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ALG II Formular - Gravierender Verstoß gegen den Sozialdatenschutz

Nun liegt der ALG II - Antrag der kritischen Öffentlichkeit vor.

Wir haben das Machwerk unter dem Aspekt des Sozialdatenschutzes betrachtet.

Dabei konnten wir schon in einer ersten Prüfung der 16 Seiten zehn zum Teil schwerwiegende Verstöße feststellen.

In einer ersten Stellungnahme äußerte sich der Bundesdatenschutzbeauftragte dazu mit dem Kommentar „da ist einiges schief gelaufen”. Konkreter wurde er in einer Pressemitteilung vom 5. Juli 04. Entscheidend ist nun welche Maßgaben im Detail er der BA macht.

Gefragt ist nun aber vor allem die Bundesagentur für Arbeit. Hier muss nachgebessert werden!

In einem offenen Brief vom 05.07.2004 wendet sich Tacheles direkt an Herrn Weise und Herrn Alt von der BA. Wir fordern Konsequenzen. Die Anträge müssen wieder eingestampft oder geschwärzt werden.

Sollte dies aus Zeitgründen nicht möglich sein, erwarten wir eine mediale Verbreitung, welche Teile des Antrages nicht auszufüllen sind.

Denn auch für ALG II Leistungsberechtigte gilt der gesetzliche verankerte Datenschutz. Und zwar sowohl in Bezug auf die Anträge als auch auf die angekündigten Hausbesuche!

Tacheles – Online Redaktion
Harald Thomé und Regine Blazevic

Datenschutzrechtliche Verstöße beim ALG II – Formular

Zusatzblatt 2 - Einkommenserklärung / Verdienstbescheinigung



Hier wird auf der ersten Seite nach den Einkünften der Angehörigen in der Bedarfsgemeinschaft gefragt und auf der Rückseite ist die Verdienstbescheinigung für den Arbeitgeber platziert.

Auf diese Weise kann der Arbeitgeber die finanziellen Verhältnisse der anderen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen erfahren, die ihn weiß Gott nichts angehen. Die Koppelung dieser beiden Formulare ist äußerst unglücklich und verstößt gravierend gegen den Datenschutz.

Zusatzblatt 2 - Einkommenserklärung / Verdienstbescheinigung



Auf der Seite zwei wird der Arbeitgeber aufgefordert den Verdienst eines Arbeitnehmers zu bescheinigen. Das Sozialgesetzbuch X ist hier eindeutig: gem. § 67 a Abs. 2 SGB X sind Sozialdaten beim Betroffenen selbst zu erheben. Nur wenn es begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Betroffen gibt, ist es zulässig die Daten bei Dritten, hier dem Arbeitgeber, zu erheben (§ 21 SGB X).

In der Regel sind die Einkünfte des Antragstellers problemlos über Gehaltsabrechnungen, Arbeitsvertrag und ggf. sogar Kontoauszüge nachzuweisen.

Dem Arbeitgeber wird durch die Vorlage der Verdienstabrechnung ohne Grund und Notwendigkeit bekannt, dass der Arbeitnehmer selbst ergänzende ALG II - Ansprüche hat oder in einer Bedarfsgemeinschaft mit ALG II - Bedürftigen lebt.

Die generelle und unbegründete Datenerhebung bei Arbeitgebern in Form einer Zwangsvorlage der Verdienstbescheinigung verstößt eindeutig gegen den Sozialdatenschutz und ist daher nach unserer Auffassung unzulässig.

Die Folgen sind gravierend. Dem Arbeitnehmer drohen durch das Bekanntwerden des ALG II - Bezuges weitere unzumutbare Nachteile. Im Wissen des ALG II - Bezuges und der scharfen Sanktionen durch dieses Gesetz ist er vielfältig erpressbar, zum Beispiel im Rahmen einer Neueinstellung hinsichtlich der Vergütung; und es ist davon auszugehen, das dies einige Arbeitgeber leidlich zum Nachteil der Betroffenen ausnutzen werden.

Die BA hat daher von der Verwendung dieses Formulars dringend Abstand nehmen.

Antragshauptbogen BA ALG II - Bogen A 1 - 2004.07



In dem Antragsbogen wird unter VIII. nach Adressen und weiteren Informationen unterhaltspflichtiger Angehöriger außerhalb der Haushaltsgemeinschaft gefragt.

Diese undifferenzierte Fragestellung ist unzulässig und verstößt gegen den Sozialdatenschutz.

Ein Unterhaltsübergang darf nur bei unter 25-Jährigen die noch keine Ausbildung abgeschlossen haben und bei Personen die vor dem ALG II - Antrag einen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch geltend gemacht haben, erfolgen.

In der Vielzahl der anderen Fälle ist ein Unterhaltsübergang versagt, so bei über 25-Jährigen, Schwangeren, Familien mit Kindern unter dem vollenden sechsten Lebensjahres.

Antragshauptbogen BA ALG II - Bogen A 1 - 2004.07



In dem Antragsbogen wird unter I. darauf hingewiesen, dass im, Falle des Nichtvorhandenseins eines Kontos und wenn der Antragsteller auch keines eröffnen kann, der Betreffende darüber eine Bescheinigung der Bank oder der Sparkasse vorzuweisen hat.

Diese Aufforderung erscheint gegen den Datenschutz zu verstoßen und ist auch aus anderen Gründen nicht Gesetzeskonform.

Diese Abfrage zielt auf die Regelung des § 42 SGB II, nach der ein Berechtigter keinen Ersatz für Überweisungskosten zu tragen hat, wenn er nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden kein Konto bekommt.

