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Eilmeldung: OVG Lüneburg verurteilt Hannover zur Übernahme der Krankheitskosten über 2,96 EUR monatlich
Az.: 4 ME 88/04
7 B 772/04
BESCHLUSS
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Antragstellers und Beschwerdeführers,
Proz.-Bev.:
gegen
die Region Hannover - Fachbereich Soziales -
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Streitgegenstand: Sozialhilferecht
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - am 6. Mai 2004 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichter der 7. Kammer – vom 20. Februar 2004 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise geändert:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anord-nung verpflichtet, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat über-steigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe (z.B. Praxisgebühr, Zuzahlungen für Arznei- und Ver-bandmittel sowie für Heilmittel und zu stationären Maßnahmen, Fahrtkosten) in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - dar-lehensweise zu gewähren. Soweit der Antragsteller hilfebedürf-tig bleiben sollte, darf die Antragsgegnerin zur Rückzahlung des Darlehens ab dem der Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe folgenden Monat von der jewei-ligen monatlichen Hilfeleistung einen Betrag in Höhe von 2,96 € einbehalten.
Dem Antragsteller wird für beide Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit die Beschwerde Erfolg hat. Ihm wird insoweit Rechtsanwältin Willenborg aus Hannover beigeordnet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe und des Verfahrens wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Be-schwerdeverfahren werden nicht erstattet.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwal-tungsgerichts, durch den es die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffend Hilfe zum Lebensunterhalt - Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe – versagt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.
Der Antragsteller, der seit geraumer Zeit laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, be-kam Anfang 2003 einen Schlaganfall und leidet seither an einer Halbseitenschwäche. Aus diesen Gründen wurde ihm eine ergotherapeutische Behandlung zur Wiederherstellung der Arm- und Handfunktion – zuletzt am 16. Dezember 2003 für 10 motorisch-funktionelle Behandlungen - ärztlich verordnet. Seit Beginn des Jahres 2004 hat er diese Behandlung nicht mehr in Anspruch genommen. Der Antragsteller wird darüber hinaus seit 1980 ge-gen epileptische Anfälle medikamentös behandelt wird. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 hat der Antragsteller bei der für die Antragsgegnerin handelnden Landeshauptstadt Hannover die „Befreiung von der Praxisgebühr sowie der Zuzahlungen zu Medikamenten“ mit dem Hinweis beantragt, er sei chronisch krank und benötige regelmäßig Medikamente gegen Hypertonie und Epilepsie. Darüber hinaus leide er an den Folgen eines Schlagan-falles. Es sei ihm nicht zuzumuten, die Zuzahlungen vom Regelsatz zu begleichen. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 hat die Landeshauptstadt Hannover dem Antragstel-ler mitgeteilt, eine solche Befreiung könne sie nicht vornehmen. Hierfür sei die Kranken-kasse nach Erreichen der Belastungsgrenze zuständig. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Januar 2004 „Widerspruch“ erhoben und geltend gemacht, es sei ihm nicht zumutbar, Zuzahlungen für Medikamente, die Praxisgebühr, und ähnliche Kos-ten aus dem Regelsatz zu bestreiten. Er hat anschließend beim Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Er habe weder einen Anspruch auf Übernahme der Zuzahlungen nach dem SGB V im Wege einer Beihil-fe, noch einen Anspruch auf Gewährung eines höheren Regelsatzes. Außerdem sei ein Anspruch auf eine abweichende Bemessung des Regelsatzes wegen der Besonderheiten des Einzelfalles gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG abzulehnen, da die durch die Erweite-rung des Regelbedarfs um die Kosten bei Krankheit bewirkte faktische Regelsatzkürzung alle Sozialhilfeempfänger, die das Gesundheitssystem in Anspruch nähmen, treffe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts legt der Senat gemäß §§ 88, 122 VwGO dahin aus, dass der Antragsteller die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - durch laufende oder einmalige Leistungen – hilfsweise als Darlehen - zu gewähren. Hiergegen spricht nicht der Umstand, dass der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift vom 26. Februar 2004 die Gewährung einer „einmaligen Beihil-fe“ beantragt hat. Aus seinem Beschwerdevorbringen wird deutlich, dass es ihm der Sa-che nach um die Verpflichtung der Antragsgegnerin geht, die Kosten bei Krankheit, vor-beugende und sonstige Hilfe in Höhe bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - zu übernehmen und zwar entweder durch laufende oder einmalige Leistungen.
