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info also 2/97Rechtsgutachten von Prof. Dr. jur. Albrecht Brühl

Sachverhalt und Auftrag
Der im Februar 1994 gegründete eingetragene Verein Tacheles hat sich nach seiner Satzung in der zuletzt beschlossenen Fassung vom 19.12.1995 u. a. den Zweck gesetzt (§ 2 Nr.1), sozial benachteiligte und isolierte, arme und einkommensschwache Menschen nachhaltig zu unterstützen und mit ihnen zusammen ihre sozialen und politischen Rechte zu formulieren und zu vertreten, als Interessenvertretung und Lobby für diese Bevölkerungsgruppe aufzutreten sowie auf kommunaler Ebene die Zusammenarbeit der zuständigen freien und öffentlichen Träger, Vereinigungen und Behörden zu ermöglichen und zu fördern und als Ansprechpartner in Vertretung für obengenannte Bevölkerungsgruppen für Behörden, Verwaltung und Politik zur Verfügung zu stehen. Dieser Vereinszweck soll u. a. insbesondere durch umfassende Aufklärung und Beratung im Bereich Sozialhilfebezug, Arbeitslosigkeit und Mietangelegenheiten und, wo nötig. Gewährung von Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten für Mieter (§ 2 Nr.2 h der Satzung) verwirklicht werden. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts »Steuerbegünstigte Zwecke« der Abgabenordnung in der jeweils gültigen Fassung (§2 Nr.3 der Satzung). Er ist seit 6.9.1996 Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Landesverband Nordrhein-Westfalen.
Am 27.5.1994 hat der Verein beim Präsidenten des Landgerichts Wuppertal den Antrag gestellt, ihm ein sog. Negativattest auszustellen, wonach er in seiner ausgeübten Tätigkeit der Beratung in sozialen Angelegenheiten mit Schwerpunkt im Bereich des Sozialhilfebezugs keiner Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) bedürfe.
Den Antrag hat der Präsident des LG Wuppertal mit Bescheid vom 22.2.1995 abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Entscheidung über die Erteilung eines Negativattests stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das angesichts der weitreichenden Folgen dahin auszuüben sei, daß sie nur in Betracht komme, wenn der Sachverhalt eindeutig und die sich aus dem Sachverhalt ergebende Rechtslage keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der gewünschten behördlichen Äußerung zulasse. Es könne aber nicht hinreichend sicher festgestellt werden, daß der Ausnahmetatbestand des Artikels 1 § 7 RBerG vorliege, nach dem eine Erlaubnis nicht erforderlich sei, wenn eine auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigung im Rahmen ihres Aufgabenbereichs den Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähre. Die Rechtsberatungstätigkeit der Vereinigung müsse sich daher als eine den berufsständischen oder berufsstandähnlichen Zielen der Vereinigung untergeordnete Tätigkeit darstellen, dürfe also lediglich »dienende Funktion« haben (unter Bezug auf OVG Münster NJW-RR 1986, 861, OLG Köln NJW-RR 1990, 683 684, OLG Celle NJW 1973, 2028, 2029, Rennen/Caliebe, Kommentar zum RBerG, 2. Aufl. 1992, Rdnr 13 zu Artikel l § 7 RBerG). Es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß der rechtsberatenden Tätigkeit des Antragstellers nach dem Inhalt seiner Satzung tatsächlich nur untergeordnete Funktion in dem eben beschriebenen Sinne zukomme. Vielmehr könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller faktisch doch überwiegend und deshalb über das nach Artikel 1 § 7 RBerG gestellte Maß hinausgehend Rechtsberatung bzw. die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten betreibe. Bei dieser Beurteilung sei nämlich nicht allein auf den Satzungsinhalt sondern in gleicher Weise auf das tatsächliche Verhalten des Antragstellers abzustellen (unter Bezug auf OLG Köln a. a. 0.S. 683, Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, Kommentar zum RBerG, 9. Aufl. 1991, Rdnr 503 zu Artikel 1 § 7 RBerG. Insbesondere das Informationsblatt vom 17.5.1994 (»Unser Angebot umfaßt Unterstützung, Information, Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten, in erster Linie von Armen und Einkommensschwachen. Der Schwerpunkt liegt in der Sozialhilfeberatung ... . Da wo notwendig, und es ist leider allzu häufig notwendig, hilft Tacheles aktiv als Bevollmächtigter in den Rechtsangelegenheiten«) lasse den Schluß zu, daß es dem Antragsteller entgegen den Bestimmungen seiner Satzung vor allem um die Rechtsberatung bzw. die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gehe und Aspekte der individuellen Rechtsberatung im Vordergrund stünden.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch hat der Präsident des OLG Düsseldorf am 5.5.1997 zurückgewiesen. Seiner Auffassung nach kommt eine Ausnahme vom Erlaubnisvorbehalt des Artikel 1 § 1 Abs. 1 S.1 RBerG vorliegend unter zwei Gesichtspunkten in Betracht:
Gemäß §§ 8 Abs. 2, 10 BSHG können die Verbände der freien Wohlfahrtspflege Beratung in sozialen Angelegenheiten erteilen. Nach überwiegender Auffassung sei daraus auch die Befugnis zur Rechtsberatung herzuleiten, soweit diese nach Gegenstand und Umfang im Rahmen der persönlichen Hilfe (§ 8 Abs. 2 S.1 BSHG) erforderlich sei, hilfsbedürftigen Personen gewährt werde und nicht in den Aufgabenbereich anderer Stellen und Personen eingreife (unter Bezug auf Rundverfügung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1970 3712 - IC.48 - im Anschluß an die vom Bundesminister der Justiz, von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege erarbeiteten, in einer Besprechung am 24.2.1969 niedergelegten Grundsätze, letztere abgedruckt bei Knopp/Fichtner, 6. Aufl., § 8 BSHG Rdnr 37, OLG Köln NJW 1973, 437.438, Knopp/Fichtner § 8 BSHG Rdnr. 34, Schellhorn/Jirasek/Seipp, 14. Aufl. § 8 BSHG Rdnr. 43, Oestreicher/Schelter/Kunz, § 8 BSHG Rdnr. 15). Die Abgrenzung der erlaubten Beratungstätigkeit sei im einzelnen schwierig. Unzulässig seien aber jedenfalls die Durchsetzung von Ansprüchen Dritter im Streitfall, die Vorbereitung eines Prozesses und die Prozeßvertretung (unter Bezug auf OLG Köln NJW 1973, 437, 438, Abschnitt II. Z. a) aa) bb) der o. g. Grundsätze. Schellhorn/Jirasek/Seipp § 8 BSHG Rdnr. 43). Nach der Aufnahme in den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband komme eine Rechtsberatungsbefugnis nach den dargestellten Bestimmungen für den Antragsteller grundsätzlich in Betracht. Allerdings überschreite die Beratungstätigkeit die insoweit gezogenen Grenzen. Bereits im Informationsblatt vom 17.5.1994 heiße es, Tacheles helfe - wo notwendig - auch »aktiv als Bevollmächtigter in den Rechtsangelegenheiten«. Weiterhin solle nach einem Zeitungsartikel vom 18.1.1997 über einen Streit zwischen einer Sozialhilfeempfängerin und dem Sozialamt um Bestattungskosten für ein unmittelbar nach der Geburt verstorbenes Kind Tacheles e. V. »im Auftrag der Mutter beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Sozialamt gestellt« haben. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller nicht nur Rechtsberatung als Annex zur Sozialberatung betreibe, sondern zumindest gelegentlich auch in streitigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren als Verfahrensbevollmächtigter Ansprüche Dritter durchzusetzen versuche. Dieses Vorgehen sei von §§ 8 Abs. 2, 10 BSHG nicht mehr gedeckt. so daß schon deshalb unter diesem Gesichtspunkt ein Negativattest nicht erteilt werden könne.
Gleiches gelte bezüglich Artikel 1 § 7 RBerG. Diesbezüglich habe schon der Präsident des LG Wuppertal zu Recht darauf hingewiesen, daß in den Verlautbarungen des Antragstellers das Element der Rechtsberatung im Vordergrund stehe. Weiterhin habe der Verein nach einer Pressenotiz vom 26.11.1996 au diesem Tag vor dem Wuppertaler Rathaus über seine Arbeit informiert und zwischen 12.00 und 7.00 Uhr »kostenlose Sozialhilfeberatungen« durchgeführt. Diese Angebote, die wiederum keine Beschränkung auf Vereinsmitglieder erkennen ließen, stellten erneut die rechtsberatende Tätigkeit in den Mittelpunkt. Es verblieben deshalb begründete Zweifel, ob die tatsächlichen Vereinsaktivitäten der in der Satzung verankerten Aufgabengewichtung entsprechen und sich im Rahmen der nach Art. 1 § 7 RBerG erlaubnisfreien untergeordneten Tätigkeiten hielten.
Unter Bezug auf diese Entscheidung des Präsidenten des OLG Düsseldorf hat der Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, Ressort Jugendamt und Soziale Dienste mit Schreiben vom 29.6.1997 dem Verein Tacheles e. V. folgendes bekanntgegeben: »Im Falle unzulässiger Rechtsberatung durch Tacheles e. V. als Bevollmächtigter oder Beistand wird dieser nach § 17 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit Artikel 1 § 1 Satz 1 RBerG zurückgewiesen. Dies führt dazu, daß die Einlegung von Widersprüchen und Widerspruchsbegründungen durch Tacheles e. V. nicht mehr berücksichtigt werden können, persönliche und telefonische Erörterungen in rechtlichen Streitfällen nicht mehr erfolgen können, der Schriftverkehr unmittelbar mit dem Hilfeempfänger bzw. Hilfesuchenden erfolgt und Akteneinsicht nicht gewährt werden kann.<
Tacheles e. V. hat danach um ein Rechtsgutachten gebeten, >um wieder zu einer Handlungsfähigkeit zu kommen<.
Dieses wird anschließend abgegeben.

