gesetzliche Krankenversicherung, die Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter und Sozialhilfeträger dar. Sie dient der Zuständigkeitsprüfung. Nach Sichtung der aktuellen Datenlage ergibt sich ein Bild, das den genannten Bedürfnissen der Antragsteller nicht gerecht wird.

  1. Die Antragstellung: lediglich 50% der Anträge werden bewilligt (vgl. DRV 2010b). Durch die Streichung der Berufsunfähigkeitsrente und Einsetzen der teilweisen EM-Rente bei Berufsunfähigkeit (§240 SGB VI) werden die ab dem 2.1.1961 geborenen Versicherten nur noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertet. Einen Berufsschutz gibt es dann nicht mehr. Dies reduziert die Anzahl der Rentenberechtigten zukünftig zusätzlich.
  2. Die Rentenhöhe: Die durchschnittliche Höhe aller im Jahre 2009 bewilligten EM-Renten (voll und teilweise) liegt bei 600 Euro im Monat. Allein für die voll Erwerbsgeminderten liegt die Rentenhöhe durchschnittlich bei 643 Euro. Dieser niedrige Betrag liegt zum Teil daran, dass durchschnittlich 96,6% der Renten mit Abschlägen behaftet sind, da sie vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen wurden. Diese Abschläge bleiben den Versicherten beim Übergang in die Altersrente erhalten und mindern so auch deren Höhe.
  3. Die Befristung: in 2009 wurden 49,3% der EM-Renten befristet ausgesprochen (vgl. DRV 2010b). Dies liegt zum Teil an den sich wandelnden Zugangsdiagnosen, deren Schwerpunkt sich seit Jahren weg von den Bereichen Skelett/Muskeln/Bindegewebe und Herz/Kreislauferkrankungen hin zu den psychischen Erkrankungen und Krebserkrankungen verschiebt. Im Regelfall wird eine Befristung für zwei bis drei Jahre ausgesprochen und kann wiederholt weiter befristet werden. Erst nach Ablauf von neun Jahren geht sie in eine unbefristete Rente über. Eine Ausnahme stellt die arbeitsmarktbedingte Rente dar, sie ist immer befristet. Eine solche Rente erhält, wer teilweise erwerbsgemindert ist, egal ob befristet oder nicht, und sein Restleistungsvermögen von 3-6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einsetzen kann, um hinzuzuverdienen. Die Befristung bedeutet für Versicherte eine entsprechende Unsicherheit in der Lebensplanung, da sie nach Jahren des Rentenbezugs in das Arbeitsleben zurückversetzt werden können und sich neu positionieren müssen.
  4. Existenzsicherung und EM-Rente: Die EM-Rente wird sowohl von der Rentenversicherung (vgl. DRV 2010d) als auch von der Bundesregierung (vgl. BMAS 2010) in ihrem Informationsmaterial als finanzieller Ausgleich für die fehlende Erwerbsfähigkeit beschrieben. Bei einem durchschnittlichen Zahlbetrag von 600 Euro ist fraglich, ob sie diesem Anspruch gerecht wird.


Der Blick auf die Fakten wirft die Frage auf, ob der Bezug einer EM-Rente bei verminderter Erwerbsfähigkeit immer das Mittel der Wahl ist. Es ist sinnvoll, hier auch die Möglichkeiten der Rehabilitation zu prüfen.

2.3 Auswirkungen auf den Rentenversicherungsträger



Die Streichung der Rentenbeiträge für SGB-II-Beziehende fällt mit dem Wegfall der Kompensation einigungsbedingter Leistungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 zusammen. Das hat Folgen für die Finanzsituation der Deutschen Rentenversicherung.

Langfristig soll die Rentenversicherung durch geringere Rentenzahlbeträge entlastet werden. Wie hoch diese Entlastung sein wird, ist noch nicht zu beziffern. Mittelfristig (2011-2014) führt diese Maßnahme jedoch zu einer Belastung der Rentenkasse, nämlich zu einem Minus von ca. 1,8 Milliarden Euro pro Jahr, wenn davon ausgegangen wird, dass die Zahl der SGB-II-Bezieher stabil bleibt. Einigungsbedingte Leistungen, zum Beispiel Auffüllbeiträge und Rentenzuschläge für Rentner der ehemaligen DDR, werden in Zukunft nicht mehr vom Bund erstattet. In Zukunft müssen allein die Versicherten der Rentenversicherung hierfür aktuell 300 Millionen Euro jährlich aufbringen. Dieser Betrag wird prognostisch bis 2014 auf 210 Millionen Euro sinken. Nicht nachvollziehbar ist, dass diese Lasten nicht mehr gesamtgesellschaftlich getragen werden, sondern allein von den Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert werden sollen. Durch diese Einschnitte wird das Anwachsen der Nachhaltigkeitsrücklage verzögert und die Möglichkeit zur Senkung des Beitragssatzes verringert. Mittelfristig wird hier ein Potenzial zur Beitragssenkung in Höhe von 0,2 % beseitigt (vgl. Frenzl 2011).