Die so verstandene Beschwerde ist nach §§ 146 Abs. 1, Abs. 4, 147 VwGO zulässig, aber nur in dem sich aus den nachstehenden Ausführungen ergebenden Umfang begründet. Der Antragsteller hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, nämlich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anord-nungsgrundes, glaubhaft gemacht, soweit es die Gewährung von Hilfe zum Lebensunter-halt durch die darlehensweise Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat über-steigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweili-gen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - betrifft. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Der Antragsteller hat wegen des geltend gemachten Bedarfs keinen Anspruch auf Ge-währung von Leistungen nach den §§ 37, 38 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, ber. S. 2975), zuletzt geändert durch Art. 68 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022). § 37 Abs. 1 Satz 2 BSHG gibt in seiner aktuellen Fassung vor, dass die Rege-lungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V, die nach §§ 264 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB V i.V.m. §§ 61 und 62 SGB V Zuzahlungen der Versicherten bis zur Belas-tungsgrenze vorsehen, den Leistungen zur Hilfe bei Krankheit nach § 37 Satz 1 BSHG vorgehen. Vor diesem Hintergrund enthalten die §§ 37, 38 BSHG keine Grundlage für die Gewährung von Zuschüssen für von den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfassten Bedarf.
Der geltend gemachte Anspruch lässt sich in Form einer einmaligen Leistung auch nicht auf §§ 11, 21 Abs. 1a BSHG stützen. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung) vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515), zuletzt geändert durch Art. 29 GKV-Modernisierungsgesetz – GMG - vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) sieht – nunmehr - vor, dass die Regelsätze auch die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, so-weit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 dieses Gesetzes (gemeint: das Bundessozialhilfege-setz) übernommen werden, umfassen. Für einen Anspruch auf eine (zusätzliche) einmali-ge Leistung zur Ergänzung oder Aufstockung der laufenden Leistungen für den Fall, dass diese für die Deckung des Regelbedarfs – hier: Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe - nicht ausreichen, gibt es keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt (vgl. 12. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 09.03.2004 – 12 ME 64/04 -, BeckRS 2004, 21443 m.w.N.).
Es spricht jedoch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat übersteigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe (z.B. Praxisgebühr, Zuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel sowie für Heilmittel und zu stationären Maßnahmen, Fahrt-kosten) in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - als Darlehen hat.
Allerdings lässt sich dieser Anspruch – entgegen den Überlegungen des Verwaltungsge-richts Hannover (Beschl. v. 28.01.2004 - 7 B 432/04 -, BeckRS 2004, 20927) und des 12. Senats des erkennenden Gerichts (Beschl. v. 09.03.2004 – a.a.O.) – nicht auf § 15 a BSHG stützen. Nach dieser Vorschrift kann Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorausgegangenen („vorstehenden") Bestimmungen des BSHG die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Unter den Begriff „Sicherung der Unterkunft" fallen alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Hilfesuchenden vor Ob-dachlosigkeit zu bewahren, sei es durch Unterstützung bei der Erhaltung der derzeitigen, sei es durch Unterstützung bei der Anmietung und dem Bezug einer neuen Unterkunft (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.08.1992 - 6 S 1338/90 -, Juris m.w.N.; Birk in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 15a Rn 8 ff.). Um eine solche Hilfe geht es bei dem Antragsteller offen-sichtlich nicht. Es liegt auch eine „vergleichbare Notlage" nicht vor. Hierbei kann es nicht um irgendeine Notlage aus dem Lebensbereich des Hilfebedürftigen gehen, sondern nur um eine solche, die sich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lässt, mag sie sich auch nicht unmittelbar auf die Unterkunft selbst beziehen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 23.05.1990 – 6 S 339/90 -, Juris). Sie muss also den vor-handenen gegenständlichen Existenzbereich des Hilfebedürftigen betreffen, etwa seine Energieversorgung oder Wohnraumausstattung, der ihm auch durch die Übernahme von Schulden erhalten werden kann (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 15 a Rdnr. 8). Die Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe zählt hierzu jedoch nicht.
Einschlägige Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Übernahme dieser Kosten als Dar-lehen ist § 15 b BSHG. Nach dieser Vorschrift können Geldleistungen als Darlehen ge-währt werden, wenn laufende Leistungen zum Lebensunterhalt voraussichtlich nur für kurze Dauer zu gewähren sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Bei der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt handelt es sich - jeweils - um laufende Leis-tungen. Selbst wenn der von dem Antragsteller geltend gemachte Bedarf nur innerhalb eines Monats anfallen und damit einen einmaligen Akt der Hilfegewährung erfordern soll-te, führt dieser Umstand nicht zur Einordnung der hier fraglichen Hilfe zum Lebensunter-halt als eine einmalige Leistung. Die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Hilfen ist vielmehr nach der Art des Bedarfs aus der Sicht des Sozialhilfeträgers vorzu-nehmen. Dementsprechend sind unter laufenden Leistungen solche zu verstehen, die ihrer Natur und Zweckbestimmung nach mit gewisser Regelmäßigkeit wiederkehren (vgl. nur Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 21 Rdnr. 5) Da dies vor allem bei den durch den Regelsatz abgegoltenen Leistungen der Fall ist - wie hier -, ist die von der Antragsgegne-rin zu gewährende Hilfe als laufende Leistung anzusehen.