1. Anspruch auf Rechtsbesorgung
Zu prüfen ist zunächst, inwieweit für einkommensschwache Bürger ein Anspruch auf Rechtsbesorgung - als Oberbegriff für Rechtsbetreuung, Rechtsberatung und Rechtsvertretung – besteht.

1. Anspruch auf Rechtsberatung aus dem Grundgesetz
Aus dem Rechts- und Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes (Artikel 20 Abs. 1,28 GG) hat der Bundesgerichtshof bereits in einem grundlegenden Urteil vom 26.9.1957 (NJW 1957, 1873, seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. NJW 1969, 1244, 1970, 1414) abgeleitet, daß es zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen M>lkskreise betreuten öffentlich Bediensteten gehört, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen. Danach gehört es auch zu den Amtspflichten, die zu betreuenden Personen über die nach den bestehenden Bestimmungen gegebenen Möglichkeiten, ihre Rechtsstellung zu verbessern oder zu sichern, zu belehren und zur Stellung entsprechender Anträge anzuregen. Bei Verletzung dieser Pflichten besteht zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung (Art 34 GG, § 839 BGB).
Inhaltlich umfaßt dieser aus dem Grundgesetz abgeleitete Anspruch nicht nur die Beratung über Rechte und Pflichten eines Sozialleistungsbereichs, sondern auch über andere Sozialleistungsbereiche und Rechtsmaterien; er erstreckt sich nicht nur auf die reine Rechtsberatung, sondern geh auf die Aktivierung der Betroffenen selbst aus, z.B. Anregung zur Stellung zweckdienlicher Anträge und gegebenenfalls auch Formulierungshilfe (Schellhorn GK-SGB T § 14 Rz 64). Diese Betreuungspflicht der sozial schwachen Schichten ist Wesenselement des sozialen Rechtsstaats (so Giese in Giese/Melzer, Die Beratung in der sozialen Arbeit, 1974, S.15 ff., Schellhorn in GK-SOB 1 § 14 Rz 63).

2. Anspruch auf Rechtsberatung aus sozialrechtlichen Leistungsgesetzen
Bezüglich der hier in Frage stehenden Sozialhilfeberatung enthalten sowohl das SGB I als auch das BSHG einschlägige Ansprüche.

2.1 SGB I
§ 14 5GB I, der als sog. harte Vorschrift unabänderlich für die besonderen Teile des SGB, also auch für das BSHG gilt (§ 37 Abs. 1 S.1, 2 SGB I, SGB I Art. II § 1 Nr.15), bestimmt, daß jeder einen Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz hat, für dessen Erfüllung die Leistungsträger zuständig sind, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind, also in Sozialhilfesachen die Sozialhilfeträger.
Die Kommentierung zu dieser Vorschrift ist sich darüber einig, daß der Anspruch aus § 14 Abs. 1 SGB I primär eine »reine Rechtsberatung« beinhaltet (so Giese/Krahmer § 14 SGB I Rz 3) mit umfassender »erschöpfender« Information (Schellhorn in GK-SGB 1 § 14 Rz 13), wie sie von einem guten Rechtsanwalt zu erfolgen hat (so Rüfner in Wannagat, SGB I § 14 Rz 4), so daß die Betroffenen in die Lage versetzt werden, im Hinblick auf ihre Interessen optimal zu disponieren (Schapp in Bochumer Kommentar zu SGB I § 14 Rz 4). Dabei liege es auf der Hand, daß die Beratung in Fragen der Sozialhilfe, die unter dem Grundsatz des Nachrangs stehe und den Hilfesuchenden soweit wie möglich befähigen solle, unabhängig von der Sozialhilfe zu leben, in der Regel ungleich intensiver und umfassender zu sein habe, als wenn eine Rente oder rentenähnliche Sozialleistung, etwa Kindergeld, zur Beratung anstehe, da diese Beratung auch die Möglichkeiten, vorrangige Hilfen (etwa nach sonstigem Sozialrecht oder nach bürgerlichem Unterhaltsrecht) zu erlangen, mit in die Erörterung einbeziehen müsse (Giese/Krahmer § 14 SGB I Rz 3).