Durch die Gesundheitsreform stiegen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auf nun 7,3 % für Arbeitgeber (Arbeitnehmer 8,2 %) und natürlich auch für die Rentenversicherung. Durch die zusätzlichen Kosten für die Krankenversicherung der Rentner entstehen ihr allein in 2011 weitere 600 Millionen Euro zusätzliche Kosten (vgl. Buntenbach 2010).

Die Bundesregierung hat eine Leistung, die nicht geeignet war einen bedarfsdeckenden Rentenanspruch zu erzielen, gestrichen. Das ist grundsätzlich hinnehmbar, wenn sie gleichzeitig für eine Lösung des Problems gesorgt hätte. Es müssen neue Ideen her, wie mit der weiterhin drohenden Altersarmut, nicht nur von Arbeitslosengeld-II-Beziehern, umzugehen ist. Es gab zum Beispiel Ansätze im Bundestag die Mindestbeiträge zur Rentenversicherung zu erhöhen statt zu streichen (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2436). Ob das die richtige Lösung wäre, müsste gesellschaftlich diskutiert werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Willen des Bundes ungebrochenen ist, über die private Riester- und Rürup-Förderung Milliardenbeträge zur Altersvorsorge unter die Obhut privatwirtschaftlicher Unternehmen zu stellen.

3. Auswirkungen auf Ansprüche auf Rehabilitation



Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt auf Antrag Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Neben den persönlichen Voraussetzungen müssen die jeweiligen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein.

3.1 Medizinische Rehabilitation



Medizinische Rehabilitation hilft, wenn chronische Erkrankungen von mehr als sechsmonatiger Dauer die Möglichkeiten am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen einschränken. Ziel ist es, solche Einschränkungen zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Außerdem sollen drohende Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit vermieden, überwunden oder gemindert werden und eine Verschlimmerung verhindert werden. Letztlich soll auch der drohende Bezug von Sozialleistungen vermieden oder laufende Sozialleistungen gemindert werden (vgl. § 26 SGB XI).

„Je nach Krankheitsbild gibt es unterschiedliche Formen:

  • stationäre und ambulante medizinische Rehabilitation, d.h. in einer Klinik oder tagsüber in Wohnortnähe,
  • Anschlussrehabilitation (AHB), etwa nach Herzinfarkt, unmittelbar nach der Akutbehandlung,
  • Leistungen wegen psychischer Erkrankungen,
  • Entwöhnungsbehandlung bei Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit […]


Die Behandlung während der medizinischen Rehabilitation setzt sich je nach Bedarf aus folgenden Bausteinen zusammen:

  • ärztliche Behandlung,
  • Krankengymnastik,
  • physikalische Therapie,
  • Sport- und Bewegungstherapie,
  • Ergotherapie,
  • Gesundheitsbildung und Patientenschulung,
  • psychologische Diagnostik und Beratung,
  • Entspannungsverfahren,
  • Ernährungsberatung mit/ohne Lehrküche,
  • soziale, sozialrechtliche und berufliche Beratungen und
  • Arbeitsbezogene Maßnahmen.” (DRV 2010e, S. 21)


Bei der medizinischen Rehabilitation gilt generell eine Wartezeit von 15 Versicherungsjahren. Weiter besteht ein Anspruch, wenn eine Erwerbsminderungsrente, eine große Witwenrente oder Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen wird.

Außerdem besteht ein Anspruch,

  • wenn in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung 6 Monate Pflichtbeiträge im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gezahlt wurden,
  • wenn innerhalb von 2 Jahren nach einer Ausbildung bis zur Antragstellung eine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Selbständigkeit ausgeübt wurde oder wenn man nach dieser Beschäftigung arbeitsunfähig oder arbeitslos war oder
  • wenn eine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt wurde und eine Erwerbsminderung (nicht unbedingt eine EM-Rente) vorliegt oder dieser Zustand einzutreten droht (§ 11 SGB VI).


