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ALG II-Regelsatz deckt Stromkosten nur teilweise

In dem vom Sozialgericht Frankfurt entschiedenen Fall erhielt ein ALG II-Empfänger neben dem Regelsatz Leistungen für Unterkunft und Heizung von rund 570 Euro. Diese Summe enthielt neben der Kaltmiete auch die Abschlagszahlung für Heizkosten. Die anfallende Strompauschale von monatlich 41 Euro wollte das Job-Center nicht übernehmen.

Das Sozialgericht Frankfurt hat hier eine weitreichende Entscheidung getroffen: die den Betrag von 20,74 Euro übersteigenden Stromkosten sind von den Leistungsträgern als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II zu gewähren; im vorliegenden Fall also ein Betrag in Höhe von 20,26 Euro.

Im monatlichen Eckregelsatz von 345 Euro seien lediglich 8 % für Haushaltsenergiekosten der Wohnung vorgesehen, so das Gericht. Der darüber hinaus gehende Bedarf für die Stromversorgung müsse daher zu den Kosten der Unterkunft gezählt werden.

Kosten der Unterkunft, also etwa laufende Leistungen für Miete, sind von Seiten der Leistungsverpflichteten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu erbringen, allerdings, so der Zusatz im Gesetzestext, dass diese Leistungen „angemessen” sein müssen. Die Mietnebenkosten gehören generell zu den Leistungen für Unterkunft und Teile der Stromkosten zählen nach diesem Urteil zumindest teilweise dazu.

Der Leitsatz des Urteils lautet wörtlich: „In der monatlichen Regelleistung von 345,- Euro sind Stromkosten bis zur Höhe von 20,74 Euro enthalten. Der diesen Betrag übersteigende Stromabschlag ist als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zu gewähren."

Demnach müssen auch Stromnachzahlungen, die sich aufgrund dieser Eckregelsatzregelung ergeben, entgegen der jetzigen Bearbeitungsweise der ALG-II -Leistungsträger nicht als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausgeglichen, sondern als Kosten der Unterkunft, die in „angemessener Höhe” vom Amt übernommen werden müssen, abgegolten werden !

Das Urteil ist rechtskräftig, eine Berufung wurde nicht zugelassen.

Landessozialgericht des Freistaates Sachsen, Urteil vom 29.03.2007, AZ. L 3 AS 101/06



Das Sächsische Landessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 29. März die Auffassung vertreten, dass die bisher vom Leistungsträger vom ALG II-Regelsatz vorgenommenen Abzüge für die Warmwasserbereitung in Höhe von 8,18 Euro für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft und 3,58 Euro für jede weitere Person nicht gerechtfertigt sind.

Das Gericht begründete den Wechsel seiner eigenen Rechtsprechung insbesondere damit, dass es unter anderem mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren sei, wenn den Hilfebedürftigen auferlegt wird, die Wassererwärmungskosten aus der Regelleistung zu bestreiten. Mit einer umfassenden und fundiert angelegten Berechnung hat das Gericht nachgewiesen, dass im Regelsatz ein solcher Bedarfsanteil pauschaliert nicht mehr enthalten sein kann.

Das Sächsische LSG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zugelassen.

Energiekosten führen zur Unterschreitung des Existenzminimums



Seit 2002 sind die Ausgaben für Heizung und Warmwasser kontinuierlich um mehr als 30 % gestiegen. Diese Kostenexplosion hat ihren Grund in den weltweit gestiegenen Öl- und Gaspreisen. Die Erwartung steigender Strompreise in Deutschland dürfte mit den Erwartungen zur Gaspreisentwicklung zusammen hängen. Letztere ist eine wichtige Determinante des Strompreises, die eher vom Geschehen auf den internationalen Märkten abhängt. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass diese stagnieren, so dass mit weiter ansteigenden Kosten für Energie zu rechnen ist. Die Kosten für Haushaltsenergie sind in den Regelsätzen enthalten. Die Regelsätze sind jedoch in Höhe der Steigerung der Kosten für Strom jahrelang nicht angepasst worden.

Die vorliegenden Urteile des Sozialgerichts Frankfurt und des Sächsischen Landessozialgerichts bestätigen eindeutig, dass die Regelleistungen nicht bedarfsdeckend sind. Das betrifft beim Regelsatz nicht nur die Anteile für Haushaltsenergie.