2.2 BSHG
2.2.1 Nach dem BSHG (§ 8 Abs. 2) gehört zur persönlichen Hilfe »außer der Beratung in Fragen der Sozialhilfe (§ 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch)« auch die Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten; wird diese auch von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wahrgenommen, ist der Ratsuchende zunächst hierauf hinzuweisen. Letztere umfaßt eine weitgefächerte allgemeine Lebensberatung, unter die auch eine persönliche Betreuung. der Beistand in Lebensfragen und unterstützende Hilfe fällt (so Schellhom in GK-SGB 1 Rz 51, 2, 50, nach dem spezielle Beratungs- und Unterstützungsnormen des BSHG daneben bestehenbleiben, vor allem § 17 BSHG).
2.2.2 § 17 Abs. 1 S.1, 2 BSHG schreibt als Soll-Leistung Beratung und Unterstützung zur Vermeidung und Überwindung von Lebenslagen vor, in denen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich oder zu erwarten sind, wozu auch der Hinweis auf das Beratungsangebot von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe und von sonstigen Stellen gehört; ist die weitere Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle oder andere FachberatungssteIlen geboten, ist auf ihre Inanspruchnahme hinzuwirken.
Durch diese 1993 neu aufgenommene Vorschrift wird die bereits durchzuführende Beratung (z. B. §§ 14 SGB I, 8 BSHG) verstärkt; in einem in der Regel gleichberechtigten Gespräch unter fachlicher Anleitung des Beratenden sollen gemeinsame Möglichkeiten gezielt gesucht und ihre Realisierung besprochen werden, den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit entweder von vornherein zu vermeiden oder nach ihrem Eintritt zu überwinden Oestreicher/Schelter/Kunz § 17 BSHG Rz 1 unter Bezug auf BT-Dr 12/4401).

2.3 Beratungshilfegesetz
Als eine spezielle Form der Sozialhilfe wird für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Beratungshilfe gewährt, wenn der Rechtssuchende die erforderlichen Mittel nicht aufbringen kann, keine anderen Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist (§ 1 Abs. 1 BeratungshilfeG). Sie besteht in Beratung und soweit erforderlich Vertretung und wird nach einer vom Bundesverfassungsgericht (ZfSH/8GB 1993, 140) erzwungenen Gesetzesänderung - nunmehr ausdrücklich auch in Angelegenheiten des Sozialrechts geleistet (§2 Abs. 1, 2 S.1 Nr.4 BeratungshilfeG), und zwar durch Rechtsanwälte (§ 3 Abs. BeratungshilfeG).

3. Anspruch auf Rechtsvertretung aus Verfahrensgesetzen

3.1 SGB X
Nach dem SGB X (§13 Abs.1 S.1, Abs.4 S.1) kann ein Beteiligter sich im Sozialleistungsverwaltungsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen sowie zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, ohne dazu befugt zu sein (§13 Abs. 5 S.1 SGB X; nach VG Braunschweig RsDE 25, 89 mit Anmerkung Giese stellt es keine Rechtsberatung, sondern Sozialberatung dar, wenn die Vertreterin einer als e. V. eingetragenen Interessengruppe Sozialhilfepersonen zum Sozialamt begleitet); sie können vom schriftlichen oder mündlichen Vortrag zurückgewiesen werden (§13 Abs. 6 SGB X), wenn sie hierzu nicht fähig sind - mit Ausnahme von Personen, die zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befugt sind, wobei Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, unwirksam sind (§13 Abs.7 SGB X).

3.2 Verwaltungsgerichtsordnung
Nach der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 67 Abs. 2 S.1, 3) kann sich ein Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen und sich in der mündlichen Verhandlung eines Beistands bedienen, und zwar durch jede Person, die zum sachgemäßen Vortrag fähig ist.
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozeßkostenhilfe (§ 173 VwGO, 114 ff. ZPO). Ist - wie vor dem Verwaltungsgericht - die Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist; findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei (§121 Abs.2 S.1, Abs. 4 ZPO).

II. Anspruchserfüllung durch öffentliche und freie Träger sowie Rechtsanwälte
Die Ausführungen über den Anspruch auf Rechtsbesorgung (I) haben schon erkennen lassen, daß seine Erfüllung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auf drei Schultern verteilt ist: öffentliche Träger, freie Träger und Rechtsanwälte.

1. Sozialhilfeträger
Die Aufgabe der Rechtsberatung in Sozialhilfeangelegenheiten obliegt zunächst einmal dem Sozialhilfeträger. Er ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die zur Ausführung seiner Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (§17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I).