Eine medizinische Rehabilitation setzt also grundsätzlich eine mindestens sechsmonatige Pflichtbeitragszahlung innerhalb der letzten 2 Jahre vor Antragsstellung voraus. Das Wegfallen der Beitragszahlungen für ALG-II-Bezieher verlängert diesen Zweijahreszeitraum, führt aber nicht mehr zum Aufbau eines Anspruchs. Auch hier sind besonders diejenigen betroffen, die vor ihrer Bedürftigkeit in der Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig oder nicht versichert waren oder die 6 Monate Pflichtbeiträge in den letzten 2 Jahren vor Antragstellung nicht vorweisen können. Dies benachteiligt ALG-II-Bezieher besonders, weil der Zusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitslosigkeit hinlänglich bekannt ist. So wirken sich die psychosozialen Folgen der Arbeitslosigkeit negativ auf bestehende Krankheiten und Veranlagungen hierzu aus (vgl. IAB 2003, Weber/Hörmann/Heipertz 2007).

Bei fehlenden rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen soll bei medizinischer Notwendigkeit die medizinische Rehabilitation auch über die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt werden. Wer privat krankenversichert ist, muss die Möglichkeiten seines Versicherungsschutzes überprüfen. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die medizinische Rehabilitation erst seit 2007 Pflichtleistung und wird unter der Maßgabe „Rehabilitation vor Pflege” erbracht, soweit kein anderer Träger zuständig ist.

Das Antragsverfahren gestaltet sich aufwendiger als bei der Rentenversicherung, denn nicht jeder Arzt kann medizinische Rehabilitation direkt verordnen. Er muss dafür eine Zusatzqualifikation vorweisen. Hat er diese nicht, kann er der Krankenkasse nur eine Empfehlung aussprechen, damit diese berät und einen Vertragsarzt mit dieser Qualifikation hinzuzieht (vgl. Rehabilitationsrichtlinie 2009 und Hibbeler 2010). Im Gegensatz zum Antragsverfahren bei der Rentenversicherung stellt der Patient nicht selbst den Antrag. Fraglich ist, wie hoch die zusätzlichen Fallzahlen im Bereich der Rehabilitation der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Wegfall der Beitragszahlung für ALG-II-Bezieher sein werden und wie die Kassen mit ihnen umgehen. Es ist möglich, dass mehr Ablehnungen erfolgen, dass Verordnungskontingente für Ärzte ausgesprochen werden oder dass höhere Kosten über Zusatzbeiträge ausgeglichen werden müssen.

3.2 Berufliche Rehabilitation (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben/LTA)

„Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen alle Hilfen, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit der […] Rehabilitanden zu bessern oder wiederherzustellen und ihnen eine berufliche Wiedereingliederung auf Dauer zu ermöglichen. Die Erhaltung eines bestehenden Arbeitsplatzes hat dabei Vorrang.

  • Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes inkl. Kraftfahrzeughilfen, um trotz Behinderung/Einschränkungen den Arbeitsplatz erreichen zu können,
  • Berufsvorbereitung einschließlich der wegen der Behinderung eventuell notwendigen Grundausbildung,
  • berufliche Anpassung, Ausbildung und Weiterbildung wie z.B. Umschulungen,
  • Gründungszuschuss bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit,
  • Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber und
  • Leistungen in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).” (DRV 2010e, S.49)”


Eine ausführliche Beschreibung kann dem § 33 SGB IX entnommen werden.

Die persönlichen Voraussetzungen für eine berufliche Rehabilitation bestehen,

  • wenn bei erheblich gefährdeter Erwerbsfähigkeit eine drohende Erwerbsminderung abgewendet werden kann,
  • wenn die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert, wiederhergestellt oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann oder
  • wenn bei teilweise geminderter Erwerbsfähigkeit ohne Aussicht auf wesentliche Besserung der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 33 SGB IX, § 9 SGB VI).


Als versicherungsrechtliche Voraussetzung gilt, dass ohne berufliche Rehabilitation eine EM-Rente gezahlt werden müsste oder aufgrund von Zeiten aus den Bereichen 1.1 a) und b) (s.o.) eine Wartezeit von 15 Versicherungsjahren erfüllt wurde.

