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Kampagne für einen Corona-Zuschlag bzw. ein „Nulldarlehen“ (Kurzversion)
Die Covid-19-Virus-Pandemie bringt vor allem Menschen mit geringen Einkommen und Sozialleistungsbeziehende in wirtschaftliche Not. Über 7 Millionen SGB II-/SGB XII-/AsylbLG-leistungsbeziehende Menschen, Erwerbslose, Geringverdienende, Alleinerziehende, Geflüchtete, Rentner*innen, alte, kranke und behinderte Menschen sowie Kinder in solchen Haushalten konnten sich bislang irgendwie mit Tafeln, Suppenküchen, kostenfreien Mittagstischen oder über günstige bzw. kostenlose Verpflegung in Kitas und Schulen über Wasser halten. Diese Versorgungs- und Unterstützungssysteme sind pandemiebedingt weitgehend eingestellt. Gleichzeitig wird in den Supermärkten gehamstert. Dies führt insbesondere dazu, dass Sonderangebote und günstige Produkte oft frühzeitig ausverkauft sind. Zudem ist eine allgemeine Schutzmaskenpflicht zu erwarten und in einzelnen Kommunen bereits verpflichtend. Für die genannten Personengruppen muss eine Lösung geschaffen werden – und zwar sofort!
(Eine ausführlichere Version dieses Textes finden Sie hier: https://t1p.de/q9tq
Da im Sozialschutzpaket keinerlei Lösungen für diese Problematik vorgesehen sind und die Menschen von der Politik im Stich gelassen werden, möchten wir alle Beziehenden von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“), SGB XII (Sozialhilfe) und AsylbLG ermutigen sich selbst zu helfen und zusätzliche Leistungen für Pandemie bedingte Mehrkosten, also einen „Corona-Zuschlag“ beim zuständigen Leistungsträger zu beantragen und notfalls vor Gericht zu erstreiten.
Dafür schlagen wir folgendes Vorgehen vor:
Schritt I: Beantragung des Zuschlags bzw. Darlehens
Im SGB II und SGB XII ist eine darlehensweise Leistungsgewährung vorgesehen, um Notlagen zu überwinden. Im AsylbLG können „sonstige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“, sofern sie unerlässlich sind, als Zuschuss geltend machen.
Um einen solchen Nothilfebedarf zu erhalten, bedarf es des Nachweises, dass ein „unabweisbarer Bedarf“ bzw. „unerlässlicher Bedarf“ vorliegt.
Der klarste Nachweis für einen solchen Nothilfebedarf dürfte ein Kontoauszug sein, mit dem glaubhaft gemacht wird, dass der Kontostand auf null gesunken ist oder sogar bis zum Limit überzogen wurde, sowie die Erklärung, dass kaum noch oder kein Bargeld mehr vorhanden ist.
Musteranträge zur Beantragung eines solchen Darlehens bei den jeweiligen Leistungsträgern finden Sie hier:
- Antrag auf unabweisbaren Bedarf / SGB II
- Antrag auf unabweisbaren Bedarf / SGB XII
- Antrag auf zusätzliche Leistungsansprüche / AsylbLG
Schritt II: Bewilligung der beantragten Leistungen
SGB II und SGB XII
Das Darlehen ist durch Bescheid zu gewähren. In den meisten Fällen wird es einen kombinierten Darlehensbescheid und einen Bescheid, der die Aufrechnung in Folgemonat verfügt geben.
Sollten die Leistungen versagt werden oder Ihr Antrag nicht bearbeitet werden, sollten Sie sich Unterstützung durch sozialrechtlich versierte Stellen suchen (siehe unten „Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie“).
AsylbLG:
Da es sich um zusätzliche Leistungsansprüche der AsylbLG-Beziehenden handelt und diese Ansprüche ohnehin „nur“ im Ermessen der Behörde stehen, besteht kein Anspruch auf Rückzahlung dieser „sonstigen Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes“.
