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Bedrohlicher Anstieg der Hartz-IV-Sanktionen in Wuppertal

In den ersten neun Monaten des Jahrs 2014 verhängte das Jobcenter Wuppertal 5.456 Sanktionen gegen Leistungsberechtigte. Die Sanktionsquote, also die Zahl der Sanktionen im Verhältnis zur Gesamtzahlt der erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden, lag seit Sommer 2014 mehr als 1 % über dem Landesdurchschnitt und hat sich seit 2012 um durchschnittlich 1,2 % erhöht.

In den ersten 9 Monaten des Jahres 2014 lag die Sanktionsquote bei durchschnittlich 3,5 %, wobei sie in den zuletzt erhobenen vier Monaten Juni bis September auf 4,1 % anstieg. Da für die drei letzten Monate 2014 ein weiterer Anstieg zu erwarten ist, ist 2014 mit einer noch höheren Gesamtquote zu rechnen. Im Vergleichszeitraum 2014 lag die mittlere Quote bezogen auf ganz NRW bei 3 %. 2012, dem ersten Jahr nach der Umwandlung des Jobcenters in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) unter Verantwortung der Stadt Wuppertal, lag die Sanktionsquote noch bei 2,3 % und deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Tacheles e.V. führt den deutlichen Anstieg auf eine härtere Gangart des Jobcenter gegenüber den Leistungsberechtigten zurück und fordert die Verwaltung auf, die Vorgaben an die Mitarbeiter/innen zu lockern.

„Das Jobcenter Wuppertal mutiert offensichtlich zum Mobbing-Center“ kommentiert Harald Thomé vom Verein Tacheles diese Entwicklung. „Es gibt nur noch zwei Jobcenter in NRW, die mehr Strafen verhängen als die Wuppertaler Anstalt.“ Sanktionen, die das Existenzminimum erheblich unterschreiten und auch vor den Mietkosten nicht Halt machen, laufen über drei Monate und führen bei Betroffenen oft in die Schuldenfalle. „Wer nicht genug Geld für das Nötigste hat, kann weder Miete zahlen noch Strom- oder Telefonrechnung“, erklärt Thome. „Viele sind gezwungen, sich bei Bekannten Geld zu borgen, schlimmstenfalls fällt der Krankenversicherungsschutz weg und es laufen Beitragsschulden auf.“ Der Verein Tacheles lehnt Hartz-IV-Sanktionen generell ab und hält sie in Teilen für verfassungswidrig.

Dabei lässt die Wuppertaler Arbeitslosenverwaltung bei der Entscheidung über den Entzug der Leistung zum Lebensunterhalt nicht einmal ein Mindestmaß an Sorgfalt walten. Die Wuppertaler Sanktionen werden mittels Multiple-Choice-Bescheid zum Ankreuzen beschieden. Das bedeutet, Art der Pflichtverletzung, Umstände, sowie Dauer und Höhe der Sanktion werden lediglich angekreuzt. Die geforderte Einzelfallbetrachtung wird damit zur Face. „Der Wuppertaler Multiple-Choice-Sanktionsbescheid dürfte den formellen Anforderungen in Bezug auf die geforderte Begründung eines Verwaltungsaktes nicht gerecht werden“, moniert Thomé. „Viel schlimmer aber ist, dass die aktuelle Praxis auf eine Geschäftspolitik des Wuppertaler Jobcenter hindeutet, die anstatt individuell zu fördern, Arbeitslose zuhauf aus dem Leistungsbezug hinausbefördert.“

Nach Erfahrungen von Tacheles e.V. sind ein beträchtlicher Teil der Sanktionen formal rechtswidrig oder mangelhaft begründet. Daher ist es bedauerlich, dass weniger als 1 % der in den ersten neun Monaten 2014 durch das Jobcenter sanktionierten Leistungsberechtigten die Sozialberatung des Vereins aufsuchen. Mittels Widerspruch und Klage können Sanktionsbescheide erfolgversprechend angegriffen werden. Der Verein ermutigt daher die Betroffenen, sich gegen die ausufernde Sanktionspraxis des Jobcenter zur Wehr zu setzen.

Hintergrund:





13.02.2015 Update:  

Jobcenterleiter Thomas Lenz in Radio Wuppertal vom 13.02.2015 dazu

Viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger

Das Jobcenter Wuppertal bestätigt, vergleichsweise viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger zu verhängen. Der Sozialhilfeverein Tacheles hatte das kritisiert. Jobcenter-Chef Thomas Lenz dagegen sieht in der hohen Quote einen Beleg für die gute Arbeit in seinem Haus. In Wuppertal ist das Jobcenter sehr um die Hartz-IV-Empfänger bemüht, sagt Lenz und belegt das mit Zahlen. So könne man fast 28 Prozent der Kunden Angebote wie Umschulungen anbieten, viele vermittele man auch in richtige Jobs. Im NRW- und Bundesschnitt liege die Zahl unter zehn Prozent. Weil das Wuppertaler Jobcenter sich wirklich um die Kunden kümmere, falle auch auf, wenn sich jemand jeder Hilfestellung entzieht, sagt Lenz. So käme es zu den Sanktionen. Die würden aber erst fällig, wenn ein Kunde jede Art der Beratung mehrfach ablehne.

21.02.2015 Update:

Jobcenterleiter Thomas Lenz in der Wuppertaler Rundschau vom 21.02.2015 dazu

Hier nun der gescannte Artikel aus der WR dazu   

Leserbriefe dazu 28.02.2015

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