Außerdem kann eine berufliche Rehabilitation auch bewilligt werden, wenn sie für den erfolgreichen Abschluss der medizinischen Rehabilitation notwendig ist. Das heißt, aus einer medizinischen Rehabilitation heraus kann bereits eine berufliche Rehabilitation angeregt werden. Das gilt auch, wenn für diese die versicherungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt worden ist (§11 SGB VI). So kann die Wartezeit für berufliche Rehabilitation von 15 Jahren Beitragszeiten auf 6 Monate Pflichtbeitragszeiten in den letzten 2 Jahren reduziert werden. Allerdings muss die medizinische Rehabilitation für diesen Fall ebenso in Trägerschaft der Rentenversicherung erfolgen.

Gerade ALG-II-Bezieher sind verstärkt auf berufliche Rehabilitation angewiesen, da durch andauernde Arbeitslosigkeit häufig eine bestehende medizinische Einschränkung verstärkt oder begründet wird.

Im Bereich der beruflichen Rehabilitation wirken sich die benannten Gesetzesänderungen drastischer aus. Zum einen aufgrund der längeren Vorversicherungszeit und zum anderen, weil die Möglichkeit über die medizinische Rehabilitation den Vorversicherungszeitraum zu verkürzen wegfällt, wenn nicht bereits eine medizinische Rehabilitation über die Rentenversicherung erfolgte.

Problematisch sind zudem geringere finanzielle Anreize der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter auf eine dauerhaft erfolgreiche Rehabilitation hinzuwirken. Die Rentenversicherung verdient über Sozialversicherungsbeiträge direkt mit, wenn der Rehabilitant nach der Maßnahme dauerhaft im Erwerbsleben verbleibt, und spart eventuell fällige Rentenzahlungen. Bei der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern nahm die Zahl der Maßnahmen zwischen 2002 und 2009 um 32 % ab (vgl. IAB 2008 und BA 2010b). Dies steht auch in Verbindung mit den Änderungen im SGB III und SGB II, die sich mit den Grundsätzen der Rehabilitation des SGB IX nur schwer vereinen lassen. SGB II und SGB III haben die Zielsetzung, Arbeitslose möglichst schnell wieder in Arbeit zu bringen, ohne Berücksichtigung des Berufsschutzes oder der Nachhaltigkeit. Es geht also nicht um eine dauerhafte Wiedereingliederung ins Erwerbsleben, sondern um ein baldiges Ende des Leistungsbezugs. Hierfür ist es oftmals ausreichend, über kurzzeitige Arbeitsförderungsmaßnahmen einen Einstieg zu erleichtern, z.B. durch Zuschüsse an Arbeitgeber. Kostenintensive Maßnahmen wie eine Umschulung können so vermieden werden.

Eine weitere Schwierigkeit besteht durch den Zugang über die Jobcenter. Diese können nicht eigenständig über die Notwendigkeit zur beruflichen Rehabilitation entscheiden, sondern müssen die Arbeitsagentur informieren. Diese entscheiden dann, ob ein Bedarf vorliegt, welche Maßnahmen in Betracht kommen und inwiefern sich die Arbeitsagentur an den Kosten beteiligt. Die Jobcenter müssen dann die anfallenden Kosten tragen (vgl. BA 2010a). Dieser Verwaltungsablauf verlangt eine gute Kommunikation aller Beteiligten und ein entsprechendes Fachwissen, um gelingen zu können. Den Fallmanager kommt in diesen System eine tragende Rolle zu, denn sie müssen den Bedarf erkennen, benennen und der Arbeitsagentur melden. Bei Bedarf muss dieser also erst einmal überzeugt werden. Offen bleibt auch hier, wie hoch in diesem Bereich die zusätzlich Fallzahlen durch das Haushaltsbegleitgesetz sein werden und wie die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter mit ihnen umgehen werden.

