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Rechtswidrige, existenzbedrohende und wohnungsgefährdende Leistungsversagung durch das Jobcenter Wuppertal
Im vorliegenden Fall wurden einer 62-jährigen, schwerkranken und gehbehinderten Frau, die außerdem Analphabetin ist, durch das Jobcenter Wuppertal – Geschäftsstelle 2 – rechtswidrig sämtliche Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. April 2025 bis zum 31. Dezember 2025 vollständig entzogen. Trotz rechtlicher Intervention durch Tacheles blieb eine Reaktion der Vorgesetzten im Jobcenter bisher aus. Dieses Verhalten stellt eine massive Bedrohung der Existenz, der Unterkunft und der gesundheitlichen Versorgung der Betroffenen dar.
Tacheles fordert das Jobcenter eindringlich auf, umgehend zu handeln und auch dienstrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten.
Ausgangslage
Die Klientin wurde vom Jobcenter aufgefordert, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Dabei verwendete die Betroffene versehentlich das falsche Formular. Infolgedessen forderte das Jobcenter sie erneut auf, die "richtige" Rente zu beantragen – im Rahmen der Mitwirkungspflichten gemäß § 60 ff. SGB I. Am 6. März 2025 erließ das Jobcenter schließlich einen Versagungs- und Entziehungsbescheid nach § 66 SGB I wegen angeblich fehlender Mitwirkung.
Nachholung der Mitwirkung
Am 1. April 2025 stellte die Klientin den korrekten Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung und reichte den Nachweis darüber am 2. April 2025 beim Jobcenter ein. Laut § 67 SGB I sind Leistungen unverzüglich nachzuzahlen, wenn die Mitwirkung nachgeholt wurde.
Trotz dieses Nachweises blieb eine Reaktion aus. Stattdessen äußerte die zuständige Sachbearbeiterin gegenüber einer Bekannten der Betroffenen lediglich lakonisch: „Das ist jetzt halt so.“ Auch ein persönlicher Brief ihrer Schwester, in dem diese eindringlich auf die drohende Obdachlosigkeit der Frau hinwies, blieb unbeantwortet.
Rechtliche Schritte und sonstige Aktivitäten
Nachdem die Widerspruchsfrist abgelaufen war, stellte Tacheles e. V. am 8. Mai 2025 einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X. Darin wurde detailliert dargelegt, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung keine Mitwirkungspflicht im Sinne der §§ 60 ff. SGB I darstellt – und ein darauf basierender Leistungsentzug nach § 66 SGB I somit rechtswidrig und eine 100% Sanktion auch nicht gerechtfertigt ist.
Dem Jobcenter wurde eine Frist bis zum 16. Mai 2025 gesetzt, um den Bescheid aufzuheben und die Leistungen nachzuzahlen. Der Antrag ging an die Geschäftsstellen- und Teamleitung, also an die Vorgesetzten der Sachbearbeiterin. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte eine funktionierende Verwaltung unverzüglich eingreifen und die rechtswidrige Maßnahme aufheben müssen.
Parallel dazu wurde am 8. Mai 2025 eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Jobcenterleitung (Frau Degener) gegen die Sachbearbeiterin eingereicht. Auch hierin wurden die Rechtsverstöße umfassend dargestellt.
Angesichts der Schwere des Vorgangs wurde gemäß § 17 SGB X die sofortige Entbindung der Sachbearbeiterin von der weiteren Bearbeitung beantragt.
Fazit:
Trotz der eindeutigen Rechtswidrigkeit des Bescheids und der dramatischen Folgen – konkret dem drohenden Verlust der Wohnung und fehlendem Krankenversicherungsschutz – haben weder die Leitung der GS 2 noch Frau Degener als Leiterin des Jobcenters innerhalb der gesetzten Frist reagiert. Es erfolgte weder eine Eingangsbestätigung noch eine Zwischenmitteilung zum Verfahrensstand.
Da mittlerweile zwei Monatsmieten nicht gezahlt wurden, besteht die Gefahr einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung. Damit wird sehenden Auges die wirtschaftliche Existenz und das Zuhause einer schwerbehinderten, alten und gesundheitlich stark eingeschränkten Frau zerstört. Die Betroffene selbst sah sich bereits auf der Straße und äußerte suizidale Gedanken.
Das Vorgehen des Jobcenters ist in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig:
- Die Aufforderung zur Rentenantragstellung hätte nicht nach § 60 ff SGB I ergehen dürfen.
- Selbst wenn eine Mitwirkungspflicht bestanden hätte, wäre eine vollständige Sanktion nicht gerechtfertigt gewesen. Das Ermessen nach § 66 SGB I hätte ausgeübt werden müssen, eine 100% Kürzung wäre nicht gerechtfertigt gewesen.
- Gemäß § 5 Abs. 3 SGB II hätte das Jobcenter den Antrag auf die „richtige“ Rente im Übrigen auch selbst stellen können – insbesondere im Fall einer Frau, die durch ihre Krankheiten und der Tatsache, dass sie Analphabetin ist, stark eingeschränkt ist.
- Spätestens mit Nachreichung des richtigen Rentenantrags hätte die 100% Sanktion umgehend aufgehoben werden müssen.
Zusammengefasst: Es wurde alles falsch gemacht, was nur falsch gemacht werden konnte. Anstatt selbst die Leistungen zu beantragen, was für das Jobcenter ein Leichtes wäre, wurde sanktioniert.
Tacheles e. V. fordert daher die Leitung des Jobcenters Wuppertal – insbesondere Frau Degener, sowie die Leitung der GS 2 mit Nachdruck auf, sofort zu handeln:
- Der rechtswidrige Bescheid ist aufzuheben
- Die ausstehenden Leistungen sind unverzüglich auszuzahlen
- Der gesamte Vorgang ist lückenlos aufzuklären
- Und sich bei der davon Betroffenen zu entschuldigen.
Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten. Die neue Behördenleitung ist jetzt gefordert, dafür zu sorgen, dass unsere Klientin umgehend Leistungen erhält und klare Konsequenzen aus diesem Versagen gezogen werden.
Wenn Mitarbeitende der Geschäftsstelle nicht in der Lage sind, rechtskonform und verantwortungsvoll zu handeln, dürfen sie nicht länger an dieser sensiblen Stelle zur Existenzsicherung tätig sein.
Hintergrund:
Nachtrag: der Fall hat sich gelöst, die Leistungen wurden gezahlt, das Jobcenter hat sich sogar entschuldigt, genauere Infos hier.
Harald Thomé / Tacheles e.V.