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Stellungnahmen zum Vorlageverfahren wegen Sanktionen im SGB II beim BVerfG



Der DGB sieht keine Möglichkeit die Sanktionen zu rechtfertigen, weder verfassungsrechtlich, noch sozialpolitisch.



Der SoVD geht davon aus, dass sich das derzeitige Sanktionssystem als verfassungswidrig erweist.



Der VdK stellt fest, dass durch Sanktionen ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben nicht möglich ist und es zu einer Gefährdung der physischen Existenz kommen kann. Daher sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.



Das BSG hat im Falle von Leistungsminderungen hohe Anforderungen gestellt und darauf verwiesen, dass das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht angenommen habe.



Der BDA hält Sanktionen mit dem Grundgesetz vereinbar und sieht keinen Verstoß gegen das Recht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. „Besonders bei Jugendlichen sei eine positive Wirkung der Sanktionen besonders stark“. Zudem bestehen bei jungen Arbeitslosen ausreichend Sicherungsmechanismen, die stets sicherstellen, das ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um den Betroffenen eines menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten.



Der DPWV sieht in der Gesamtwürdigung Sanktionen als unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen.



Der Deutsche Sozialgerichtstag hält eine differenzierte Betrachtung für geboten und hält an früherer uneingeschränkter Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregeln nicht fest. Das Grundrecht auf Unversehrtheit erfordert nicht den Verzicht auf Sanktionen, Leistungskürzungen die in das physische Existenzminimum um mehr als 30 % eingreifen, sind jedoch in der bestehenden Ausgestaltung verfassungswidrig.



Die Erlacher Höhe zeigt an einem Fall welches menschliche Leid, aber auch welche volkswirtschaftlichen Folgen die „elende“ Sanktionspraxis auslöst und würde es daher begrüßen, wenn das BVerfG die jetzige Regelung für verfassungswidrig erklärt.     



Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltsverein hat keine Position zu den Sanktionen. 

Weist aber darauf hin, dass Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen, Personen mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten, sowie psychisch Erkrankte besonders häufig sanktioniert werden. Ebenso unter-25Jährige, bei denen nach anwaltlicher Praxis eher kontraproduktiv sei und sich bei dem Personenkreis vielmehr die Haltung einstelle, dass „jetzt sowieso alles egal ist“.  



Der Deutsche Verein teilt nicht die Auffassung, dass Sanktionen „generell verfassungswidrig“ sind. Das Existenzminimum müsse aber unangetastet bleiben und die Regelungen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Eine Minderung um 30 % wertet der DV nicht als Eingriff in die Grundrechte. Eine Zulässigkeit der Minderung um 60 %  ist fraglich, für eine verfassungskonforme Auslegung ist es erforderlich, dass dann ergänzende Sachleistungen gewährt werden. Die starre Dauer der Minderung von drei Monaten sei zudem problematisch.

  • Stellungnahme DV


Der Caritas Verband   hat eine sehr umfangreiche Stellungnahme, einschließlich Reformvorschlägen vorgelegt und dabei gefordert das die Minderung 30 %  des Regelbedarfes nicht überschreiten darf, nicht in die KdU und Heizung gehen darf, die Sanktionsregeln flexibler ausgestaltet werden sollen, Widersprüche und Klagen gegen Minderungen aufschiebende Wirkung haben sollen, Sachleistungen von Amts wegen zu erbringen sind und die 1 Euro Jobs aus der Liste der Sanktionstatbestände gestrichen werden sollen.  



Der Deutsche Städtetag gibt keine explizite Position ab, er beschreibt aber, dass die Wirkung von Sanktionen überwiegend als positiv beschrieben wird, denn die Grundsicherung für Arbeitssuchende stelle kein bedingungsloses Grundeinkommen da. Zu den 100 % igen Sanktionen wird das Entstehen von Mietschulden befürchtet, die wiederum zum Vermittlungshemmnis werden und bis zur Wohnungslosigkeit führen können. Bei 100 % - Sanktionen kann häufig vermutet werden, dass Einkommen und Vermögen aus unbekannten Quellen vorhanden ist.



