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Sozialhilfedetektive nach dem Kölner Modell verfassungswidrig

Presseerklärung von Tacheles / 18.09.2000



Sozialhilfedetektive nach dem Kölner Modell verfassungswidrig

Der Wuppertaler Sozialhilfeverein Tacheles stellt Rechtsgutachten und Stellungnahme der Landesdatenschutzbeauftragten vor



Mitte Mai 2000 hatte die Wuppertaler CDU/FDP- Koalition mit ihrer Ratsmehrheit die Einrichtung eines Bedarfsfeststellungsdienstes nach dem Kölner Modell beschlossen. Dabei sollten 14 Sozialdetektive tätig werden. Der Stadtverwaltung wurde nach dem Beschluss aufgetragen, bis Ende September 2000 ein Modell vorzulegen.
Tacheles ließ dieses Vorhaben durch ein Rechtsgutachten des anerkannten Stuttgarter Sozialrechtlers Dr. Manfred Hammel überprüfen und stellte zu diesem Thema gleichzeitig eine Anfrage bei der Landesdatenschutzbeauftragten NRW.

Beide bestätigen nun die Auffassung von Tacheles, dass die Einrichtung eines Bedarfsfeststellungsdienstes, dessen vorrangige Aufgabe es sein soll Hausbesuche durchzuführen, ein Verstoß gegen den Sozialdatenschutz und rechts- und verfassungswidrig ist.

Gegen die Einführung eines Bedarfsfestellungsdienstes in Wuppertal gibt es von Seiten der anderen Ratsfraktionen, der örtlichen Wohlfahrtsverbände und der Sozialverwaltung erheblichen Widerstand. Es wird befürchtet, dass sich das soziale Klima nach Einrichtung eines Bedarfsfeststellungsdienstes mit 14 Sozialdetektiven massiv verschärfen und Kontrolle allein um der Kontrolle willen durchgeführt wird. Der Widerstand richtet sich ebenfalls dagegen, Sozialhilfeempfänger streng nach dem Prinzip "Einsparen durch Abschreckung" wie Kriminelle und potentielle Betrüger zu behandeln.

Harald Thomé, Vorsitzender von Tacheles e.V., erklärt dazu: "Mit den eingeholten Stellungnahmen ist zumindest erst mal für Wuppertal dem Einsatz von Sozialhilfedetektiven ein Riegel vorgeschoben worden. Daraus wird deutlich, dass sich die CDU/FDP Koalition in Wuppertal mit diesem Vorhaben ziemlich vergaloppiert hat."

In Köln dagegen werden schon seit 1997 bei SozialhilfebezieherInnen systematisch verdachtsunabhängige Hausbesuche unter Verletzung des Art. 13 GG durchgeführt.
Bei jedem Neuantrag auf Sozialhilfe und bei Beantragung von einmaligen Leistungen werden in Köln sofort, ohne dass es Gründe für die Vermutung eines mögl. Missbrauches gibt, kontrollierende Hausbesuche durchgeführt. "Wenn man Sozialhilfe bezieht, muss man sich nun einmal ausziehen" verkündete dazu einer der Kölner Chefermittler 1997 in der Rheinischen Post.

Thomé erklärt dazu: "Die eingeholten Stellungnahmen sind hochbrisant, sie belegen deutlich, dass Kommunen und Städte, in denen Sozialhilfeermittlungsdienste wie in Köln bestehen, sich in einem rechts- und verfassungswidrigen Raum bewegen. Aufgrund eines Ratsbeschlusses kann Sozialhilfeempfängern nicht das Grundrecht auf Unverletzbarkeit der Wohnung abgesprochen werden."

Thome weiter: "Nun müssen daraus bundesweit Konsequenzen gezogen werden, verdachtsunabhängige Hausbesuche gehören abgeschafft. Auf dieser Basis arbeitende Schnüffeldienste müssen umgehend aufgelöst werden!"


Hintergrundmaterial:



  • Tacheles Presseerklärung vom 18.09.2000
  • Tacheles Pressetext vom 18.09.2000
  • Stellungnahme der Landesdatenschutzbeauftragten NRW zum Bedarfsfeststellungsdienst vom 07.08.2000
  • Rechtsgutachten von Dr. Manfred Hammel zum Bedarfsfeststellungsdienst 
  • Stellungnahme von Tacheles zum Bedarfsfeststellungsdienst vom 15.05.2000 
  • Antrag der CDU-Fraktion vom 08. Mai 2000 / Drs.Nr. 6430/2000
  • Antrag der CDU-Fraktion vom 16.Mai.2000 /  Drs.Nr. 6435/2000

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