Der Antragsteller befindet sich auch in einer nur vorübergehenden Notlage als Vorausset-zung für die Anwendung des § 15 b BSHG. Dabei kommt für die Anwendung des § 15 b BSHG die Erwägung zum Tragen, dass ein Hilfeempfänger aus den ihm monatlich zu gewährenden Regelsatz lediglich – entsprechend dem Verhältnis eines Monats zu der Anzahl der Monate eines Jahres - 1/12 der maximalen Zuzahlung nach § 62 SGB V zu bestreiten hat. Der Bundesgesetzgeber hat nämlich in § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatz-verordnung lediglich festgelegt, dass die Regelsätze auch die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des BSHG übernommen werden, umfassen. Weitere Vorgaben enthält diese Vorschrift in diesem Zusammenhang nicht. Vor diesem Hintergrund legt der Senat § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung dahingehend aus, dass in dem monatlich zu gewährenden Re-gelsatz (vgl. zur Festsetzung der Regelsätze als monatliche Leistungen: Verordnung über die Festsetzung der Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz vom 25. Juni 2003
- Nds. GVBl. 15/2003 S. 221) lediglich 1/12 der maximalen Zuzahlung nach § 62 SGB V enthalten ist. Die in diesem Zusammenhang vom Hilfeempfänger zu tragenden Belastun-gen sind - mit anderen Worten - auf die in einem Jahr zu gewährenden 12 Regelsätze aufzuteilen. Für diese Auslegung sprechen insbesondere Gedanken, die der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußert hat. Aus der Begründung des Ge-setzgebers zur Änderung des § 38 BSHG wird deutlich, dass offensichtlich auch der Ge-setzgeber die Härten für einen Hilfeempfänger im Blick hatte, die dadurch entstehen, dass dieser in einem kurzen Zeitraum Zuzahlungen in Zusammenhang mit den Kosten bei Krankheit bis zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V aufzubringen hat. So heißt es in der Begründung zu Artikel 28 Buchstabe c des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (BT-Drs. 15/1525 S. 167):
„Auf Grund der Neuregelung der Zuzahlungen und Belastungsgrenzen für Sozialhilfeempfänger im Neunten Abschnitt des SGB V musste § 38 Abs. 2 BSHG gestrichen werden. Damit werden Sozialhilfeempfänger bei den Zu-zahlungen des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt. Sollte die Belastungsgrenze nach § 62 SGB V in Einzelfällen innerhalb eines kurzen Zeitraumes erreicht werden, können Sozialhilfeträ-ger Kosten darlehensweise übernehmen.“
Vor diesem Hintergrund hat der Antragsteller eine Bedürftigkeit in Höhe der den monatli-chen Betrag von 2,96 € übersteigenden Kosten für die Zuzahlung in Zusammenhang mit Anschaffung von Medikamenten, für das Bezahlen der Praxisgebühr sowie die Zuzahlung für Heilmittel glaubhaft gemacht. Dabei lässt sich die Grenze von 2,96 € aus der Regelung hinsichtlich der Belastungsgrenze - § 62 SGB V – herleiten. Die Belastungsgrenze, d.h. die maximale Höhe der Zuzahlungen im Kalenderjahr, ist in Abs. 1 dieser Vorschrift gere-gelt und beträgt 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Für den in § 264 SGB V genannten Personenkreis sieht § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V vor, dass als Bruttoeinnahmen zum Le-bensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvor-standes nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) maßgeblich ist. Das bedeutet, dass Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt jährlich einen Eigenanteil in Höhe von 2 %, chronisch Kranke einen Eigenanteil von 1 % des Zwölffachen des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes als Zuzahlung aufbringen müs-sen. Bei dem derzeitigen Regelsatz für einen Haushaltsvorstand in Höhe von 296, € monatlich ist die Belastungsgrenze daher von einem Jahresbetrag von 3.552, € zu be-rechnen. Hiervon ausgehend ist die vom Antragsteller monatlich aus dem Regelsatz auf-zubringende Zuzahlung auf 2,96 € zu begrenzen. Sein Eigenanteil beträgt 35,52 € jährlich - 1 % von 3.552, € -, da er – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – chronisch krank ist. Ein Zwölftel dieses jährlichen Eigenanteils – 2,96 € - ist mithin der Betrag, der von ihm monatlich zu bestreiten ist.