2. Freie Wohlfahrtspflege
Die Sozialhilfeberatung obliegt daneben gleichermaßen der freien Wohlfahrtspflege. In dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorn 18.7.1967 (BVerfGE 22, 180) ist herausgestellt, daß speziell im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe die anstehenden Aufgaben nur durch gemeinsame Bemühungen von Staat und freien Organisationen bewältigt werden können; die hergebrachte und durch Jahrzehnte bewährte Zusammenarbeit zwischen Staat und freien Verbänden wird durch die Vorschriften des BSHG und des nach dieser Entscheidung in Kraft getretenen SGB gefördert und gefestigt, so daß damit die Beratungsmöglichkeiten durch Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ausdrücklich anerkannt wird (so Knopp/Fichtner § 8 BSHG Rz 28). Das BSHG ist in §§ 8 Abs. 2, 10 davon ausgegangen, daß die Verbände der freien Wohlfahrtspflege bereits vor seinem Inkrafttreten die Beratung in Fragen der Sozialhilfe und sonstigen sozialen Angelegenheiten durchgeführt haben (Knopp/Fichtner § 8 BSHG Rz 28 unter Bezug auf § 5 RFV als dem dem BSHG vorgehenden früheren Recht). Die Regierungsbegründung zum SGB (BT-Dr 7/868, 25) hebt hervor, daß durch § 14 SOB I kein Monopol auf Beratung begründet werde, sondern daß dadurch das Recht der freien Wohlfahrtspflege, in Fragen des Sozialleistungsrechts zu beraten, nicht eingeschränkt wird (Schellhorn in GK/SGB I § 13 Rz 33, § 14 Rz 68). Das wird dadurch unterstrichen, daß durch § 17 Abs. 3 S.1, 2 SGB I die Sozialleistungsträger verpflichtet werden, zum Wohl der Leistungsempfänger darauf hinzuwirken, daß sich ihre Tätigkeit und die der gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Organisationen wirksam ergänzen; deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben haben sie dabei zu achten. Ob zu den freien Trägern nur die etablierten klassischen Wohlfahrtsverbände oder auch sonstige freie Träger gehören (für letzteres überzeugend Geis in seiner Regensburger Habilitationsschrift »Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe«, 1997, 5. 130 ff.), kann hier dahinstehen, weil Tacheles e. V. Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist.

3. Rechtsanwälte
Bezüglich der Beratungshilfe durch Rechtsanwälte ist davon auszugehen, daß diese neben der Beratung durch Sozialleistungsträger und freie Träger steht (s. Schellhorn in GK-SGB I § 14 Rz 67).

4. Gesamtverantwortung des Sozialhilfeträgers
Dem SozialhiIfeträger obliegt die Gesamtverantwortung dafür, daß die gesetzlich vorgesehenen Hilfen gewährt werden (s. §§ 10 Abs. 4 S.2, 95 BSHG und Papenheim/Baltes, Verwaltungsrecht für die soziale Praxis, 12. Aufl. 1995.S.34 unter Bezug auf BVerfGE 22, 180).
Bei Ausübung seiner Gesamtverantwortung hat der Sozialhilfeträger zu berücksichtigen, daß seine Möglichkeiten faktisch und rechtlich beschränkt sind. Faktisch kann der Sozialhilfeträger die von Grundgesetz und Sozialleistungsgesetzen gebotene umfassende Betreuung und Beratung nicht leisten, weil das dafür erforderliche Personal nicht oder nicht in ausreichender Zahl vorhanden ist (so ausdrücklich Oestreicher/Schelter/Kunz § 17 BSHG Rz 1 unter Bezug auf Jacobs, Blätter der Wohlfahrtspflege 1996, 169); der vormalige Dezernent für Jugend und Soziales der Stadt Essen und ehemalige Vorsitzende der Zentralen Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten, Otto Mergler, führender Mitverfasser des Loseblattkommentars zum BSHG, stellt in einem Aufsatz im September 1997, S.199, 200, in der Zeitschrift für das Fürsorgewesen fest, daß die im BSHG (§ 8 Abs. 1) an erster Stelle genannte persönliche Hilfe von der Sozialverwaltung nicht wahrgenommen werden kann, weil deren finanzielle und persönliche Möglichkeiten voll damit ausgelastet sind, Geldleistungen zu verteilen. Rechtlich ist dem Sozialhilfeträger eine Vertretung unmöglich, da er sich dann in einem In-Sich-Prozeß gegen sich selbst vertreten müßte.
Seiner Gesamtverantwortung kann sich der Sozialhilfeträger nicht dadurch entziehen, daß er auf die Beratungshilfe durch Rechtsanwälte verweist und damit seine Beratungsverpflichtung auf diese abwälzt; vielmehr liegt es in der Entscheidung der Ratsuchenden, welchen Weg sie gehen, d.h. wie sie ihr Beratungsbedürfnis befriedigen wollen (Schellhorn in GKSGB I § 14 Rz 67). Darüber hinaus hat er zu berücksichtigen, daß eine Beratung und Vertretung durch Rechtsanwälte faktisch kaum möglich ist. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg - also eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - hat in ihrer Ausgabe 4/1996 vom 20.8.1996 folgende Mitteilung unter der Überschrift »Service« veröffentlicht (abgedruckt auch in ARGE Sozialrecht 2/96, S.2):

