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Industrial Workers of the World : Warum wir den Streik des Fahrpersonals unterstützen

Bahnstreik in der letzten Runde
Warum wir den Streik des Fahrpersonals unterstützen

Die in der GDL organisierten Lokführer und anderen Angehörigen des Fahrpersonals der Bahn sind immer noch im Streik. Der Bahnvorstand sieht rot, die Medien heulen, die Regierung grummelt. Und wie mittlerweile auf der Seite der Arbeitgeber schon üblich, droht Bahnchef Mehdorn für den Fall eines Erfolgs der GDL in der Tarifauseinandersetzung mit dem Abbau von Arbeitsplätzen. Den Lokführern wird vom Bahnmanagement Anspruchsdenken und mangelnde Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen, ihre Streikziele als "irrwitzig", irrational" und "absurd" bezeichnet. Dabei sind die bisherigen "Angebote" des DB-Vorstandes reine PR-Gags und die Ziele der Streikenden eigentlich recht gemäßigt. So sind Forderungen wie die nach einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden gegenüber bisherigen 41 oder nach einer Senkung der Schichtlänge um zwei auf maximal zwölf Stunden alles andere als unverschämt.. Auch die bekannte Forderung nach einer Lohnerhöhung um 31% kam erst dadurch zustande, dass die GDL ihren Lohnforderungen, aus rechtlichen Gründen, eine einheitliche Form geben musste. Die ursprünglich Forderung war die nach einer Erhöhung des Einstiegsbruttolohns auf 2500 Euro (gegenüber 1970 Euro bisher)und besseren Chancen auf Lohnerhöhungen bei längerer Betriebszugehörigkeit.

Ein Streik muss weh tun
Nervosität scheint in Chefetagen und auf Regierungsbänken um sich zu greifen. Denn dieser Streik zeigt vor allem eines: Um als Beschäftigte eine Lohnforderung durchzusetzen, ist es mit ein paar symbolischen Warnstreiks nicht getan. Man muss schon bereit sein, seinen Betrieb auch tatsächlich lahmzulegen, richtigen Schaden anzurichten und den Arbeitgeber die Macht der LohnarbeiterInnen spüren zu lassen. Und zwar gerade dann, wenn es sich um einen großen Konzern wie die Deutsche Bahn handelt.

Während ver.di im Telekom-Streik vor allem deshalb erfolglos war, weil sie nicht bereit und in der Lage war, nach großen Ankündigungen auch Ernst zu machen, scheint die GDL dazu entschlossen zu sein. Und was das Kapital fürchtet, begrüßen wir, nämlich die Aussicht, dass dieses Beispiel Schule machen könnte. Dass es sich bei Lohnabhängigen auch in anderen Betrieben und Branchen herumspricht, dass es mit entschlossenem Handeln möglich sein könnte, sich vom Standortdenken der Arbeitgeberseite zu befreien und die eigenen Interessen als Lohnabhängige konsequent wahrzunehmen.

Warum Zugeständnisse machen?
Der Bahnvorstand genehmigte sich vor nicht langer Zeit eine Erhöhung der Bezüge um satte 62 Prozent. Da wollte man wohl, Staatsunternehmen hin oder her, anknüpfen an die unverfrorene Selbstbedienungsmentalität "richtig" kapitalistisch geführter Konzerne wie Siemens oder der Deutschen Bank. Dass man eine deutliche Lohnerhöhung für das teilweise erbärmlich entlohnte Fahrpersonal gleichzeitig unverschämt findet, kann man den Damen und Herren Managern dabei letztlich noch nicht einmal übel nehmen. Man könnte es "Klasseninstinkt" nennen und es ist eindeutig jenseits moralischer Kategorien wie Gut oder Böse angesiedelt. Wer würde ernsthaft einem Hai moralische Vorhaltungen machen, weil er zuschnappt, wenn er Blut riecht?

Gestoppt werden kann das nur durch etwas, das wir als "Klassenbewusstsein" bezeichnen, nämlich das Bewusstsein darüber, dass wir als LohnarbeiterInnen nicht die selben Interessen haben wie die Unternehmensführung, dass wir nicht aus Spaß oder um irgendwelcher hehrer Ziele willen unsere kostbare Lebenszeit vergeuden, sondern weil wir gezwungen sind, unsere Arbeitskraft zu verkaufen. Und dass wir, solange wir daran nichts Prinzipielles ändern können, wenigstens den Preis dieser Ware Arbeitskraft so weit wie möglich hochschrauben müssen, weil unsere "Arbeitgeber" ihn ansonsten versuchen werden, auf knapp über Null zu drücken.