4. Vorschläge für die Praxis



Um festzustellen, ob ALG-II-Beziehern zukünftig nur Anrechnungszeiten gutgeschrieben werden oder ob die Möglichkeit besteht, zusätzliche Beitragszeiten angerechnet zu bekommen, müssen der Rentenverlauf und aktuelle Anspruchsvoraussetzungen überprüft werden. Möglicherweise erwerben Leistungsbezieher auch während des ALG-II-Bezugs Beitragszeiten für die Rentenversicherung und sind sich dessen gar nicht bewusst. Außerdem muss geprüft werden, ob andere Leistungsträger im Bereich der Rehabilitation zuständig sein könnten, falls eine Trägerschaft der Rentenversicherung aufgrund fehlender Beitragszeiten nicht in Frage kommt. Schließlich weise ich auf Fallkonstellationen während des ALG-II-Bezugs hin, die sich anspruchsvernichtend auf den Renten- und Rehabilitationsanspruch auswirken können. Diese Klippen gilt es tunlichst zu umschiffen.

4.1 Prüfen, ob Beitragszeiten bestehen



Zunächst sollte geprüft werden, ob alle rentenrechtlich relevanten Zeiten korrekt zugeordnet sind. Dies ist eine generelle Empfehlung für alle Versicherten. Oft sind Rentenverläufe lückenhaft und je länger diese Lücken bestehen, desto schwieriger ist es, Nachweise für Zeiten zu besorgen, die im Rentenverlauf nicht berücksichtigt wurden.

Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob Beitragszeiten bestehen, die neben dem Bezug von ALG II möglich sind:

  1. Zeiten der Kindererziehung – für Zeiten der Kindererziehung zahlt der Bund ab 1992 geborene Kinder drei Jahre lang ab Geburt Pflichtbeiträge (§ 3 SGB VI).
  2. Minijob – bei Aufnahme eines Minijobs besteht die Möglichkeit, die vom Arbeitgeber geleisteten Rentenbeiträge aufzustocken, d.h. auf die Versicherungsfreiheit zu verzichten, und hiermit einen vollen Versicherungsanspruch in der Rentenversicherung zu erwerben.
    Hierbei sind mehrere Faktoren zu beachten. Zum einen muss zwischen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung und einer geringfügigen Beschäftigung in Privathaushalten unterschieden werden. Je nachdem welcher Form die Tätigkeit angehört, sind die Beiträge der Arbeitgeber unterschiedlich und damit auch der vom Arbeitnehmer zu leistende Aufstockungsbeitrag. Bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung zahlt der Arbeitgeber Rentenbeiträge in Höhe von 15% des Arbeitsentgelts und der Aufstockungsbeitrag beläuft sich auf 4,9% für den Arbeitnehmer. Bei der geringfügigen Beschäftigung in Privathaushalten zahlt der Arbeitgeber Rentenbeiträge in Höhe von 5% des Arbeitsentgelts und der Arbeitnehmer-Aufstockungsbeitrag beläuft sich auf 14,9% (§ 173 SGB VI).
    Zum anderen muss bei einem Arbeitsentgelt von unter 155 Euro monatlich darauf geachtet werden, dass es für die Rentenversicherung einen Mindestzahlbetrag gibt. Dieser Betrag von 30,85 Euro muss auch bei Verdiensten unter 155 Euro aufgebracht werden, so dass der Arbeitnehmer nicht die 5% bzw. 14,9% aufbringen muss, sondern den Differenzbetrag zwischen 30,85 Euro und dem Arbeitgeberanteil (§ 163 SGB VI).
    Falls von der Möglichkeit des Aufstockens nicht Gebrauch gemacht wird, führen eine geringfügig entlohnte Beschäftigung und eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ebenfalls zu einer Erhöhung der Rente und zur Anrechnung von Wartezeiten, allerdings in kleinerem Umfang. Nach einem Jahr geringfügig entlohnter Beschäftigung mit 400 Euro Einkommen sind dies aktuell 3,08 Euro an Rentenansprüchen und 4 Monate Wartezeit. Bei einer geringfügigen Beschäftigung in Privathaushalten sind dies aktuell 1,04 Euro und 2 Monate Wartezeit (§ 52 SGB VI).
  3. Midijob – bei einer Tätigkeit mit Verdienst innerhalb der Gleitzone, also zwischen 400,01 und 800,00 Euro leisten sie vollwertige Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung (§ 1 SGB VI). Beitragszeiten entstehen natürlich auch für alle anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit aufstockendem ALG II.
  4. Pflegepersonen – wer Angehörige oder Bekannte nicht erwerbsmäßig pflegt und dafür mindestens 14 Stunden in der Woche aufwendet und nicht mehr als 30 Stunden in der Woche berufstätig ist, für den kann die Pflegekasse des zu pflegenden Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichten. Wichtig ist hier zuerst einmal eine Pflegestufe beim Betroffenen feststellen zu lassen. Ist eine der Pflegestufen I-III festgestellt, kann Pflegegeld bezogen und bei entsprechender Pflegeleistung beantragt werden, dass Rentenbeiträge für die Pflegeperson geleistet werden (§ 3 SGB VI).