Sozialhilfemandate
Der Anwalt-Suchdienst der Rechtsanwaltskammer hat auch die Rubrik »Sozialrecht«. Hierin enthalten sind auch Mandate aus dem Bereich des Sozialhilferechts. Wir sind aus dem Kollegenkreis um Überprüfung gebeten worden, ob solche Mandate im Rahmen des Anwalt-Suchdienstes weiter vermittelt werden sollen. Denn es hat sich gezeigt, daß es für Kolleginnen und Kollegen problematisch sein kann, Mandate aus dem Bereich des Sozialhilferechts anzunehmen: sie sind erfahrungsgemäß mit relativ viel Arbeit und relativ wenig Gebühren verbunden. Viele derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die solche Mandate überhaupt angenommen haben, haben sich deshalb veranlaßt gesehen, nach einer gewissen Zeit die Arbeit in diesem Gebiet einzustellen. Dies ist für beide Seiten unbefriedigend. Wir haben deshalb die Entscheidung getroffen, über den Anwalt-Suchdienst Sozialhilfemandate nach Möglichkeit nicht an Kollegen zu vermitteln, sondern auf bestimmte Beratungsstellen zu verweisen. Diese Beratungsstellen sind nach unserer Kenntnis kompetent und für die Ratsuchenden wesentlich kostengünstiger - soweit überhaupt Beratungsgebühren genommen werden. Wir sind deshalb an das »Info Winterhude e. V.« - eine dieser Sozialhilfe-Beratungsstellen - mit der Bitte herangetreten, uns zum Zwecke der Bekanntgabe durch unseren Anwalt-Suchdienst eine Liste solcher Beratungsstellen zusammenzustellen, bei denen Sozialhilfeempfänger Rat und Auskunft erhalten können. Jetzt liegt eine solche Liste bei uns vor, die wir gern an alle interessierten Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Wir werden in Zukunft im Anwalt-Suchdienst bei Nachfragen nach Anwälten im Bereich des Sozialhilferecht auch auf diese Beratungsstellen verweisen. Wir übersenden gerne auf Wunsch diese Zusammenstellung von Beratungsstellen für Sozialhilfeempfänger.

