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Erhebliche Verkürzung der rechtlichen Möglichkeiten droht!

I. Sachverhalt


Nach dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.09.2010 sind erhebliche Änderungen des Sozialgesetzbuches II beabsichtigt.
Bei näherer Betrachtung sind massive Einschnitte in die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten der Antragsteller geplant. Dazu ist u.a. die Neufassung des § 40 SGB II in der Planung. Dieser soll dann lauten:
„…§ 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften
(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 Absatz 4 Satz 1 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass an Stelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt…”

In den Übergangsvorschriften (§77) sind dazu keine Sonderregelungen geplant. Dies bedeutet, dass mit Erlass des Gesetzes die Regelung sofort Anwendung findet.

II. Übersetzung


Diese nüchterne Formulierung muss juristisch übersetzt werden.

1. aktuelle Rechtslage


Nachdem die Widerspruchsfrist eines Bescheides abgelaufen ist, wird dieser bestandskräftig. Für die Behörde und für den Adressaten des Bescheides ist dann die festgelegte Leistung oder Ablehnung verbindlich.
Im Sozialrecht gilt die Besonderheit, dass auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist ein bestandskräftiger Verwaltungsakt wieder aufgehoben werden kann. Dazu ist ein so genannter Überprüfungsantrag nach §44 SGB X notwendig.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 01.06.2010, Az.B 4 AS 78/09 R, entschieden, dass diese Regelungen uneingeschränkt auch innerhalb des Sozialgesetzbuches II Anwendung findet.
Soweit sich beispielsweise durch Rechtsprechung eine Klärung von rechtlichen Fragen der Vergangenheit ergibt, kann durch einen Überprüfungsantrag ein höherer Anspruch geltend gemacht werden. Gleiches gilt, wenn die Behörde von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist.
Zur Zeit kann mit einem Überprüfungsantrag der

Zeitraum 2006 bis aktuell


nach §45 Abs. 1 SGB I einer Prüfung unterzogen werden.

2. geplante Rechtslage


Nach den Planungen des Ministeriums wird diese Möglichkeit der Überprüfung auf ein Jahr begrenzt. Damit können im Jahr 2011 wahrscheinlich

nur noch die Bescheide des Jahres 2010


überprüft werden.

3. Folgerungen


Bei der Bearbeitung der Leistungen waren in den Jahren 2006 bis 2010 viele Rechtsfragen ungeklärt. Daneben ergab sich auch eine erhebliche Unsicherheit bei der Sachbearbeitung.
Daher sind gerade die Bescheide aus der Vergangenheit besonders oft rechtswidrig.
Insbesondere im Hinblick auf
  • Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
  • Sanktionsbescheide
  • Bescheide zur Anrechnung von Guthaben aus Betriebskosten-/ Heizkostenabrechnungen
  • Bescheide zur Ablehnung/ Bewilligung von Heizkosten für Hauseigentümer
  • Bescheide zur Kürzung der Kosten der Unterkunft

ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit.
Es wird daher dringend angeraten, aktuell einen Antrag auf Überprüfung für die genannten Bescheide zu stellen, um nicht Rechtsverluste zu erleiden.

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Raik Pentzek, Fachanwalt für Sozialrecht, Rostock


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