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Befreiung vom Eigenanteil für Lernmittel und Schulfahrten für Hartz -IV Bezieher in NRW gestrichen



Bisherige Regelung:
Nach § 7 Schulfinanzgesetz und § 2 Lernmittelfreiheitsgesetz waren in NRW bis Ende 2004 Sozialhilfebezieher von den Eigenanteilen für Lernmittel und Schulfahrten für ihre schulpflichtigen Kinder befreit. Alleine die Eigenanteile für Lernmittel liegen zwischen 17.64 EUR und 38,22 EUR.

Neue Regel:
Nach §§ 96, 97 Schulgesetz NRW vom 27.1.2005 gilt nun, dass nur noch Schüler, die Leistungen nach SGB XII beziehen, von dieser Zuzahlung befreit werden - wohl wissend, dass es damit praktisch keine Anspruchsberechtigten mehr gibt. Arbeitslosengeld II -Bezieher, in deren Haushalten nahezu alle der betroffenen Kinder wohnen, sollen diese Kosten aus dem Existenzminimum übernehmen, obwohl ihre Kinder nach SGB II keine höheren Regelleistungen bekommen als nach SGB XII und obwohl insgesamt die Regelsätze für Kinder ab 7 Jahren gegenüber den Regelsätzen der Sozialhilfe schon, durch die Regelsatzverordnung der rot-grünen Bundesregierung um 5 - 10% abgesenkt worden, sind. Die Befreiung, die jetzt noch notwendiger wäre, als für die ehemaligen Sozialhilfebezieher, ist damit parallel zur Hartz IV Reform gestrichen worden.

Hintergrund der Regelung ist, dass sich durch die vielen ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher, die jetzt genauso arm sind wie die Sozialhilfebezieher, der Kreis der Berechtigten erweitert hat und dass weder das Land und noch die Kommunen, Mehrbelastungen als Folge der von ihnen ja ansonsten politisch befürworteten zunehmenden Verarmung übernehmen wollen.

Nur ehemalige Sozialhilfebezieher sind aus Gründen des Vertrauensschutzes nach einer Übergangsregel in § 132 Abs.9 Schulgesetz NRW bis Ablauf des Schuljahres 2006 weiter befreit, und merken deshalb die Folgen der Hartz - Gesetzgebung noch nicht direkt (sollen es vielleicht auch nicht, damit sich kein Protest zu Beginn des nächsten Schuljahres regt). In dieser Übergangszeit findet deshalb zusätzlich eine Ungleichbehandlung unter den Arbeitslosengeld II- Empfängern statt.

Zu fordern, ist die vollständige Befreiung aller Leistungsbezieher nach SGB II von den Eigenanteilen.

Sie sollten trotz der gesetzlichen Regel Freistellung beantragen und Musterklagen vorbereiten, denn es gibt keinen sachlichen Grund, sie anders zu behandeln als Berechtigte nach SGB XII.

Vermutlich gibt es in anderen Bundesländern ähnliche Entwicklungen. Es ist immer mehr zu beobachten, dass Kommunen und Länder "Hartz IV" zum Anlass nehmen, wichtige soziale Vergünstigungen für Niedrigeinkommensbezieher (z.B. verbilligte Tickets in. öffentlichen Nahverkehr, Ermäßigungen bei der Benutzung von städtischen Einrichtungen) zu streichen und damit die finanziell angespannte Lage dieser Menschen noch weiter verschärfen.

Lesen Sie dazu auch den Hintergrund.

Tacheles Online Redaktion
Harald Thomé

Hintergrund:
Auswirkungen der Hartz-Gesetze bei Lernmittelfreiheit und Schülerfahrtkosten



Aus: Schule heute 2/2005



Das in weiten Teilen am 01.01.2005 in Kraft getretene "Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (SGB) ordnet das Sozialhilferecht vollständig in ein neu geschaffenes SGB XII ein und sieht gemeinsam mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV)", das ebenfalls mit Wirkung zum 01.01.2005 in Kraft getreten ist, zahlreiche Umgestaltungen im Recht der Sozialhilfe vor.