Dem ist Entgegen zu halten, dass gem. § 64 II SGB X alle Leistungen aus Anlass der Erbringung einer Sozialleistung, so auch Leistungen nach dem SGB II, grundsätzlich kostenfrei sind.

Eine andere Regelung, wie jetzt in § 42 SGB II wird auch aufgrund des Vorbehaltsverbotes des § 37 SGB I unzulässig sein.

Antragshauptbogen BA ALG II - Bogen A 1 - 2004.07



In dem Antragsbogen wird unter X. gefragt, ob der Antragsteller oder die in Haushaltsgemeinschaft Lebenden schon früher Leistungen nach dem SGB III oder BSHG beantragt oder bezogen haben.

Für die Leistungsgewährung ist allerdings nur erheblich, ob der Antragsteller oder die in Bedarfsgemeinschaft Lebenden derzeitig anspruchsberechtigt und bedürftig im Sinne des SGB II sind.

Diese Frage ist daher unzulässig und nur von dem Motiv geprägt mehr Daten über die Antragsteller zu ermitteln.

Es bestehen auch hier erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass keine zeitliche Einschränkung der Datenerhebung vorgenommen wurde.

Zusatzblatt 1 BA ALG II - Z1 - 2004/07



In dem Antragsbogen wird unter der Rubrik „Antragsteller” die Telefonnummer und/oder E-Mail Adresse abgefragt. Für diese Anfrage wird zwar als Grund genannt, das die Abfrage zwecks Rückfragen erfolgt, aber nicht ob sie eine Muß oder eine freiwillige Abfrage ist. Für die Leistungsgewährung ist auch diese Abfrage nicht Erforderlichkeit im Sinne des § 67a SGB X, weshalb der Zusatz „freiwillige Angabe” hinzugefügt werden sollte.

Dieser Zusatz erscheint besonders wichtig, da die BA im Jahr 2003 und bisher in 2004 gezeigt hat, dass sie gewillt und fähig ist, die Sperr- und Säumniszeiten zu verdoppeln. Ein Teil von Kontakten und Kontrollen lief dabei fernmündlich. Aus diesem Grunde kann die Weitergabe der Telefonnummer oder Emailadressdaten für die Leistungsempfänger sehr wohl auch problematisch sein. Die Frage ist mindestens mit dem Zusatz der Freiwilligkeit zu versehen.

Zusatzblatt 1 BA ALG II - Z1 - 2004/07



In dem Antragsbogen wird unter der Rubrik „Wohnverhältnisse” in Ziff. 1 nach der Bankverbindung des Vermieters gefragt.

Die Bankverbindung des Vermieters ist für die Leistungsgewährung nur bei Sanktionen gegen unter 25-Jährige erforderlich (§ 31 VI S. 1 SGB II). Gegenüber den anderen Antragstellern greift auch bei ALG II der Sozialdatenschutz. Es darf ohne Zustimmung der Leistungsberechtigten nicht direkt an den Vermieter gezahlt werden.

Im Falle eines Sanktionstatbestandes gegen unter 25-Jährige kann die Bankverbindung später abgefragt werden.

Daher stellt diese Fragestellung auch einen Verstoß gegen den Sozialdatenschutz dar.

Zusatzblatt 1 - BA ALG II - Z1 - 2004/07



In dem Antragsbogen wird unter der Rubrik „Wohnverhältnisse” in Ziff. 3 nachgefragt, ob ein freies Wohnrecht besteht und wenn ja, bei wem.

Dazu ist festzustellen, dass im Falle des Bestehens eines freien Wohnrechtes keine Unterkunftskosten anfallen. Es ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einzusehen, weshalb Daten über den Wohnrechtgewährer erhoben werden sollen, wenn eindeutig feststeht, dass diesbezüglich kein Leistungsanspruch besteht und somit keine Erforderlichkeit im Sinne des § 67a SGB X vorliegt.

Zusatzblatt 1 - BA ALG II - Z1 - 2004/07



In dem Antragsbogen wird unter der Rubrik „Wohnverhältnisse” in Ziff. 7 gefragt,

welche Personen noch im selben Haus wohnen und wie das Verwandtschaftsverhältnis ist. Leistungsrechtlich relevant ist aber nur, welche Personen noch in der Haushaltsgemeinschaft leben und nicht welche im Haus leben.

Diese Fragestellung verstößt auf gravierend gegen den Datenschutz.

Hinweis: Zusatzblatt 2 ist unter Ziff. 1 und 2 dieses Schreibens schon abgearbeitet.

Zusatzblatt 3 - BA ALG II - Z3 - 2004/07



In dem Antragsbogen wird in Ziff. 8 gefragt, ob Vermögen im In- und Ausland verschenkt oder gespendet oder auf eine andere Person übertragen wurde.

Diese Fragestellung ist völlig irreführend, da keine zeitliche Eingrenzung gemacht wird bis zu welchem Zeitpunkt rückwirkend der Antragsteller diese Frage zu beantworten hat.

Ebenfalls irritierend ist, dass keine Einschränkungen hinsichtlich der Höhe der anzugebenden Weitergabe von Vermögen gemacht werden. Soll hier jeder Antragsteller jede Spende in die Kollekte seiner Kirchengemeine oder des Taubenzüchtervereins angeben?

Ohne eine zeitliche Eingrenzung der Weitergabe und die Nennung einer für die Leistung bedeutenden Höhe des Betrages bestehen bei dieser Fragestellung ebenfalls erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit und der Erforderlichkeit im Sinne des § 67a SGB X.

Zusammengestellt von Harald Thomé
Tacheles – Online Redaktion

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