Aus der benachteiligten Rechtsposition von Geflüchteten heraus wird es in der Praxis jedoch schwer sein, diesen Anspruch überhaupt gegenüber der Behörde geltend zu machen. Wir raten hier zu anwaltlicher Vertretung für die Durchsetzung dieser Ansprüche (siehe unten „Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie“).
--> Die nächsten Schritte fallen in Fällen des AsylbLG weg
Schritt III: Widerspruch gegen die Aufrechnung
Legen Sie Widerspruch gegen den die Aufrechnung verfügenden Bescheid ein.
Jobcenter und Sozialämter dürfen das Darlehen aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht aufrechnen, solange der Bescheid nicht bestandskräftig geworden, d.h. über den Widerspruch entschieden worden ist.
Musterschreiben für den Widerspruch an den jeweils zuständigen Leistungsträger finden Sie hier:
- Widerspruch gegen Aufrechnung von Darlehen im SGB II
- Widerspruch gegen Aufrechnung von Darlehen im SGB XII
Besonderheiten im SGB XII
Das Sozialamt hat im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob es die Forderung aus dem Darlehen aufgrund der Pandemie überhaupt geltend macht oder ob auf eine Aufrechnung verzichtet wird. Verzichtet das Sozialamt auf eine Aufrechnung des Darlehens, muss auch kein Widerspruch eingelegt werden und auch der nächste Schritt ist nicht notwendig.
Schritt IV: Erlassantrag stellen
Im SGB II
Nach § 44 SGB II kann eine Geldforderung vom Jobcenter erlassen werden, „wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre“. Zusätzliche Bedarfe, die aufgrund der Covid-19-Pandemie entstanden sind, sind unmittelbare Folgen einer außergewöhnlichen Situation. Da davon auszugehen ist, dass diese besondere Bedarfslage noch einen längeren Zeitraum andauern wird, ist eine Tilgung aus den laufenden Leistungen nicht zumutbar und unbillig im Sinne des § 44 SGB II.
Einen Musterantrag auf Erlass beim zuständigen Jobcenter finden Sie hier:
- Erlassantrag im SGB II
Im SGB XII
Da im SGB XII kein eigengesetzlicher Erlassanspruch wie im SGB II geregelt ist, muss ein Erlassantrag nach § 59 Landes- und Bundeshaushaltsordnung gestellt werden.
Corona-bedingte, unabweisbare Bedarfe stellen eine atypische Situation dar, weshalb die behördliche Geltendmachung / Aufrechnung der Forderung regelmäßig eine besondere Härte bedeuten würde. Wie im SGB II (siehe oben), ist auch im SGB XII eine Tilgung aus den laufenden Leistungen nicht zumutbar und stellt eine besondere Härte dar.
Einen Musterantrag auf Erlass beim zuständigen Sozialamt / Stadt / Kreis finden Sie hier:
- Erlassantrag im SGB XII
Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie
SGB II-/SGB XII-Leistungsberechtigte können zur Deckung pandemiebedingter Zusatzkosten ein Darlehen wegen eines unabweisbarem Bedarfs stellen bzw. Berechtigte auf Leistungen nach dem AsylbLG können entsprechend Anträge auf „sonstige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“ stellen.
Sollten die jeweiligen Behörden einen glaubhaft gemachten unabweisbaren Bedarf nicht stattgeben, bleibt nichts anderes übrig, als diesen im Rahmen eines Eilantrags beim Sozialgericht durchzusetzen. Hier empfehlen wir die Unterstützung durch sozialrechtlich versierte Stellen. Auch um die Aufrechnung einer Darlehensforderung zu stoppen und den Erlass derselben durchzusetzen, kann fachliche Hilfe notwendig sein.