Gehaltserhöhungen, wie die GDL sie fordert, sind natürlich schlecht für das Geschäft. Vor allem dann, wenn man gerade die Teilprivatisierung seines, bisher öffentlichen, Unternehmens genehmigt bekommen hat, an die Börse gehen und finanzkräftige Heuschrecken anlocken will um sich so richtig dumm und dusselig zu verdienen, genau wie auch die besagten Investoren. Die Umstrukturierungen, die bei der deutschen Bahn seit deren Umwandlung in eine AG 1993, deren einziger Aktionär aber nach wie vor der Bund ist, vollzogen wurden, stehen exemplarisch für die Veränderungen in der gesamten kapitalistischen Produktionssphäre der letzten zwanzig bis dreißig Jahre. 1999 wurde die Bahn in eine Holding mit fünf eigenständigen Tochterunternehmen umgewandelt, wie u.a. die Railion AG, die für den Gütertransport verantwortlich ist oder die DB Fernverkehr AG. Diese Entwicklung ging einher mit einem Abbau von 233.039 Stellen des Gesamtpersonals, wovon wiederum 21.248 LokführerInnen betroffen waren. Begleitet wurde dies von einem Realeinkommensverlust von fast zehn Prozent. Gleichzeitig mauserte sich die Bahn zu einem “global player” auf dem Terrain der Logistik, was sich u.a. darin ausdrückt, dass sie in den letzten Jahren für 1,1 Milliarden Dollar ein kalifornisches Speditionsunternehmen aufkaufte und sich eine dänische Busgesellschaft einverleibte. Laut eigenen Angaben handele es sich bei der Deutschen Bahn mittlerweile um das zweitgrößte Transportunternehmen der Welt.

Die geplante Bahn-Privatisierung schadet Beschäftigten und Kunden
Zur Zeit wird seit Jahren für die geplante Privatisierung der DB AG die zuvor defizitäre Bilanz aufgehübscht, indem notwendige Investitionen in die Scheinen und Infrastruktur auf die lange Bank geschoben werden. Bezahlen würden den Goldregen letztlich, wenn alles so läuft wie geplant, die Kunden und die Beschäftigten. Die ersteren können sich mit ziemlicher Sicherheit auf weiterhin steigende Fahrpreise und Streckenstillegungen einstellen, die letzteren auf unsichere Arbeitsplätze, Streichung tariflicher Leistungen und Ausgliederung in Zeitarbeitsfirmen und Tochterunternehmen, bei denen zu noch mieseren Bedingungen gearbeitet wird (wie z.B. in den Call-Centern von DB Dialog). Schon jetzt umfasst der Bahnkonzern insgesamt über 200 Firmen, darunter auch eigene Zeitarbeitsunternehmen (DB JobService und DB Zeitarbeit). Ein erfolgreicher Streik passt da natürlich nicht ins Konzept. Umso wichtiger ist es für Beschäftigte und Bahnkunden, dass dieser Streik ein Erfolg wird.

Die beiden großen Bahngewerkschaften, Transnet und GDBA, haben der Bahnprivatisierung im Grundsatz zugestimmt. Und auch die Position der GDL ist alles andere als eindeutig. Die Privatisierung gräbt jedoch der Gegenmacht der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften das Wasser ab. Ein bereits jetzt spürbarer Aspekt davon ist, dass sowohl der von Transnet und der GDBA beschlossene, als auch der von der GDL für das Fahrpersonal geforderte Tarifvertrag (FPTV) nur für einen Teil der Bahn-Beschäftigten gilt. Jene, , für die der 55. Änderungstarifvertrag zum KonzernETV nicht gilt, bleiben zum Teil mit Dumpinglöhnen außen vor. Inzwischen ist von weiteren Auslagerungen die Rede. Dessen sollte sich auch die GDL bewußt sein. Es muss nicht nur um die Interessen der von ihnen vertretenen Berufsgruppen gehen, sondern auch um die aller anderen.

Es geht um mehr
Daher kann der Streik, den die GDL jetzt führt, nur ein Anfang sein. Worum es eigentlich geht, ist der gemeinsame Kampf für die Interessen aller Bahnbeschäftigten, über alle Organisationsgrenzen und unterschiedliche Berufsgruppen hinweg, auch für die und mit den jetzt schon von Auslagerungen ihrer Arbeitsplätze betroffenen KollegInnen. Und dazu muss auch der Kampf gegen die beschlossene Privatisierung der Bahn gehören, der die Gewerkschaften bisher nicht konsequent genug Widerstand entgegengesetzt haben. Ein solcher gemeinsamer Kampf für eine Verbesserung der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen ist auch im Interesse aller, die auf einen funktionierenden öffentlichen Nah- und Fernverkehr angewiesen sind und wird mit Sicherheit auf eine breite Solidarität der Bevölkerung stoßen.

# Gegen Privatisierung und Lohndumping!

# Gemeinsam für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen!

# Wir bekommen nur, was wir uns erkämpfen!

Industrial Workers of the World
Ortsgruppe Frankfurt am Main
Postfach 19 02 03, 60089 Frankfurt/M
E-Mail: iww-frankfurt@gmx.net
Website: http://www.wobblies.de

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