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Fachaufsichts(nicht)wahrnehmung durch das MAIS NRW

Das Jobcenter Wuppertal erlässt eine rechtswidrige Richtlinie zu den Unterkunftskosten. Weil darin diverse Fehler vorhanden sind wird durch den Verein Tacheles die Fachaufsicht eingeschaltet. Dazu folgend mit Dokumentration des Schriftverkehrs der Vorgang.


Es geht dabei um Unterkunftskosten:

Die Jobcenter sind verpflichtet die angemessenen Unterkunftskosten im SGB II durch »bereite Quellen« zu ermitteln. Bereite Quellen können sog. „schlüssige Konzepte“ sein, aber auch einfache, wie qualifizierte Mietspiegel (BSG v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R)  oder eigene Erhebungen des örtlichen Leistungsträgers.  Diese bereiten Quellen müssen die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben.



Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass im Falle des Ausfalls bereiter Quellen zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze von Kosten der Unterkunft auf die tatsächliche Miete abzustellen ist. Begrenzt wird dieser Wert dann durch den Oberwert der Wohngeldtabelle (§ 12 WoGG) zuzüglich 10% Sicherungsaufschlag (BSG v. 17.02.2009 - B 4 AS 50/9 R, BSG v. 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R, BSG v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R).



In der Stadt Wuppertal liegt seit dem Jahr 2013 keine bereiten Quellen zur Ermittlung der Mietpreise mehr vor, da es seitdem keinerlei offizielle Erhebungen zu Mietpreisen durchgeführt wurde. Beim Wuppertaler Amtsgericht wird in Mietangelegenheiten der Mietpreisspiegel mit einem Aufschlag von 30 % angewendet. Der alte Mietspiegel ist aus dem Jahr 2010 und wurde nur im und für das Jahr 2012 als einfacher Mietpreisspiegel fortgeschrieben (SG Düsseldorf 04.07.2016 – S 13 AS 3749/15, S. 7 2. Absatz), zu finden: SG Düsseldorf 04.07.2016 – S 13 AS 3749/15



Spätestens seit Anfang 2013 gibt es keine weiteren Ermittlungen zu den Unterkunftskosten in Wuppertal die auch nur annähernd den Anforderungen der BSG – Rechtsprechung genügen. https://www.wuppertal.de/vv/produkte/105/102370100000364921.php



Bis Ende 2015 wurde vom Jobcenter Wuppertal  (JC) AöR, entgegen der Rechtsprechung des BSG (v. 19.10.2009 - B 14 AS 50/10 R, vgl. BSG 02.07.2009 - B 14 AS 36/08) zur Ermittlung der Angemessenheit den reinen Nettomietpreis berücksichtigt. Das Landessozialgericht (LSG) NRW hat das JC Wuppertal dazu verpflichtet, die Bruttokaltmiete zu berücksichtigen (LSG NRW 29.10.2015 – L 7 AS 1310/11). Die verwaltungstechnische Umsetzung des Urteils des LSG NRW erfolgte Monate nach dem Urteil des LSG NRW.



Der Wuppertaler Arbeitslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. hat als örtlicher Interessensvertreter Erwerbsloser Menschen vielfach die Umsetzung des Urteils des LSG NRW gefordert, zu finden: https://tacheles-sozialhilfe.de/tickerarchiv/lsg-urteil-zu-höheren-unterkunftskosten-wird-vom-jobcenter-ignoriert-–-nach-zwei-monaten-wirft-tacheles-dem-amt-rechtsbruch-vor-.html .



Nachdem das JC Wuppertal über drei Monate untätig war und nicht bereit war das Urteil des LSG NRW umzusetzen, hat der Verein Tacheles eine erste Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt (FA 31.01.2016), zu finden http://tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/Tach.FA_Bezirksregierung_31.01.2016.pdf



Anfang Februar 2016 wurde vom JC Wuppertal AöR doch das LSG-Urteil umgesetzt und eine neue Richtlinie zu den Unterkunftskosten erlassen, zu finden: http://www.harald-thome.de/media/files/kdu,-ae,-but-rilis/KdU-Wuppertal---31.01.2016.pdf  



Da diese nach diesseitiger Ansicht gravierende Rechtsverstöße beinhalt, hat der Verein Tacheles nun in einer zweiten Fachaufsichtsbeschwerde die dortigen Rechtsverstöße dargestellt und um fachaufsichtsrechtliche Prüfung gebeten (FA 06.02.2016), zu finden:  http://tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/2._FA_Tacheles_zu_KdU_an_BzR_06.02.2016.pdf



Nachfolgend sind die ersten rechtswidrigen Handlungen des JC Wuppertal bekannt geworden, was zu einer ergänzenden Fachaufsichtsbeschwerde beim  Ministerium für Arbeit und Soziales (MAIS) geführt hat (FA v. 11.03.2016), zu finden:   ergänzende Fa v. 11.03.2016



Nachdem es vom MAIS zu keiner Bearbeitung der Beschwerden gekommen ist, wurde mit Datum vom 07.05.2016 von Seiten des Vereins Tacheles die fehlende Bearbeitung durch das MAIS angezeigt (Schreiben v. 07.05.2016), zu finden: Erinnerungsschreiben v. 07.05.2016



Mit Datum vom 11.05.2016 hat das MAIS in Person des Dr. Hans Lühmann die Beschwerden beantwortet. Darin heißt es wörtlich:

"Ihr Anliegen wurde von hier aus geprüft. Diesbezüglich teile ich Ihnen mit, dass die KdU-Handlungshinweise im Hinblick auf die von Ihnen benannten Inhalte nach dem Ergebnis der hiesigen Prüfung zu Beanstandungen keinen Anlass geben."

(Schreiben MAIS v. 11.Mai 2016) zu finden: Schreiben MAIS v. 11.Mai 2016



Mit Datum vom 22.05.2016 wandte sich der Vorsitzende von Tacheles e.V. erneut mit einem Schreiben an das MAIS zu Händen des Herrn Dr. Lühmann und hat in neun Punkten gravierende Rechtsverstöße des JC Wuppertal dargelegt und um erneute Prüfung gebeten (Schreiben Tacheles v. 22.05.2016) zu finden: Erwiederungsschreiben Tacheles v. 22.05.2016 



Durch die Nichtwahrnehmung der Fachaufsicht entsteht folgende Situation:  
Aus der aktuellsten Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Juni 2016) zur Wohn- und Kostensituation ist ersichtlich, das die Unterkunftskosten das 10.735.859 EUR/Monat als tatsächliche Unterkunftskosten vom JC Wuppertal vermerkt sind und das davon aber 10.417.852 EUR/Monat berücksichtigt werden, das bedeutet, dass 318.943 EUR jeden Monat vom JC Wuppertal  nicht berücksichtigt werden und aus den Regelbedarfen der Wuppertaler SGB II – Berechtigten selbst gezahlt werden müssen.



Das rechtswidrige Handeln des JC Wuppertal liegt seit Januar 2013 vor, bis Oktober 2016 macht das ein Betrag von rund 14,6 Mio. Euro aus, die das JC Wuppertal rechtswidriger Weise nicht übernimmt.  

Harald Thomé / Tacheles Onlineredaktion 

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