5. Rechtsbesorgung durch freie Wohlfahrtspflege
Demnach haben Hilfesuchende bezüglich der Beratung tatsächlich nur die Wahl zwischen dem Sozialhilfeträger und freien Trägern. Insoweit ist den Wünschen der Hilfeempfänger zu entsprechen, soweit sie angemessen sind und nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sind (§ 3 Abs.2 S.1, 3 BSHG). Der Wunsch, von einem freien Wohlfahrtsverband beraten zu werden, ist in jedem Fall angemessen, zumal ein berechtigtes Interesse besteht, nicht von der entscheidungsbefugten Behörde beraten zu werden, sondern von einer davon unabhängigen Beratungsinstanz; Mehrkosten entstehen dadurch nicht. Soweit der Sozialhilfeträger faktisch nicht in der Lage ist, die erforderliche Beratung selbst zu leisten, ist er (unter Reduzierung der Ermessensbestimmung auf Null) verpflichtet, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege die Durchführung seiner Aufgaben zu übertragen, wenn diese damit einverstanden sind (§ 10 Abs. 5 S.1 BSHG), was typischerweise bei Beratungsstellen geschieht (Schellhorn/Jirasek/Seipp § 10 BSHG Rz 30). Die Übertragung kann durch Vereinbarung oder schlüssiges Verhalten erfolgen (LPK-BSHG § 10 Rz 30).
Bezüglich einer Vertretung steht Hilfesuchenden nur der Weg zu den freien Trägern offen, da die Sozialhilfeträger dafür aus rechtlichen Gründen und die Rechtsanwälte faktisch ausscheiden.
Zu klären ist noch, ob die Beratung und Vertretung durch die freien Träger mit dem Rechtsberatungsgesetz zu vereinbaren ist.
Grundsätzlich darf die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist (Artikel 1 § 1 Abs. 1 S.1 RBerG). Erlaubt sind jedoch die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt werden (Artikel 1 § 3 Nr.1 RberG) und Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten, welche auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen oder Stellen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern gewähren (Artikel 1 § 7 RBerG).
Die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung durch Sozialhilfeträger ist demnach im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß Artikel 20, 28 GG, § 14 SGB I, § 8 BSHG durch das Rechtsberatungsgesetz gedeckt (Artikel 1 § 3 Nr.4 RBerG). Soweit sie ihre Aufgaben an freie Träger übertragen (§10 Abs. 5 S.1 BSHG), ist dies gleichfalls von der Erlaubnis gedeckt, da die freien Träger insoweit als Erfüllungsgehilfen des Sozialhilfeträgers tätig werden (vgl. Knopp/Fichtner § 10 BSHG Rz 1, LPK-BSHG § 10 Rz 32).
Die Rechtsberatung und -betreuung durch Kirchen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ist ebenfalls nicht erlaubnispflichtig (Art. 1 § 3 Nr.1 RBerG). Ihnen sind die kirchlichen Wohlfahrtsverbände gleichzustellen (s. BVerfGE 46, 73, 85 f. unter Bezug auf Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung; dazu ausführlich Heinhold ZAR 1997, 110ff. am Beispiel der Asylbewerberberatung).
Solange bezüglich anderer Wohlfahrtsverbände die »überfällige gesetzgeberische Klärung« (so selbst der Staatssekretär der Bundesregierung Schelter in Oestreicher/Schelter/Kunz § 8 BSHG Rz 15) nicht erfolgt ist, sind sie entsprechend wie kirchliche Wohlfahrtsverbände zu behandeln. Dies gebietet nicht nur ihr grundgesetzlich (Artikel 2, 3, 4, 5, 9, 13, 14, 19 Abs. 3 GG) geschütztes Selbstbestimmungsrecht (s. Papenheim/Baltes a. a. 0. S. 39 unter Bezug auf BVerfGE 6, 273, Palandt/Heinrichs § 25 BGB Anmerkung 3 und Einführung vor § 145), sondern auch ihre Stellung gerade im Sozialhilfe- und Jugendhilferecht. Das ist grundlegend schon von dem angesehenen Saarbrücker Rechtswissenschaftler Heinz Müller-Dietz (Rechtsberatung und Sozialarbeit, 1980, S.57 ff. im Anschluß an Schorn, Die Rechts-beratung, 2. Aufl. 1967, S.143) herausgearbeitet worden. Ihre Nichterwähnung im Rechtsberatungsgesetz hänge mit dessen Entstehungsgeschichte im NS-Staat zusammen, dessen totalitärer antipluralistischer Weltanschauung Verbände der freien Wohlfahrtspflege ein Dorn im Auge gewesen seien. Nach 1945 aber hätten die Wohlfahrtsverbände eine überragende Bedeutung auf dem Gebiet sozialer Arbeit und Hilfe erlangt, welche die überkommene Unterscheidung zwischen »öffentlicher« und »freier Wohlfahrtspflege« in vieler Hinsicht fragwürdig gemacht habe. Dies zeige sich daran, daß das Jugend- und Sozialhilferecht eine grundlegend andere Position zu den Verbänden bezögen als das Rechtsberatungsgesetz. JWG (jetzt SGB VIII) und BSHG gingen - nicht zuletzt in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 22, 180) - vom Gleichrang und der Zusammenarbeit von freier und öffentlicher Jugendhilfe sowie der freien Wohlfahrtspflege und der Träger der Sozialhilfe aus. In gewissem Umfang räumten JWG (§§ 5 Abs. 3 und 8 Abs. 3; s. jetzt § 4 Abs. 2 SGB XIII) und BSHG (§ 8 Abs. 2) den Trägern der freien Wohlfahrtspflege sogar Vorrang ein. Es könne nach alledem kaum zweifelhaft sein, daß allein eine Exemtion der Verbände der freien Wohlfahrtspflege vom Rechtsberatungsgesetz (und damit deren Gleichbehandlung mit den Kirchen) im Ergebnis sachgerecht sei. Dabei verstehe es sich von selbst, daß im Blickwinkel des Rechtsberatungsgesetzes zwischen kirchennahen und unabhängigen Verbänden nicht differenziert werden könne: ein sachliches Kriterium für eine solche Unterscheidung sei nicht erkennbar.