Die Bedürftigkeit ist hier auch nur von kurzer Dauer, da der fragliche Bedarf im Monat der fälligen Zuzahlung anfällt und damit einen Zeitraum von sechs Monaten nicht überschrei-tet (vgl. zu dieser zeitlichen Grenze: Senat, Urt. v. 22.08.1990 – 4 OVG A 112/88 -, V.n.b.; 12. Senat des erkennenden Gerichts, Urt. v. 10.11.1997 – 12 L 878/97 -, FEVS 48, 469; VGH Mannheim, Urt. v. 22.01.1992 – 6 S 3004/90 -, NVwZ-RR 1992, 634 m.w.N.).
Der Antragsteller hat auch die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Regelung (den Anordnungsgrund) hinreichend glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere durch Vorlage von ärztlichen Attesten belegt, dass er auf die Fortsetzung der ergotherapeutischen Be-handlung zur Wiederherstellung der Arm- und Handfunktion und auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen ist. Darüber hinaus hat der Antragsteller – durch Vorlage ei-ner Stellungnahme der ihn betreuenden Einrichtung („Karl-Lemmers-Haus e.V.“) - glaub-haft gemacht, dass er seit Anfang des Jahres keine ärztlichen Leistungen in Anspruch und keine Medikamente angeschafft hat. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller in diesem Kalenderjahr noch keine Zuzahlungen geleistet hat und damit in Kürze solche Zahlungen anstehen.
Zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens hält es der Senat – in Ausübung der bei vorläufigen Maßnahmen bestehenden richterlichen Gestaltungsbefugnis (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) – für angezeigt, der Antragsgegnerin gleichzeitig mit der Verpflichtung, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat übersteigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - darlehensweise zu gewähren, das Recht an die Hand zu geben, auf der Grundlage dieser Entscheidung die Rückzahlung des Darlehens zu ver-langen. Hierbei nimmt der Senat in den Blick, dass es dem Sozialhilfeträger im Falle einer Darlehensgewährung nach § 15 b BSHG frei steht, die Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Leistungen durch Verwaltungsakt zu begründen (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 14.05.1987 – 6 B 34.86 -, FEVS 37, 195). Das Darlehen kann dann unter gleichzeitiger Auferlegung einer Rückzahlungsverpflichtung geleistet werden, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt abzusehen ist, dass diese Notlage zum Zeitpunkt der Rückzahlung nicht mehr besteht und dass der Darlehensnehmer durch die von ihm geforderte Rückzahlung nicht erneut in eine Notlage gerät. Zur Vermeidung einer solchen Lage muss der Sozialhilfeträ-ger gegebenenfalls durch die Einräumung von Ratenzahlungen Rechnung tragen.
An diesen Voraussetzungen gemessen ist der Antragsgegnerin – für den Fall, dass der Antragsteller hilfebedürftig bleiben sollte - das Recht einzuräumen, zur – ratenweisen - Rückzahlung des Darlehens einen Betrag in Höhe von 2,96 € von der jeweiligen monatli-chen Hilfeleistung des Antragstellers in den der – jeweiligen - Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe folgenden Monaten einzubehalten. Die maxi-malen Zuzahlungen nach § 62 SGB V pro Kalenderjahr sind aus den oben genannten Gründen zu 1/12 in dem monatlichen Regelsatz enthalten mit der Folge, dass bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt die – hieraus abzuleitende - Höhe der dem Antragsteller zumut-baren monatlichen Rate feststeht. Vor diesem Hintergrund sind rechtliche Hinderungs-gründe nicht ersichtlich, der Antragsgegnerin mit dieser einstweiligen Anordnung gleich-zeitig das Recht zu vermitteln, bei den Sozialhilfeleistungen an den Antragsteller in den der Gewährung des Darlehens folgenden Monaten genau den Betrag einzubehalten, der im Regelsatz für Leistungen bei Krankheit vorgesehen ist - 1/12 von 35,52 € -.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Beschwerde des Antragstel-lers gegen den - Prozesskostenhilfe versagenden - Beschluss des Verwaltungsgerichts und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren in dem jeweils aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet sind, weil in-soweit die gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO notwendige Erfolgsaussicht aus den oben angeführten Gründen lediglich zu einem Teil gegeben ist.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2, 166 VwGO i.V.m. §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Klay Radke Dr. Menzel
7 B 772/04
BESCHLUSS
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Antragstellers und Beschwerdeführers,
Proz.-Bev.:
gegen
die Region Hannover - Fachbereich Soziales -
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Streitgegenstand: Sozialhilferecht
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - am 6. Mai 2004 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichter der 7. Kammer – vom 20. Februar 2004 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise geändert:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anord-nung verpflichtet, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat über-steigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe (z.B. Praxisgebühr, Zuzahlungen für Arznei- und Ver-bandmittel sowie für Heilmittel und zu stationären Maßnahmen, Fahrtkosten) in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - dar-lehensweise zu gewähren. Soweit der Antragsteller hilfebedürf-tig bleiben sollte, darf die Antragsgegnerin zur Rückzahlung des Darlehens ab dem der Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe folgenden Monat von der jewei-ligen monatlichen Hilfeleistung einen Betrag in Höhe von 2,96 € einbehalten.