Tacheles kann eine solche Kampagne anschieben und in Teilen koordinieren. Wir können aber keine rechtliche Unterstützung außerhalb von Wuppertal sicherstellen. In diesem Fall müssen sich Betroffene an örtliche Beratungsstellen bzw. Wohlfahrts- und Sozialverbände oder im Sozialrecht versierte Anwältinnen und Anwälte wenden. Solche Ansprechpartner*innen können über www.my-sozialberatung.de oder über örtliche Beratungsangebote gefunden werden.
Alternativ können Sie sich auch an die unten aufgeführten Anwälte wenden.
Eine ausführlichere Version dieses Textes finden Sie hier: https://t1p.de/q9tq
Harald Thomé, Frank Jäger, Lukas Mengestu, Florian Schilz
Tacheles - Online - Redaktion
(Eine ausführlichere Version dieses Textes finden Sie hier: https://t1p.de/q9tq
Da im Sozialschutzpaket keinerlei Lösungen für diese Problematik vorgesehen sind und die Menschen von der Politik im Stich gelassen werden, möchten wir alle Beziehenden von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“), SGB XII (Sozialhilfe) und AsylbLG ermutigen sich selbst zu helfen und zusätzliche Leistungen für Pandemie bedingte Mehrkosten, also einen „Corona-Zuschlag“ beim zuständigen Leistungsträger zu beantragen und notfalls vor Gericht zu erstreiten.
Dafür schlagen wir folgendes Vorgehen vor:
Schritt I: Beantragung des Zuschlags bzw. Darlehens
Im SGB II und SGB XII ist eine darlehensweise Leistungsgewährung vorgesehen, um Notlagen zu überwinden. Im AsylbLG können „sonstige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“, sofern sie unerlässlich sind, als Zuschuss geltend machen.
Um einen solchen Nothilfebedarf zu erhalten, bedarf es des Nachweises, dass ein „unabweisbarer Bedarf“ bzw. „unerlässlicher Bedarf“ vorliegt.
Der klarste Nachweis für einen solchen Nothilfebedarf dürfte ein Kontoauszug sein, mit dem glaubhaft gemacht wird, dass der Kontostand auf null gesunken ist oder sogar bis zum Limit überzogen wurde, sowie die Erklärung, dass kaum noch oder kein Bargeld mehr vorhanden ist.
Musteranträge zur Beantragung eines solchen Darlehens bei den jeweiligen Leistungsträgern finden Sie hier:
- Antrag auf unabweisbaren Bedarf / SGB II
- Antrag auf unabweisbaren Bedarf / SGB XII
- Antrag auf zusätzliche Leistungsansprüche / AsylbLG
Schritt II: Bewilligung der beantragten Leistungen
SGB II und SGB XII
Das Darlehen ist durch Bescheid zu gewähren. In den meisten Fällen wird es einen kombinierten Darlehensbescheid und einen Bescheid, der die Aufrechnung in Folgemonat verfügt geben.
Sollten die Leistungen versagt werden oder Ihr Antrag nicht bearbeitet werden, sollten Sie sich Unterstützung durch sozialrechtlich versierte Stellen suchen (siehe unten „Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie“).
AsylbLG:
Da es sich um zusätzliche Leistungsansprüche der AsylbLG-Beziehenden handelt und diese Ansprüche ohnehin „nur“ im Ermessen der Behörde stehen, besteht kein Anspruch auf Rückzahlung dieser „sonstigen Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes“.
Aus der benachteiligten Rechtsposition von Geflüchteten heraus wird es in der Praxis jedoch schwer sein, diesen Anspruch überhaupt gegenüber der Behörde geltend zu machen. Wir raten hier zu anwaltlicher Vertretung für die Durchsetzung dieser Ansprüche (siehe unten „Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie“).
--> Die nächsten Schritte fallen in Fällen des AsylbLG weg
Schritt III: Widerspruch gegen die Aufrechnung
Legen Sie Widerspruch gegen den die Aufrechnung verfügenden Bescheid ein.