Hinzu kommt, dass mit Hartz IV die zuvor nicht klar zu bestimmenden Bedarfsanteile für einmalige Beihilfen auf niedrigem Niveau pauschaliert wurden. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des SGB II und anderer Gesetze hat der Gesetzgeber schließlich unmissverständlich klargestellt, dass eine abweichende Erbringung von Leistungen aufgrund untypischer Bedarfslagen ausgeschlossen ist. Dies wurde durch entsprechende Ergänzungen der §§ 3 Abs. 3 und 23 Abs. 1 Satz 4 ins SGB II aufgenommen.

Ungeachtet der gesetzlichen Entwicklung stellten die Gerichte übereinstimmend fest, dass das Existenzminimum des Einzelnen unterschritten wird, wenn die Stromkosten auch aus dem Regelsatz zu 100 % bestritten werden müssen.

In dem Urteil des Landesozialgesichts Sachsen wird zudem angeführt, dass gerade Leistungsempfänger regelmäßig ältere Elektrogeräte besitzen, welche eben nicht effizient betrieben werden können. Auch gilt bei der Berechnung der Stromkosten, dass Erwerbslose durchschnittlich 22 Stunden und Erwerbstätige „nur” durchschnittlich 14 Stunden zu Hause sind, so dass sich schon durch den Umstand des täglich längeren Aufhaltens in der Wohnstätte ein höherer Verbrauch ergibt.

Energiekosten: im Regelsatz jahrelang gedeckelt



In ihrem Aufsatz „Allein der notwendige Anteil für Energiekosten im Regelsatz für 2006 war um ca. 150 Euro zu niedrig” (info also 2/2007, Seite 61 ff.) rechnet Frau Prof. Dr. jur. Helga Spindler von der Universität Duisburg-Essen unter Berücksichtigung der Entwicklung der vergangenen Jahre das Maß der Unterdeckung von Beziehern von Sozialleistungen vor. Die Kosten der Haushaltsenergie sind als Anteil des notwendigen Existenzminimums im Regelsatz enthalten. Dies gilt auch für den Anteil an Warmwasserbereitungskosten. Heizkosten gehören jedoch nicht dazu. Kompliziert werde es dann, so die Autorin, wenn das Warmwasser über die zentrale Heizanlage erwärmt oder umgekehrt, die Heizung durch den Haushaltsstrom oder die Gastherme des Haushaltes mit betrieben wird.

Prof. Spindler erklärt, wie der Energiekostenanteil für den Regelsatz 1990 ermittelt worden sei. Dazu habe man Haushaltskunden befragt und anhand der Durchschnittspreise der Energieversorger hochgerechnet. In den Folgejahren sei der Energiekostenanteil dann fortgeschrieben worden. Durch die Regelsatzstrukturänderung 1998 sei allerdings ganz versteckt, was auch ihr zunächst nicht aufgefallen sei, der Energiekostenanteil um 7,47 Euro gekürzt worden. Die Einzelheiten dieser Bemessung stellt die Verfasserin ausführlich dar. Im Jahr 2007 sei bei der gesamtdeutschen Bemessung der Regelleistung zwar der Energieanteil von 20,74 auf 21,75 Euro angehoben, gleichzeitig sei aber in der gleichen Verbrauchsabteilung der Anteil für Reparaturen und Instandhaltung auf 2,74 Euro abgesenkt worden

Seit 2003 sei dann keine Anpassung des Existenzminimums an die Lebenshaltungskosten mehr erfolgt. Tatsächlich habe aber 1998 bis 2006 eine Steigerung der Energiepreise um 26,8 % stattgefunden.

Damit müsste der Energiekostenanteil 2006 33,36 Euro betragen. Es bestehe eine Unterdeckung von 12,62 Euro monatlich bzw. 151,44 Euro jährlich. Dies gelte nur für den Einpersonenhaushalt. Ab einem Dreipersonenhaushalt wachse die Unterdeckung auf das Doppelte oder mehr an. Die 1990 ermittelten und als notwendig anerkannten Verbrauchsmengen führt Frau Prof. Spindler in ihrem Artikel ebenfalls auf. Sie seien innerhalb einer Spanne zwischen 1.500 und 1.900 kW/h pro Jahr angesiedelt, ein Verbrauch, den die Verbraucherzentrale NRW im Jahr 2003 von „phantastisch” bis „gut” einstufte, der allerdings für Leistungsbezieher mit veralteten Elektrogeräten wohl eher mit dem Adjektiv „utopisch” umschrieben werden kann. Legt man den aktuellen Regelsatzanteil für Strom zugrunde, können Leistungsbezieher sich dafür in Frankfurt am Main gerade mal 1.058 kW/h bis 1.108 kW/h Strom im Jahr „leisten”.