Dem Antragsteller wird für beide Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit die Beschwerde Erfolg hat. Ihm wird insoweit Rechtsanwältin Willenborg aus Hannover beigeordnet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe und des Verfahrens wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Be-schwerdeverfahren werden nicht erstattet.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwal-tungsgerichts, durch den es die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffend Hilfe zum Lebensunterhalt - Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe – versagt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.
Der Antragsteller, der seit geraumer Zeit laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, be-kam Anfang 2003 einen Schlaganfall und leidet seither an einer Halbseitenschwäche. Aus diesen Gründen wurde ihm eine ergotherapeutische Behandlung zur Wiederherstellung der Arm- und Handfunktion – zuletzt am 16. Dezember 2003 für 10 motorisch-funktionelle Behandlungen - ärztlich verordnet. Seit Beginn des Jahres 2004 hat er diese Behandlung nicht mehr in Anspruch genommen. Der Antragsteller wird darüber hinaus seit 1980 ge-gen epileptische Anfälle medikamentös behandelt wird. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 hat der Antragsteller bei der für die Antragsgegnerin handelnden Landeshauptstadt Hannover die „Befreiung von der Praxisgebühr sowie der Zuzahlungen zu Medikamenten“ mit dem Hinweis beantragt, er sei chronisch krank und benötige regelmäßig Medikamente gegen Hypertonie und Epilepsie. Darüber hinaus leide er an den Folgen eines Schlagan-falles. Es sei ihm nicht zuzumuten, die Zuzahlungen vom Regelsatz zu begleichen. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 hat die Landeshauptstadt Hannover dem Antragstel-ler mitgeteilt, eine solche Befreiung könne sie nicht vornehmen. Hierfür sei die Kranken-kasse nach Erreichen der Belastungsgrenze zuständig. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Januar 2004 „Widerspruch“ erhoben und geltend gemacht, es sei ihm nicht zumutbar, Zuzahlungen für Medikamente, die Praxisgebühr, und ähnliche Kos-ten aus dem Regelsatz zu bestreiten. Er hat anschließend beim Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Er habe weder einen Anspruch auf Übernahme der Zuzahlungen nach dem SGB V im Wege einer Beihil-fe, noch einen Anspruch auf Gewährung eines höheren Regelsatzes. Außerdem sei ein Anspruch auf eine abweichende Bemessung des Regelsatzes wegen der Besonderheiten des Einzelfalles gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG abzulehnen, da die durch die Erweite-rung des Regelbedarfs um die Kosten bei Krankheit bewirkte faktische Regelsatzkürzung alle Sozialhilfeempfänger, die das Gesundheitssystem in Anspruch nähmen, treffe.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts legt der Senat gemäß §§ 88, 122 VwGO dahin aus, dass der Antragsteller die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - durch laufende oder einmalige Leistungen – hilfsweise als Darlehen - zu gewähren. Hiergegen spricht nicht der Umstand, dass der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift vom 26. Februar 2004 die Gewährung einer „einmaligen Beihil-fe“ beantragt hat. Aus seinem Beschwerdevorbringen wird deutlich, dass es ihm der Sa-che nach um die Verpflichtung der Antragsgegnerin geht, die Kosten bei Krankheit, vor-beugende und sonstige Hilfe in Höhe bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - zu übernehmen und zwar entweder durch laufende oder einmalige Leistungen.
