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Kein Lohn unter 10 €!

Das wurden Anfang 2006 rund 11.000 Erwerbslose gefragt.

Sie nannten einen Stundenlohn von mindestens 6,80 € netto, d.h. umgerechnet ca. 10 € brutto. (Stefanie Bender u.a. Was muten sich Arbeitslose zu? IAB DiscussionPaper No.23/2007, 22)

Die gängigen Mindestlohnforderungen liegen alle darunter. Sie berücksichtigen offensichtlich nicht die Vorstellungen von LohnarbeiterInnen.

Ein Alleinstehender hätte mit 10 € brutto einen Nettomonatslohn von 1.122 € (bzw. 1.670 € brutto bei 38,5 Stunden die Woche und 14% Krankenversicherungsbeitrag).

Dieser Betrag liegt

  • rund 20% über dem Alg II-Niveau eines vollzeiterwerbstätigen Alleinstehenden (im Durchschnitt 942 €: 347 € Regelsatz + 315 € Warmmiete + mindestens 280 € nicht als Einkommen angerechneter Freibetrag vom Erwerbseinkommen),
  • rund 20% über dem Betrag, der als Armutsrisikogrenze in Deutschland gilt (938 €),
  • rund 13% über dem Betrag, der bei einem Alleinstehenden nicht gepfändet werden darf (989,99 €).


10 € brutto – immer noch ein Niedriglohn



International gelten als Niedriglohn zwei Drittel des Wertes, der von der Hälfte aller Bruttolöhne erreicht wird. Danach ist ein Bruttolohn von 1.670 € ein Niedriglohn. (T. Kalina, C. Weinkopf, Mindestens sechs Millionen Niedriglohnbeschäftigte in Deutschland, IAT-Report 2006/03, 3)

10 € reichen nicht, wenn man Kinder hat



10 € brutto decken selbst bei einer Gesamtarbeitszeit der Eltern von 66,5 Stunden in der Woche nicht die vollen Unterhaltungskosten einer vierköpfigen Familie auf Hartz IV-Niveau.

Beispiel: Familie Müller hat zwei Kinder unter 18. Bei einer durchschnittlich als angemessen anerkannten Warmmiete von 488 € haben sie je nach Alter der Kinder einen Alg II-Bedarf zwischen 1.529 und 1.669 €. Wenn Frank M. 38,5 und Eva M. 28 Stunden die Woche für 10 € brutto die Stunde arbeiten würden, würde ihr Nettolohn zusammen 1.976 € (Steuerklasse III/V) betragen.

Von Frank M.'s Lohn werden 310 €, von Eva M.&slquo;s Lohn 280 € nicht als Einkommen angerechnet. Angerechnet werden also nur 1.386 € (1.976€ - 590€). Je nach Alter der Kinder hätten sie allein mit ihren Nettolöhnen (d.h. ohne Kindergeld) noch einen Alg II-Anspruch zwischen 143 und 283 €.

10 € brutto – knapp an der Armutsrente



10 € brutto ergeben (bei 38,5 Wochenstunden) einen Jahresverdienst von 20.040 €. Das entspricht nur etwa 68% des gegenwärtigen durchschnittlichen Bruttojahresentgelts. Pro Versicherungsjahr würden damit in Westdeutschland 68% des gegenwärtigen Rentenwerts von 26,27 € oder rund 18 € erzielt. Bei 40 Versicherungsjahren erreichen Männer eine Rente von 720 €, Frauen bei 30 Jahren eine Rente von 540 €.

All das zeigt:



die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 € ist äußerst bescheiden!

Arbeitgeber: Wer von seinem Lohn leben will, macht sich arbeitslos



Arbeitgeber interessieren sich nicht dafür, ob man von seinem Lohn Miete zahlen, Kinder ernähren oder eine ausreichende Rente erarbeiten kann. Sie kaufen die Ware Arbeitskraft, um Gewinne daraus zu erzielen. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde die Rendite des Kapitals schmälern. Die Arbeitgeber-Propaganda verschleiert die Profitgier und nennt den gesetzlichen Mindestlohn "beschäftigungsfeindlich". Lohnabhängige, die danach streben, über den Lohn das soziale Existenzminimum zu decken, machen sich angeblich selbst arbeitslos.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) kämpft, solange es geht, gegen einen gesetzlichen Mindestlohn, damit Unternehmen ungehindert Löhne unterhalb des Existenzminimums zahlen und Arbeitskräfte auf staatliche Lohnzuschüsse z.B. über Hartz IV verweisen können. Auch Kombilöhne erhöhen die Prozentsätze der Renditen.

Arbeitslosigkeit wegen zu hoher Löhne?



Arbeitgeber behaupten, dass die Massenarbeitslosigkeit nur eine Folge zu hoher Löhne sei. Schon bei einem Armutslohn von 7,50 € malen sie das Drohbild Hunderttausender Arbeitsloser an die Wand. (BDA kompakt, Juli 2007)

Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten jedoch ist in Deutschland von 29,5 Mio. im Jahre 1991 auf 23,2 Mio. im Jahr 2006 gesunken (IAB-Kurzbericht 5/2007, 8), obwohl es keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt und die Nettoreallöhne im Durchschnitt gesunken sind. (FAZ 25.09.2007, 11)

Die Nachfrage nach Arbeitskraft sinkt eben nicht wegen zu hoher Löhne. Sie sinkt aufgrund technischer Fortschritte und höherer Produktivität, aufgrund von Fusionen und Kapitalexport in profitablere Auslandsmärkte und aufgrund des wachsenden Drucks von Finanzanlegern. Sie sinkt nicht zuletzt auch aufgrund von Krisen, mit denen die Überproduktion von Waren und Kapital alle Jahre wieder vernichtet wird.

Das daraus folgende Überangebot an Arbeitskraft, d.h. die wachsende Arbeitslosigkeit, erlaubt es dann Arbeitgebern, das Lohnniveau immer mehr unter das Existenzminimum zu drücken.

Um dieser Rücksichtslosigkeit der Käufer der Ware Arbeitskraft Schranken zu setzen, brauchen wir dringend einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zehn Euro.

Gesetzlicher Mindestlohn von mindestens zehn Euro



statt Kombilöhne und Lohnsubventionen mit Hartz IV!



Stand: November 2007

Nachdruck und weitere Verbreitung erwünscht!

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