Helga Spindler empfiehlt bei bereits angefallenen Stromschulden, die Übernahme als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II zu beantragen, oder im Fall einer drohenden Energiesperre, die Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II. Zudem sei zu prüfen, ob die geleisteten Darlehen nicht nach § 44 SGB II in eine Beihilfe umgewandelt werden könnten – zumindest so lange, bis die Regelleistung nicht adäquat angehoben werde.

Wie hoch ist der Stromverbrauch?



Die folgenden Aufstellungen und Daten sind gemäß Quellenangaben im Internet abrufbar.1

Durchschnittlicher Stromverbrauch im Haushalt pro Jahr nach Haushaltsgrößen in Deutschland:



Einpersonen-Haushaltetwa 1.600 kWh
Zweipersonen-Haushaltetwa 2.800 kWh
Dreipersonen-Haushaltetwa 3.900 kWh
Vierpersonen-Haushaltetwa 4.500 kWh
Fünf- oder mehr Personenetwa 5.300 kWh
Quelle: VDEW


Verteilung des Stromverbrauchs von Haushaltsgeräten und Beleuchtung in einem Durchschnittshaushalt:



Kühl- und Gefriergeräte24 %
Kleingeräte für Haushalt und Pflege24 %
Beleuchtung19 %
Gargeräte12 %
Unterhaltungselektronik, Computer7 %
Wäschetrockner6 %
Waschmaschinen4 %
Geschirrspülmaschinen4 %
Quelle: HEA


Um den etwas pauschal gehaltenen Durchschnittsverbrauch nach VDEW ein wenig näher zu „beleuchten”, kann mit Hilfe untenstehender Tabelle der Einfluss von Warmwassererwärmung, Waschen/Trocken und elektrischem Kochen verglichen werden:

Durchschnittlicher Stromverbrauch

Energiesparende Neugeräte für ALG II-Beziehende zu teuer



Über 40 Prozent des Stromverbrauchs im Haushalt entfallen auf Geräte wie Kühl- und Gefrierschränke, Waschmaschinen sowie Fernseher und Computer. Der Kauf moderner Geräte und ihr effizienter Einsatz bieten deshalb ein erhebliches Sparpotenzial. Darauf machten der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Berlin, und der Fachverband für Energiemarketing und -Anwendung (HEA) anlässlich des bundesweiten „Tag des Energiesparens" am 5. März aufmerksam. Rund 80 Prozent der auf dem Markt verfügbaren Kühlschränke gehören schon zur sparsamen Effizienzklasse A. Wer ein Gerät der Klasse A+ erwirbt, senkt damit den Stromverbrauch nochmals um etwa 25 Prozent, teilt der VDEW mit.

Energiebewusste Verbraucher könnten, so der VDEW in der hier zitierten Pressemitteilung2, ihre Stromrechnung weiter entlasten: Eine neue Waschmaschine verbraucht heute im 60°-Programm ein Drittel weniger Strom als ein zehn Jahre altes Modell. Jede gesparte Kilowattstunde bedeutet nach VDEW-Angaben im Bundesdurchschnitt 18 Cent mehr für die Haushaltskasse. „Moderne Haushaltsgeräte entlasten nicht nur spürbar die Stromrechnung, sondern tragen gleichzeitig zum verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen bei", betont Dr. Eberhard Meller, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Berlin.3

Doch wer soll die Anschaffung der energiesparenden Neugeräte bezahlen? ALG II-Leistungsbezieher haben bei teuren, energiesparenden Geräten meist das Nachsehen. Der in der Regelleistung vorgesehene Ansparbetrag reicht ohnehin nicht aus, um auf Eigeninitiative der Umwelt und/oder der Stromrechnung zuliebe auf effiziente Neugeräte umzurüsten. So beträgt der Anteil an der Regelleistung, der theoretisch für die Beschaffung von Kühl- und Gefrierschränken sowie Waschmaschinen, Trockner, Spülmaschinen oder gar Bügelmaschinen vorgesehen ist, bei Alleinstehenden sage und schreibe 2,91 Euro monatlich.4

