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BMAS legt Entwurf der SGB II - Erreichbarkeitsverordnung vor
Das BMAS hat einen Entwurf der SGB II-Erreichbarkeitsverordnung vorgelegt, diese soll dann den Namen "ErrV" erhalten. Zunächst hatten wir hier geschrieben, dass diese Verordnung ohne vorherige Verbändeanhörung erlassen wird. Das ist falsch, sie wurde sehr wohl den Verbänden mit einer kurzfristigen Stellungnahmefrist vorgelegt, nur nicht dem Verein Tacheles.
Solche Anhörungen gab es in den letzten Jahren immer im Vorfeld von relevanten SGB II/SGB XII - Änderungen. Bei den Änderungen um die Erreichbarkeitsverordnung gab es die Aufforderung zur Stellungnahme nicht. Entweder ein Organisationsversagen oder ein Indiz dafür, dass sachkundige Kritik und auch Anregung nicht gewünscht sind.
Hier mal im Kurzformat einige Stichpunkte zu den geplanten Regelungen.
Es gibt einige sinnvolle Regelungen:
- Wegfall der persönlichen postalischen Erreichbarkeit
Bisher war werktägliche und persönliche postalische Erreichbarkeit gefordert, nunmehr reicht die „werktägliche Möglichkeit der Kenntnisnahme“ von Jobcentermitteilungen. Das bedeutet: die postalische Erreichbarkeit ist erfüllt, wenn Jobcenterpost von Dritten an die Leistungsbeziehenden zB per Messager weitergeleitet wird. Das wird vielen wohnungslosen Menschen das Leben deutlich erleichtern (§ 2 Abs. 1 ErrV -E). - Ausweitung des orts- und zeitnahen Bereichs
Die Residenzpflicht bzw. der auswärtige Aufenthalt von erwerbsfähigen SGB II - Leistungen beziehenden Menschen wird von bisher „insgesamt 2,5 Stunden für den Hin- und Rückweg“ (FW 7, Rn.133) auf regelmäßig 2,5 Stunden Weg einfache Strecke erweitert (§ 1 Abs. 2 ErrV -E). - Weitere wichtige Gründe für Unerreichbarkeit Leistungsbeziehender
In Ergänzung zu den Regelungen in § 7b Absatz 2 S. 1 SGB II (in der Fassung ab 1.7.2023) werden in der Verordnung weitere wichtige Gründe ausgeführt: „Geburt eines Kindes oder bei Pflege zu unterstützen, oder im Todesfall eines Angehörigen“ (§ 3 S. 2 ErrV -E).
Anmerkung dazu: Warum das nur auf den Personenkreis der „Angehörigen im Sinne von § 16 Abs. 5 SGB X“ beschränkt wird, ist nicht nachvollziehbar und warum auch nur „wenn dies „die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt“ ist die max. restriktivste Auslegungsform, da beispielsweise Angehörige die Kinder gebären oder auch sterben, auch wenn es der Eingliederung entgegensteht.
Weniger sinnvolle Regelungen:
- Keine Regelung darüber, wann das Jobcenter die Zustimmung über die Nichterreichbarkeit zu geben hat
In § 7 Abs. 1 S. 2 ErrV-E wird geregelt, dass „die Zustimmung zur Nichterreichbarkeit frühestens drei Monate im Voraus erteilt werden kann“, später wird geregelt das die Zustimmung nur erteilen ist, wenn durch die Abwesenheit die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 7 Abs. 2 S. 1 ErrV-E).
In dieser Regelung fehlt ein Anspruch auf Zustimmungserteilung. SGB II – Leistungsbeziehende sind von der Willkür der Integrationsfachkräfte abhängig. In der Realität wird vielmals gesagt: „eine Entscheidung könnte allenfalls 5 Tage vorher getroffen werden“. Der fehlende Anspruch auf eine zeitnahe Entscheidung und damit die Möglichkeit langfristig Urlaub zu planen und kostengünstig zu buchen entfällt dadurch.
Leistungsberechtigte sind damit möglicher und nicht nötiger Willkür und faktischen Sanktionen ausgesetzt. Denn bei Ortsabwesenheit ohne Zustimmung entfällt für diesen Zeitraum komplett der Leistungsanspruch, dh. keine Regelleistung, keine Miete, keine Krankenkasse. Hier muss dringend nachgebessert werden!
Download: Entwurf der SGB II-Erreichbarkeitsverordnung
Erklärung: das Zeichen -E bedeutet, dass es sich bisher nur um einen Entwurf für die Verordnung handelt, daher muss das so gesondert markiert werden.
Harald Thomé Tacheles – Redaktion