4.2 Mögliche Rehabilitationsträger, wenn die Rentenversicherung nicht zuständig ist



  1. Wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation durch die Rentenversicherung nicht erfüllt sind, kann die Krankenversicherung diese Leistung erbringen. Bei privaten Versicherungen ist der Leistungskatalog zu prüfen.
  2. Wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine berufliche Rehabilitation durch die Rentenversicherung nicht erfüllt sind, kann die Arbeitsagentur oder das Jobcenter diese Leistung erbringen.
  3. Falls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation durch die Rentenversicherung bestehen, jedoch nicht für eine berufliche Rehabilitation, kann erstere angetreten und dort geprüft werden, ob zum Erreichen des Rehabilitationsziels eine berufliche Rehabilitation in Anschluss zu empfehlen ist.
  4. Sollte aufgrund einer psychischen Erkrankung eine medizinische und berufliche Rehabilitation notwendig sein, kann geprüft werden, ob ein Anspruch auf eine RPK-Maßnahme (Rehabilitation für psychisch Kranke) gegeben ist. Man sollte sich nicht vom Namen abschrecken lassen, es handelt sich hierbei um Einrichtungen der medizinisch-beruflichen Rehabilitation. Sie haben allerdings ein eigenes Aufnahmeverfahren. In diesem wird neben den medizinischen Voraussetzungen auch die Trägerfrage geklärt. Wartezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung sind für diese Leistungen keine Voraussetzung.


4.3 Beratungsmöglichkeiten



Um alle oben genannten Aspekte zu prüfen, ist es sinnvoll, fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Rentenversicherung hat regionale Beratungsstellen, die rechtsverbindliche Auskünfte geben können. Informationen zu Minijobs erteilt die Minijobzentrale. Sollte ein Rehabilitationsbedarf egal welcher Art (z.B. Hörgeräteversorgung, medizinische oder berufliche Rehabilitation) bestehen, kann das Beratungsangebot der Rehaservicestellen genutzt werde. Diese können helfen, den richtigen Träger zu finden, und begleiten auf Wunsch das Antragsverfahren (sind aber nicht in allen Bundesländern optimal aufgestellt).

Bei allen Beratungsangeboten ist darauf zu achten, dass die Qualität unterschiedlich sein kann. Gute Berater/innen können in der Regel die Rechtsgrundlage eines Rates nennen. Im Bedarfsfall gibt es unter Umständen regionale Alternativen.

4.4 Weitere Hinweise – Klippen umschiffen!



Zum Erhalt eines Anspruchs auf Rentenleistungen, der bei Erwerbslosen ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld I nur noch durch das Hinzunehmen von Anrechnungszeiten besteht, müssen

  1. ALG-II-Beziehende ihre Folgeanträge stets nahtlos, d.h. vor Ablauf eines alten Bewilligungszeitraums stellen, da sonst unter Umständen nicht mehr auf die den Leistungsanspruch begründenden früheren Beitragszeiten zurückgegriffen werden kann;
  2. sich arbeitslose Personen, die keinen ALG-II-Anspruch haben, weil sie aufgrund von Einkommen oder Vermögen oberhalb der Freibeträge nicht bedürftig im Sinne des SGB II sind, bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos melden. Diese Zeit zählt ebenfalls zu den Anrechnungszeiten (Nachweis über Leistungsbescheid oder Bescheinigung der Arbeitsagentur).


*Autorin: Dipl.-Päd. Nicole Göbel, Sozialberaterin in einer stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtung



Quellenverzeichnis:


1) BA 2010a: Bundesagentur für Arbeit: Leitfaden Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen – Fachliche Hinweise. Stand: 01/2010. Gefunden: http://www.arbeitsagentur.de/nn_26260/zentraler-Content/HEGA-Internet/A03-Berufsberatung/Dokument/HEGA-01-2010-Berufliche-Reha.html am 25.01.11.