Falls ein defektes Haushaltsgerät mit Hilfe eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II ersetzt werden muss oder wenn eine Beihilfe für Erstausstattung beantragt wurde, werden meist nur geringe Beträge für günstige Haushaltsgeräte als Darlehen übernommen oder Antragsteller werden auf Gebrauchtgeräte verwiesen. Solche Ersatzgeräte erreichen jedoch nicht die Energieeffizienz, die heute auf dem Markt bereits Standard ist. Die defizitäre Leistungsgewährung schreibt somit den Rückstand bei der Energieeffizienz der Haushaltsgeräte von Leistungsbeziehern dauerhaft fort.

Regionale Unterschiede verstärken verfassungsrechtliche Bedenken



Auf dem deutschen Strommarkt gibt es erhebliche Preisunterschiede. Das dokumentiert eine Studie, die Spiegel Online im Januar 2007 veröffentlichte. Der Untersuchung zufolge betragen die Preisunterschiede zwischen den Stromanbietern bis zu 54 %.5

Eine aktuelle Erhebung des Wirtschaftsministeriums NRW von April 2007 stellt zudem fest, dass die Strompreise im ersten Quartal 2007 in NRW um rund 10 % gestiegen sind, in einzelnen Gebieten sogar um über 20 %. Hierdurch dürften sich die bestehenden regionalen Unterschiede weiter verschärft haben.6

Betrachtet man die ungleichen Marktbedingungen, die durch einen bundesweit einheitlichen Regalsatzanteil auf niedrigstem Niveau abgefangen werden sollen, mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz, dann bestehen erhebliche Zweifel, ob die Praxis der Leistungsgewährung nach dem SGB II und SGB XII noch verfassungsgemäß ist.

So spricht das Bundesverfassungsgericht von einem Verstoß gegen Art. 3 GG, „ wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten” (BVerfGE 55, 72 [88ff]).

Wäre in allen Regionen der Grundpreis für den Haushaltsstrom und auch die Verbrauchskosten gleich hoch, wäre eine Gleichbehandlung bei der Bemessung der Eckregelsätze gegeben. So aber, haben diejenigen, die in den „teuren” Regionen leben, tatsächliche Nachteile und werden gegenüber den anderen Leistungsbeziehern, die für den gleichen Stromverbrauch weniger bezahlen müssen, deutlich benachteiligt. Es kann hier auch kein sachlicher Grund gefunden werden, warum die einen besser als die anderen gestellt werden.

Doch wie weit schränkt der Gleichheitsgrundsatz die Kompetenzen des Gesetzgebers bei der Gestaltung staatlicher Fürsorgeleistungen ein?

Der kompromisslosen Auslegung des oben zitierten Bundesverfassungsgerichtsurteils steht eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. November 2006 entgegen. Das Gericht befand hier, dass es grundsätzlich zulässig sei, „Bedarfe gruppenbezogen erfassen und eine Typisierung im Massenverfahren vorzunehmen. […] Angesichts der offiziellen Schwierigkeiten, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein auch unter Einbeziehung des ’soziokulturellen Existenzminimums’ sachgerecht zu bestimmen, können Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Angemessenheit und der Gewichtung einzelner Größen keine entscheidende Rolle spielen…” (Urteilsbegründung Az: B 11b AS 1/06 R, Rz. 49, 52).

Inwieweit die Sozialgerichte, die in den oben genannten Entscheidungen ja bereits deutlich an der Bemessungsgrundlage der Regelleistung gerüttelt haben, regionale Unterschiede bei den Energiekosten und die hierdurch verursachte Ungleichbehandlung von Leistungsbeziehern in ihre Entscheidungen mit einbeziehen werden bleibt abzuwarten. Das Thema Energiekosten und die daraus resultierende chronische Unterdeckung der Bezieher von Sozialleistungen bergen jedoch sozialpolitischen Sprengstoff, der die Sozialgerichte auch weiterhin beschäftigen wird.

Fazit



Auch in der Systematik einer starren Regelleistung, die sich aus einem Set pauschalierter Bedarfsabteilungen zusammensetzt, muss im „typisierten Massenverfahren” gewährleistet sein, dass einzelne Positionen bedarfsgerecht abgebildet werden. Solange dies im Falle der Energiekosten – wie übrigens auch in anderen Bereichen – noch nicht durch eine deutliche, an der tatsächlichen Preis- und Verbrauchsentwicklung orientierten Erhöhung der entsprechenden „Pauschale” geschieht, bleibt nur die Berücksichtigung der Energiekosten nach den Besonderheiten des Einzelfalles.

