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Umgangskosten nach neuer Rechtslage

Gerade für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die Anspruch auf Grundsicherungsleistung nach dem SGB II haben (ALG II Empfänger) kann der Umgang mit entfernt lebenden Kindern eine kostspielige Angelegenheit sein. Die viel diskutierte SGB II Novelle (BGBl. I 2011, 453 - zur Gesetzesbegründung: BT-Drs. 17/3404 ), die überwiegend zum 01. Jan. bzw. Apr. 2011 in Kraft getreten ist, brachte auch hier positive Neuerungen:



Folgende Kosten werden von dem für den Umgangsberechtigten zuständigen Jobcenter - nach vorherigem Antrag - erstattet:

  • Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts, § 21 Abs. 6 SGB II (dazu Punkt 1) und
  • Bedarfskosten der Kinder während der Umgangszeit und zwar ohne dass es des Einverständnisses des anderen Elternteils bedarf (dazu Punkt 2).


Dagegen können die Mehrbedarfe für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II grundsätzlich nicht vom umgangsberechtigten Elternteil geltend gemacht werden (dazu Punkt 3).

1. Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts



Schon seit Juli 2010 (BGBl. I 2010, 671), existiert mit § 21 Abs. 6 SGB II eine neue gesetzliche Grundlage, aufgrund derer die Kosten, die zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den eigenen Kindern entstehen (v.a. Bahn-, Pkw.-, Unterkunftskosten), ersetzt werden. § 21 Abs. 6 SGB II setzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010, 1 BvL 1, 3, 4/09 – Rn. 204 ff. um.

Zur Begründung des Gesetzes: BT-Drs. 17/1465, 8 f..

Zu den internen Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II (verwaltungsinterne Anweisungen an die örtlichen Jobcenter): beim Tacheles e.V..

2. Bedarfskosten der Kinder während der Umgangszeit



Auch der Ersatz der Kosten der Kinder (Essen usw.) während der Umgangszeit kann bei dem für den Umgangsberechtigten zuständigen Jobcenter geltend gemacht werden. Das Problem hierbei war bisher, dass es sich dabei um Ansprüche der Kinder handelt. Allgemein gilt, dass Ansprüche der Kinder grds. nur von deren Sorgeberechtigten geltend gemacht werden können. Haben beide Elternteile das Sorgerecht, bedarf es des Einverständnisses beider Elternteile, § 1629 Abs. 1 BGB.

Für den Antrag bedeutete dies, dass die Kosten, die die Kinder während der Umgangszeit verursachen, nur dann bei der ARGE geltend gemacht werden konnten, wenn der anderer Elternteil dem zustimmte. Dies führte oft dazu, dass, wenn die ARGE den Antrag ablehnte, ein Widerspruch oder die gerichtliche Durchsetzung nicht möglich war, weil der andere Elternteil sein Einverständnis nicht gab. Auch die Antwort auf die Frage, wer für diese Ansprüche zuständig ist (Jobcenter des Umgangsberechtigten, Jobcenter des ständigen Wohnortes der Kinder, Jobcenter des Ortes, wo der Umgang stattfindet), war sehr umstritten.

Durch die nun in Kraft getretene SGB II Novelle (BGBl. I 2011, 453) ist dies anders geworden (dieser Punkt war i.Ü. nie Gegenstand der hitzigen politischen Diskussionen). Die Gesetzesänderung setzt z.T. ebenfalls das o.g. Urteil des BVerfG um.

Es wurde folgende Vorschriften eingefügt: § 38 Abs. 2 SGB II (in Kraft seit 01.04.2011):

„Für Leistungen an Kinder im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts hat die umgangsberechtigte Person die Befugnis, Leistungen nach diesem Buch zu beantragen und entgegenzunehmen, soweit das Kind dem Haushalt angehört.”


Zuständig ist - unabhängig vom Wohnort der Kinder - das Jobcenter, an dem die umgangsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 36 S. 3 SGB II.

Berechnung:



Das Kind hat pro Tag, den es beim Umgangsberechtigten verbringt, Anspruch auf den anteiligen Regelsatz gem. §§ 19 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 7 Abs. 2 S. 1 SGB II, sog. Sozialgeld. Ein Tag ist erreicht, wenn sich das Kind mehr als 12 h beim Umgangsberechtigten aufhält. Erfolgt die Abholung also nach 12:00 Uhr (mittags) oder das Zurückbringen nach 12:00 Uhr (mittags), besteht für diesen Tag kein Anspruch des Kindes auf Grundsicherung nach dem SGB II.

Die Höhe des Regelsatzes für das Kind ergibt sich aus §§ 23 Nr. 1 i.V.m. 77 Abs. 4 Nr. 2 bis 4 SGB II.

Bsp.: Das Kind ist 6 Jahre alt und hält sich alle vier Wochen von Freitag 14:00 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr beim Vater auf. Der Vater ist Hartz-IV-Empfänger.

Vater und Kind bilden für das Wochenende eine temporäre Bedarfsgemeinschaft.

  1. Tage an denen ein Anspruch besteht: In dem Beispiel zählt Freitag mangels Erreichens der 12 h nicht als Tag. Dagegen aber Samstag und Sonntag. Für das Umgangswochenende hat das Kind 2 Tage Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. §§ 19 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 7 Abs. 2 S. 1 SGB II, sog. Sozialgeld.
  2. Höhe des Regelsatzes: Der Regelsatz für ein 6 Jahre altes Kind liegt bei 251,- EUR pro Monat, §§ 23 Nr. 1 i.V.m. 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II („vom Beginn des siebten […] Lebensjahres” = wenn das Kind mind. 6 Jahre alt ist).
  3. Höhe des Anspruchs für die Umgangszeit: 251,- EUR geteilt durch 30 Tage (egal ob Jan., Feb. o. März usw.) = 8,37 EUR pro Tag. Für das im Beispiel zugrunde gelegte Umgangswochenende hat das Kind also einen Anspruch i.H.v. 16,73 EUR.


Diesen Anspruch kann der Umgangsberechtigte gem. § 38 Abs. 2 SGB II (in Kraft seit 01. April 2011) im Namen des Kindes bei dem für ihn zuständigen Jobcenter, § 36 S. 3 SGB II (rückwirkend in Kraft seit 01.01.2011), geltend machen.

3. Dagegen grds. kein Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende



Umgangsberechtigte Väter (oder Mütter) die Bezieher von ALG II sind, haben aber für die Zeit des Umgangs nach wie vor keinen Anspruch auf anteiligen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II. Erst wenn Pflege und Erziehung des Kindes hälftig zwischen den getrennt lebenden Eltern aufgeteilt ist, besteht ein Anspruch auf den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Ist ein Elternteil in geringerem als hälftigem zeitlichen Umfang für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig, so steht die Leistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urt. v. 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R, Rn. 22).

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M.G., 30.03.2011

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