Die so verstandene Beschwerde ist nach §§ 146 Abs. 1, Abs. 4, 147 VwGO zulässig, aber nur in dem sich aus den nachstehenden Ausführungen ergebenden Umfang begründet. Der Antragsteller hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, nämlich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anord-nungsgrundes, glaubhaft gemacht, soweit es die Gewährung von Hilfe zum Lebensunter-halt durch die darlehensweise Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat über-steigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweili-gen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - betrifft. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Der Antragsteller hat wegen des geltend gemachten Bedarfs keinen Anspruch auf Ge-währung von Leistungen nach den §§ 37, 38 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, ber. S. 2975), zuletzt geändert durch Art. 68 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022). § 37 Abs. 1 Satz 2 BSHG gibt in seiner aktuellen Fassung vor, dass die Rege-lungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V, die nach §§ 264 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB V i.V.m. §§ 61 und 62 SGB V Zuzahlungen der Versicherten bis zur Belas-tungsgrenze vorsehen, den Leistungen zur Hilfe bei Krankheit nach § 37 Satz 1 BSHG vorgehen. Vor diesem Hintergrund enthalten die §§ 37, 38 BSHG keine Grundlage für die Gewährung von Zuschüssen für von den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfassten Bedarf.
Der geltend gemachte Anspruch lässt sich in Form einer einmaligen Leistung auch nicht auf §§ 11, 21 Abs. 1a BSHG stützen. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung) vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515), zuletzt geändert durch Art. 29 GKV-Modernisierungsgesetz – GMG - vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) sieht – nunmehr - vor, dass die Regelsätze auch die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, so-weit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 dieses Gesetzes (gemeint: das Bundessozialhilfege-setz) übernommen werden, umfassen. Für einen Anspruch auf eine (zusätzliche) einmali-ge Leistung zur Ergänzung oder Aufstockung der laufenden Leistungen für den Fall, dass diese für die Deckung des Regelbedarfs – hier: Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe - nicht ausreichen, gibt es keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt (vgl. 12. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 09.03.2004 – 12 ME 64/04 -, BeckRS 2004, 21443 m.w.N.).
Es spricht jedoch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat übersteigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe (z.B. Praxisgebühr, Zuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel sowie für Heilmittel und zu stationären Maßnahmen, Fahrt-kosten) in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - als Darlehen hat.
Allerdings lässt sich dieser Anspruch – entgegen den Überlegungen des Verwaltungsge-richts Hannover (Beschl. v. 28.01.2004 - 7 B 432/04 -, BeckRS 2004, 20927) und des 12. Senats des erkennenden Gerichts (Beschl. v. 09.03.2004 – a.a.O.) – nicht auf § 15 a BSHG stützen. Nach dieser Vorschrift kann Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorausgegangenen („vorstehenden") Bestimmungen des BSHG die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Unter den Begriff „Sicherung der Unterkunft" fallen alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Hilfesuchenden vor Ob-dachlosigkeit zu bewahren, sei es durch Unterstützung bei der Erhaltung der derzeitigen, sei es durch Unterstützung bei der Anmietung und dem Bezug einer neuen Unterkunft (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.08.1992 - 6 S 1338/90 -, Juris m.w.N.; Birk in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 15a Rn 8 ff.). Um eine solche Hilfe geht es bei dem Antragsteller offen-sichtlich nicht. Es liegt auch eine „vergleichbare Notlage" nicht vor. Hierbei kann es nicht um irgendeine Notlage aus dem Lebensbereich des Hilfebedürftigen gehen, sondern nur um eine solche, die sich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lässt, mag sie sich auch nicht unmittelbar auf die Unterkunft selbst beziehen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 23.05.1990 – 6 S 339/90 -, Juris). Sie muss also den vor-handenen gegenständlichen Existenzbereich des Hilfebedürftigen betreffen, etwa seine Energieversorgung oder Wohnraumausstattung, der ihm auch durch die Übernahme von Schulden erhalten werden kann (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 15 a Rdnr. 8). Die Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe zählt hierzu jedoch nicht.
Einschlägige Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Übernahme dieser Kosten als Dar-lehen ist § 15 b BSHG. Nach dieser Vorschrift können Geldleistungen als Darlehen ge-währt werden, wenn laufende Leistungen zum Lebensunterhalt voraussichtlich nur für kurze Dauer zu gewähren sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Bei der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt handelt es sich - jeweils - um laufende Leis-tungen. Selbst wenn der von dem Antragsteller geltend gemachte Bedarf nur innerhalb eines Monats anfallen und damit einen einmaligen Akt der Hilfegewährung erfordern soll-te, führt dieser Umstand nicht zur Einordnung der hier fraglichen Hilfe zum Lebensunter-halt als eine einmalige Leistung. Die Abgrenzung zwischen laufenden und einmaligen Hilfen ist vielmehr nach der Art des Bedarfs aus der Sicht des Sozialhilfeträgers vorzu-nehmen. Dementsprechend sind unter laufenden Leistungen solche zu verstehen, die ihrer Natur und Zweckbestimmung nach mit gewisser Regelmäßigkeit wiederkehren (vgl. nur Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 21 Rdnr. 5) Da dies vor allem bei den durch den Regelsatz abgegoltenen Leistungen der Fall ist - wie hier -, ist die von der Antragsgegne-rin zu gewährende Hilfe als laufende Leistung anzusehen.