Der Deutsche Landkreistag stellt fest, dass das Grundgesetz nicht die Gewährung voraussetzungsloser Sozialleistungen erfordert. Nach Überzeugung des Landkreistag erfüllen Sanktionen eine wichtige sozialpolitische Funktion. Der LKT hält die Sanktionsregeln mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar. Im Übrigen kommen Sanktionen in der Praxis der Jobcenter eher selten vor.



Der Freistaat Thüringen stellt fest, dass Sanktionen zu teilweise erheblichen Leistungseinschränkungen führen, diese werden nicht vollständig durch Sachleistungen ausgeglichen. Daher ist die Frage, ob das vom GG garantierte  menschenwürdige Existenzminimum zur Verfügung steht, grundsätzlich berechtigt. Die Landesregierung begrüßt daher, dass sich das BVerfG mit dem Thema beschäftigt. Der Freistaat weist darauf hin, dass ein Antrag des Landes auf Entschärfung im Rahmen des 9. SGB II-ÄndG keine Mehrheit gefunden hat.   



Die Diakonie Deutschland stellt fest, dass das Sanktionsregime weder geeignet, noch erforderlich, noch angemessen ist. Es stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung des Existenzminimums dar.



Die Hessische Staatskanzlei hat keine Erkenntnisse zu den angefragten Aspekten und stellt fest, dass eine darüber hinausgehende Stellungnahme des Landesregierung nicht beabsichtigt ist.



Die Bundesagentur für Arbeit, Zentrale  sieht in den  Sanktionen ein wichtiges Lenkungsinstrument. Durch die Möglichkeit den Leistungsberechtigten für einen vorrübergehenden Zeitraum die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zu kürzen, ist es den JC MA’s möglich, eine Verweigerung der Zusammenarbeit zu ahnden und den Leistungsberechtigten dadurch zur besseren Zusammenarbeit zu motivieren.   

Von 2007 – 2015 wurden jährlich durchschnittlich 887.104 Sanktionen festgestellt. Im Jahr 2016 gab es über 50.805 Widersprüche, davon 17.794 vollumfängliche und 873 teilweise Stattgaben. In 29.432 Fällen wurden die Widersprüche zurückgewiesen. Die Aufhebungsquote lag bei 37 %.
Gesamtschau der Zahlen ergeben, dass die Verhängung von Sanktionsentscheidungen überwiegend den gesetzlichen Anforderungen genügen. Die Mitarbeiter der Dienststellen vor Ort arbeiten im Bereich der Sanktionen zuverlässig.
Statistische Daten zur Erbringung von Sachleistungen werden „leider“ nicht erhoben.



(Dazu gibt es Anlagen, diese sind vom Scann her so groß das sie nicht downloadbar sind oder urheberrechtlich geschützt, daher werden diese nicht veröffentlicht).


Für die Bundesregierung nimmt die Anwaltskanzlei Redeker/Sellner/Dahs aus Berlin Stellung. Es bestehen gegen die Zulässigkeit der Vorlage durchgreifende Bedenken, denn das SG Gotha hätte eine im Internet speziell für den Zweck von Richtervorlagen Musterbegründung einer „Bürgerinitiative Grundeinkommen“ nahezu wörtlich übernommen.  Die Normenkontrollklage stelle keine eigenverantwortliche Überzeugsbildung dar. Dazu hat die Kanzlei Grundrechtsbriefe von Ralf Boes zitiert. Dann wird im Einzelnen dargelegt, warum nach Ansicht der Bundesregierung das Sanktionsrecht verfassungsrechtlich vertretbar ist.



Der Erwerbslosen Verein Tacheles hält Sanktionen für einen Verstoß gegen das Völkerrecht, UN-Sozialpakt, Europäische Sozialcharta, Behindertenkonvention und gegen deutsches Verfassungsrecht und ist überzeugt, dass die Auswirkungen der Sanktionen den  gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden und bereits geschädigt haben.

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