Dem entspricht auch das am 24.2.1969 zwischen den hauptbeteiligten Bundesressorts, der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände und den angeschlossenen Organisationen erzielte Besprechungsergebnis über die bis zur Anpassung des Rechtsberatungsgesetzes an die moderne Rechtsentwicklung anzuwendenden Grundsätze (abgedruckt in Knopp/Fichtner § 8 BSHG Rz 37). Darin heißt es u. a. (II 1 und 2 a): »Die Wohlfahrtsverbände können in demselben Umfang wie Behörden der Sozialhilfeträger über Ansprüche aus dem BSHG beraten (unter Bezug auf §§ 8 Abs. 2, 10 BSHG) . ... Die Rechtsberatung auf Gebieten des sozialen Rechts kann vor allem bestehen in der Aufklärung über Ansprüche aufgrund eines Sozialgesetzes, in der Hilfe bei der Abfassung oder bei der Stellung von Anträgen bei Behörden, in der Unterstützung bei Rückfragen und -sprachen im behördlichen Verfahren. Eine Durchsetzung der Ansprüche im gerichtlichen Verfahren ist nicht mehr Sache der Wohlfahrtsverbände.«
Danach ist festzuhalten, daß nach ganz herrschender Meinung die Wohlfahrtsverbände Rechtsbetreuung und Rechtsberatung in Sozialhilfesachen durchführen dürfen, die nach Inkrafttreten des SGB X 1981 auch die Vertretung im Sozialhilfeverfahren vor dem Sozialhilfeträger einschließt.
Zu untersuchen ist noch, ob die in dem Besprechungsergebnis vom 24.2.1969 vertretene Auffassung, die Durchsetzung der Ansprüche im gerichtlichen Verfahren sei nicht mehr Sache der Wohlfahrtsverbände, einer rechtlichen Überprüfung standhält. Diese Meinung beruht offensichtlich darauf, daß die geschäftsmäßige Rechtsberatung und -besorgung in erster Linie als Aufgabe der Rechtsanwälte angesehen wird (so II 2 c des Bespreehungsergebnisses vom 24.2.1969). Dieser kommen sie jedoch faktisch - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht nach, was schon lange bekannt ist und jetzt durch die Stellungnahme der Hamburger Rechtsanwaltskammer vom 20.8.1996 offiziell belegt wird. Daraus hat sich für die Wohlfahrtsverbände nach eigenem Selbstverständnis die Aufgabe entwickelt, Sozialhilfebedürftige auch in Gerichtsverfahren zu vertreten. Kraft ihres grundgesetzlich und sozialgesetzlich gesicherten Rechts, selbständig ihre Aufgaben zu bestimmen und durchzuführen, können sie über deren Inhalt und Reichweite allein entscheiden. Der grundgesetzlich geschützte Anspruch des Bürgers auf Rechtsschutz gegen Behörden (Art. 19 IV GG) gebietet geradezu, daß er auch davon Gebrauch machen darf, da eine anderweitige Vertretung nicht in Betracht kommt. Der vom Rechtsberatungsgesetz zu erfüllende Zweck, unsachgemäße Rechtsberatung durch Winkeladvokaten zu verhindern, wird schon dadurch erreicht, daß die Wohlfahrtsverbände eine ausreichende Kompetenz auf diesem Gebiet gewährleisten. Dementsprechend räumt auch die Verwaltungsgerichtsordnung (§ 67 Abs. 1 S.4) sogar vor den Oberverwaltungsgerichten/Verwaltungsgerichtshöfen in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts Mitgliedern und Angestellten von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten ein Vertretungsrecht ein, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind. Vor dem Verwaltungsgericht kann sich ein Beteiligter in jeder Lage durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen und sich in der mündlichen Verhandlung eines Beistands bedienen (§ 67 Abs. 2 S.1 VwGO). Ein weiterer Schutz, wie er vom Rechtsberatungsgesetz intendiert ist, wird dadurch erreicht, daß vor dem Verwaltungsgericht jede Person als Bevollmächtigter oder Beistand auftreten kann, die zum sachgemäßen Vortrag fähig ist (§ 67 Abs. 2 S.3 VwGO), so daß das Gericht im Ausnahmefall einen inkompetenten Vertreter ausschließen kann, womit die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertretung gegeben ist.
Diese Auslegung wird noch dadurch gestützt, daß die überwiegende Rechtsprechung (BVerwG NJW 1988, 220, VGH München NJW 1987, 460 und 1988, 2554, ebenso Mußgnug NJW 1989, 2037; a. A. VGH München NJW ]988, 2553, OVG Koblenz NJW 1988, 2555) am Beispiel von Rechtslehrern an Hochschulen, die nach der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 67 Abs. 1 S.1) neben Rechtsanwälten auch vor dem Bundesverwaltungsgericht und Oberverwaltungsgerichten/Verwaltungsgerichtshöfen vertretungsberechtigt sind, ausgeführt hat, daß Bevollmächtigte, die nach den Verfahrensgesetzen vertretungsberechtigt sind, keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz brauchen.