Der Antragsteller befindet sich auch in einer nur vorübergehenden Notlage als Vorausset-zung für die Anwendung des § 15 b BSHG. Dabei kommt für die Anwendung des § 15 b BSHG die Erwägung zum Tragen, dass ein Hilfeempfänger aus den ihm monatlich zu gewährenden Regelsatz lediglich – entsprechend dem Verhältnis eines Monats zu der Anzahl der Monate eines Jahres - 1/12 der maximalen Zuzahlung nach § 62 SGB V zu bestreiten hat. Der Bundesgesetzgeber hat nämlich in § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatz-verordnung lediglich festgelegt, dass die Regelsätze auch die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des BSHG übernommen werden, umfassen. Weitere Vorgaben enthält diese Vorschrift in diesem Zusammenhang nicht. Vor diesem Hintergrund legt der Senat § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung dahingehend aus, dass in dem monatlich zu gewährenden Re-gelsatz (vgl. zur Festsetzung der Regelsätze als monatliche Leistungen: Verordnung über die Festsetzung der Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz vom 25. Juni 2003
- Nds. GVBl. 15/2003 S. 221) lediglich 1/12 der maximalen Zuzahlung nach § 62 SGB V enthalten ist. Die in diesem Zusammenhang vom Hilfeempfänger zu tragenden Belastun-gen sind - mit anderen Worten - auf die in einem Jahr zu gewährenden 12 Regelsätze aufzuteilen. Für diese Auslegung sprechen insbesondere Gedanken, die der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußert hat. Aus der Begründung des Ge-setzgebers zur Änderung des § 38 BSHG wird deutlich, dass offensichtlich auch der Ge-setzgeber die Härten für einen Hilfeempfänger im Blick hatte, die dadurch entstehen, dass dieser in einem kurzen Zeitraum Zuzahlungen in Zusammenhang mit den Kosten bei Krankheit bis zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V aufzubringen hat. So heißt es in der Begründung zu Artikel 28 Buchstabe c des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (BT-Drs. 15/1525 S. 167):
„Auf Grund der Neuregelung der Zuzahlungen und Belastungsgrenzen für Sozialhilfeempfänger im Neunten Abschnitt des SGB V musste § 38 Abs. 2 BSHG gestrichen werden. Damit werden Sozialhilfeempfänger bei den Zu-zahlungen des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt. Sollte die Belastungsgrenze nach § 62 SGB V in Einzelfällen innerhalb eines kurzen Zeitraumes erreicht werden, können Sozialhilfeträ-ger Kosten darlehensweise übernehmen.“
Vor diesem Hintergrund hat der Antragsteller eine Bedürftigkeit in Höhe der den monatli-chen Betrag von 2,96 € übersteigenden Kosten für die Zuzahlung in Zusammenhang mit Anschaffung von Medikamenten, für das Bezahlen der Praxisgebühr sowie die Zuzahlung für Heilmittel glaubhaft gemacht. Dabei lässt sich die Grenze von 2,96 € aus der Regelung hinsichtlich der Belastungsgrenze - § 62 SGB V – herleiten. Die Belastungsgrenze, d.h. die maximale Höhe der Zuzahlungen im Kalenderjahr, ist in Abs. 1 dieser Vorschrift gere-gelt und beträgt 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Für den in § 264 SGB V genannten Personenkreis sieht § 62 Abs. 2 Satz 5 SGB V vor, dass als Bruttoeinnahmen zum Le-bensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvor-standes nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) maßgeblich ist. Das bedeutet, dass Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt jährlich einen Eigenanteil in Höhe von 2 %, chronisch Kranke einen Eigenanteil von 1 % des Zwölffachen des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes als Zuzahlung aufbringen müs-sen. Bei dem derzeitigen Regelsatz für einen Haushaltsvorstand in Höhe von 296, € monatlich ist die Belastungsgrenze daher von einem Jahresbetrag von 3.552, € zu be-rechnen. Hiervon ausgehend ist die vom Antragsteller monatlich aus dem Regelsatz auf-zubringende Zuzahlung auf 2,96 € zu begrenzen. Sein Eigenanteil beträgt 35,52 € jährlich - 1 % von 3.552, € -, da er – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – chronisch krank ist. Ein Zwölftel dieses jährlichen Eigenanteils – 2,96 € - ist mithin der Betrag, der von ihm monatlich zu bestreiten ist.