Müssen die Regelleistungen individuell angepasst werden, um tatsächlich sicherzustellen, dass der schmale Grenzbereich zwischen der Möglichkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und der Unterschreitung des Existenzminimums nicht bewusst überschritten wird, so ist der Differenzbetrag zunächst individuell einzufordern. Im Ergebnis bedeutet das, dass Leistungsbezieher die Übernahme des angemessenen Energieverbrauchs oberhalb von 21,75 Euro im Rahmen der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II beantragen und diesen Anspruch notfalls auch vor Gericht durchsetzen. Nur eine klare Rechtsprechung, die die Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums aufzeigt, wird den Gesetzgeber zum Handeln zwingen. Die oben dargestellten Urteile sind deshalb aus Betroffenensicht erfreulich und richtungsweisend.

Eher als Notwehr ist dagegen die Übernahme der Energieschulden als Darlehen nach § 23 Abs. 1 und § 22 Abs. 5 SGB II anzusehen, denn von der Möglichkeit die Ansprüche nach § 44 SGB II zu erlassen, werden die Leistungsträger auch in Zukunft kaum Gebrauch machen. Die Erfahrungen mit der Darlehensvergabe für unabweisbaren Bedarf machen jedoch deutlich, dass auch die Aufrechnung der Tilgung mit der Regelleistung immer wieder zu Bedarfsunterdeckung führt, selbst wenn die Tilgungsrate auf maximal zehn Prozent der Regelleistung begrenzt ist.

Um die Stromfresser und die mit ihnen verbundenen Mehrkosten mittelfristig aus den Haushalten von Leistungsbeziehern zu verbannen, wird es nötig sein die gängige Gewährungspraxis bei notwendigen Anschaffungen und Erstausstattungen (§ 23 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB II) zu korrigieren. Die müsste folglich derart ausgestaltet sein, dass die gewährten Beträge ausreichen, um Geräte zu beschaffen, die mindestens die Voraussetzungen der Stromeffizienzklasse A erfüllen. Zudem bestünde die Möglichkeit, Leistungsbezieher im Rahmen einer Beihilfekampagne mit energiesparenden Haushaltsgeräten auszustatten. Solange Energiekosten jedoch nur als gedeckelte Pauschale erstattet werden, fehlen für die Träger der Leistungen jedoch jegliche Anreize solche Investitionen in die Zukunft zu tätigen.

Schließlich stellt sich in Bezug auf den Gleichheitsgrundsatz die Frage, ob angesichts der gravierenden Preisunterschiede für Haushaltsenergie von über 50 %, die Bemessung der Energiekosten als Pauschale in der Regelleistung noch vertretbar ist. Denkbar wäre z.B., analog zum regionalen/lokalen Mietspiegel einen regionalen Preisindex für Haushaltsenergie zu erstellen und angemessenen Energieverbrauch dementsprechend bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen.

Explodierende Energiekosten führen regelmäßig zur Bedarfunterdeckung. Sie sind aber nur eine Ursache unter vielen, die dazu führen, dass es mit dem staatlich definierten Existenzminimum vorn und hinten zum Leben nicht mehr reicht. Nur eine sofortige drastische Erhöhung der Regelleistung kann hier wirksam Abhilfe schaffen.

Fußnoten


1) Quelle (Tabelle 1-3): www.energiesystem.de/Auswahl/Kompetenzen/Elektro/Stromkosten/Stromverbrauch/hauptteil_stromverbrauch.html



2) Quelle: www.strom.de/vdew.nsf/id/DE_Verbraucher_koennen_Stromkosten_senken





4) Vgl. Der Regelsatz nach Hartz IV, Zusammenstellung von Frieder Claus, Diakonisches Werk Württemberg, 2007



5) Quelle: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,461345,00.html



6) Quelle: www.wirtschaft.nrw.de/2000/2100/2110/070405/index.php, hier findet sich außerdem eine Übersicht zur Energiepreisentwicklung: www.wirtschaft.nrw.de/zAblage_PDFs/Tabelle_Strompreise_2007_.pdf



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