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SG Braunschweig 7.3.05: Abgrenzung zwischen Erstausstattung und Erhaltungsbedarf bei Einmalleistungen

Sozialgericht Braunschweig

S 18 AS 65/05 ER
Beschluss
In dem Rechtsstreit

XXXX XXXXX,
XXXXX X,XXX Braunschweig,
Antragsteller,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte XXXXXXX,
XXXXXXX Braunschweig,

gegen

ARGE Braunschweig, vertreten durch den Geschäftsführer,
Cyriaksring 10, 38118 Braunschweig,
Antragsgegnerin,

hat die 18. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig am 7. März 2005 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Kreienbrink, beschlossen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Anschaffung eines Gasherdes, eines Kinderbettes sowie einer Wickelauflage zu erbringen. Ferner wird die Antragsgegnerin verpflichtet , Umzugskosten einschließlich der wegen des Umzugs erforderlichen Renovierungskosten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1.

Zwischen den Beteiligten sind anlässlich eines Umzuges entstehende Kosten umstritten.

Der Antragsteller, der mit seiner fünfköpfigen Familie eine Zwei- Zimmer- Wohnung mit einer Größe von 49 m² bewohnt, hat ab dem 01. März 2005 eine Vier- Zimmer- Wohnung mit einer Größe von 83 m² angemietet. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller hierfür darlehensweise Leistungen zur Übernahme der Mietkaution/ des Genossenschaftsanteils gewährt. Am 31. Januar 2005 beantragte der Antragsteller die Übernahme von Umzugs- kosten, Kosten für Farbe und Tapeten für die neue Wohnung, Möbel für die neue Wohnung ( „Betten, Gardinen, Schränke, Küche, Teppich u.s.w.“). Ferner beantragte er eine Kostenübernahme für die Auszugsrenovierung der alten Wohnung. Mit Bescheid vom 03. Februar 2005 lehnte die beklagte die Anträge ab. Die beantragten Beihilfen bezüglich der Renovierung seien nicht von den Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch ( SGB II) erfasst. Die beantragten Möbel könnten nicht bewilligt werden, da der Antragsteller bereits eine eigene Wohnung bewohne und es sich mithin nicht um eine Erstausstattung handele. Der Widerspruch blieb erfolglos ( Widerspruchsbescheid vom 01. März 2005).

Mit am 24. Februar 2005 bei dem hiesigen Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
der Antragsgegnerin aufzugeben, Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung XXXXstraße 120, konkret für die Anschaffung eines Kinderbettes, einer Wickelkommode, zweier weiterer Kinderbetten, Teppichboden für die gesamte Wohnung und einen Gasherd zu erbringen,
Leistungen für die Renovierung der alten Wohnung in der XXXXXstraße 11 zu erbringen,
die Kosten des Umzuges zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zum Teil begründet.

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes besteht.

Ein Anordnungsgrund ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Entscheidung ist aufgrund des sich darstellenden Sachverhalts eilbedürftig und es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, eine Entscheidung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren zu erfolgenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugung des Gerichts den materiell- rechtlichen Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistung hat. Dies ist inhaltlich aus dem im Beschlusstenor ersichtlichen Umfang der Fall.

Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts Anspruch auf Gewährung der für die Anschaffung eines Gasherdes erforderlichen Leistungen. Gemäß § 23 Abs. 3 SGB II sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Die Erstausstattung ist inhaltlich in Abgrenzung zum Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf zu bestimmen, der aus der Regelleistung zu decken ist. Im vorliegenden Fall verfügt der Antragsteller in seiner alten Wohnung über einen Elektro- Kochherd. In der neuen Wohnung benötigt er einen Gasherd zum Kochen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich in einem solchen Fall nicht um einen Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf. Denn die Neuanschaffung ist nicht aufgrund üblicher Abnutzung oder anderer Umstände, die vom Antragsteller beeinflussbar sind, zurückzuführen. Sie ist auch nicht allein durch den Wohnungswechsel als solchen bedingt. Die Notwendigkeit ergibt sich vielmehr daraus, dass der Antragsteller in der neuen Wohnung aufgrund von ihm nicht zu beeinflussender baulicher Gegebenheiten für den vorhandenen Kochherd keine Verwendung mehr hat. Deshalb ist der beantragte Gasherd sachlich einer Erstausstattung gleichzustellen. Soweit der vorhandene Kochherd wirtschaftlich verwertbar ist, liegt es im Ermessen der Antragsgegnerin, dies zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ferner Leistungen für ein Kinderbett sowie eine Wickelauflage zu gewähren. Dies ergibt sich ebenfalls aus § 23 Abs. 3 SGB II. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Säuglingserstausstattung auf den Bekleidungsbedarf beschränkt. Die Regelung will aber ersichtlich an die sozialhilferechtliche Verwaltungspraxis anknüpfen. Deshalb ist es geboten, auch den Säuglingsbedarf außerhalb der Bekleidung durch eine einmalige Leistung zu decken. Deshalb sind die beantragten Leistungen für ein Kinderbett und eine Wickelauflage zu gewähren. Zur Gewährung einer „ Wickelkommode“ ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Eine Wickelauflage ist insoweit ausreichend.