2) BA 2010b: Bundesagentur für Arbeit: Durchstarten 2010. Perspektiven für ihr Berufsleben: Berufliche Rehabilitation, September 2010. Gefunden: http://www.arbeitsagentur.de/nn_438262/Navigation/zentral/Veroeffentlichungen/Themenhefte-durchstarten/Berufliche-Reha/Berufliche-Reha-Nav.html am 02.02.11.



3) BMAS 2010: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Erwerbsminderungsrente. Stand: Januar 2010. Gefunden: http://www.bmas.de/portal/10376/erwerbsminderungsrente.html am 10.01.11.



4) Bundesregierung 2011: Neue Regelungen, die sie kennen sollten. Gefunden: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Gesetzesaenderungen2011/aenderung-steuerrecht.html am 02.02.11.



5) Buntenbach 2010: Buntenbach, Annelie: Die Finanzsituation der Deutschen Rentenversicherung Bund. 6. aktuelles Presseseminar, 9. und 10. November 2010 in Würzburg. Gefunden: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/DRVB/de/Inhalt/Presse/Presseseminare/Presseseminare_DRVBund/wuerzburg_11_2010/9_11_buntenbach.html?nn=37208 am 08.12.10.



6) Deutscher Bundestag, 17.Wahlperiode: Drucksache 17/2597 vom 16.07.2010. Gefunden: dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/025/1702597.pdf am 31.12.10



7) Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode: Drucksache 17/2436 vom 07.07.2010. Gefunden: dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/024/1702436.pdf am 17.01.11.



8) DRV 2010a: Deutsche Rentenversicherung: Ergebnisse auf einen Blick. Stand: Dezember 2010. Gefunden: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/de/Inhalt/04_Formulare_Publikationen/03_publikationen/Statistiken/Broschueren/ergebnisse_auf_einen_blick.html?nn=28150 am 20.01.11



9) DRV 2010b: Deutsche Rentenversicherung: Indikatoren zu Erwerbsminderungsrenten (EM-Renten) im Zeitablauf. Stand: Juni 2010. Gefunden: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/de/Inhalt/04_Formulare_Publikationen/03_publikationen/Statistiken/alle_broschueren_statistikbaende.html?nn=39026&lv2=29944 am 19.01.11.



10) DRV 2010c: Aktuelles: Sozioökonomische Situation von Personen mit Erwerbsminderung, 26.1.10. Gefunden: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/de/Inhalt/Zielgruppen/01_sozialmedizin_forschung/03_reha_wissenschaften/projekte/projekt_em.html?nn=28150 am 30.01.11.



11) DRV 2010d: Deutsche Rentenversicherung: Erwerbsminderungsrente: Das Netz für alle Fälle. 5.Auflage, 3/2010. Gefunden: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/SharedDocs/de/Navigation/Formulare_Publikationen/broschueren/Rente_node.html am 10.01.11.



12) DRV 2010e: Deutsche Rentenversicherung Bund: Reha-Bericht 2010. Berlin, Juni 2010.



13) Frenzl 2011: Frenzl, Andrea: Haushaltsbegleitgesetz 2011.Informationen der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung in Bayern. Nummer 01/2011, 11.01.2011. http://www.deutsche-rentenversicherung-nordbayern.de/DRVNB/de/Inhalt/01_Deutsche_RV/05_Bibliothek/Informationen_der_DRV_in_Bayern/01_2011_Haushaltsb.html?nn=63940 am 25.01.11.



14) Hibbeler 2010: Hibbeler, Dr. med. Birgit: Kassen legen erstmals Statistiken vor. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 107, Heft 49, 10. Dezember 2010. Gefunden: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=79630 am 22.01.11.



15) IAB 2003: Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung: IAB-Kurzbericht Nr.4, 21.03.2003. Gefunden: doku.iab.de/kurzber/2003/kb0403.pdf am 15.01.11.



16) IAB 2008: Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung: IAB-Kurzbericht 25/2008: Berufliche Rehabilitation in Zeiten des SGB II. Gefunden: doku.iab.de/kurzber/2008/kb2508.pdf am 25.01.11.



17) Rehabilitationsrichtlinie: Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschuss über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 22. Januar 2009. Veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009, S. 2131.



18) Weber/Hörman/Heipertz 2007: Arbeitslosigkeit und Gesundheit aus sozialmedizinischer Sicht. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg.104, Heft 43, 26.Oktober 2007. Gefunden: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=57333 am 15.01.11

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