Abschließende Beurteilung
Im Ergebnis bleibt festzustellen, daß Tacheles e. V. zur Rechtsbesorgung vor Behörden und Gerichten in Sozialhilfesachen befugt ist. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichtspräsidenten in Wuppertal im Bescheid vom 22.2.1995 und des Oberlandesgerichtspräsidenten in Düsseldorf im Bescheid vom 5.5.1997 beruhen auf einer überholten einseitigen Auslegung des ordnungspolitisch ausgerichteten und nationalsozialistischer Ideologie verhafteten Rechtsberatungsgesetzes, die der durch Grundgesetz, Sozialgesetzbuch und Bundessozialhilfegesetz vollzogenen Entwicklung auf dem Gebiet des Sozialleistungsrechts keine Rechnung trägt. Das sich darauf stützende Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal vom 29.6.1997 weist darüber hinaus schwerwiegende formale Mängel auf, soweit es sich auf das Landesverfahrensverwaltungsgesetz stützt und pauschal von vornherein von Tacheles e. V. eingelegte Widersprüche für unbeachtlich erklärt. Maßgebend ist demgegenüber das SGB X (§13 Abs. 7), das Verfahrenshandlungen von unbefugten Bevollmächtigten und Beiständen allenfalls im Einzelfall nach schriftlicher Zurückweisungen für unwirksam erklärt. Nicht zurückgewiesen werden können aber Personen, die zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befugt sind (§13 Abs. 6 S.2 SGB X}. Dazu gehören aber auch gerade die Wohlfahrtsverbände und damit Tacheles e. V.

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