Für die Gewährung von Leistungen für zwei weitere Kinderbetten ist eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich. Dies gilt ebenfalls für die beantragte Gewährung von Leistungen für Gardinen für die neue Wohnung. Die Gehwährung von Leistungen für Gardinen ist nur im Rahmen einer Erstausstattung vorgesehen. Erstausstattung im Sinne der genannten Vorschrift bezeichnet den erstmaligen Bezug einer Wohnung. Ein Umzugsbedarf ist hiervon nicht erfasst.

Soweit das Gericht die Antragsgegnerin zur Gewährung von Umzugskosten einschließlich erforderlicher Renovierungskosten verpflichtet hat, gründet dies auf § 22 Abs. 3 SGB II. Danach können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift ergibt sich, dass das Ermessen hinsichtlich der Zusicherung dahingehend eingeschränkt ist, dass diese erteilt werden soll, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden
Werden kann. Im Hinblick auf diese Beschränkung der Zusicherung auf vom Träger veranlasste oder aus anderen Gründen notwendige Umzüge ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass auch das Ermessen hinsichtlich der Erstattung der im Gesetz bezeichneten Kosten hinsichtlich des „ ob „ dahingehend eingeschränkt ist, dass die Übernahme im Regelfall zu erfolgen hat. Hinsichtlich des „ wie „ ist die Antragsgegnerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts dazu verpflichtet, erforderliche Umzugskosten sowie erforderliche Kosten für die Renovierung der alten beziehungsweise neuen Wohnung im notwendigen Umfang zu erstatten. Als notwendig in diesem Sinne sind die Kosten in einem Umfang anzusehen, wie sie sich bei einer Arbeitnehmerfamilie aus den unteren Einkommensschichten ergeben würden. Der Antragsteller ist insoweit gehalten, die Kosten zum Beispiel durch Eigenleistung und Inanspruchnahme von Hilfen aus dem Familien- und Freundeskreis gering zu halten. In Beachtung dieser Umstände sind sodann Kosten zum Beispiel für einen Umzugsmietwagen beziehungsweise Materialien für die Wohnungsrenovierung als notwendige Kosten des Umzuges anzusehen und von der Antragsgegnerin zu erstatten. Eigenleistungen beziehungsweise die Inanspruchnahme oben genannter Hilfen sind dem Antragsteller zumutbar. Sie sind auch in Bevölkerungsschichten, die nicht auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen sind, sozial üblich und verbreitet. Es sind auch keine Umstände dafür ersichtlich, dass sie ansonsten dem Antragsteller nicht zumutbar wären. Der Antragsteller ist als Empfänger von Leistung nach dem SGB II zur Annahme zumutbarer Arbeit verpflichtet. Mithin ist er auch in der Lage, Eigenleistungen anlässlich des Umzuges der Familie zu erbringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen zulässig ( § 172 SGG). Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Sozialgericht Braunschweig, Wolfenbütteler Str. 2, 38102 Braunschweig, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ( § 173 SGG). Hilft das Sozialgericht der Beschwerde nicht ab, so legt es diese dem Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen, Georg- Wilhelm- Str. 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen- Bremen, Am Wall 201, 28195 Bremen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Kreienbrink

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