Im Schulbereich betroffen sind hiervon die Bereiche der Lernmittelfreiheit und der Schülerfahrkosten. Die derzeit noch gültigen § 57 Abs. 1 Schulfinanzgesetz (SchFG) und § 2 Abs. 2 Lernmittelfreiheitsgesetz (LMFG) legen fest, dass die dortigen Eigenanteile für Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entfallen. Diese Regelungen können unproblematisch auf Personen übertragen werden, die Ansprüche auf Hilfe zum Lebens-unterhalt gemäß § 27 ff SGB XII haben. Diese betreffen allerdings mir Sozialhilfe-Empfänger, die als nicht erwerbsfähig eingestuft werden. Bisherige Sozialhilfeempfänger, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, erhalten seit dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II.

Die Frage der Festlegung des Kreises der künftig von der Zahlung eines Eigenanteils zu Lernmittelkosten und/oder Schülerfahrtkosten Befreiten ist bislang nicht endgültig geklärt. Eine Einbeziehung der Empfänger von Arbeitslosengeld II würde eine erhebliche Ausweitung des Kreises der Berechtigter bedeuten, da Arbeitslosengeld II auch Personen erhalten, die bislang nicht von der Zahlung der Eigenanteile befreit waren (Arbeitslosenhilfeempfänger, die keine ergänzende Sozialhilfe erhalten haben). Zwischen dem Ministerium für Schule, Jugendliche und Kinder (MSJK) und den kommunalen Spitzenverbänden finden derzeit Gespräche über die zukünftige Ausgestaltung der Bestimmungen statt. Aus kommunaler Sicht erscheint dabei wichtig, im Falle einer Ausweitung des Kreises der Berechtigten das Konnexitätsprinzip zu beachten und Mehrbelastungen der Kommunen durch das Land auszugleichen.

Das vom Landtag am 27.01.2005 verabschiedete Schulgesetz (SchuIG) sieht in § 96 Abs. 3 (Lernmittelfreiheit) und Abs. 3 (Schülerfahrkosten) die Befreiung von Schüler(n)/-innen von der Zahlung des Eigenanteils im Falle des Bezugs von Leistungen nach dem SGS XII vor. Angesichts der bislang ungeklärten künftigen Regelung wurde in § 132 Abs. 9 SchulG eine Übergangsregelung aufgenommen. Diese sieht vor, dass für Schüler/-innen, die wegen des Empfangs von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG von der Zahlung des Eigenanteils befreit waren und nun Leistungen nach Abschnitt 2 des SGB II erhalten, die Befreiung bis zum Ablauf des Schuljahres 2005/2006 gilt. Im Klartext bedeutet dies, dass den bisher von der Zahlung des Eigenanteils befreiten Schüler(n)/-innen über das laufende Schuljahr hinaus bis zum Ende des Schuljahres 2005/06 Bestandsschutz gewährt wird, während in diesem Zeitraum neu hinzukommende SGB Il- Leistungsempfänger ausgeschlossen werden.

Die kommunalen Spitzenverbände halten diese im Schulgesetz getroffene Regelung für problematisch. Eine Übergangsregelung für das laufende Schuljahr, also bis zum 31.01.2005, erscheint rechtlich zulässig. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte es verfassungsrechtlich vertretbar sein, wegen des noch laufenden Schuljahres einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung anzunehmen. Eine darüber hinausreichende Übergangsregelung ist nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände jedoch nicht mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar und auch sachlich nicht zu rechtfertigen. Es steht daher zu befürchten, dass es Klagen von Betroffenen geben wird, die sich gegen die Kommunen richten. Die kommunalen Spitzenverbände werden daher darauf drängen, dass baldmöglichst eine endgültige, Rechtssicherheit schaffende, Regelung im Schulgesetz verankert wird.

Klaus Hebborn
Hauptreferent Städtetag NRW



Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - Nr. 8 vom 15. März 2005

§ 132 Übergangsvorschriften

Abs. 9)

Für Schülerinnen und Schüler, die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Lernmittelfreiheitsgesetz (§ 130 Abs. 1 Nr. 6) oder § 7 Abs. 1 Satz 4 Schulfinanzgesetz ( § 130 Abs. 1 Nr. 5 im Schuljahr 2004/2005 wegen des Empfangs von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz von der Zahlung des Eigenanteils befrei waren und nun Leistungen nach Abschnitt 2 des SGB II erhalten, gilt die Befreiung bis zum Ablauf des Schuljahres 2005/2006 fort.

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