Die Bedürftigkeit ist hier auch nur von kurzer Dauer, da der fragliche Bedarf im Monat der fälligen Zuzahlung anfällt und damit einen Zeitraum von sechs Monaten nicht überschrei-tet (vgl. zu dieser zeitlichen Grenze: Senat, Urt. v. 22.08.1990 – 4 OVG A 112/88 -, V.n.b.; 12. Senat des erkennenden Gerichts, Urt. v. 10.11.1997 – 12 L 878/97 -, FEVS 48, 469; VGH Mannheim, Urt. v. 22.01.1992 – 6 S 3004/90 -, NVwZ-RR 1992, 634 m.w.N.).
Der Antragsteller hat auch die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Regelung (den Anordnungsgrund) hinreichend glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere durch Vorlage von ärztlichen Attesten belegt, dass er auf die Fortsetzung der ergotherapeutischen Be-handlung zur Wiederherstellung der Arm- und Handfunktion und auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen ist. Darüber hinaus hat der Antragsteller – durch Vorlage ei-ner Stellungnahme der ihn betreuenden Einrichtung („Karl-Lemmers-Haus e.V.“) - glaub-haft gemacht, dass er seit Anfang des Jahres keine ärztlichen Leistungen in Anspruch und keine Medikamente angeschafft hat. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller in diesem Kalenderjahr noch keine Zuzahlungen geleistet hat und damit in Kürze solche Zahlungen anstehen.
Zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens hält es der Senat – in Ausübung der bei vorläufigen Maßnahmen bestehenden richterlichen Gestaltungsbefugnis (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) – für angezeigt, der Antragsgegnerin gleichzeitig mit der Verpflichtung, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt durch Übernahme der - den Betrag von 2,96 € im Monat übersteigenden - Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe in Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages bis zur Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V – 35,52 € - darlehensweise zu gewähren, das Recht an die Hand zu geben, auf der Grundlage dieser Entscheidung die Rückzahlung des Darlehens zu ver-langen. Hierbei nimmt der Senat in den Blick, dass es dem Sozialhilfeträger im Falle einer Darlehensgewährung nach § 15 b BSHG frei steht, die Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Leistungen durch Verwaltungsakt zu begründen (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 14.05.1987 – 6 B 34.86 -, FEVS 37, 195). Das Darlehen kann dann unter gleichzeitiger Auferlegung einer Rückzahlungsverpflichtung geleistet werden, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt abzusehen ist, dass diese Notlage zum Zeitpunkt der Rückzahlung nicht mehr besteht und dass der Darlehensnehmer durch die von ihm geforderte Rückzahlung nicht erneut in eine Notlage gerät. Zur Vermeidung einer solchen Lage muss der Sozialhilfeträ-ger gegebenenfalls durch die Einräumung von Ratenzahlungen Rechnung tragen.
An diesen Voraussetzungen gemessen ist der Antragsgegnerin – für den Fall, dass der Antragsteller hilfebedürftig bleiben sollte - das Recht einzuräumen, zur – ratenweisen - Rückzahlung des Darlehens einen Betrag in Höhe von 2,96 € von der jeweiligen monatli-chen Hilfeleistung des Antragstellers in den der – jeweiligen - Übernahme der Kosten bei Krankheit, vorbeugende und sonstige Hilfe folgenden Monaten einzubehalten. Die maxi-malen Zuzahlungen nach § 62 SGB V pro Kalenderjahr sind aus den oben genannten Gründen zu 1/12 in dem monatlichen Regelsatz enthalten mit der Folge, dass bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt die – hieraus abzuleitende - Höhe der dem Antragsteller zumut-baren monatlichen Rate feststeht. Vor diesem Hintergrund sind rechtliche Hinderungs-gründe nicht ersichtlich, der Antragsgegnerin mit dieser einstweiligen Anordnung gleich-zeitig das Recht zu vermitteln, bei den Sozialhilfeleistungen an den Antragsteller in den der Gewährung des Darlehens folgenden Monaten genau den Betrag einzubehalten, der im Regelsatz für Leistungen bei Krankheit vorgesehen ist - 1/12 von 35,52 € -.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Beschwerde des Antragstel-lers gegen den - Prozesskostenhilfe versagenden - Beschluss des Verwaltungsgerichts und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren in dem jeweils aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet sind, weil in-soweit die gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO notwendige Erfolgsaussicht aus den oben angeführten Gründen lediglich zu einem Teil gegeben ist.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2, 166 VwGO i.V.m. §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Klay Radke Dr. Menzel