Jobcenter und Sozialämter dürfen das Darlehen aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht aufrechnen, solange der Bescheid nicht bestandskräftig geworden, d.h. über den Widerspruch entschieden worden ist.
Musterschreiben für den Widerspruch an den jeweils zuständigen Leistungsträger finden Sie hier:
- Widerspruch gegen Aufrechnung von Darlehen im SGB II
- Widerspruch gegen Aufrechnung von Darlehen im SGB XII
Besonderheiten im SGB XII
Das Sozialamt hat im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob es die Forderung aus dem Darlehen aufgrund der Pandemie überhaupt geltend macht oder ob auf eine Aufrechnung verzichtet wird. Verzichtet das Sozialamt auf eine Aufrechnung des Darlehens, muss auch kein Widerspruch eingelegt werden und auch der nächste Schritt ist nicht notwendig.
Schritt IV: Erlassantrag stellen
Im SGB II
Nach § 44 SGB II kann eine Geldforderung vom Jobcenter erlassen werden, „wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre“. Zusätzliche Bedarfe, die aufgrund der Covid-19-Pandemie entstanden sind, sind unmittelbare Folgen einer außergewöhnlichen Situation. Da davon auszugehen ist, dass diese besondere Bedarfslage noch einen längeren Zeitraum andauern wird, ist eine Tilgung aus den laufenden Leistungen nicht zumutbar und unbillig im Sinne des § 44 SGB II.
Einen Musterantrag auf Erlass beim zuständigen Jobcenter finden Sie hier:
- Erlassantrag im SGB II
Im SGB XII
Da im SGB XII kein eigengesetzlicher Erlassanspruch wie im SGB II geregelt ist, muss ein Erlassantrag nach § 59 Landes- und Bundeshaushaltsordnung gestellt werden.
Corona-bedingte, unabweisbare Bedarfe stellen eine atypische Situation dar, weshalb die behördliche Geltendmachung / Aufrechnung der Forderung regelmäßig eine besondere Härte bedeuten würde. Wie im SGB II (siehe oben), ist auch im SGB XII eine Tilgung aus den laufenden Leistungen nicht zumutbar und stellt eine besondere Härte dar.
Einen Musterantrag auf Erlass beim zuständigen Sozialamt / Stadt / Kreis finden Sie hier:
- Erlassantrag im SGB XII
Gesamtbetrachtung und Handlungsleitlinie
SGB II-/SGB XII-Leistungsberechtigte können zur Deckung pandemiebedingter Zusatzkosten ein Darlehen wegen eines unabweisbarem Bedarfs stellen bzw. Berechtigte auf Leistungen nach dem AsylbLG können entsprechend Anträge auf „sonstige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“ stellen.
Sollten die jeweiligen Behörden einen glaubhaft gemachten unabweisbaren Bedarf nicht stattgeben, bleibt nichts anderes übrig, als diesen im Rahmen eines Eilantrags beim Sozialgericht durchzusetzen. Hier empfehlen wir die Unterstützung durch sozialrechtlich versierte Stellen. Auch um die Aufrechnung einer Darlehensforderung zu stoppen und den Erlass derselben durchzusetzen, kann fachliche Hilfe notwendig sein.
Tacheles kann eine solche Kampagne anschieben und in Teilen koordinieren. Wir können aber keine rechtliche Unterstützung außerhalb von Wuppertal sicherstellen. In diesem Fall müssen sich Betroffene an örtliche Beratungsstellen bzw. Wohlfahrts- und Sozialverbände oder im Sozialrecht versierte Anwältinnen und Anwälte wenden. Solche Ansprechpartner*innen können über www.my-sozialberatung.de oder über örtliche Beratungsangebote gefunden werden.
Alternativ können Sie sich auch an die unten aufgeführten Anwälte wenden.
Eine ausführlichere Version dieses Textes finden Sie hier: https://t1p.de/q9tq
Harald Thomé, Frank Jäger, Lukas Mengestu, Florian Schilz
Tacheles - Online - Redaktion